22. Tag im dritten Monat der Sonne (August)
Friedlich strahlt der Mond durch die offenen Fenster und bricht durch die Nebelschwaden, die dank Räucherstäben und Opium durch das gesamte Gemach des Königs wabern. Wenn auch sein Gehirn nicht mehr richtig arbeitet, dann sollte auch sein Geist zur Ruhe kommen, oder?
Aber das glimmernde Pulver reicht nicht mehr. In den Nebelschwaden steht ein Schatten - NEIN! - es ist nur der Vorhang, der sich in der Brise aufbauscht. Doch Ridvan spürt den Blick auf sich - in der Dunkelheit, wo sein Augenlicht ihn im Stich lässt. Zitternd streicht er sich das nassgeschwitzte Haar aus der Stirn und hievt sich aus seinem Sitzkissen. Seine Finger fegen eilig einen Stapel Papiere von seinem Schreibtisch, bis er ein leeres Pergament zu fassen bekommt und seine Feder in das Tintenfass taucht, aber - Ja.
Er muss keinen Brief mehr an den König schreiben, denn seine Bitte und sein Flehen wurde endlich gehört.
Endlich versteht man seine Befürchtungen, seine Angst, seine (un)begründeten Sorgen, sich bald mit seinem Ende konfrontiert zu sehen.
Man glaubt ihm, und mit der
Ankunft der Caderitor-Soldaten soll er bald endlich wieder ruhig schlafen können.
Am
15. August 1016 NDV verfasst @
Belisarius Caderitor einen Einsatzbefehl an die ihm direkt unterstellte Silbergarde, um ins Sommerland aufzubrechen und die unklare politische Lage zu investigieren. Aufgrund der wiederholten Korrespondenzversuche von
Ridvan ben Sahid, der im September seine älteste Tochter nach Castandor verheiraten wird, vermutet man entweder, dass der König endgültig seinen mentalen Löffel abgegeben hat, oder es ist tatsächlich was dran an seiner Angst,
einem Attentat zum Opfer zu fallen.
Nur 3 Tage nach der Ankunft der Silbergarde in Abu Kabir, am
24. August 1016 NDV, erhebt sich ein wütender Mob - bestehend aus Frauen und Straßenkindern - am Hafen und schafft es, das Schiff der Neuankömmlinge in Brand zu stecken. Es ist von Sabotage die Rede und die Verantwortlichen werden festgenommen, woraufhin einem der Unruhestifter die Hand abgeschlagen wird. Solche Auseinandersetzungen werden immer häufiger zwischen Gardisten und Volk gesehen, so wie die verzweifelten Schreie der Männer, die trotz ihrer Bemühungen, sich zu verstecken, durch die Gassen hallen, wenn sie zum nächsten Schiff geschleift werden, das in Richtung des Festlandes ablegt.
Doch die Augen der Straßen sind wachsam. Keine Tat ist ungesehen und kein Schritt wird getan, ohne dass die Schatten nicht wissen, wohin es geht. In den Gassen der Hauptstadt wird immer wieder das gleiche Symbol an die Wände gemalt und jeder Matariyyaner weiß: Die Wüste vergisst nicht, und sie vergibt nicht.
31. Tag im zweiten Monat der Ernte(Oktober)
Naila ist weg. Seit einem Monat spürt Ridvan ihre Abwesenheit wie die Phantom-Präsenz eines abgetrennten Arms, dabei hat er sie doch für seine Sicherheit eingetauscht.
Von der Ferne erreichen ihn Berichte, wie das wirtschaftliche Leben in Dharan al-Bahr nach der Flutkatastrophe
beinahe vollständig zum Erliegen gekommen ist. Viele Frauen haben die Arbeit ihrer Männer aufgenommen, doch wichtige Produktionszweige der Wirtschaft stehen still. Zwar ist die Nahrungsmittelproduktion in den Feldern von Yalewdal noch weitgehend intakt, doch Webstühle oder Gewürzplantagen stehen verwaist.
Nur was hat das alles für eine Bedeutung für einen König, der mittlerweile nur noch seine Tage fristet, bis das Opium ihn holt?
Um Matariyya ist es ruhig geworden. Nachdem die letzten Fuhren der wehrfähigen Männer zu Anfang des Monats abgelegt haben, stehen Märkte leer, Häuser sind verwaist, Menschen fristen in den Schatten und hoffen, dass sie der Hitzetod nicht holt.
Auch in dem Palast scheint Ruhe eingekehrt zu sein - aber vielleicht erreicht Ridvan hier oben in seinem Gemach auch einfach nicht die Verzweiflung seiner Ehefrau @
Yasirah ben Sahid, wie sie versucht, den letzten Rest ihrer Familiendynastie noch zu retten und seine Scherben zusammen zu klauben.
Es ist eine Nacht wie jede andere, in den Gärten des Palastes kein Geräusch bis auf die Nachtigall, die traurig ihr Lied stimmt. Das Knistern des Feuers ist nur eine Begleiterscheinung, bis ein Gardist den Geruch bemerkt und sofort Alarm schlägt.
Die Stadt schläft, der Palast ist in heller Aufruhr über
das Feuer, das gelegt wurde. Niemand hat Zeit, sich auf die Augen zu konzentrieren, die aus den Schatten starren und nur auf das vereinbarte Zeichen warten.
Es ist so weit.
Die Stadt schläft nicht.
Die Wüste vergisst nicht, sie vergibt nicht.
Die Amra Alzili erheben sich.
In dieser Nacht tränkt Blut das Mondlicht, das so friedlich durch Ridvans offene Fenster scheint.
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