Facing the Storm
Dance the Night away - Druckversion

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RE: Dance the Night away - Aurelia Marsili - 06-06-2025

Eigentlich ließ sich Aurelia ungern etwas vorschreiben von jemandem, den sie als ebenbürtig betrachtete - schon gar keine Richtung, wenn sie auch einfach ihrer Nasenspitze folgen konnte, mit einem gesunden Vertrauen in ihre Füße, sie schon irgendwohin zu tragen. Aber manchmal, da lohnte es sich, jemandem die Führung zu überlassen, und manchmal, wenn dieses Manchmal Caeus hieß, dann machte es mehr Mühe, sich ihm zu widersetzen, als sich einfach zu fügen. Das hatte der Söldner wohl so an sich, diese natürliche Ruhe eines Anführers, oder vielleicht hatte er einfach nicht genug Wein getrunken, was die Wirtstochter durchaus gerne ändern würde, wenn… Ah, es gab also doch noch Wein. Schulter an Schulter zwischen Menschen, mit einem stetigen Zug an ihrer Hand durch die warme Menge, stibitzte sie einen Becher von einem der Feiernden mit ihren Fingerspitzen, ehe sich die Menge lichtete und sie dem Beklauten einen fuchsigen Blick über die Schulter zuwarf. Danke, formte sie mit den Lippen und hielt den Blick, während sie den Becher anhob und sich an dem Wein bereicherte. Genauso herb wie der Mann, der ihr hinterher starrte, als sie sich schon von der Menge entfernte und ihn vergessen hatte.
“Hier”
, reichte sie Caeus den halbvollen Becher, nachdem sie zu ihm aufgeschlossen hatte und auf gleicher Höhe lief.
“Dann bin ich gespannt, was dein altes Gehirn noch alles behalten hat.”
Sie meinte es doch nicht so. Aurelia hatte immer einen frechen Spruch auf den Lippen, an der Grenze zur Provokation, aber wenn sie schon so weit ab ihres normalen Alkoholpegels war, konnte man es ihr ja kaum übel nehmen, oder? Mit leichten, federnden Schritten hielt sie mit dem Tempo des Älteren mit, wobei sie weitaus mehr in Bewegung schien als seine robuste, vom Kampf geformte Gestalt. Gleichzeitig hatte sie sehr viel weniger Aufmerksamkeit übrig für ihre Umgebung, mit dem natürlichen Vertrauen einer Stadtbewohnerin, die hier geboren und ihr ganzes Leben hier verbracht hatte. Die Weggabelung erkannte sie zum Beispiel, an den Gebäuden, die sich in warmem Licht um die Straße schmiegten, und der Beschaffenheit des Bodens, warte… Hatte sie eine Sandale verloren??
Was war das auch für eine Frage, die Caeus ihr da stellte - sicher keine, mit der sie sich heute aktiv auseinandergesetzt hatte, und auch nicht das Bedürfnis hatte, das zu ändern. Mit großen Augen erwiderte sie seinen Blick, die Lippen nur einen Spalt geöffnet, als würde sie mehr an seinem Gesicht hängen als an seinen Worten. Vertraust du mir?
“Ach Caeus.”
Tatsächlich ließ sie sich von ihm abhängen; etwa fünf Schritte, ehe ihr Rock raschelte und sie wieder zu ihm aufschloss.
Caeus Velarius.
In seinem Namen lag eine Selbstverständlichkeit, ein Ist das nicht glasklar, ob ich dir vertraue?, und tatsächlich stand es ihr regelrecht ins Gesicht geschrieben. Da Aurelia nicht ganz so sicher auf den Füßen war wie er, schob sich eine Hand um seinen Arm, während die andere ihn sachte berührte wie eine Bestätigung, dass er hier war - eine Bestätigung, dass er real war.
“Ich schließe jetzt die Augen. Wenn ich falle, ist das deine Schuld.”
Und weil er sie sowieso nicht aufhalten konnte, tat sie genau das. Mit einem weichen Lächeln im Gesicht und der neuerlichen Erkenntnis, dass sie tatsächlich eine Sandale verloren hatte, begrüßte sie die schwere Dunkelheit und ließ sich blind von ihm führen.



RE: Dance the Night away - Caeus Valerius - 08-06-2025

Dankend nahm Caeus den Becher entgegen und trank einen großen Schluck. Der Wein war fremd, aber gut – und für einen Söldner wie ihn zählte ohnehin mehr der Moment als der Geschmack. In all den Jahren hatte er gelernt, sich an vieles zu gewöhnen: an den schweren, herben Met des Winterlandes ebenso wie an den süßen sommerlichen Wein und all die zweifelhaften Gebräue dazwischen.
Ihr Kommentar über sein Alter entlockte ihm ein schiefes Schmunzeln. In der Tat war seine Zeit in Castandor lange vergangen – mehr als zwanzig Jahre, wenn er sich recht erinnerte. Doch manche Gassen dieser Stadt schienen der Zeit zu trotzen. Und jenes Haus, das er nun ansteuerte, würde vermutlich noch stehen, wenn sie alle längst zu Staub geworden waren. "Vom Alter kannst du noch was lernen", konterte er trocken, ein leises Schnauben in seiner Stimme. Nicht beleidigt – eher amüsiert über die Selbstverständlichkeit, mit der junge Menschen glaubten, alles läge noch vor ihnen.

Die Gasse, durch die sich Caeus schob, schien die Nacht in eine andere Art Dunkelheit zu hüllen – dichter, schwerer. Für einen Moment war Aurelias Schritt hinter ihm verstummt, und ohne ihre Präsenz wirkte der schmale Durchgang beinahe wie ein vergessener Ort. Kein Licht hinter den geschlossenen Fensterläden. Stoffbahnen, noch immer zwischen den Häusern gespannt, verdunkelten den Himmel und ließen den Söldner unter ihnen wie durch einen Tunnel gehen – in eine Welt, die ihn seltsam vertraut empfing. Ein Hauch von Heimat, dachte er. Nicht im eigentlichen Sinn, aber in jenem kalten, nüchternen Gefühl, das sich in der Brust ausbreitete, wenn man wusste, dass man all das hinter sich gelassen hatte. Hier, wo man mit dem Rücken bereits zur Wand stehen musste – hier fühlte sich sein Instinkt lebendig.
Dann trat Aurelia wieder an seine Seite, und ihre Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass sie ihm vertraute. Vielleicht mehr, als sie sollte. Ein schiefer Zug spielte um seine Lippen. Verrückt. Sie kannten sich. Ja. Doch nicht gut genug, um zu wissen, was er getan hatte, was er tun würde – nur um einen Auftrag zu erfüllen, oder schlicht, um zu überleben. Sie kannte nicht den Caeus, der keine Fragen stellte, wenn das Gold stimmte. Der gelernt hatte, sich selbst zu retten – und dabei oft genug über Leichen ging. Und trotzdem war sie hier. Neben ihm. Mit diesem Ton in der Stimme. Er warf ihr einen Seitenblick zu, ehe sein Blick wieder nach vorn glitt – dorthin, wo die Schatten dichter wurden. "Keine Sorge, der alte Mann hat noch ein paar Reflexe und fängt dich auf wenn du fällst.", erwiderte er Kopfschüttelnd und legte eine Hand auf die, die an seinem Arm ruhte.

Er führte sie wortlos weiter, bog noch zwei Mal in enge Seitenwege ab, bis sich die Gasse schließlich öffnete. Dann blieb er stehen – so plötzlich, dass Aurelia unweigerlich ebenfalls innehalten musste. Vor ihnen erhob sich das alte Gebäude, das sich wie ein dunkler Schatten gegen den Nachthimmel abzeichnete. Eine Kathedrale, zumindest der Form nach. Ihre Türme ragten stumm in die Höhe, das Mauerwerk trug die Narben von Jahrzehnten, vielleicht Jahrhunderten.
Caeus hob den Blick. Da war sie wieder, diese stille Ehrfurcht, die ihn in den seltensten Momenten überkam. Nicht vor Göttern – an die hatte er nie recht geglaubt. Sondern vor der Zeit. Vor dem, was geblieben war, obwohl so vieles gegangen war. "Als Jungs sind wir da raufgeklettert", murmelte er, mehr zu sich selbst als zu ihr. Ein kaum hörbares Lächeln ließ seine Stimme für einen Wimpernschlag weicher klingen. "Bis zum Glockenbalken. Wer zuerst oben war, hat den anderen die Woche über das Bier gezahlt." Er nickte vage nach oben, als könne er den Weg mit bloßem Blick noch erkennen. Damals war das Klettern ein Spiel gewesen, eine Mutprobe – heute würde er es sich sparen. Nicht nur, weil seine alten Verletzungen anders sprachen, sondern weil der Reiz des Spiels nicht mehr derselbe war. Dann wandte er sich ihr zu, musterte sie einen Moment im Zwielicht. "Willst du sehen, was man von dort oben sieht?"


RE: Dance the Night away - Aurelia Marsili - 20-06-2025

Ob es eine gute Entscheidung war, einem bekannten Söldner blind zu vertrauen — wortwörtlich? Mehr als das waren sie nicht, Bekannte. Vielleicht welche, die gewisse Körperstelle besser kannten als andere, sich auf einer Ebene kennen gelernt und den anderen Ebenen deswegen weniger Chance gegeben hatten, sich zu vertiefen. Eigentlich wusste es Aurelia besser, als jemandem ihr Leben in die Hand zu geben, der sie in der Taverne besucht hatte, der wusste, wie sie sich bezahlen und bestechen ließ. Ja, die Uhrzeit machte ihre Urteilsfähigkeit nicht besser. Ja, Alkohol benebelte ihren Kopf gerade noch genug, dass es ihr Selbstbewusstsein in die Wolken katapultierte. Ja, sie war in diesen Straßen aufgewachsen und würde wohl behaupten, dass sie wusste, welche Worte sie schreien musste, um die Aufmerksamkeit der umliegenden Häuser zu gewinnen. Aber in den Worten, so leichtfertig dahin gesagt und begleitet von einem Schulterzucken, weil er sie so komisch von der Seite anguckte, lag vor allem eine Wahrheit: Aurelia ließ schöne Menschen definitiv mit mehr durchkommen, als ihnen zustand.
Und zugegeben, auf dumme Ideen kam sie auch ganz ohne Caeus Zutun. Schwer schlossen sich ihre Lider und öffneten Aurelia eine neue Welt aus Schatten, Geräuschen und den kleinen Steinen unter ihren Fußsohlen. Unweigerlich lehnte sie sich in die Wärme zu ihrer Seite, aber sie übergab dem Söldner nicht vollständig die Kontrolle und ließ sich nicht von ihm ziehen. Ihre Schritte waren sicher, vielleicht hin und wieder von einem kleinen amüsierten Kichern begleitet, weil ein unerwarteter Schatten über ihre Augen huschte, aber mit dem Selbstbewusstsein einer Frau, die schon oft blind durch die Gegend gelaufen war. Es war wie früher, als sie das gleiche Spiel mit ihrer Schwester gespielt hatte, Hand in Hand die eine mit einer Binde um die Augen, weil sie sonst schummelten (oder zumindest davon überzeugt waren, dass die anderen schummelten). Während die eine also den verzwicktesten Weg wie nur möglich durch die Gassen suchte, achtete die andere auf jede Abzweigung, jedes Geräusch, jeden Geruch. Und auch jetzt, trotz fehlender Augenbinde, erwischte Aurelia sich dabei, wie sie den Richtungswechseln aufmerksam folgte und versuchte, die Richtung zu erraten, die sie anstrebten. Trotzdem gab sie einen überraschten Laut von sich, als sie abrupt stehen blieben.
Als sie die Augen wieder öffnete, war nicht die Kathedrale das Erste, was sie ins Auge fasste. Bei dem Anblick des mit Marmor bekleideten Platzes vor der Kathedrale kräuselte sich ihre Nase.
„Hm, hab mir schon gedacht, dass du hierhin willst.“
Es lag kein Urteil in ihrer Stimme, kein Du hättest dir ruhig was Ausgefalleneres überlegen können. Hier ging es ja auch nicht um Caeus, sondern um den Test, dem sie sich selbst unterzogen hatte; der Beweis, dass Zeit einen nicht gleich alt machte, und Gewohnheit tiefer in den Knochen steckte als regelmäßiges Üben. Dann glitt ihr Blick rüber zu ihm und wenig später legte auch sie ihren Kopf in den Nacken, die Spitze des Glockenturms betrachtend, wie er sich dunkel und mächtig vom Sternenhimmel abhob.
„Das ist ganz schön hoch. Runterfallen war wohl keine Option, hm?“
, kommentierte sie seine Geschichte und konnte nicht verhindern, sich zu vergleichen. Ob sie das Gleiche getan hätte, hätte man sie dazu herausgefordert? Mit einem langen Rock, am besten noch in Sonntagsmanier, wäre Mutter Glück wahrscheinlich weniger auf ihrer Seite gewesen.
Ein aufkeimendes Gefühl kitzelte sie, und wieder kräuselte sie ihre Nase, während sie den Haarknoten auf ihrem Kopf noch einmal etwas fester zog.
„Klar, warum nicht“
, zuckte sie mit den Schultern und nahm das unterschwellige Angebot an. Kaum zwei Schritte, die sie gegangen war, blickte sie noch einmal über die Schulter und schenkte Caeus einen Blick, in dem der Schalk tanzte, nur ein Versprechen auf den Lippen:
„Ich bin mir sicher, der Anblick wird anders sein, als du ihn in Erinnerung hast.“
Natürlich war Aurelia nicht lebensmüde genug, um es den Erzählungen gleichzutun und sich am Klettern zu versuchen. Mit nüchternem Kopf, vielleicht, mit mehr Gefühl für Gleichgewicht und einer besseren Sicht auf die Vorsprünge in den Mauern. Aber sie hatte nicht überhört, wie ein kleiner Anflug von Nostalgie in Caeus Stimme festgesessen hatte, und eventuell war sie noch nicht fertig damit, ihn aufzuziehen und zu provozieren, bis er doch ein wenig von dem jungen Geist zeigte, der da noch irgendwo in dieser alten, verhärteten Schale steckte. Kaum hatten sie die Hälfte des Platzes überquert, da wandte sie sich ihm doch noch einmal zu. Es war der Moment vor dem Aufbruch, der stille Moment vor der Explosion, und Aurelia verriet ihr Vorhaben wahrscheinlich schon, bevor sie ihren Rock in die Hände nahm und plötzlich los sprintete.
„Wer als letzter oben ist, ist ein alter Mann!“
, hallte ihre Stimme über den Platz, da riss sie auch schon das Kathedralentor auf.



RE: Dance the Night away - Caeus Valerius - 26-06-2025

"Bin ich etwa so leicht zu durchschauen?" Ein leiser Zug von Spott schwang in seiner Stimme mit, doch seine Miene blieb für einen Moment ungewohnt offen – als wäre er nicht der Söldneranführer und sie nicht das Schankmädchen, dass ihm immer Mal ein paar nützliche Informationen zuspielte. Caeus wandte den Blick ab, sein Kiefer spannte sich leicht, als er die mächtige Kathedrale betrachtete, die sich mit ihren finsteren Türmen gegen den Nachthimmel reckte. Ein steinernes Monument aus einer anderen Zeit, schwer von Geschichte und Schuld. Sie erinnerte ihn daran, warum er so selten hierher kam.
Er schnaubte leise, kaum mehr als ein Laut der Erleichterung oder des stillen Spottes über sich selbst – schwer zu sagen. "Wir hatten vermutlich mehr Glück als Verstand. Keiner kam zu Schaden." Die Worte waren nüchtern, fast beiläufig dahingesprochen. Caeus’ Blick blieb an Aurelia haften, durchdringend, als wolle er zwischen ihren Gedanken hindurchsehen, tiefer, dorthin, wo Pläne geboren wurden, bevor sie ausgesprochen waren. Aber sie war wie der Wind über den Gipfeln von Farynn – unberechenbar. Stets versucht zu drehen. Vielleicht war das es, was ihn an ihr gleichermaßen reizte wie misstrauisch machte: Diese Ruhe, hinter der es brodeln konnte, dieser Hauch von Schalk in der Stille. Dem jungen Caeus hätte sie vermutlich mühelos das Herz gestohlen — mit einem Lächeln, einem unbedachten Wort, einem flüchtigen Blick, der mehr versprach, als er preisgab. Und er hätte es ihr gegeben, ohne zu zögern. Hätte sich Hals über Kopf in ihren Sturm geworfen, ohne an den Aufprall zu denken. Heute war er anders. Härter. Er ließ sich nicht mehr so leicht verzaubern von jugendlicher Unbedachtheit — doch das bedeutete nicht, dass sie ihn nicht dennoch mitriss. Nicht wie früher. Nicht mit naivem Glanz in den Augen. Sondern mit dem fahlen Licht der Erinnerung an das, was einmal möglich gewesen wäre.

Ein leiser Laut, fast wie ein Schnauben, löste sich aus seiner Kehle — zu gleichen Teilen Belustigung und Resignation. Sie spielte mit ihm, das wusste er. Wie eine Katze mit einer Maus, bei der nicht ganz klar war, wer hier eigentlich wen studierte. "Davon gehe ich aus." Caeus’ Schritte hallten dumpf auf dem Pflaster, als er sich in Bewegung setzte. Die Kathedrale ragte vor ihnen auf wie ein drohendes Monument, doch seine Aufmerksamkeit galt weniger der massiven Architektur als der Frau, die ihm vorausging.
Jede ihrer Bewegungen war ein Versprechen – oder eine Erinnerung. Der Schwung ihrer Hüften sprach eine Sprache, die er längst zu verstehen gelernt hatte. Als sie stehenblieb und den Rock leicht raffte, hielt auch er kurz inne. Der Ausdruck in ihren Augen traf ihn wie eine stumme Provokation – nicht laut, aber offensichtlich. Ein schwaches Schmunzeln zupfte an seinen Mundwinkeln und er zog eine Augenbraue hoch. "Du glaubst also wirklich...", begann er, ehe sie auch schon losstürmte. Caeus dachte nicht lange nach, augenblicklich setzte er der jungen Frau nach, folgte ihr mit großen Schritten und kam kurz hinter ihr an der Kathedrale an. Er erreichte die Kathedrale im nächsten Atemzug, und mit einer einzigen, flüssigen Bewegung schob er sich durch den schmalen Spalt zwischen der sich schließenden Tür und der Mauer. Das Knarren des alten Holzes hinter ihm wurde verschluckt von einer Stille, die so dicht war, dass sie beinahe greifbar wirkte – wie das Gewicht vergangener Sünden, das auf den Mauern ruhte.
Und doch – durch diese Schwere stach ein helles, kurzes Lachen. Ihr Lachen. Leicht, verspielt, ein fremder Ton in einem Ort der Andacht. Sein Blick hob sich, folgte der Struktur des Gewölbes, als würde er kurz prüfen, ob es diesem Frevel standhielt – dann wanderten seine Augen nach rechts. Keine Zögern, kein Innehalten. Er nahm die Stufen der seitlichen Wendeltreppe mit langen Schritten, immer zwei auf einmal. Seine Hand strich flüchtig über das grobe Geländer, mehr aus Gewohnheit als aus Notwendigkeit. Das Licht des Mondes fiel durch die farbigen Fenster in schrägen Bahnen auf den Steinboden, warf Muster wie Splitter eines zerbrochenen Glaubens.
Caeus holte auf. Nicht gehetzt, nicht panisch – aber mit einer Entschlossenheit, die sich tief in jede seiner Bewegungen geschrieben hatte. Der Klang seiner Stiefel hallte über das uralte Gestein, mischte sich mit dem Wispern des Windes, der durch die Ritzen der Kathedrale zog wie eine vergessene Erinnerung. Er sah den Saum ihres Rocks – ein flatternder Schatten, der um die nächste Ecke verschwand. Und dann das Flirren eines Arms, der sich beim Laufen federnd zurückbewegte. Er spürte das vertraute Brennen in seinem Bein – ein Mahnmal aus einem früheren Kampf, das bei solcher Belastung stets sein Recht einforderte. Doch Caeus war nicht der Mann, der sich beugen ließ. Nicht von Schmerz. Nicht von Vergangenheit. Nicht von sich selbst.
Mit einem letzten Satz legte er Tempo zu, spürte die raue Kälte der steinernen Wand an seiner Schulter vorbeihuschen. Dann – ein Moment, so flüchtig wie das Zucken eines Gedankens – glaubte er nahe genug zu sein. Seine Finger schnellten vor, streckten sich aus wie der letzte Hoffnungsschimmer eines Mannes, der wusste, dass er sie vielleicht wieder verlieren würde, wenn er diesen einen Augenblick versäumte. Und dann – streiften seine Fingerspitzen ihre Haut. Nur leicht. Warm. Lebendig.


RE: Dance the Night away - Aurelia Marsili - 12-07-2025

Heute war sie gerne die Gejagte, in jeglicher Hinsicht, denn es gab ihr alles, was sie brauchte. Der Spaß an dem Fangen und dem Fliehen weckte Erinnerungen in ihr an alte, vergangene Tage im Schatten der Zedern, das Gefühl von Staub unter ihren Füßen und Grasflecken auf ihrem weißen Sonntagskleid. Es war, als hätte sie nie vergessen, wie man rannte; wie leicht man sich fühlte, wenn der Wind an den Armen vorbeizog und die Haare durch den Schwung wippten, schnell der Gravitation nachgebend und den Dutt lösend, bis sie ihr wieder über die Schultern fielen. Auch ihr Lachen, gelöst und frei, sprach von dem einfachen, kindlichen Vergnügen, das sich Erwachsene nur noch in solchen Stunden erlaubten - wenn keiner mehr hinsah. Wenn man nicht für verrückt gehalten wurde und die täglichen Pflichten noch ein paar Stunden auf sich warten ließen.
Und dann war da dieser Kitzel in ihrem Rücken, die Gewissheit, dass ihr Jäger keine drei Schritte hinter ihr war, sie im Inbegriff, seinen Atem zu spüren. Es war genau diese Art von Nervenkitzel, die Frage des Vielleichts, die ihr den Ansporn gab, ihren Rock höher zu raffen und schneller zu laufen. Dass sie zur Jagenden und er zum Gejagten werden würde, sobald er aufgeholt hatte, würde sie nicht zulassen. Auch wenn die kühle Luft in ihrer Lunge brannte und sie nach dem stundenlangen Tanzen eigentlich keine Energie mehr dafür hatte. Auch, wenn ihre Oberschenkel protestieren, kaum dass sie die ersten Stufen doppelt nahm, um ihre Geschwindigkeit beizubehalten. Das Lachen, ein unkontrollierbares Beiprodukt, klang nach dreißig Stufen nunmehr atemlos, doch die Gewissheit ihres Schattens trieb sie weiter. Die kühle Luft, vom Gemäuer gefangen und mit Feuchtigkeit durchzogen, war eine angenehme Abkühlung für ihre glühende Haut, konnte sie aber nicht davon abhalten, langsamer zu werden. Bei Heofader, sie war nicht für sowas gemacht, doch ihr Stolz trieb sie weiter, die Voraussicht, dass sie ihm noch eine Sekunde länger entwischen konnte und-

Aurelia quietschte, ein hoher, spitzer, kurz geratener Laut durch ihre Atemlosigkeit herbeigeführt, während sie der unweigerlich Präsenz hinter sich auswich und den Arm nach vorne riss, welcher der flüchtigen Berührung zum Opfer geworden war. Längst waren ihre Bewegungen nicht mehr schnell und präzise, sondern mitunter nur noch von der Verzweiflung angetrieben, es vor ihm bis nach oben zu schaffen. Doch ihre Beine trugen keine Kraft mehr, waren zu schwer und in ihr brannte jeder einzelne Atemzug so intensiv, dass sie Eisen schmeckte. Aber sie war zu dickköpfig, um aufzugeben, und nun, wo sie Caeus definitiv hinter sich wusste, breitete sie ihre Arme zu den schmalen Wänden aus, um ihn am Überholen zu hindern. Nicht so kurz vor dem Ziel. Nicht, wo sie endlich ihre Hand nach der geschlossenen Tür ausstrecken konnte, das atemlose Lachen ihr gerötetes Gesicht erleuchtend, ihre Haare vollkommen ungebändigt halb in ihrem Gesicht, halb über ihrem Rücken zum Liegen kommend. Jetzt, wo sie eine flache Hand auf das Holz legte und eine um den Griff, schob sie ihre Hüfte zurück, um Caeus mit ihrem Körper zu blockieren und ihn daran zu hindern, sich an ihr vorbei zu schieben. Heofaders Zeh würde sie dafür opfern, um ihren Sieg nicht zu verschenken, und einmal noch, geübt durch all die Kämpfe mit ihrem besten Freund und ihrer Schwester, verteidigte sie ihren Besitzanspruch an die Tür, ehe sie am Griff zog und durch den Spalt hindurch schlüpfte.

Vermutlich hatte er sie gewinnen lassen, doch das war Aurelia egal, als sie auf die freie Fläche stolperte und eine Hand auf ihre Brust legte, die wild auf und ab ging. Der Stoff an beiden Schultern war nach unten gerutscht und hielt sich halb an ihrem Dekolletee, halb an ihren Armen, generell eher halb als ganz. Sie strauchelte bis zum Gemäuer, an dem sie sich abstützte und versuchte, zu Atem zu kommen. Erst dann fiel ihr auf, dass sie nicht im Glockenturm gelandet waren, sondern die Fläche sich in die Länge streckte, bis sie in einer weiteren Tür auf der anderen Seite endete. Ah, ups. Über ihnen waren zwei Golem-Drachen in Stein gehauen und überblickten die Stadt geduldig, ruhig, in ewiger Wachsamkeit. Hätte die Tavernentochter in diesem Augenblick einen Blick das Schöne, hätte sie sich wahrscheinlich ewig an den präzise ausgearbeiteten Spitzbögen aufhalten können - doch ihr sich drehender Kopf hatte nur Platz für einen Mann, und für eine Herausforderung, die sie ja wohl ganz klar gewonnen hatte.
“Also-... alter Mann”
, begann sie und auch, wenn ihre Wangen gerötet und ihr Haar ungeordnet war, stach der Schalk aus ihren Augen.
“Ist der Ausblick immer noch der Gleiche?”
Ausladend deutete sie auf die Stadt, die sich vor ihnen in all ihrer Schönheit streckte. Aurelia verstand schon, warum der ganze Adel seine Schlösser so hoch baute; wenn man hier oben stand, roch man den groben Geruch der Straße nicht.



RE: Dance the Night away - Caeus Valerius - 28-07-2025

Seine Hand legte sich an ihre Hüfte, hielt sie einen Moment fest, als wolle er sie zurück ziehen. Ihr Ehrgeiz amüsierte den erfahrenen Söldner, und ein heiseres, atemloses Lachen löste sich aus seiner Kehle, als sie die Tür aufzog und sie sich schneller als erwartet hindurchzwängte. Er folgte ihr auf dem Fuße – mit jenem seltenen, beinahe jungenhaften Ausdruck in dem sonst so verhärmten Gesicht, der verriet, dass sie ihn wieder einmal ganz in ihren Bann gezogen hatte.

Die kühlere Nachtluft legte sich wie ein feuchter Schleier auf ihre Haut – ein scharfer Kontrast zu der Hitze, die noch von seinem Körper ausging und in ihm nachglühte. Sein Blick verharrte auf ihr, wanderte über ihre Schultern, verweilte an dem Stoff, der sich nur noch mühsam an ihren Körper klammerte – gehalten allein von der Kurve ihrer Brüste und dem flüchtigen Halt ihrer Ellbogen. Er folgte ihr langsam, der Atem noch schwer in seiner Brust, und schenkte der Umgebung kaum Beachtung – sein ganzer Fokus lag auf Aurelia, als gäbe es in diesem Moment nichts und niemanden sonst auf der Welt.

Ihre Worte entlockten ihm ein leises, kehliges Lachen. Als er sie erreichte, legten sich seine Hände wie selbstverständlich an ihre Taille und zogen sie sanft, aber bestimmt näher an sich.
„Ich würde sagen… der Ausblick ist besser als damals“, murmelte er, seine Stimme rau vor Wärme. Ein kaum wahrnehmbarer Schatten huschte über sein Gesicht – und in dem Blick, den er auf sie richtete, lag eine Intensität, die mehr sagte als jedes Wort. „Könnte aber auch an der Gesellschaft liegen.“ fügte er mit einem schiefen Grinsen hinzu, das genauso viel Bedeutung hatte wie seine Worte.


RE: Dance the Night away - Aurelia Marsili - 29-07-2025

Es konnte so einfach mit Caeus sein, würden sie sich einmal die Zeit nehmen und tief gemeinsam durchatmen, oder einfach gar nicht daran denken zu atmen. Denn wenn man Luft holte, wurde man sich der Zeit bewusst, die verstrich und Menschen altern ließ, ihre Wege auseinander trieb und der Moment des Abschieds nur unweigerlich näher rückte. Wie bittersüß die Zeit mit dem Söldner war, hatte Aurelia auf eigene Faust lernen müssen; sie war sich nicht sicher, ob sie ihn noch einmal wiedersehen würde, welche Narben er dann tragen würde, welche Spuren die Reise an ihm hinterlassen würde. Und mehr erwartete sie gar nicht. Diese bittere Süße war zu einem Wein herangereift, den sie gerne kostete, wenn er zugegen war, und in einsamen Nächten mit anderen Geschmäckern überdeckte, bis sie irgendwann vergessen würde, wie es gewesen war, ihn zu haben. Das war die Schönheit an ihren Begegnungen. Die Süße des Augenblicks, den sie gemeinsam lebten und vergaßen zu atmen, nur kosteten.
Aurelia würde nie behaupten, dass sie den Blick eines so erfahrenen, weitgereisten, reifen Mannes auf sich nicht in vollen Zügen genoss und sich nicht an ihm laben würde. Die Art, wie er sie selbstverständlich an sich zog, der Umgebung und Aussicht keine Beachtung schenkte, sondern nur Augen für sie hatte, imponierte ihr. Nicht, weil er Stärke zeigte. Nicht, weil er besitzergreifend war. Nicht, weil er sich von ihr bezaubern ließ. Sondern weil ihm trotz allem, trotz der Stärke, des Verlangens und der Verzauberung eine selbstverständliche Ruhe innewohnte, die sich schwer greifen ließ. Aurelia hatte schon immer Schwierigkeiten gehabt, ihm etwas auszuschlagen und sie würde heute sicher nicht mehr damit anfangen, sich seinem unverschämten Bann zu entziehen, der sie und ihren provisorischen Geschäftssinn oft genug um den Finger wickelte.
Kein Kichern entfloh ihr mehr, doch ein verspieltes, fast verschmitztes Schmunzeln legte sich auf ihre Lippen und sprenkelte ihre Augen mit Leben, während sie Caeus Blick direkt erwiderte.
“Das will ich hoffen, diesen Anblick wirst du so schnell nicht wieder bekommen.”
Ob sie auf die Vergänglichkeit des Momentes anspielte? In ihrem leichten Kopf bildeten sich kaum klare Gedanken, die nicht von Caeus und seiner Präsenz eingenommen waren. Mit rastlosen Fingerspitzen fand sie sein Hemd und fuhr den rauen Stoff hinauf, bis sie auf seinen Schultern landeten, mit genug Nachdruck, dass er die Berührung hindurch spürte. Schultern, die sie zum hundertsten Mal dafür verfluchte, wie breit sie sich anfühlten…
Aurelias Blick war längst nach unten gewandert, über seine Lippen bis hin zu den feinen Adern und Hautunebenheiten, die sich im Mondlicht unverschämt deutlich von seiner Haut abzeichneten. Ohne wirklich etwas dagegen tun zu können, fächerte ihre Hand auf und strich über die empfindliche Stelle an seinem Hals, die, von der sie wusste, dass sie ihn dort unter ihren Lippen schmelzen lassen konnte, wenn sie wollte. Ob sie denn wollte? Ihr Blick wanderte wieder nach oben in die Augen eines Mannes, den sie heute nur für sich hatte - so lange, bis die Sonne sich blicken lassen und ihre Wege wieder auseinander treiben würde. Mehr wollte sie nicht, und mehr erwartete sie nicht von ihm.
“Wenn du mir jetzt sagst, dass du gläubig bist und mich vor Heofader nicht ausziehen willst, darfst du deine Abkürzung nach unten nehmen.”
Entgegen ihrer harschen Worte hatte sich Aurelias samtener Tonfall an den von Caeus angepasst, während ihre Hand sich auf seine Wange legte und ihr Daumen über seine Unterlippe strich - nicht forsch, aber auf spielerische Art fordernd, als würde sie ihm einen letzten kleinen Sieg entringen wollen. Da er seinen alten Körper schon mit ihr hier nach oben geschleppt hatte, hatte er seinen (Trost)preis sicher verdient.