12-11-2024, 13:20
Masquerade
Die Tage im Sommerland waren wie der heiße Wüstenwind dahingeglitten – schnell und drückend. Caeus hatte den letzten Akt seiner Pflicht erfüllt: Er hatte Rajivs - eines gefallenen Söldners, eines Mitglieds der Bruderschaft - zerbrechlichen Habseligkeiten an dessen Familie übergeben. Zusammen mit einem Anteil seines Lohnes, eine symbolische Geste, die kaum die Tiefe ihres Verlusts mildern konnte. Ein schwacher Trost für den Tod eines Vaters, Bruders und Sohnes, doch zugleich mehr, als viele je erhalten würden. Vor allem nach der Flutwelle, würden sie es gebrauchen können.
Caeus war kein Wohltäter, doch er wusste, dass wahre Führung mehr erforderte. Es war nicht nur seine Pflicht, für den Erfolg der Bruderschaft zu sorgen, sondern auch, die letzten Wünsche seiner Söldner zu respektieren.
Er kümmerte sich um diese Dinge selbst, ließ keine Details unbeachtet, nicht, weil es ihm ein persönliches Anliegen war, sondern weil er wusste, dass das den Unterschied ausmachte.
Die Gespräche mit den Hinterbliebenen, die Sorge um das, was nach dem Tod eines Kriegers blieb – all das gehörte zu seiner Verantwortung.
Die Schritte des Söldners führten ihn an den Stallungen vorbei. Das Gespräch mit einem der fahrenden Händler war zufriedenstellend verlaufen, und Caeus wusste nun, dass er in den kommenden Tagen erneut auf Reisen gehen würde. Zum Hafen und von dort auf das Festland. Er freute sich, bald wieder in die Heimat zurückzukehren. Auf seine Tochter und auch auf Tiberius, dessen Zustand ihm von Jahr zu Jahr mehr Sorge bereitete. Der erfahrene Söldner erblindete zusehends, seine Muskeln versagten und das Alter zeichnete sich immer deutlicher auf seinem Gesicht ab. Ihn in einem solchen Zustand zu sehen, schmerzte den Valerius auf eine seltsame Weise – eine Art Schmerz, den er nicht ganz zu fassen vermochte, aber der ihn dennoch tief traf.
Diesen Gedanken mit einem entschlossenen Ruck beiseite schiebend, betrat Caeus das nächste Gebäude – ein Bordell, das ihm schon einige Male Zuflucht gewährt hatte. In einer Welt, die von Schlachten, Verlusten und Verantwortung geprägt war, bot der Körper einer schönen Sommerländerin vielleicht für einen flüchtigen Augenblick eine Auszeit. Ein Moment, um die Anspannung der letzten Tage und Wochen abzulegen, die Gedanken zu entwirren und für kurze Zeit nicht der Mann zu sein, der er nun einmal war. Vielleicht würde er in dieser Vergänglichkeit etwas finden, das ihm für den Moment Frieden brachte, bevor er sich erneut auf den langen, beschwerlichen Weg zum Hafen begab.
Er bestellte ein Bad und ließ sich von einer Dame führen – deren Name, wie bei so vielen, ihm entglitten war. Sie führte ihn in einen der vielen, schummrig erleuchteten Räume. Der Kerzenschein flackerte an den Wänden und malte tanzende Schatten, als ob auch das Licht sich nicht ganz entscheiden konnte, welche Geschichte es erzählen wollte. In der Mitte des Raumes stand eine dampfende Wanne, deren Wasser in sanften Wellen plätscherte, während der Duft von ätherischen Ölen den Raum erfüllte.
„Sie kommt gleich.“, ihre Stimme war leise. Natürlich gab man ihm einen Moment für sich, die Zeit, die er für sich brauchte, bevor er sich der nächsten Ablenkung hingab. Caeus nickte kaum merklich und ließ sie mit einer Geste der Höflichkeit wieder gehen.
Er stand für einen Moment da, die Augen auf die dampfende Wanne gerichtet, doch der Wunsch nach Erholung war flüchtig. Der Raum war warm, der Dampf stieg in die Luft, aber in seinem Inneren war es nicht wirklich still. Der Moment der Ruhe, den er suchte, war wie der Dampf in der Wanne – ein flüchtiges Vergnügen, das schnell wieder verflog, ohne wirklich zu bleiben. Es war nicht, dass er keine Freude an solchen Augenblicken fand, doch in seinem Herzen wusste er, dass sie nur eine Ablenkung waren, ein kurzer Flimmer von Frieden inmitten der immerwährenden Schatten, die ihn verfolgten.
Er trat näher an die Wanne, seine Hände glitten sanft durch das heiße Wasser, als wollte er sich selbst in diesem Moment verlieren. Die Hitze drang tief in seine Finger, ließ ihn den flimmernden Widerstand des Wassers spüren. In den Sommerlanden, dachte er mit einem Hauch von Ironie, konnte es einen nie frieren, welch Verschwendung das heiße Wasser war. Doch dieser Gedanke war verblasst, als sich die Tür öffnete. Ein leises Knarren, das für einen Moment die Stille durchbrach.
Langsam hob er den Blick, als zögere er, als hätte ihr plötzliches auftauchen einen Gedanken ernsthaft gestört.
Ihre Augen trafen seine. Ihre Schönheit war anders, einzigartig. Caeus ließ seinen Blick über sie wandern. Ihre Haut, die in diesem Licht fast wie flüssiges Gold wirkte, hatte eine Fremdheit, die ihn neugierig, ja hungrig machte. Ihr exotisches Aussehen, die weichen Rundungen ihrer Silhouette – alles an ihr war ein Versprechen.
Er spürte, wie das Verlangen in ihm aufstieg, sich in seinen Adern breit machte und seine Gedanken verschwimmen ließ. Ihre Präsenz war mehr als nur ein Blick, mehr als nur der Raum, den sie einnahm – sie war ein Gefühl, das er tief in seinem Inneren erlebte, ein Gefühl, das ihn ganz einnahm. Und er wusste, dass er sich diesem Moment nicht entziehen konnte, geschweige denn wollte. Es war die Ablenkung, die er gesucht hatte.