Facing the Storm
I wonder if the snow loves the trees and fields, that it kisses them so gently? - Druckversion

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RE: I wonder if the snow loves the trees and fields, that it kisses them so gently? - Sanna Lorenson - 01-06-2025

Sanna hielt seinem Blick stand. Sie betrachtete sein schweigendes Gesicht, und ihre Augen flackerten kurz zu seinen Lippen – zu einem kaum sichtbaren Zucken in den Mundwinkeln. Ein fast unmerkliches Heben, doch genug, um ihr ein leises Gefühl des Triumphes zu schenken. "Vielleicht finden wir das ja eines Tages heraus", erwiderte sie. Weniger sarkastisch als er. Vielleicht sogar mit einem Hauch von etwas anderem. Ein Ton in ihrer Stimme, rau, fast lockend. Das Lächeln das dabei ihre Lippen erklomm, barg eine schwer zu deutende Nuance. Eine Nuance dich sich für den Bruchteil einer Sekunde durch ihren Leib zog.

Sannas Miene lockerte sich, als Veith von einer möglichen Wiederholung der Schweine-Aktion sprach. Die Spannung, die sie zuvor in der Luft gespürt hatte, kam vermutlich eher daher, dass sie einfach schon lange keine wirklich gute… Gesellschaft mehr über Nacht gehabt hatte. "Helvis’ Geduld hat Grenzen?" Sanna hob eine dunkle Braue, ihre Stimme beinahe heiter. "Das kann ich mir kaum vorstellen.", fuhr sie fort und neigte den Kopf leicht zur Seite, Veiths ausdrucksloses Gesicht musternd.
"Oh, keine Sorge", witzelte die junge Blondine und grinste schief. "Ich fasse das mal nicht als Drohung auf – sondern sehe dem mit freudiger Erwartung entgegen." Mit einem kurzen, fast beiläufigen Lächeln tätschelte sie seinen nackten Bizeps.

Sanna sog die Atmosphäre des Hauses tief in sich auf und seufzte leise, fast selig, während sie den Kindern beim Spielen zusah. Veith zeigte Valda ein besonders zuverlässiges Versteck, was dem Mädchen ein entzücktes Strahlen ins Gesicht zauberte. Sanna lächelte. Sie hatte schon immer ein Herz für Familienmenschen gehabt –
und diese Familie hatte längst einen festen Platz in dem ihren gefunden.

Helvis’ schroffe Art ihrem Bruder gegenüber ließ Sanna amüsert schmunzeln. Unwillkürlich fragte sie sich, ob sie Ivar wohl ebenso in die Schranken gewiesen hätte, wenn er noch zu Hause wäre – wenn sie zusammen mit ihren Eltern noch das Haus und die Schmiede betreiben würden. Vielleicht hätte auch er längst geheiratet. Vielleicht würden ein oder zwei Kinder durch die Werkstatt tollen. Der Gedanke war auf eine eigentümliche Weise schön, auch wenn er so fern von der Wirklichkeit war, dass er fast wie ein Traum wirkte, den man nur beim Aufwachen noch für einen Herzschlag lang festhalten konnte. "Du weißt doch Helvi, ich bin stets in Sorge...", sie tätschelte ihrer Freundin die Hand. ".. und möchte unter keinen Umständen, dass jemand einen Nachteil davon hat, nur weil ich mich auf so unverschämter Weise hier einniste.", sie zog ihre Hand zurück und führte einen weiteren Löffel voll Suppe an ihre Lippen.

Es fühlte sich an wie ein kleiner Triumph, als ihre Freundin schließlich einknickte und die Betten im Haus umverteilte. Sanna blickte auf ihre dampfende Suppe und konnte das kaum sichtbare Zucken ihrer Mundwinkel nicht ganz unterdrücken. Fast hätte sie sich selbst eine gewisse manipulative Ader attestiert. "Damit würde ich mich wohler fühlen.", bestätigte Sanna. Als sie das Grinsen auf Veiths Lippen bemerkte, blieb ihr Blick für einen Moment daran hängen – still überrascht. So etwas sah man bei ihm nun wirklich nicht oft. "Manchmal schadet ein wenig Rückendeckung nicht, huh?", sie zwinkerte ihm zu, ehe sie entschuldigend zu seiner Schwester blickte - die Sanna widerum beinahe gutmütig geschlagen betrachtete.

"Jaja - Nun esst einfach."


RE: I wonder if the snow loves the trees and fields, that it kisses them so gently? - Veith Alvarsson - 04-06-2025

Veith sagte nichts, doch sein Blick blieb an ihr hängen, länger vielleicht, als es nötig gewesen wäre. Das Spiel in ihrer Stimme, dieser eine Ton, der kaum greifbar, aber doch da gewesen war, er hatte ihn trotz der Subtilität bemerkt. Auch das Lächeln, das nicht ganz eindeutig war, fiel ihm auf, wie ein Schatten auf ruhigem Wasser. Es ließ etwas in ihm anklingen, das er nicht benennen konnte. Nichts Offensichtliches jedenfalls. Kein Verlangen, das sich in Worten ausdrücken ließ. Eher eine Art Resonanz. Der Schnee knirschte leise unter seinen Stiefeln, als er sich etwas von ihr abwandte, den Blick über den Hof schweifen ließ, auf dem der Wind nun aufgefrischt hatte. Die Kälte biss ihm in die Finger, doch das war nicht, was er wirklich spürte. Es war dieses kurze Flirren, das zwischen ihnen blieb, nachdem ein Moment vergangen war. „Vielleicht“, wiederholte er leise, mehr zu sich selbst als zu ihr. Kein Spott, kein Scherz diesmal. Dann sah er sie wieder an, mit einem Blick, der ruhiger wirkte als zuvor, aber nicht weniger aufmerksam. Was auch immer das war, was da zwischen ihnen hing, es hatte noch keinen Namen und vielleicht sollte es auch so bleiben.

Veith blinzelte kaum merklich, doch das Gewicht ihrer kurzen, beiläufigen Berührung blieb wie ein Nachhall auf seiner Haut zurück, wärmer, als es angesichts des winterlichen Abends eigentlich sein sollte. Er bewegte sich nicht, ließ sie gewähren, sah sie nur an. Mit diesem gleichmütigen Blick, der mehr verbarg, als verriet und doch schien sich in seinen Augen ein Gefühl zu spiegeln, das er noch immer nicht wirklich fassen konnte. Er schob es auf die Tatsache zurück, dass er in letzter Zeit kaum nach Gesellschaft gesucht hatte, zumindest keine dieser Art. Es war eine Weile her, seit er neben einer Frau erwacht war. Nicht aus Mangel an Gelegenheit, sondern weil das Bedürfnis danach oft genug von der Müdigkeit des Alltags überdeckt worden war oder vom festen Entschluss, sich nicht wieder in Verbindlichkeiten zu verlieren, die mehr kosteten, als sie gaben. Allerdings überkam ihn manchmal diese leise Sehnsucht nach Nähe, nach der Wärme einer anderen Haut, nach dem simplen Trost einer vertrauten Berührung, nicht aus Begierde, sondern aus dem Wunsch heraus, für einen Moment nicht allein zu sein in der Welt. Vielleicht, so dachte er, während sein Blick für einen Herzschlag zu lange an ihrem Gesicht verweilte, würde er in dieser Nacht doch nicht, wie angekündigt, bei Helvi unterkommen. Vielleicht würde er einem anderen Verlangen nachgeben, einem, das leiser, aber beständiger an ihm zerrte.

„Habt ihr Valda oder Ingar gesehen?“, fragte Einar, als er in die Küche trat und den Blick suchend durch den Raum schweifen ließ. Von den beiden Mädchen war noch immer keine Spur zu sehen. „Es wäre schummeln, wenn ich dir helfen würde“, erwiderte Helvi mit einem leichten Kopfschütteln. „Du bist schließlich der Älteste von euch.“ Einar verzog den Mund zu einem missmutigen Schnauben – genauso wie es sein Onkel auch oft tat - und stapfte dann Richtung Treppe davon, um die Schlafräume oben zu durchsuchen, nichtsahnend, dass Valda noch immer verborgen unter dem Küchentisch darauf wartete gefunden zu werden.
Derweilen war es Sanna, die nun Helvi davon überzeugte, dass die zunächst getroffene Einteilung der Schlafplätze wohl nochmals zu überdenken sei. Auch wenn er schon öfter im Stall genächtigt hatte, so war Veith an diesem Abend froh darüber, in der Küche, vor dem Kamin, Platz zu finden. Die warme Stube war dem Stall bei einem solchen Wetter vorzuziehen, denn der Wind kroch durch jede noch so kleine Ritze im alten Gemäuer und fuhr unbarmherzig zwischen die Balken des zugigen, alten Stalls. Selbst mit einer dicken Decke hätte man dort keine echte Ruhe gefunden, nur Kälte und das Knarren des Gebälks als Gesellschaft. In der Küche hingegen flackerte das Feuer ruhig vor sich hin, verströmte wohlige Wärme und ein trügerisches Gefühl von Geborgenheit, das man in Nächten wie dieser nicht unterschätzen sollte.

Sannas Worte hingen noch in der Luft, als sich seine Mundwinkel ganz von selbst ein wenig hoben, kaum merklich, aber unübersehbar für jeden, der genau hinsah. Es war kein Lachen und auch kein wirkliches Lächeln, sondern erinnerte eher an einen Reflex, ein kurzer Zug um die Lippen, der andeutete, dass ihre Bemerkung ihn amüsierte und dass er anerkennen musste, wie geschickt sie seiner Schwester verbal begegnete. „Wo warst du nur vor vierzehn Tagen, als ich mir den Schlafplatz mit den Schafen teilen musste?“ Helvis strenger Blick traf ihn wie ein gut gezielter Pfeil, doch das angedeutete Grinsen auf Veiths Lippen wurde nur deutlicher. Ohne ein Wort zu verlieren, tauchte er den Löffel erneut in die dampfende Suppe, deren wohlige Wärme sich langsam in seinem Körper ausbreitete.
„Vielleicht schaue ich später noch in der Taverne vorbei“, ließ Veith seine Schwester wissen. Von oben drangen Stimmen zu ihnen – Einar hatte Ingar offenbar endlich gefunden. „Bei diesem Wetter und mit der viel zu kurzen Kleidung?“ Helvi stemmte die Hände in die Seiten, ganz wie eine missmutige Ehefrau, die ihren Mann zur Vernunft bringen wollte. Veith wandte sich wieder seiner Suppe zu und murmelte dabei etwas, das verdächtig klang wie: „Ich hatte nicht vor, die Kleidung lange zu tragen.“ Doch Helvi ließ keinen Widerspruch gelten. „Was hast du da gerade gesagt?“ Unschuldig sah Veith zu seiner Schwester, dann wandte er den Blick zu Sanna, die neben ihm am Tisch saß. „Ich werde deinen Schlitten noch mit Fellen und Seilen sichern, damit deine Ware nicht vom Wind beschädigt wird.“ Dann aß er schweigend seine Suppe weiter.


RE: I wonder if the snow loves the trees and fields, that it kisses them so gently? - Sanna Lorenson - 04-06-2025

Ein leises Knistern schlich sich über Sannas Haut, kaum spürbar und doch nicht zu leugnen, als sie Veiths Blick erwiderte. Sie fragte sich, was in seinem Inneren vorging. Veith blieb wie so oft schwer zu lesen, seine Augen ein Buch in fremder Sprache. Und Sanna? Sie ertappte sich bei dem Versuch, das leise Flackern in seinem Blick zu entziffern - nur um zu merken, dass sie darin keine klare Antwort finden würde. Etwas lag zwischen ihnen. Nicht greifbar, nicht benennbar.

Und vielleicht war es auch nichts.

Vielleicht war es nur Einbildung, gespeist von einem Moment Nähe nach einer langen Zeit ohne, von Worten, die mehr Gewicht trugen, als sie angedacht hatte.
Und doch spürte sie eine Regung in sich – nicht ganz Neugier, nicht ganz Wagemut.
Eine leise Frage, ob sie sich täuschte. Und der ebenso leise Wunsch, es möge nicht so sein. Sie verspürte das Verlangen, ihre eigenen Grenzen ein wenig zu verschieben – und seine gleich mit. Doch sie wagte es nicht.

„Vielleicht“

Sie wandte den Blick nicht ab, ließ ihn stattdessen ein klein wenig länger verweilen, als es vielleicht notwendig gewesen wäre. Sie musterte sein Profil. Ein stiller Versuch, ein Wort aus diesem verschlossenen Buch zu erraten. Ihre Finger rührten sich kaum merklich, als hätte auch ihr Körper etwas sagen wollen – nicht laut, nicht deutlich, nur dieses feine, unbestimmte Etwas fühlend, das in der Stille schwerer wog als dieses kleine, einfache Wort aus seinem Mund.

[...]


Ein sanftes Lächeln zupfte an Sannas Mundwinkeln als sie Helvis Sohn bemerkte. Sie konnte förmlich Valdas Anspannung unter dem Tisch spüren, sah das Bild des Kindes vor sich, wie es angestrengt die Hände vor dem Mund presste, als könnten ihre leisen, kleinen Atemzüge sie verraten. Helvi gab keinen Hinweis und auch Sanna schüttelte leicht mit dem Kopf.

„Wo warst du nur vor vierzehn Tagen, als ich mir den Schlafplatz mit den Schafen teilen musste?“

Angesichts der Spannung, die noch auf dem Hinterhof zwischen ihnen geherrscht hatte, musste Sanna den ersten Kommentar, der ihr in den Sinn kam, herunterschlucken. Sie biss sich auf die Unterlippe – nicht aus Nervosität, sondern um ihrer Zunge im letzten Moment Einhalt zu gebieten. Nicht hier. Nicht an Helvis Tisch.
Stattdessen zwang sie sich zu einem harmlosen Lächeln, das gerade frech genug war, um nicht aufzufallen. "Ach, ich wollte dir nicht jegliche Erfahrung ländlicher Romantik vorenthalten." Ihre Augen funkelten kurz. "Du weißt schon – Heu im Haar, Schafduft am Kragen. Alles, was ein Mann von Welt wenigstens einmal erlebt haben sollte.", ihr Tonfall war neckend und sie zuckte gekünstelt beiläufig mit den Schultern, während sich ihr Blick kurz in seinem verfing.

Dass Veith noch einen Abstecher in die Taverne machen wollte, ließ auch Sannas Augenbraue leicht anheben. Nicht, dass es sie etwas angehen sollte – oder überhaupt durfte. Und doch regte sich ein kleiner Teil in ihr, der wohl insgeheim noch mit seiner Gesellschaft gerechnet hatte.
Sie überließ Helvi die Antwort – er hatte sich ohnehin an seine Schwester gewandt –, während sie den Schritten auf der Treppe lauschte. Valda schob sich näher an die Beine ihrer Mutter, als suche sie Schutz vor dem, was da kommen mochte. Vielleicht bedauerte sie im Stillen, dass ihre Mutter keinen Rock trug, unter dem sie sich hätte verbergen können.

„Ich hatte nicht vor, die Kleidung lange zu tragen.“

Sanna verschluckte sich an der warmen Suppe in dem Moment, in dem Helvi ihren Bruder darum bat, sich zu wiederholen. Sie hustete und legte den Löffel zurück in die Schale, als hätte sie sich einfach nur an der Temperatur verbrannt. "Ich glaube, er erhofft sich bessere Gesellschaft…", murmelte sie, ihre Stimme leicht belegt, ehe sie sich nochmal räuspern musste. Unter dem Tisch kicherte unterdessen Valda – das deutlichste Andenken an einen Abend, an dem sie einst selbst diese Art von Gesellschaft gewesen war.
Kaum hatten Helvis Kinder sie entdeckt, stoben sie auch schon wieder quietschend und lachend davon. "Ach, Quatsch…" Sie warf Veith einen kurzen Seitenblick zu. "Ich muss später sowieso nochmal raus, dann kann ich das auch selbst erledigen. Lass dich davon nicht aufhalten – sonst denken die Tavernenmädchen am Ende noch, ich halte dich mit Arbeit von ihnen fern.", ihre Worte wurden von einem amüsierten Zwinkern begleitet.


RE: I wonder if the snow loves the trees and fields, that it kisses them so gently? - Veith Alvarsson - 05-06-2025

Sein Mund wurde schmaler, bei dem Versuch, sein Lächeln zu verbergen, doch es gelang ihm nicht ganz, aufgrund der Tatsache, dass Sanna ihm die romantischen Vorteile von einer Nacht im Stall aufführte. „Das heißt, ich sollte dankbar für die Erfahrung sein?“ Er zog eine Braue hoch, als müsse er über ihre Worte nachdenken und lehnte sich ein wenig zurück. Sein Blick fiel von Sanna zu seiner Schwester, die den Schlagabtausch sichtlich genoss. „Immerhin hast du diesmal nicht nach Pferd gestunken“, warf sie ein, trocken, mit einem Seitenblick, der verriet, wie sehr sie sich über die Unterhaltung amüsierte. Noch bevor ihr Grinsen überhandnehmen konnte, wandte sie sich zur Feuerstelle um, angeblich, um nach dem Kessel zu sehen, in Wahrheit wohl eher, um ihrem Bruder nicht zu zeigen, wie sehr ihr das Ganze gefiel.

Da Veith ohnehin keine Chance hatte, sich gegen die geballte Allianz aus Schwester und Gast zu behaupten, beschloss er, den Rest der Suppe schweigend zu genießen. Doch selbst dieser Rückzug blieb ihm verwehrt: Sannas Antwort auf seinen Vorschlag, den Schlitten zu sichern, rief prompt einen tadelnden Blick von Helvi hervor, jenen Blick, der keinerlei Verständnis für die leichtfertigen Einfälle männlicher Natur zeigte.
Langsam hob Veith den Blick von seiner Schüssel zu Sanna. In seinem Gesicht lag keine Empörung, sondern die stille, theatralisch überzeichnete Kränkung eines Mannes, der sich verraten fühlte. Lautlos formten seine Lippen ein einziges Wort: Verräterin. Doch der Anflug eines Grinsens in seinen Augen zeigte, dass er es ihr nicht wirklich nachtrug, im Gegenteil, ein Teil von ihm schien sich köstlich zu amüsieren. „Ich muss schon sagen, Sanna, du scheinst eine erstaunlich belebende Wirkung auf meinen Bruder zu haben. Er lächelt heute deutlich häufiger als sonst.“ Helvis Stimme klang beiläufig, fast heiter, doch ihr Blick wanderte mit wachsamem Interesse zwischen ihrer Freundin und Veith hin und her, als traue sie dem plötzlichen Stimmungswandel nicht ganz.

Der Silberhaarige kam zu dem Schluss, dass es genug war, zumindest mehr als genug für einen Abend. Mit einer plötzlichen Bewegung erhob er sich, so ruckartig, dass die Becher auf dem Tisch leise aneinanderschlugen. „Ich bleibe nicht lange“, sagte Veith knapp, ohne den Blick zu heben und ohne ein weiteres Wort an die beiden Frauen zu richten. Sanna wusste ohnehin, was hinter seinem überstürzten Aufbruch steckte und Helvi würde es bald genug herausfinden und wenn er eins nicht wollte, dann mit seiner Schwester darüber zu diskutieren.

[...]

Es war längst nach Mitternacht, als Veith den stillen Hof hinter dem alten, steinernen Haus betrat, in dem seine Schwester wohnte. Zur Taverne hatte er es gar nicht geschafft. Auf dem Weg war ihm der betrunkenen Torsten Haraldsson begegnet, den er mühsam nach Hause geschleppt hatte. Dort hatte dessen Frau es sich nicht nehmen lassen, Veith mit einem kräftigen Ale zu bewirten und ihm dabei ihre Sorgen über das Trinkverhalten ihres Mannes anzuvertrauen. Irgendwann, als er spürte, dass es für ihn selbst zu spät geworden war, dankte Veith den beiden und machte sich wieder auf den Weg. Der Wind hatte inzwischen aufgefrischt und trieb eisige Schneeflocken durch die dunkle Nacht, die sich wie frostige Funken an seinen durchnässten, schweren Umhang hefteten. Die Felle und Seile, mit denen Sanna ihren Schlitten gegen die harschen Witterungen geschützt hatte, waren vom Sturm bereits in Mitleidenschaft gezogen worden. Veith kniete sich neben den Schlitten und entledigte sich seinem nassen Umhang, der ihm längst keine Wärme mehr spendete und bei der Arbeit nur hinderlich war. Die eisige Kälte kratzte an seinen Fingern, doch unbeirrt begann er, die schweren Felle wieder an ihren Platz zu ziehen. Mit kräftigen, gezielten Bewegungen spannte er das grobe Fell über den hölzernen Rahmen, zog die Seile straff und knotete sie neu, wo sie sich gelockert hatten. Kleinere Knoten sicherten das Material gegen weiteres Verrutschen, während der Wind unablässig um ihn herum heulte.


RE: I wonder if the snow loves the trees and fields, that it kisses them so gently? - Sanna Lorenson - 05-06-2025

Sannas Blick ruhte auf Veith, während sie das leise Gefühl der Genugtuung auskostete, dass er ausnahmsweise einmal aus seiner ernsten Haut schlüpfte. Sie neigte leicht den Kopf. "Ein bisschen Dankbarkeit würde dir wirklich gut zu Gesicht stehen. Und großzügig wie ich bin, nehme ich sie auch gerne entgegen." Das Lächeln auf ihren Lippen wurde deutlicher, fast unbewusst. Sie bemerkte nicht einmal, wie Helvi versuchte, ihr eigenes Amüsement über das Gespräch zu verbergen. Sannas Aufmerksamkeit gehörte einzig und allein dem Winterländer an ihrer Seite, von dem man meinen könnte, dass er ein wenig auftaute.

Das Lächeln auf Sannas Lippen wuchs über ihr ganzes Gesicht, als sie den tonlosen Vorwurf von Veiths Lippen las. Für einen flüchtigen Moment schien ihr Blick weicher zu werden – als hätte seine gespielte Kränkung etwas in ihr berührt, das sie selbst nicht ganz greifen konnte. Sie beugte sich leicht zu ihm herüber, der vertrauliche Abstand ließ ihre Stimme fast intim klingen: Ich meine es doch nur gut…", seufzte sie, der Anflug von Ironie wie ein Schleier über etwas Echtem.
Dann lehnte sie sich wieder zurück, nahm den Löffel auf und richtete ihre Aufmerksamkeit scheinbar auf den Teller vor sich. Doch ihre Wangen glühten ein wenig zu sehr für bloße Selbstzufriedenheit.
Helvis Bemerkung ließ Sanna aufschauen. Einen Moment lang wirkte ihr Blick, als hätte man sie bei etwas erwischt – nicht peinlich berührt, sondern eher ertappt auf eine Weise, die sie selbst nicht recht einordnen konnte. Sie bedachte ihre Freundin mit einem schiefen Lächeln, das mehr Fragen verbarg als Antworten versprach. Ihre Lippen blieben stumm, als wolle sie dem Gespräch nicht zu viel Gewicht geben. Vielleicht war es nur das Licht, das vom warmen Feuer auf ihr Gesicht fiel. Vielleicht war es die Wärme der Suppe. Aber es war gut möglich, dass das Rot auf ihren Wangen einen Hauch intensiver wurde.

"Jetzt haben wir ihn vertrieben", seufzte Sanna und griff nach einem der leicht schwankenden Becher, während ihr Blick Veith nachfolgte. Ein doppeldeutiger Kommentar über sein allzu kurzes Vorhaben lag ihr noch auf der Zunge, doch sie schluckte ihn hinunter – wohl wissend, dass Helvi für diese Art von Spaß weniger empfänglich war als sie selbst. Also warf sie ihrer Freundin einen beinahe unschuldig gespielten Blick zu, ehe sie sich vorbeugte und nach Veiths Teller griff, um ihn abzuräumen.

[...]

Der Sturm, der draußen über die Dächer zog – aber wohl auch die Aufregung des Tages – hatte dafür gesorgt, dass Valda erst spät zur Ruhe gekommen war. Sanna hatte ihr noch eine Geschichte erzählt, sie anschließend in die Felle gewickelt und sich schließlich selbst neben sie gelegt. Der regelmäßige Atem ihrer Tochter hatte etwas Beruhigendes, fast Beschwörendes, und so war auch sie bald eingeschlafen.
Helvi hatte ihr eines von Einars Leinenhemden für die Nacht gegeben. Im Stillen fragte sich Sanna, ob im Schrank ihres Mannes überhaupt noch etwas hing – jetzt, da nicht nur Veith, sondern auch sie darin herumspazierten. Doch anders als bei Veith hing das Hemd an ihr wie ein Zelt. Es war ihr viel zu groß, und sie versank darin.

Es musste weit nach Mitternacht sein, als Sanna aus dem Schlaf glitt. Das kleine Feuer war längst zu einem schwachen Glimmen geschrumpft, doch das Gemäuer hielt die Wärme erstaunlich gut. Gerade wollte sie sich erneut auf die Seite drehen, doch ein Ziehen in ihrer Brust – halb Sorge, halb Gewohnheit – ließ sie stattdessen die Beine über das Bett von Helvis Sohn schwingen. Leise schlüpfte sie in ihre Schuhe. Der Sturm, der draußen mit unverminderter Kraft an den Wänden rüttelte, ließ sie an die gelagerte Ware denken. Es war gut möglich, dass sich einige der Felle gelöst hatten. Ein letzter, prüfender Blick zu Valda: Das Kind schlief tief und fest, zusammengerollt wie ein kleines Tier, umgeben von warmen Fellen.

Leise stieg Sanna die knarrende Treppe hinab. Gerade wollte sie sich an der Feuerstelle vorbeischleichen, als ihr auffiel, dass Veith noch immer nicht zurückgekehrt war. Einen Moment lang hielt sie inne. Ein flüchtiger Hauch von Besorgnis regte sich, doch sie schob ihn zur Seite. Ein Mann wie Veith würde wohl kaum Schwierigkeiten haben, auf sich aufzupassen.
Ohne weiter darüber nachzudenken, griff sie nach ihrem schweren Wollmantel, der über dem Stuhl nahe der Feuerstelle hing, und schlang ihn sich um die Schultern. Die gespeicherte Wärme kroch ihr wohltuend in die Glieder. Dann ging sie zur Hintertür, legte die Hand auf das alte Holz und öffnete sie behutsam – mit einem Blick zurück, darauf bedacht, Helvi nicht zu wecken. Wer wusste schon, wie leicht ihre Freundin schlief.

Der eisige Wind biss ihr in die warmen Wangen, trieb ihr den Atem als kleine Wolken aus dem Mund. Instinktiv zog sie den Mantel enger um ihren Körper, die Finger klammerten sich in den groben Stoff. Ihre Augen glitten über den Hof – und blieben an einer Gestalt hängen, die vor ihrem Schlitten kauerte. Blassblondes Haar, breite Schultern, die ihr selbst in der Dunkelheit vertraut erschienen. Veith.
Ein flüchtiges Ziehen breitete sich in ihrer Brust aus, gefolgt von einem leisen Schlucken. Ihr Blick senkte sich kurz prüfend. Ein Glück, dass sie den Mantel noch übergeworfen hatte. Das war immerhin... sittsam. Oder zumindest sittsamer, als es ohne ihn gewesen wäre. Auch wenn im Winterland vermutlich andere Dinge zählten als Anstand um Mitternacht.

Sie tauchte so plötzlich neben ihm auf, als hätte der Sturm selbst sie hergetragen. Ihre Finger streiften flüchtig über seine Schultern, kaum mehr als ein Hauch – er war kalt und nass. Dann kniete sie sich an seine Seite und begann bei den letzten Knoten zu helfen. "Du holst dir hier draußen noch den Tod in deiner Kleidung…", murmelte sie, die Stimme weich, mit einem Anflug gespielter Strenge. Ein leises Seufzen begleitete ihre Worte, das fast im Heulen des Windes verlorenging.
Für einen Moment hielt sie inne, betrachtete sein Gesicht im fahlen Schein des Mondes. Vielleicht suchte sie nach einem Rest jener stillen Heiterkeit, die sie vor ein paar Stunden noch in ihm gesehen hatte. Doch es wirkte, als sei das Buch, in dem sie eben noch hatte lesen dürfen, wieder geschlossen – die Seiten fest aneinandergelegt, der Einband verschlossen, als habe der Sturm ihn mit sich fortgetragen. "Und hast du gefunden wonach du gesucht hast?", die Frage stolperte über ihre Lippen, bevor sie ihr Einhalt gebieten konnte. Rasch richtete sie ihren Blick wieder auf die Knoten.


RE: I wonder if the snow loves the trees and fields, that it kisses them so gently? - Veith Alvarsson - 06-06-2025

„Ein bisschen Dankbarkeit würde dir wirklich gut zu Gesicht stehen. Und großzügig wie ich bin, nehme ich sie auch gerne entgegen.“

Veiths Blick traf auf ihren und dann, ganz unvermittelt, brach der Krieger in schallendes Gelächter aus. Sein volles, warmes Lachen füllte die Küche, während er sich mit den breiten Handflächen das Gesicht bedeckte und sein ganzer Körper vor Lachen bebte. „Eins muss man dir lassen, Sanna, du bringst mich mit deiner Schlagfertigkeit wirklich zum Lachen.“ Helvi hatte recht damit: Das gelang nur wenigen. Veith jedoch schob es auf die späte Stunde, die anstrengende Jagd nach den Schweinen des Nachbarn, das heiße Bad und die bleierne Müdigkeit, die sich inzwischen in seinen Gliedern ausbreitete. Dass er Sannas Gesellschaft mehr genoss, als er sich eingestehen wollte, hätte er niemals offen zugegeben. Aber das brauchte er auch nicht, seine Blicke sprachen für sich. Und Helvi entging das nicht. Zwischen all der gespielten Neckerei war es ihr ein leichtes, ihm einen kurzen, ernsten und vor allem strengeren Blick zuzuwerfen. Einen, der deutlich machte, dass es nun genug war.

Mehr als genug Grund jedenfalls, um das Weite zu suchen. Gegen die beiden Frauen kam er mit Worten ohnehin nicht an, ein Umstand, den er sich nur ungern eingestand. Umso eiliger schien es ihm nun, Helvis Haus zu verlassen. Wenn er am Morgen früh genug aufbrach, würde er Sanna nicht mehr sehen müssen und mit etwas Abstand würden sich diese aufkeimenden, unerwünschten Regungen vielleicht wieder legen. Dann wäre alles wieder wie zuvor: geordnet, vernünftig und frei von jenem flüchtigen Ziehen, das sich in ihrer Nähe so hartnäckig meldete.

[...]

Veiths Finger hielten kurz inne, als sie sich neben ihn kniete, doch sein Blick blieb weiterhin stur auf den Knoten gerichtet. Ihre Nähe war unverkennbar, ihre sanfte Berührung, die Wärme ihres Körpers in der Kälte, ihr Atem in der dunklen Luft und doch ließ er es sich nicht anmerken. Ihre Worte waren kaum mehr als ein Flüstern, fast vom Sturm verschluckt und doch hatte er sie, so nah wie sie ihm nun war, deutlich vernommen. Seine Stimme war tief und fast gelangweilt, als er antwortete: „Das ist Absicht. Ich dachte, wenn ich mich lang genug dem Erfrierungstod aussetze, darf ich endlich Einars erbärmliche Kleidung ablegen.“ Mit jedem Atemzug spürte er, wie sein Brustkorb sich gegen das Hemd stemmte und damit Gefahr lief, die Nähte zu zerreißen. Die Nässe machte es sogar noch unangenehmer, die Kleider zu tragen. Er senkte den Blick noch weiter, band wortlos den nächsten Knoten, doch der Zug um seine Mundwinkel war für einen flüchtigen Moment nicht ganz so mürrisch wie sonst, als kämpfte er gegen ein Lächeln, das sich ihm aufzwingen wollte. „Du dagegen solltest besser reingehen“, fügte er an, beinahe schon streng. „Es hat keinen Sinn, wenn wir beide bis auf die Knochen durchnässt werden.“

Ihre Frage kam unerwartet, zu ehrlich, zu direkt für die späte Stunde. Veith antwortete nicht gleich. Seine Hände ruhten schließlich auf dem Holz des Schlittens, dann hob er den Kopf, warf ihr einen Seitenblick zu. „Wenn diese Suche einen betrunkenen Nordmann mit Liebeskummer und angeschlagenem Stolz beinhaltet hat, dann war ich sehr erfolgreich.“ Die Ironie in seiner Stimme war unverkennbar, doch sie galt nicht Sanna. Vielmehr sich selbst, dem gutmütigen Narren, der statt einfach den Weg zur Taverne fortzusetzen, Torsten lieber geholfen hatte, damit dieser heil nach Hause kam. Andererseits wurden die Nächte wieder länger und so gab es ohnehin wieder zahlreiche Abende, in denen der Schlaf zur Nebensache geriet. Er würde einfach eine andere Gelegenheit nutzen.

Als er schließlich fertig war, stemmte sich Veith auf die Beine, nahm seinen nassen Umhang vom Schlitten und trat durch den Schnee zurück zum Haus. Der Silberhaarige warf einen letzten Blick über die Schulter, bevor er das Haus betrat, als wolle er sicherstellen, dass Sanna ihm folgte. Drinnen empfing ihn die nicht mehr ganz so behagliche Wärme des Raumes, durchzogen vom bitteren Nachhall erkalteter Glut. Schweigend kniete er sich vor den Kamin. Mit grobem Griff klaubte er aus dem Korb neben der Herdstelle ein paar trockene Zweige, brüchige Birkenrinde und feine Holzspäne zusammen. Dann pustete er sanft in die schwach glimmende Asche, bis die Funken aufflammten. Die Glut flackerte, züngelte, der Rauch stieg in dünnen Schlieren auf, ein erster kleiner Lichtschein tastete sich an den Mauern entlang. Veith legte behutsam einen Scheit nach, dann noch einen. Das Holz knackte, als es Hitze fasste - trockenes, altes Fichtenholz, das sofort mit prasselnder Stimme erwiderte. Als sich der warme Schimmer im Raum ausbreitete, richtete Veith sich auf und rieb sich mit einer knappen Bewegung die Hände. Der ernste Zug auf seinem Gesicht war geblieben, doch ein Hauch von Zufriedenheit lag in seinem Blick, kaum merklich. „Es wird etwas dauern, aber bald wird es wärmer.“ Er wandte sich zu Helvis Gast um und musterte sie dabei für einen kurzen Moment eingehender als gewollt. „Warum schläfst du nicht?“ Seine Stimme war rau wie das Knacken des Holzes. Doch in der Art, wie er sie ansah, lag eine Fürsorge, die er niemals laut aussprechen würde.


RE: I wonder if the snow loves the trees and fields, that it kisses them so gently? - Sanna Lorenson - 07-06-2025

Sie spürte sein leises Zögern, das flüchtige Innehalten, als sie neben ihm auftauchte und ihre Finger für einen Moment zögerlich seine Schulter berührten. Vielleicht wollte sie prüfen, ob er tatsächlich so durchnässt und kalt war, wie er wirkte – vielleicht war es aber auch nur ein Impuls gewesen, dem sie folgte, ohne ihn ganz zu begreifen. Was blieb, war das Prickeln der Kälte, das auf ihre warmen Fingerspitzen überging, während sie begann, ihm beim Sichern der Ware zu helfen.

Veiths Antwort fiel genauso tonlos aus wie so oft. Ein Umstand, der Sanna beinahe ein amüsiertes Lächeln entlockte. Es fühlte sich an, als stünde sie wieder ganz am Anfang – als müsste sie neu herausfinden, wie sie ihm jenes Lachen entlocken konnte, das sie vorhin so flüchtig gesehen hatte. Sie glaubte nicht, dass er sie mit seiner Ernsthaftigkeit wirklich ärgern wollte. Wahrscheinlich war das einfach seine Art. Vielleicht hatte er einfach schon zu viel gesehen, zu viel getan – genug, um diese stille Schwere zu seinem ständigen Begleiter zu machen. "Du weißt schon, dass es leichtere Wege gibt, die Kleidung los zu werden..?", ein amüsierter Ausdruck schlich sich in ihre Augen, hielt sich dort fest während sie sein Profil musterte, das einen Augenblick noch vertiefter in die Knoten wirkte als zuvor. Vielleicht bemerkte sie eine Regung in seinem Gesicht.
Sein darauffolgender, beinahe strenger Tonfall ließ Sanna einen Moment innehalten, den Blick auf die Knoten gerichtet, die von ihren geröteten Fingern gehalten wurden. "Geteiltes Leid ist halbes Leid", murmelte sie mit einem leichten Schulterzucken und tätschelte erneut seinen Arm. "Sollten wir beide krank werden, können wir uns auf dem Rückweg nach Wolfsmark gegenseitig mit Suppe füttern – das hätte doch fast etwas Erheiterndes, findest du nicht?" Ihr Blick glitt prüfend über das Werk ihrer Hände. Die Knoten saßen nicht annähernd so fest wie die seinen – aber das lag wohl eher an dem bisschen Kraft, das ihr im Vergleich zu einem Krieger fehlte.

Beinahe hätte Sanna ihre Frage bereut. Sie war zu direkt gewesen – und im Grunde ging es sie nichts an. Veith ließ sie einen langen Moment in der Stille zurück, die sich zwischen ihnen aufbaute. Doch als er schließlich reagierte, tat er es mit jener ruhigen Souveränität, die ihn so oft auszeichnete. Unmerklich atmete sie auf und nahm sich insgeheim vor, in Zukunft vielleicht etwas weniger forsch in seiner Gegenwart zu sein. Vielleicht.
Seine Antwort ließ Sanna einen Herzschlag lang innehalten, ehe sie irritiert den Blick hob. Einen Moment später perlte ein leises Lachen über ihre Lippen – so plötzlich, dass sie beinahe die Balance verlor und rücklings in den Schnee gefallen wäre. Welch ein Unglück! "Oh, das tut mir... Leid.", erwiderte sie und musste an Helvis Gesicht denken, wenn sie davon erfahren hätte.

Sanna verharrte einen Moment länger kniend im Schnee, als müsste sie erst den Abdruck seiner Nähe begreifen, ehe er ganz verschwand. Die Wärme, die von ihm geblieben war, wich wie ein flüchtiger Hauch, und ein leises Frösteln rieselte ihr über den Rücken. Erst dann richtete sie sich auf, zog den Mantel fester um sich, verschränkte die Arme vor der Brust und trat hinter Veith her in das Haus. Dort empfing sie eine Stille, die seltsam fremd wirkte, beinahe lauernd, als hätte sie all ihre Worte verschluckt.
Leise schloss sie die Tür zum Hinterhof hinter sich und verharrte einen Moment still, ihre Augen folgten Veith, der ruhig das Feuer wieder entfachte. Unwillkürlich musste sie an das raue Lachen des Kriegers denken, das ihr vor wenigen Stunden diesen völlig überraschten Blick entlockt hatte – ebenso seiner Schwester. Irgendwo tief in ihr hatte es eine Saite berührt, als wäre es etwas, das sie ihm gern viel öfter entlocken würde. Doch davon war sie aktuell Meilenweit entfernt.
Sanna löste sich schließlich von der Tür und trat lautlos tiefer in den Raum. Ihr Blick blieb an Veith hängen, an dem nassen Stoff an seiner Haut. Die Konturen seines Rückens zeichneten sich deutlich unter dem Hemd ab, und für einen flüchtigen Moment folgten ihre Augen der Linie seiner Wirbelsäule, hinauf bis in den Nacken, wo silberne Haarsträhnen feucht an seiner Haut klebten. Etwas in diesem Anblick ließ ihre Gedanken für einen Moment verweilen – zu lange vielleicht.
Sanna lehnte sich leicht gegen die Tischkante, die Arme fest vor der Brust verschränkt – als müsste sie sich noch vor der Kälte dort draußen schützen. Als Veith sich langsam zu ihr umwandte, traf sie sein Blick mit einer Wärme, die nicht drängte, sondern wie ein sanftes Tasten war. Seine Frage, schlicht in der Form, aber durchdrungen von einer Fürsorge, wie sie ihr in ihrer Welt selten begegnete, ließ sie für den Bruchteil eines Herzschlags innehalten. Etwas in ihr geriet ins Wanken, leise, kaum hörbar, aber spürbar wie der erste feine Riss in festem Eis. "Der Sturm hat mich geweckt", sagte sie leise, beinahe entschuldigend. "Und da wollte ich nach den Ledern sehen …" Ihre Stimme verlor sich kurz, dann stieß sie sich vom Tisch ab und trat an die Feuerstelle. Ihre Finger glitten über den groben Stoff seines Hemds, das inzwischen trocken geworden war.
Als sie ihm das Hemd hinhielt, war ihr Blick ruhig und wach – nichts daran verriet das Mädchen, das sich einst so sehr nach einem Funken Fürsorge gesehnt hatte. Jenes Mädchen, das längst hinter der taffen Jägerin verschwunden war, zu der sie geworden war. Es war eine dieser leisen, nie ausgesprochenen Hoffnungen gewesen: nicht immer stark sein zu müssen. Und doch – wie lächerlich leicht ein einzelner Blick, eine einfache, ehrliche Frage etwas aufrühren konnte, das sie längst für tief begraben gehalten hatte. "Los, bevor du dir noch den Tod holst. Ich schau auch nicht." Ihre Stimme trug ein Lächeln in sich als sie mit der anderen Hand ihre Augen bedeckte. Doch zwischen Zeige- und Mittelfinger klaffte ein schmaler Spalt – genug, um ihn mit einem schalkhaften Blick zu treffen. "Versprochen", flüsterte sie und wandte betont den Kopf ab.


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Ihre Nähe kam ihm ungelegen. Mehr als das. Sie brachte ihn aus dem Gleichgewicht, obwohl er sich doch fest vorgenommen hatte, genau dem zu entkommen. Mit dem Vorwand, noch etwas trinken zu wollen, war er am Abend in Richtung Taverne aufgebrochen, nicht aus Durst, sondern um Abstand zu gewinnen. Abstand von der Spannung, die plötzlich zwischen ihnen herrschte und die ihm mehr zusetzte, als er zugeben wollte. Er hatte gehofft, sich mit anderen Gesichtern, anderen Blicken, vielleicht sogar anderen Berührungen abzulenken. Es kam nicht oft vor, dass er mit solchen Absichten eine Schenke betrat und doch fühlte es sich heute genau richtig an. Die Anwesenheit von Helvis’ Freundin hatte ihn aus dem Konzept gebracht, beinahe in die Flucht geschlagen. Dabei kannte er Sanna schon länger, hatte sie immer wieder bei seiner Schwester gesehen, mit ihr ein paar belanglose Worte gewechselt. Höflich, zurückhaltend, wie man es eben tat. Trotzdem war da etwas an ihr gewesen, das ihn von Anfang an berührt hatte, ein Funke vielleicht, den er nie beachtet, nie ernst genommen hatte. Sanna war schön, zweifellos. Stark, selbstbewusst, mit diesem ruhigen Sarkasmus, der ihn gleichzeitig faszinierte und verunsicherte. Schöne Frauen gab es in Norsteading nicht wenige. Dennoch hatte er sich schon früher dabei ertappt, wie sein Blick zu lange auf ihr verweilte und erst jetzt, da diese Anspannung stärker wurde, kehrte diese Erkenntnis in seine Erinnerung zurück und es bestürzte ihn zutiefst, wie ein Mensch, eine solch starke Reaktion in ihm entfachen konnte. Das war gefährlich und töricht zugleich, weshalb er glaubte, ihr besser aus dem Weg zu gehen.

Allerdings hatte Veith nicht damit gerechnet, Sanna mitten in der Nacht hier draußen im Hof wiederzusehen. Während er noch damit beschäftigt war, die Ladung zu sichern und sich auf etwas anderes zu konzentrieren als auf ihre Nähe, trat sie plötzlich aus dem Schatten und warf ihm mit spöttischem Unterton zu, es gäbe durchaus einfachere Wege, sich unbequemer Kleidung zu entledigen. Fast hätte er gelacht, wirklich gelacht, so wie vorhin auch schon, doch irgendetwas hielt ihn zurück. Er wollte auf Abstand gehen und schaffte es trotzdem nicht. „Das klingt fast, als würdest du darauf hoffen, mich noch einmal nackt zu sehen“, sagte er leise, mit einem Hauch von Spott, der mehr Tarnung war als echtes Spiel. Dabei warf er ihr einen kurzen Blick zu - kühl, beinahe beiläufig und doch so undurchdringlich, dass man nicht sagen konnte, was darin wirklich lag.

Die kurze Berührung, als sie erneut seinen Arm tätschelte, ließ seine mühsam aufrechterhaltene Fassade beinahe bröckeln. Er seufzte leise, kaum hörbar. Der Gedanke, mehrere Tage mit ihr in Richtung Wolfsmark unterwegs zu sein, erschien ihm nun eher als Belastung, denn als freundliche Geste. Der Vorschlag war aus Höflichkeit entstanden, ein impulsives Angebot, dem keine größere Überlegung vorausgegangen war. Diese Reise konnte durchaus zu einer Prüfung für seine Selbstbeherrschung werden, jetzt, da er spürte, dass Sanna ihn stärker berührte, als er es wollte. Doch Veith stand zu seinem Wort und würde es nicht brechen, ganz gleich, wie sehr ihn die Vorstellung inzwischen auch verunsicherte. Sollte Sanna tatsächlich vorhaben, mit ihm gemeinsam Richtung Süden aufzubrechen, wollte er sie nicht abweisen. Er würde seinen Teil der Abmachung einhalten, auch wenn jeder Tag in ihrer Nähe wie ein stilles Ringen mit sich selbst werden könnte. „Erheiternd für wen von uns?“ Er hob fragend eine Braue, unterdrückte das Andeuten eines Lächelns und sah sie ruhig an, ohne sich zu einer weiteren Regung hinreißen zu lassen.

Er hatte den Eindruck, dass seine Zurückhaltung sie verunsicherte. Vielleicht war genau das sein Plan gewesen. Jedenfalls ließ er sich Zeit mit einer Antwort, schwieg einen Moment länger, als nötig gewesen wäre. Sie wusste, mit welchen Absichten er in die Taverne gegangen war. Vielleicht wäre es klüger gewesen, sie in dem Glauben zu lassen, eine unangenehme Vorstellung, die sie womöglich peinlich berührt hätte, genug, um sich zurückzuziehen. Doch Veith entschied sich gegen das Spiel und für die Wahrheit. „Muss es nicht“, sagte er ruhig. „Morgen ist auch noch ein Tag.“ Dabei zuckte er kaum sichtbar mit den Schultern, als wäre es nichts Besonderes, an diesem Abend lieber einem Freund beigestanden zu haben, statt den eigenen Wünschen nachzugeben. „Komm, lass uns reingehen.“ Mit diesen Worten erhob er sich, griff nach seinem Umhang und ging voraus Richtung Tür.

Im Inneren machte er sich zunächst wortlos daran, das Feuer neu zu entfachen. Wärme war jetzt das Einzige, was er brauchte. Hinter ihm spürte er Sannas stille Präsenz, doch er wagte es nicht, sich zu ihr umzudrehen, aus Angst, erneut einen Teil seiner Selbstkontrolle zu verlieren. Als das Flackern der Flammen begann, den Raum in warmes Orangegold zu tauchen, richtete sich Veith schließlich auf und drehte sich langsam zu der Jägerin um. Sein Gesicht blieb ausdruckslos, so wie immer, doch in seinen Augen lag etwas Neues, Unbekanntes, ein leiser Schatten, der vorher nicht da gewesen war. „Ich habe Einar schon vor einiger Zeit gesagt, er soll die Fensterläden reparieren. Vermutlich hat dich das Klappern geweckt“, sagte er, die Stimme ruhig und fast beiläufig, während er ihr dabei zusah, wie sie nähertrat. Prüfend griff sie nach dem Hemd, das er vor einigen Stunden hier aufgehängt hatte. Die Kleidung war mittlerweile trocken und als sie ihn schließlich aufforderte, sich aus dem nassen Hemd zu schälen und wieder in seine eigenen Sachen zu schlüpfen, gelang es ihr tatsächlich, ihm ein schwaches Lächeln zu entlocken. Zunächst wehrte er sich noch, doch als sie spielerisch die Hände vor ihr Gesicht hielt und ihn neckte, wurde das Lächeln breiter. „Aber ich will nachher keine Beschwerden hören, dass dich der Anblick meines Körpers nicht mehr einschlafen lässt.“ Er grinste schief, aber sein Blick blieb wachsam auf ihr liegen. Als Nordländer war er es gewohnt, keine Scheu zu zeigen, sich vor anderen zu entkleiden. Langsam zog er das durchnässte Hemd aus, das an seiner Haut klebte und schlüpfte in das trockene, wohlvertraute Gewand, das auf einem Stuhl neben dem Kamin hing. Die Wärme, die von dem Hemd ausging, war sehr willkommen. Jetzt blieb ihm nur noch, die Hose zu finden, die Helvi ebenfalls zum Trocknen aufgehängt hatte, um sie im Anschluss zu flicken. „Möchtest du einen heißen Kräuteraufguss, um dich zu wärmen?“ Helvi hatte frisch gesammelte Kräuter bereitgelegt, damit Veith sich nach seiner Rückkehr mit einem heißen Getränk aufwärmen konnte. Es war ihre Art Zuneigung zu zeigen, ohne viele Worte zu verlieren. „Ich muss davor nur meine Hose noch finden“, murmelte Veith und begann, sich durch den kleinen Haufen aus Stoffen, Garnrollen und halbfertiger Kleidung zu wühlen, in dem sich das gesuchte Kleidungsstück irgendwo verborgen hielt.


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„Das klingt fast, als würdest du darauf hoffen, mich noch einmal nackt zu sehen“

Sanna zog eine Braue hoch, gespielte Empörung in ihrem Blick – doch irgendetwas daran ließ sie sich ertappt fühlen. Ihr Kommentar war gedankenlos gewesen… oder doch nicht ganz so unüberlegt, wie sie es sich selbst einzureden versuchte. Sie reckte das Kinn, als wollte sie sich gegen Veiths Miene behaupten, die wie so oft kaum etwas preisgab. In ihren Augen jedoch funkelte der Schalk – lauernd wie eine Katze, die prüfte, ob sich das Spiel lohnte. "In kalten Nächten helfen warme Gedanken…" fuhr sie fort, die Stimme um einen Ton zu unschuldig, um glaubwürdig zu sein. "Und vielleicht muss ich meiner Fantasie ein wenig auf die Sprünge helfen. Dein Opfer wäre wirklich kein großes." Sie hielt kurz inne, kämpfte mit einem Grinsen, das sich in ihre Züge stahl – und verlor gegen ihren eigenen Scherz in dem vielleicht auch ein Funken Wahrheit steckte. Das Zucken um ihre Mundwinkel verriet sie längst, noch bevor das leise Lachen ihren Ernst vollends zerschlug. Er hatte wahrlich keinen guten Einfluss auf sie. Wenn ihre Mutter davon erführe, würde sie Sanna vermutlich eigenhändig zum Anstandsunterricht (den es in Norsteading vermutlich gar nicht gab) schleifen – oder sie gar nicht mehr vor die Tür lassen. Und vielleicht war genau das der Beweis dafür, wie gefährlich seine Nähe eigentlich war. Nicht, weil er irgendeinen primitiven Instinkt in ihr ansprach – sondern weil sie sich in seiner Gegenwart zu wohl fühlte, zu sehr entspannte und zu Dingen hinreißen ließ, die sonst tief in ihr verborgen lagen.

Das ließ sie zwar mit einem Anflug von Sorge auf die bevorstehende Rückreise nach Wolfsmark blicken – zu lang, zu kalt, zu viele Gelegenheiten für Unvorhergesehenes. Doch gleichzeitig legte sich eine kaum merkliche Vorfreude um ihr Herz, zart wie der erste Schneefall. Es schlug ein wenig schneller, flatternd fast. Natürlich, sagte sie sich, lag das nur an dem Gedanken, dass es mit Veith garantiert nicht langweilig werden würde. Dass er ihr unterwegs reichlich Gelegenheit bieten würde, seine Grenzen auszutesten. Nur daran.
Auf seine Frage hin, zuckte sie leicht mit den Schultern. "Das werden wir dann sehen.", sagte sie beinahe zu beiläufig, während sie ihn aufmerksam musterte und doch nur wieder gegen seine ausdruckslose Fassade stieß.

„Morgen ist auch noch ein Tag.“

Männer waren wirklich eine besondere Spezies. Sanna blickte ihm einen Moment lang hinterher, den Kopf leicht geneigt, die Gedanken halb amüsiert, halb ungläubig. War das bei ihnen immer so? Solche Abende mit halb offenem Plan: Heute trinken, danach eine Frau. Sie selbst war noch nie mit einem solchen Vorsatz in eine Taverne gegangen – auch wenn es durchaus schon passiert war das sich dort etwas... ergeben hat. Nur eben nicht… geplant. Nicht so beiläufig einkalkuliert wie ein weiterer Gang auf dem Markt.

[...]

Sanna betrachtete Veiths Gesicht einen Moment länger, als nötig – zu neugierig vielleicht, eine Regung bemerkend, die sie zwar sah, aber nicht deuten konnte. Nicht einordnen. Sie wusste nicht einmal mehr genau, wie lange sie ihn eigentlich schon kannte. Ihre Begegnungen waren stets höflich gewesen, von einer beinahe selbstverständlichen Distanz geprägt. Vielleicht war es nicht nur seine stille Unnahbarkeit gewesen, die dazwischen gestanden hatte, sondern auch sie selbst.
Denn eine ganze Weile hatte sie kaum einen Blick für andere Männer gehabt. Leif war zu einer ständigen Präsenz in ihrem Herzen geworden – ein Bild, dem sie nachgehangen hatte. Nicht, weil er König werden sollte. Sondern weil sie ihn geliebt hatte. Immer noch liebte. Auf eine Weise, die sich in Schmerz gewandelt hatte. In Einsamkeit und das bittere Wissen, dass es niemals mehr sein würde. Die Erkenntnis war spät gekommen. Viel zu spät, auch wenn sie sie sich längst eingeredet hatte. Aber die Gefühle waren geblieben. Sie würden nie ganz verschwinden. Er war der Vater ihres Kindes. Und doch... vielleicht war es kein Zufall, dass heute ausgerechnet Veith so nah an ihrer Seite war. Vielleicht war es eines dieser Zeichen, von denen Eydís immer sprach. "Du wirst wissen, wann du bereit bist, weiterzugehen. Du musst nur geduldig sein." Vielleicht hatte Eydís wirklich Recht. Vielleicht war es an der Zeit, ein Stück loszulassen – um Raum zu schaffen für etwas Neues. Nicht alles, nicht gleich. Aber genug, um wieder einen Schritt nach vorn zu wagen. Noch wollte sie dem Gefühl keinen Namen geben. Kein Ziel, keine große Bedeutung. Sie wollte einfach nur diesen einen Moment spüren. Ihm folgen. Dem flüchtigen, aber warmen Ziehen in ihrer Brust, das wie eine leise Ahnung wirkte – als würde etwas in Bewegung geraten. Etwas, das sie nicht verstand, aber das sich richtig anfühlte. Ein Anfang, vielleicht. In ein Leben das nicht mehr auf leeren Hoffnungen gebaut wurde. "Vielleicht waren es die Fensterläden.", nickte sie mit einem halben Lächeln als sie neben ihn trat.

Das Lächeln, das sich langsam um Veiths Lippen legte und mit jedem ihrer Worte breiter wurde, fegte ihre vorangegangenen Gedanken fort – wie ein Windstoß, der alte Spuren verweht – und ließ das leise Ziehen in ihrer Brust zu einem warmen, kaum fassbaren Puls anwachsen. "Ich befürchte auch, mir würde nicht nur warm bei diesen Bildern in meinem Kopf …", erwiderte sie mit gespielter Heiterkeit, räusperte sich jedoch, als ihre Stimme ein wenig zu rau klang.
Zwar hatte sie den Blick bewusst abgewandt, doch durch den dünnen Vorhang ihrer Finger, der ihr Gesicht locker verdeckte, sah sie genug in der Spiegelung des Fensters. Jede Bewegung, jede Kontur. Ihr Atem wurde flacher, ein leiser Schauer jagte über ihre Haut und ließ die feinen Härchen in ihrem Nacken aufstehen. Ihr Mund war plötzlich trocken – und die Wärme, von der sie gesprochen hatte, sammelte sich an ganz anderer Stelle als in ihren Wangen.

Als er sich umgezogen hatte und nun suchend nach seiner Hose blickte, wandte Sanna sich ihm wieder zu – mit aller Mühe darauf bedacht, sich nichts anmerken zu lassen. Weder, wie sehr ihr Blick an seiner nackten Haut hängen geblieben war, noch wie schwer es ihr fiel, sich davon zu lösen. Etwas in ihr hatte sich geregt, ein leiser, brennender Impuls, der sich nicht so leicht wegatmen ließ.
Die Frage nach einem wärmenden Kräutergetränk ließ sie kurz irritiert blinzeln. Ihr war längst nicht mehr kalt – im Gegenteil, ihre Haut prickelte noch immer unter der Erinnerung an seinen Anblick. Dennoch nickte sie. "Ja, gern", antwortete sie ruhig, auch wenn ihre Stimme fast einen Hauch zu gelassen klang. Ihr Blick folgte ihm, als er nach seiner Hose suchte. Eben noch hatte sie gewusst, wo Helvi das Kleidungsstück zur Reparatur hingelegt hatte. Kurz sah sie sich um – und entdeckte den gesuchten Stoff über der Lehne eines Stuhls am Fenster. Vermutlich hatte Helvi dort vorgehabt zu arbeiten. Mit ein paar langen, zielstrebigen Schritten – und dem durchaus willkommenen Luftzug, der unter ihren Mantel fuhr und ihre erhitzte Haut beruhigte – ging sie zum Fenster, griff nach dem Kleidungsstück und hielt es hoch. "Meinst du dieses löchrige Ding?" Sanna neigte leicht den Kopf, ein schräges Grinsen auf den Lippen, das ihre vorherige Irritation - fast - vollständig verbarg.


RE: I wonder if the snow loves the trees and fields, that it kisses them so gently? - Veith Alvarsson - 07-06-2025

Er hatte es sich selbst zuzuschreiben. Mit seiner Bemerkung hatte er ihr nur allzu bereitwillig die Vorlage für weiteres Geplänkel geliefert. Ein undefinierbares, leises Knurren entwich seiner Kehle, weniger aus Verärgerung, denn als ungewollte Reaktion auf die Vorstellung, ihre Fantasie könnte durch das Ablegen seiner Kleidung beflügelt werden. Wann genau war diese Vertrautheit zwischen ihnen eigentlich entstanden? Er konnte es nicht mit Gewissheit sagen. War es jener Moment gewesen, in dem sie sich vor einigen Stunden auf den Hof geschlichen hatte, nur um ihm mit sarkastischem Blick zu erklären, dass seine Hose zu eng saß? Oder war es erst später geschehen, als er sich in der warmen Geborgenheit von Helvis Küche dazu verleiten ließ, in der jungen Jägerin mehr zu sehen als nur eine gelegentliche Besucherin? Vielleicht waren diese Empfindungen schon immer da gewesen, verborgen unter Schichten aus Pflichtgefühl, Selbstbeherrschung und einer wohlmeinenden Distanz, die ihm zunehmend schwerer fiel aufrechtzuerhalten. Warum also trieb er sie immer wieder dazu, weitere Risse in seinem Schutzwall offenzulegen? Er kannte die Antwort längst. Es fühlte sich gut an. Es fühlte sich lebendig an, für einen Moment alles loszulassen, was ihn sonst aufrecht und auf Abstand hielt. Sich fallen zu lassen. Die Kontrolle aus der Hand zu geben. Nicht länger der Fels in der Brandung sein zu müssen, der alle Verantwortung auf seinen Schultern trug. Nur für einen Herzschlag im Jetzt verweilen, ohne an morgen zu denken. Ohne an die Pflicht. Ohne an die Bürde.
Das klingt beinahe wie eine Drohung“, schloss er an das vor Stunden geführte Gespräch an, als sie sich vage über die Rückreise und die erheiternde Situation während der gegenseitigen Fütterung äußerte. Der bloße Gedanke daran ließ ein kaum merkliches Zucken um seine Mundwinkel spielen, auch wenn sein Gesicht wie gewohnt unbewegt blieb. Wie leicht sich Nähe anfühlen konnte, wenn man vergaß, dass sie gefährlich war.
[...]

„Helvi hat für solche Fälle immer Eiswasser im Hof bereitstehen“, murmelte Veith trocken, während er das Hemd überstreifte. In seiner Stimme lag ein Anflug von Spott, jedoch eher gegen sich selbst als gegen sie. Er zählte nicht zu jenen Nordmännern, die mit bloßer Brust und selbstgefälligem Lächeln durch die Schänken stolzierten. Es gab genug Männer in diesen Landen, groß gewachsen, mit Muskeln wie aus Eichenholz geschnitzt und einem herben Charme, der Frauenherzen schneller schlagen ließ. Veiths Charakter war anders. Still. Bedacht. Ein Mann, der seine Worte ebenso sorgsam wählte wie seine Kämpfe. Das machte ihn unscheinbarer in einem Raum voller lauter Stimmen und genau das gefiel ihm. Er hatte heute in der Taverne mit dem Gedanken gespielt, sich auf ein Spiel einzulassen, ein wenig zu reizen, zu provozieren. Aber es war bei dem Wunsch geblieben.
Im Hause seines Vaters warteten drei Frauen, jede mit genügend Entschlossenheit, ihm den Tag zu verderben, wenn ihnen danach war. Er sah keinen Grund, sich noch eine vierte ins Leben zu holen, die ihn ebenso herumkommandieren würde. Es hatte nur eine Frau gegeben, die ihn je wirklich interessiert hatte. Eine, die immer außer Reichweite geblieben war, nicht wegen der Entfernung, sondern wegen allem, was sie unausgesprochen und unüberbrückbar voneinander trennte.

Seit jenem Tag hatte er dieses Gefühl nie wieder verspürt. Umso unwillkommener war es, dass es ihn ausgerechnet hier und jetzt heimsuchte – dieses Ziehen in seiner Brust, das mit jedem ihrer Blicke stärker wurde. Sanna zögerte einen Moment, ehe sie auf seine Frage nach dem Getränk antwortete. Er bedachte sie erneut mit diesem sonderbaren, beinahe forschenden Ausdruck auf dem Gesicht, als wüsste er längst, dass dieses Gefühl nicht einseitig war, dass es zwischen ihnen schwelte, auch wenn keiner von beiden es in Worte fassen wollte. Ohne etwas zu sagen, trat er schließlich zum Kamin, nahm den gusseisernen Kessel und hing ihn über die flackernden Flammen. Das Wasser darin würde bald sieden und die Kräuter, die Helvi vorbereitet hatte, ihre wohltuende Wärme entfalten.

Veiths Blick glitt schließlich von dem Haufen an Stoffen zu Sanna, die ihm das Kleidungsstück, das er suchte, entgegenhielt. „Das ist genau das löchrige Ding“, brummte er mit einem Anflug von Belustigung in der Stimme. Als er die Hose entgegennahm, streiften seine Finger beiläufig ihre. Ein kurzer, alltäglicher Moment und doch verweilte seine Hand einen Herzschlag länger, als es nötig gewesen wäre. Sein Daumen strich wie zufällig über ihren warmen Handrücken, bevor er die Hose schließlich ganz an sich nahm. „Bedecke deine Augen, Frau, ich will nicht, dass du noch einen Hitzschlag erleidest“, sagte er mit einem leichten Schmunzeln, während er die nasse Hose auszog und seine eigene wieder überstreifte. Danach nahm er die Becher hervor, stellte sie vor ihnen auf den Tisch und gab einige Kräuter hinein. „Setz dich. Hast du Hunger?“ Für einen Moment entschied er sich, den guten Gastgeber zu spielen, in der Hoffnung, die unerwünschten Gedanken an Sanna und ihre weiche Haut damit zu vertreiben.