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Aren't you tired trying to fill that void? - Druckversion

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Aren't you tired trying to fill that void? - Aleena Stelhammer - 21-02-2024

Wie viel Zeit vergangen war, seit Aleena in ihrer Heimat angekommen war, vermochte sie gar nicht mehr zu sagen. Es hatte an Wichtigkeit verloren, als sie spürte, wie ihre Seele langsam aufzublühen schien. Es hatte an Bedeutung verloren, als sie die warmen Sonnenstrahlen auf ihrer viel zu hellen Haut gespürt hat. Es war, als könnte sie endlich wieder atmen. Endlich wieder die Luft so tief in ihre Lungen saugen, wie sie es früher oft getan hat, während sie durch die Gärten spaziert war oder mit ihrem Pferd über die Felder ritt. Mittlerweile kam ihr das wie ein anderes Leben vor. Die Erinnerungen waren verblasst. Kurz nach dem Umzug nach Norsteading vor knapp vier Jahren konnte sie sich sogar noch an die Gerüche der Blumen erinnern, die bei ihnen im Garten gewachsen waren. Jetzt musste sie ihre Nase tief in die Blüte einer Rose halten, um überhaupt etwas riechen zu können. Um sich erinnern zu können.

Dass sie jetzt wieder in Springs Court war, war wie ein Traum. So lange hatte sie sich gewünscht ihrer Heimat einen Besuch abzustatten und auch, wenn der Grund ihres Aufenthalts nicht besonders schön war, so genoss sie trotzdem jede Sekunde im Frühlingsland. Sie verbrachte Zeit mit den Zwillingen, ritt mit ihrer alten Stute aus (auch wenn sie dabei immer unter strenger Beobachtung stand) und schlenderte beinahe leichtfüßig durch die Gänge ihres alten zu Hauses. Die Blüte, die sich so fest verschlossen hat, als sie ins Winterland kam, blühte jetzt endlich wieder auf.

Aleena hatte das erste Mal das Gefühl, dass sie es schaffen konnten. Dass SIE es schaffen konnte. Nicht nur zu überleben im Land des ewigen Winters, sondern dass sie sogar glücklich werden könnte. Auf ihre eigene Art und Weise. Es war eine ganz neue Zuversicht, die sie plötzlich durchströmte. Seit vier Jahren war sie nicht mehr so energiegeladen und offenherzig gewesen.

Als sie die Männer sah, die nach und nach im Innenhof des Schlosses eintrafen, fasste sie einen Entschluss. Sie würde heute Abend mit ihrem Ehemann reden, würde sich Mühe geben ihn zu sehen. Ihn und seine Geschichte. Ihn und seine Kriegskunst. Ihn und sein Schwert, das sie so lange abschätzig betrachtet hat.
Sie bat ihre Zofe ihr ein schönes Kleid zurecht zu legen, ihr die Haare zusammen zu binden und ihr eine kleine Blume in die Zöpfe zu flechten. Sie würden ihrem Ehemann ein paar Stunden geben. Er sollte sich ausruhen können, sollte ein Bad nehmen und erst einmal ankommen. Aleena hatte in den letzten Wochen und Monaten ein besonderes Talent dafür festgestellt in besonders ungünstigen Momenten aufzutauchen, daher entschloss sie sich bis zum Abend zu warten, bis sie ihren Ehemann aufsuchte.

So kam es, dass sie nach Anbruch der Dunkelheit an seine Tür klopfte. Obwohl sie ein großes Gemach als Eheleute bekommen haben, waren ihre Bereiche noch einmal voneinander getrennt.
Ein Kleid in kräftigem Blau schmückte den zierlichen Körper der jungen Frau, während eine rosa Blüte in ihrem Haar steckte. Ein leises Klopfen ertönte, als sie mit den blassweißen Fingerknöcheln gegen das Holz klopfte, um ihr Kommen zu signalisieren. "Hier ist Aleena", entgegnete sie leise. Nicht, dass er die Tür nicht öffnete, weil er keine Lust auf irgendwelche lästigen Generäle- oder wie die Männer auch immer hießen - hatte.



RE: Aren't you tired trying to fill that void? - Leif Stelhammer - 05-03-2024

Eigentlich hatte Leif doch alles, was er wollte. Bei Heofader nochmal, er hatte Krieg spielen dürfen. Für ein paar lausige Minuten hatte es sich doch tatsächlich so angefühlt, als wäre das hier ernst, als ginge es um mehr als nur die Idee eines jungen Königs, eine Stadt einzunehmen, die vor Jahrhunderten mal seinem Land gehört hatte – und das war es ja auch. Für viele waren die Folgen und die sehr reellen Zahlen von Flüchtlingen sehr ernst, so wie die verschwindend geringe Anzahl von tatsächlichen Opfern (nicht durch Leifs Axt, wohlgemerkt). Und das sollte alles sein? Erst, wenn es vorbei war, realisierte man, was man eigentlich vermisste. Der Ritt auf dem Gefühlshoch kam vor dem Fall und Leif ärgerte sich nur, dass er nicht der Visage eines Castellanos dabei hatte zusehen können, wie das Licht aus dessen schockierten, aufgedunsenen Augen erlosch. Der Kronprinz hatte auf dem Schlachtfeld nicht verstanden, warum sie nicht weiterzogen. Für einen Moment hatte er alle Pläne gekonnt vergessen und wollte sich schon zum Weiterzug wappnen, bis er den Blick seines Schwagers eingefangen hatte und merkte Tja, da kommt nichts mehr. Pech gehabt. Man stelle sich nun einen Krug Met vor, der einem so lange eine gewisse Befriedigung gab, bis man realisierte, dass man Pisswasser trank. Und genauso fühlte sich Leif. Scheiß Pissversprechen an einen Krieg, der vermutlich genauso lange auf sich warten ließ, bis er seine Axt mit seiner Greisstarre nicht mehr heben konnte.

Auch hier in Spring’s Court hatte der Kronprinz eigentlich alles, was er wollte, sein gesamtes Leben hatte er eigentlich nie mit wirklich viel Abstinenz auskommen müssen. Nur in der Einöde hatte er ohne Wein, Met, einem guten Braten und warmen Bädern überlebt und während der Rückreise in die Hauptstadt des Frühlingslandes hatte er mit dem Gedanken gespielt, diese Erfahrung vielleicht einfach nochmal zu wiederholen. Wenn es schon keinen Krieg gab, wo er sein ganzes Testosteron ausschütten konnte, warum dann nicht sein Leben in der anderen Himmelsrichtung aufs Spiel setzen? Vermutlich war Augusto gerade mal von seinem Thron gerollt, wenn Leif mit weiteren Schätzen nach Hause zurückkehrte, oder vielleicht auch mit einem Arm weniger. Der Gedanke an die vergangenen Abenteuer glich zumindest seine griesgrämige Laune wieder aus, bis er durch die Tore von Spring’s Court ritt und mit genug Wein bei der Willkommensfeier schon wieder vergessen hatte, warum er ursprünglich so eine schlechte Laune gehabt hatte. Angenehm rauschte es in seinem Kopf, bis er sich endlich in seine (und Aleenas) Gemächer zurückzog und den Schlamm der Reise mit warmem Wasser von seiner Haut schrubbte. Eine Magd schickte sich an, einzutreten und ihm zur Hilfe zur kommen, aber er scheuchte sie weg und setzte noch einen Kommentar hinterher, der sie ihre Beine schneller in die Hand nehmen ließ. Hach ja, die kleinen Freuden am Leben, wenn man schon nicht die großen haben konnte.
Als es an seiner Tür klopfte, dachte er schon, die Magd hätte es sich noch einmal anders überlegt und wollte sein Angebot vielleicht sogar annehmen – auch wenn er es absichtlich so formuliert hatte, dass es einer Frühlingsländerin die Schamesröte in die Wangen trieb. Es war daher nicht verwunderlich, dass er sich nicht die Mühe machte, von seinem Bad aufzustehen, sondern nur seine starke Stimme zu erheben, dass sie auch sicher bis nach draußen zu hören war. „Habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt?!“ Mägde waren hartnäckig – Eheweiber auch. Die Stimme am anderen Ende der Tür stammte von Aleena und Leif beschlich ein bekanntes Gefühl von Gleichgültigkeit, aber nicht im negativen Sinne. Das Ehepaar hatte sich jetzt schon ein paar Wochen nicht mehr gesehen und das Fass mit dem Aleena-Etikett hatte Zeit gehabt, sich selbst abzugießen, dass Leif sich sogar dabei erwischt hatte, während der Feier ein paar Mal ihren Blick zu suchen. Mit kräftigen Fingern trieb Leif sich die Feuchtigkeit aus den dunklen Locken – er wagte nicht, an sich zu riechen, weil die Magd sicher irgendein angeblich wohltuendes Rosenöl ins Wasser geschmuggelt hatte -, und erhob sich schließlich aus dem warmen Wasser, griff nach dem Leinentuch, was man ihm bereitgelegt hatte, aber machte sich nicht mehr den Umstand, sich anzukleiden, bevor er die Tür zu seinem Gemach nach innen schwenken ließ. „Komm rein.“ Sich mit einer Hand abtrocknend und damit nur dürftig seinen aktuellen Umstand versteckend, richtete sich sein Blau auf die kleinere, zierliche Gestalt, und Leif konnte nicht umhin als die Stirn zu runzeln. „Warst du im Garten?“, fragte er und trat zur Seite, damit Aleena eintreten konnte. Er drückte die Tür hinter ihr zu und machte sich, ohne sie noch eines großen Blickes zu würdigen, sofort wieder auf in Richtung der Wanne, um sich die frisch bereitgelegte Kleidung zu schnappen. „Eins muss man Castandor wirklich lassen. Schade um den guten Wein, wenn wir ihre Felder niederbrennen.“ Allein bei dem Gedanken stellten sich die feinen Härchen auf seinem Nacken auf, sicher nicht der Kälte geschuldet, die hier im Frühlingsland ohnehin mild ausfiel. Nein. Er konnte es kaum erwarten, besagte Felder endlich brennen zu sehen.



RE: Aren't you tired trying to fill that void? - Aleena Stelhammer - 10-03-2024

Die donnernde Stimme ließ Aleenas Herz einen Schlag aussetzen. Es waren Wochen vergangen, in denen sie dieses Gefühl beinahe vergessen hatte. Wie es ihr jedes Mal den Schweiß in die Handflächen trieb und sie plötzlich anfing sich auf der Lippe zu kauen. Etwas, was sie sonst normalerweise nicht tat. Es waren Übersprungshandlungen, weil sie noch immer das Gefühl hatte in seiner Nähe falsch zu sein. Obwohl eigentlich genau dort ihr Platz war und das nun schon seit quälend langen Jahren. Vier Jahre war ihre Hochzeit mittlerweile her und trotzdem hatte sie sich noch immer nicht an seine Gesellschaft gewöhnen können. Und manchmal fühlte es sich so an, als würde es ihm ähnlich gehen. Irgendwie also eine Gemeinsamkeit, die sie hatten. Traurig, dass es ausgerechnet diese war, die sie teilten. Die Blondine musste schlucken. Obwohl alles in ihr danach schrie sich auf dem Absatz ihrer ungemütlichen Schuhe wieder umzudrehen, trat sie durch die knarrende Holztür durch und wurde beinahe von der Feuchtigkeit, die wie Nebel in der Luft hing, erschlagen. Es war heiß. Unerträglich heiß. Und es roch anders, als sie erwartet hatte. Es war nicht das erste Mal, dass sie sich nach Wochen der Abwesenheit wieder sahen und die meisten Male hatte es nicht so angenehm gerochen, wie jetzt. Und doch stimmte auch das irgendwie nicht. Der liebliche Duft ließ ihre Augen tränen. Ließ ihr die Luft weg bleiben. Warum nur war es so schwierig? Warum nur konnte sie nicht einfach glücklich an seiner Seite sein?

Beinahe verärgert über ihre eigene Empfindlichkeit trat sie trotz aller Instinkte in das Bad. Sie blinzelte die Hitze weg und richtete ihre blauen Augen auf ihren Ehemann. Er war nackt. Kein einziges Stückchen Stoff befand sich auf seiner noch immer nassen und glänzenden Haut. Eine kleine Öllampe erhellte das holzvertäfelte Badezimmer und ließ die Schatten auf seinen Muskeln tanzen. Für einen kurzen Moment überlegte sie, ob er sich absichtlich so präsentierte. Noch immer hatte es kein Laut aus ihren rosigen Lippen geschafft. Die ehemalige Stafford streckte den Rücken durch und versuchte sich an einem Lächeln. Sie hatte offensichtliche Schwierigkeiten den Blick in sein Gesicht zu richten. Obwohl Aleena bislang nie über die Tatsache nachgedacht hatte, dass Männer sogar anziehend sein konnten (selbst nachdem sie ihre Unschuld verloren hatte, war ihr das komischerweise nie in den Sinn gekommen) konnte sie sich der Atmosphäre nicht entziehen. Schamesröte ließ ihre Wangen leuchten. Glücklicherweise erhellte die Öllampe nur notdürftig den Raum, sodass ihm hoffentlich entgehen würde, wie unangenehm ihr die Situation war. Vor allem, wie unangenehm ihr die Tatsache war, dass sie mit ihrem Blick immer wieder tiefer schweifte, als ihr lieb war. Es ging nicht anders. Leif war ein gut gebauter Mann und... verunsicherte sie. Mit jeder Faser seines Körpers. Von seiner Haarspitze bis zu seinem Zehennagel.

Aleena räusperte sich. "Danke", erwiderte sie nun auf die Einladung, den Raum zu betreten. Wenn auch reichlich spät und der inhaltliche Zusammenhang kaum noch erkennbar war. Sie musste sich zusammenreißen! Es war ihre Pflicht eine gute Ehefrau zu sein und obwohl schon so viele Monate nach ihrer Hochzeit vergangen waren, hatte sie ganz tief in ihrem Inneren nie die Hoffnung aufgegeben vielleicht doch noch ihre ganz neue Art von Glück zu finden. Ein anderes Glück, als sie es sich als junges Mädchen ausgemalt hatte, aber manchmal musste man im Leben einfach improvisieren.
Sie beobachtete ihren Mann dabei, wie er sich notdürftig abtrocknete und dann zu seinen Kleidern ging. Die stählernen Muskeln an seinem Rücken sorgten abermals dafür, dass ihr die Worte fehlten. Sie nickte lediglich, als er fragte, ob sie im Garten gewesen war. Du dummes Lamm, maßregelte sie sich selbst in Gedanken. Wie sollte er die Bestätigung sehen, wenn er ihr den Rücken zudrehte?! Also ein neuer Versuch: "Ja, ich habe vorhin einen Spaziergang durch den Garten des Schlosses gemacht. Schon als kleines Mädchen habe ich hier sehr viel Zeit verbracht", erzählte sie mit glitzernden Augen und versuchte sich gedanklich weiter davon abzulenken, dass ihr Mann immer noch nackt vor ihr stand.

Plötzlich kam ihr ein angsteinflößender Gedanke. War es ihre Pflicht als Ehefrau jetzt... etwas zu tun? Sollte sie sich im nähern und... etwas in die Wege leiten? Ihre Augen wurden größer und sie starrte Leifs Rückansicht an. Obwohl sie zwar schon ein paar wenige Male miteinander intim geworden waren, konnte man nicht wirklich behaupten, dass Aleena Erfahrung in solchen Dingen hatte. Sie war so unbeholfen wie ein junges Reh. Dabei wünschte sie sich selbst, dass es anders wäre. Sie wäre gerne eine starke und emotional gefestigte Frau. Sie würde gerne weniger in ihren Gedanken hängen und sich von ihrer Angst leiten lassen.

Sie trat einen Schritt in seine Richtung. Das Holz knarrte unter ihren Füßen und in ihren Ohren hörte es sich an, als würde die Welt aus den Fugen brechen.
"Vielleicht sollten wir vorher ein paar Trauben sichern, bevor ihr die Flammen arbeiten lasst", erwiderte sie leise auf seine Worte und hoffte, dass es die richtige Antwort war. Was das ganze Thema Krieg anbelangte, war sie mindestens so unwissend, wie es mit der Liebe zwischen Eheleuten war.
"Ich bin froh, dass es Dir gut geht", murmelte sie leise und überlegte anschließend, ob es wirklich pures Glück war, dass sich in ihrer Magengegend ausbreitete, als sie gehört hatte, dass die Männer in wenigen Tagen hier eintreffen würden...



RE: Aren't you tired trying to fill that void? - Leif Stelhammer - 24-03-2024

Die geistige (temporäre!) Zurückgebliebenheit von Aleena störte den Winterländer nicht weiter, wenn er sie denn überhaupt mitbekam. Es war keine Seltenheit, dass sich das Paar anschwieg, und er war der Letzte, der sich bemühte, ein Gespräch aufrecht zu halten, wenn er auch genauso gut damit zurechtkam, seinen eigenen Tätigkeiten nachzugehen. Genau genommen hatte seine Frau ihn aus der Routine gerissen, deswegen erwartete er selbstverständlich von ihr, dass sie ihn nun das zu Ende bringen ließ, was er angefangen hatte. Ihr den Rücken gekehrt, befreite er sich von den duftenden Tropfen auf Arm und Brust und griff nach dem Leinenhemd, das man ihm sorgfältig bereitgelegt hatte. „Ich weiß“, war sein einziger Kommentar dazu, dass sie ihm zum mittlerweile sicher hundertsten Mal erzählte, wie viel Zeit sie damals in den Schlossgärten verbracht hatte. Er war nicht wütend auf sie. Nicht genervt. Er verstand, dass sie all das Grün und die Blumen im Winterland vermisste, aber es gab nichts, was er daran ändern konnte. Deswegen begegnete er ihren Ausführungen schon seit geraumer Zeit mit einer Gleichgültigkeit und ließ sie erzählen, wann immer sie in den glücklichen Erinnerungen ihrer Kindheit schwelgte – denn glücklicher musste sie damals allemal gewesen sein.
Rein seiner pragmatischen Ader geschuldet brauchte es keine zwei Minuten, bis Leif auch schon wieder ansehnlich in Kleider gehüllt war und nur noch seine feuchten Locken verrieten, dass er sich den Dreck der Reise abgewaschen hatte. Trockene Kleidung fühlte sich immer ein wenig zu rau auf frisch gebadeter Haut an, aber zumindest das Hemd saß locker genug, dass er kaum etwas von dem Stoff merkte; er machte sich auch nicht mehr die Mühe, es über seiner Brust zuzuschnüren, wenn er sein Gemach doch ohnehin nicht mehr verlassen würde. Dass er Aleena in irgendeiner Richtung Unwohlsein bereitet haben könnte, kam ihm dabei überhaupt nicht in den Sinn, dabei hätte er sie nur einmal anschauen müssen, um zu verstehen, dass etwas nicht in Ordnung war. Tat er aber nicht. Er kannte seine Frau, er musste sich nicht vergewissern, dass sie seit seinem Aufbruch noch alle Zähne und blonden Locken an sich hatte. Bei dem dämmrigen Kerzenlicht und seinen vom Badewasser getrübten Augen hätte er solche Veränderungen wahrscheinlich eh nicht ausmachen können.
Leif ging an Aleena vorbei und wich ihr sogar noch aus, weil sie näher stand, als er es erwartet hatte. Dabei legte er seine Hand aus Reflex auf ihre Schulter, als würde er sichergehen wollen, dass er sie nicht umstieß. „Was, sollen wir vorher noch einen Korb in die Hand nehmen und welche pflücken gehen?“ Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus und entgegen seiner sonstigen Gebärden mit Aleena sah es gar nicht so fehlplatziert aus. „Ich bezweifle, dass unser Land mehr als nur Traubensaft daraus gewinnen kann. Oder kennst du dich mit Gärungsprozessen aus?“ Einmal würde Aleena den Barbaren etwas beibringen können, statt ständig selbst belehrt zu werden. Nicht, dass Leif von ihr groß erwartete, sich derartige Mühe zu geben – an ihrer Stelle hätte er vermutlich auch irgendwann aufgegeben, sich an eine Umgebung anpassen zu wollen, die ihn mit allen Mitteln abstoßen wollte. Ein unromantischer, grobschlächtiger Gatte inklusive.
Erst, als Leif seinen Krug Wasser in der Hand hielt und sich großzügig den Becher vollschenkte, drehte er sich zu Aleena um und bedachte sie mit einem längeren Blick. „Hm“, brummte er und schien kurz abzuschätzen, was er sagen wollte. „Es gab nicht viel, was mir wirklich hätte gefährlich werden können. Wir waren deutlich in der Überzahl und der Kampf war schnell vorbei. Der Fürst hat kapituliert.“ Ob da Enttäuschung in seiner Stimme mitschwang? In all den Nächten hatte er auf die Schlacht hin gefiebert, nur um dann… was? Nicht einmal Blut an seiner Axt kleben zu haben? Leif wusste nicht genau, was er eigentlich erwartet hatte, aber er hatte doch zumindest etwas von der Reise haben wollen. Wenigstens eine Geschichte, die er Valda erzählen konnte. Stattdessen würde er mit leeren Händen zurückkehren und all die Jubelschreie in der Heimat würden die Leere nicht ausgleichen können, die sich hartnäckig in seiner Brust festgesetzt hatte. Aber Aleena würde das nicht verstehen. „Wasser?“, streckte er die Hand aus und bot ihr den Becher an, den er soeben befüllt hatte.



RE: Aren't you tired trying to fill that void? - Aleena Stelhammer - 07-04-2024

Auch wenn Aleena nur selten anderen Männern beim Training zugesehen hatte, war sie in einzelnen Fällen doch in die Verlegenheit gekommen die jungen Burschen dabei zu beobachten, wie sie mit Holzschwertern gegeneinander kämpften. Meistens war sie auf der Suche nach Leif gewesen und hatte sich ein wenig mehr Zeit gelassen, um in irgendwelche Übungszelte zu gehen, weil die Luft in solchen Zelten meist eher unangenehm in Aleenas Nase kribbelte. Aber die meiste Zeit über hielt sich ihr Ehemann natürlich nicht damit auf die kleinen Jungs zu trainieren, sondern arbeitete lieber mit den erwachsenen Männern, die schon mit Waffen aus Metall arbeiteten. Und jedes Mal, wenn sie das Geräusch von zusammenprallenden Waffen hörte (dabei spielte es keine Rolle, ob sie aus Holz oder Metall waren), zuckte sie innerlich zusammen. Sie konnte beinahe die Kraft spüren, die durch die Arme dieser Männer rann. Sie konnte spüren, wie viel Willen sie aufbringen mussten, um einen Schlag ihres Mannes zu parieren (hieß das überhaupt so? Aleena hatte genauso wenig Ahnung von Waffen und dem Kampf, wie von Politik und Krieg).
Und genauso, wie sie sich jedes Mal fühlte, wenn sie die Männer beobachtete, fühlte sie sich jetzt im Moment. Wie zwei Schwerter, die aufeinander prallten. So viel Kraft, die sie aufbringen musste, um dabei nicht durchzubrechen. Sie musste kämpfen. Sie musste gegen den Wunsch ankämpfen einfach aufzugeben, auch wenn er manchmal so groß war, dass sie Schwierigkeiten hatten morgens aus dem Bett aufzustehen. Es war ein Kampf gegen Windmühlen. Es war ein ewiger Kampf gegen die Emotionslosigkeit ihres Mannes, gegen seine fehlende Aufmerksamkeit und Sinn für Schönheit. Sie waren schwarz und weiß. Aleena war weiß, vereinte alle Farben in sich und Leif war schwarz und damit die Abwesenheit von Farbe. Jedenfalls wenn man sie von außen betrachtete. In der Realität sah es völlig anders aus, denn Leif hatte Farben. Viele sogar. Aber eben andere, als Aleena.

Aleena musterte ihren Mann, als dieser plötzlich in seinem Leinenhemd vor ihr stand und Worte preisgab, von denen sie sich nicht sicher war, ob sie ehrlich gemeint waren. Er sprach von Trauben pflücken und die junge Frau konnte sich nicht eines gewissen gedanklichen Bilder erwehren, dass sie schmerzhaft glücklich machte. Sie wusste, dass Leif keine Blumen mit ihr pflücken würde, aber ehrlicherweise war es genau das, was sie sich tief in ihrem Inneren wünschte. Nicht das Pflücken an sich, aber die Annäherungen an ihre Welt. Aleena war selbst eine Blume, die sich durch die dicke Schneedecke des Winterlandes kämpfte. Es war, als hätte er mit diesen Worten direkt in ihr Herz getroffen. Stumm nickte sie und versuchte sich an einem amüsierten Lächeln inklusive leisem Schnaufen. Sie wollte zeigen, dass sie verstanden hatte, dass es Sarkasmus war. Reine Ironie. Sogar eine Parodie. Auch wenn es insgeheim anders war.
"Ich glaube deine Krieger trinken lieber Met und Bier, anstelle von lieblichen Wein", stimmte sie grinsend in seine Witzeleien ein (waren es überhaupt welche? Seine Miene war schwer zu entziffern...). Aleena schüttelte abschließend den Kopf, als hätte sie selbst festgestellt, wie dämlich diese Aussage von ihr doch gewesen war. Die blonden Haarspitzen tanzten fröhlich umher, während ihre blauen Augen noch immer auf dem gut gebauten Krieger von ihr ruhten.

Als ihr Ehemann an ihr vorbei trat, wirkte es einen Moment so, als hätte er ihren Abstand irgendwie falsch eingeschätzt. Automatisch ging sie einen kleinen Schritt zur Seite, damit er nicht gegen sie stieß. Im gleichen Moment legte sich plötzlich seine überdimensional große und gleichzeitig angenehm warme Hand auf ihre Schulter. Es war beinahe liebevoll. Aleena blickte erst auf ihre eigene Schulter, ehe sie ihre Augen zu ihrem Mann hob. Da war die Berührung doch schon längst wieder vorbei. Die kühle Luft an der Stelle, wo zuvor noch seine Hand gelegen hatte, fühlte sich beinahe etwas unangenehm an. "Danke", murmelte sie leise, obwohl sie gar nicht wusste, ob er sie überhaupt noch hörte. Oder ob er wüsste, wofür sie sich bedankte.
Als Leif erzählte dass es kaum etwas gegeben hatte, was ihm gefährlich werden konnte, konnte sie die Spur Enttäuschung aus seiner Stimme raus hören. Vielleicht auch nur, weil sie ihn so gut kannte. Doch das Flackern in seinen Augen sprach mehr, als tausend Worte. "Du hast deine Männer gut trainiert...", fing sie an zu reden und wusste plötzlich nicht, wie sie weiter machen sollte. Sie konnte diese Enttäuschung weder verstehen, noch lindern. "Eure Kampfkunst ist auch über unsere Grenzen hinaus bekannt. Es war reiner Selbstschutz, dass sie sich ergeben haben", erzählte sie weiter und hatte plötzlich wieder einmal das Gefühl, etwas Dummes gesagt zu haben. Natürlich wusste er das schon längst. Also versuchte sie es noch einmal. "Ich kann mir vorstellen, dass..." - ja, was konnte sie sich vorstellen? Eigentlich nichts von alldem. "... ihr euch mehr vorgestellt habt", endete sie den Satz und versuchte sich an einem aufmunternden Lächeln.
Das Wasser, dass ihr kurz danach angeboten wurde, nahm sie dankend an. Wow, ihr war plötzlich ziemlich warm geworden. Beinahe heiß. Mit großen Schlucken leerte sie das Glas in einem Zug. Sie hatte gesagt, dass sie verstehen konnte. WAS sollte sie verstehen? Dass man es schade fand, keine Menschen zu töten? Dass man es schade fand kein Blut zu vergießen? Dass man lediglich ein normaler Feind war und nicht DER Feind, der Tod und Verderben brachte?

Ihr wurde übel.



RE: Aren't you tired trying to fill that void? - Leif Stelhammer - 24-04-2024

Ein Prinz aus dem Winterland mochte vielleicht nicht verstehen, was eine Prinzessin aus dem Frühlingsland bewegte, was sie glücklich machte und beschäftigte. Ein Mann mochte nicht verstehen, dass seine Frau sich tagtäglich anstrengte, sich an seine Welt anzupassen und ihm zu gefallen. Aber Leif war nicht dumm. Seine Heimat hatte ihn nicht erkalten lassen von den Gefühlen anderer, auch wenn das manchmal so wirkte. Nur weil er in der glücklichen Position war, als Mann nicht die vertraute Umgebung seiner Kindheit verlassen zu müssen, hieß das nicht gleich, dass er blind war für all die Mühe, die Aleena sich gab – und für den Schmerz, den er ihr zufügte. Ein Blick reichte, um zu erkennen, dass sie seinen Witz nicht verstanden hatte, obwohl sie grinste, und irgendetwas sagte ihm, dass er seine Worte falsch gewählt hatte. Schon wieder. Immer wieder sagte er etwas Falsches ihr gegenüber; der Unterschied zwischen ihnen bestand lediglich darin, dass er aufgehört hatte, es überhaupt noch zu versuchen. Dann nahm er eben in Kauf, dass er mit seiner Frau nicht den Spaß haben konnte, den er sich wünschte, dieses halbe Lachen, das sie in diesem Moment miteinander teilten, würde schon genug sein. Zumindest, um über die nächsten Tage zu kommen. Irgendwie war es immer gerade genug.
„Zurecht. Meine Krieger lieben Bier sogar so sehr, dass sie sich ihre Bäuche vollsaufen und in einem Jahr zum Krieg rollen, statt zu laufen.“ Seine Krieger waren schön gewählte Worte von Aleena und stimmten ihn zufrieden, fast schon ein wenig glücklich und definitiv wohlgesonnener. Nach dem langen Tag auf dem Rücken eines Pferdes, umringt von besagten Kriegern, die ein Siegeslied nach dem anderen aus ihren Kehlen gegrölt hatten, war Streit das Letzte, was er noch gebrauchen konnte. Außerdem, ob er es zugeben wollte oder nicht, machte Spring’s Court tatsächlich irgendwas mit seinem sonst so rauen Gemüt. Es war bestimmt benebelt von den Blumen, oder das Rosenwasser hatte irgendwelche nicht gewollten Nebenwirkungen. Vielleicht war er auch einfach nur müde und hatte genug zu kämpfen mit der inneren Frustration und dem nicht ausgestoßenen Testosteron. Da aber Aleena nichts für seine Unausgeglichenheit konnte, bemühte er sich doch ein wenig, sie nicht direkt damit zu konfrontieren oder seine Worte doch zumindest so zu wählen, dass sie nicht davon erschlagen wurde. Auch ihre Worte stimmten Leif ruhiger und gaben ihm das Gefühl, dass sie verstand, was ihn so störte. Nachdenklich strich er sich über den Bart und nickte. „Vielleicht, aber… wir hätten weitergehen können. Charles hat schon eine Armee aufgestellt, wir hätten mehr einnehmen können von der Provinz.“ Während er noch versuchte, nach den richtigen Worten zu suchen, schien Aleena sie mühelos zu finden und für einen Moment flog sein Blick hinüber zu ihrer kleinen Gestalt. Was auch immer das sein mochte, heute schien sie besonders bemüht, Leif zu verstehen und auf ihn zuzugehen. Er wusste nicht ganz, was er davon halten sollte, und vielleicht war das auch gut so; vielleicht sollte er gar nichts davon halten und sich nur verstanden fühlen. „Es fühlt sich so an, als würde etwas fehlen“, gab er zu und in der Tat fehlte etwas – Leif spürte die Frustration langsam abnehmen, und das war gut so. Es tat gut, mit jemandem darüber zu sprechen. „Vielleicht hab ich zu viel erwartet, oder man hat mir zu viel versprochen, keine Ahnung. Die anderen haben ja kein Problem damit, ihren Sieg zu feiern, es…“ Wie fasste man das am besten in Worte, was einem schon den ganzen Tag das Herz schwer machte? „… fühlt sich für mich einfach nicht wie ein Sieg an.“
Die Worte wurden klarer, je länger er sie im Raum stehen ließ. Huh, ja. Vielleicht hatte er einfach ein verdammtes Problem damit, nicht als Sieger aus der Schlacht hervorzugehen. Denn was hatte er schon gewonnen? Wohl kaum Erfahrung. Kein Land. Nicht einmal Blut hatte er an seiner Axt kleben. Höchstens die Anerkennung seines Vaters, in Zukunft mit mehr Kriegern unter sich in den Krieg ziehen zu dürfen, wenn er sich bis dahin nicht selbst eine Wampe angetrunken hatte und in den Krieg rollen konnte. Leif merkte gar nicht, wie er Löcher in den Boden starrte, ehe er seinen eigenen Becher hob und ihn in einem kräftigen Zug lehrte. Mit dem Handrücken über seine Mundwinkel wischend, stellte er gerade den Becher ab und wollte sich in derselben Bewegung schon aufs Bett niederlassen, hätte er nicht zuvor den geistesabwesenden Gesichtsausdruck seiner Frau eingefangen. „Alles in Ordnung?“, runzelte er die Stirn und für einen Herzschlag trat doch tatsächlich so etwas wie Besorgnis in seine Züge. Statt sich aufs Bett zu setzen, war Leif drauf und dran, auf sie zuzugehen, denn irgendwas sagte ihm, dass sie unter diesen Stoffschichten nicht ganz so stabil auf den Beinen stand, wie sie vielleicht den Anschein machte.



RE: Aren't you tired trying to fill that void? - Aleena Stelhammer - 15-05-2024

Obwohl sie sich gewissermaßen auf körperlicher und geistiger Ebene annäherten - irgendwie jedenfalls - so hatte sich Aleena selten so emotional distanziert zu ihrem eigenen Mann gefühlt. Die Tatsache, dass sie genau das verbarg und sogar alles dafür tat, damit es genau anders herum aussah, das ließ ihr gleichermaßen die Wärme, als auch die Kälte ins Gesicht steigen. Es fühlte sich an wie Verrat. Verrat an ihren eigenen Glaubenssätzen. Vielleicht auch ein bisschen an sich selbst. Aber... Wer weiß - vielleicht war dieser Verrat eben der Preis, den sie bezahlen musste? Dass sie Kompromisse eingehen musste hatte man ihr schon als kleines Mädchen erklärt. Zu groß war die Angst gewesen, dass sich die junge Stafford auf eine romantische Ehe voller Liebe freuen würde, dass man schon früh angefangen hat zu erklären, dass das in ihrer Position und mit ihrem Stand kaum möglich sein würde. Dass man dieses Ziel mit ganz viel Glück erreichen konnte, versprach man erst gar nicht. Also war ihr klar gewesen, dass es nicht ohne Arbeit einher gehen würde. Ihr war klar gewesen, dass eine Ehe bedeutete irgendwie etwas von sich aufzugeben. Aber dass es die Tatsache sein würde, dass sie jedes Leben auf dieser Welt schätzte und ehrte, fiel ihr deutlich schwerer als gedacht. Es waren doch nur irgendwelche Worte, die sie da ausgesprochen hatte! Die Blondine streckte die Hand aus, um sich am nahegelegenen Türrahmen abzustützen.

"Solange du nicht ebenfalls mit ihnen mitrollst ist das sicher ein amüsanter Anblick", entgegnete die junge Frau. Sie war darauf bedacht sich nichts anmerken zu lassen. Sie würde das durchziehen! Sie hatte den Unterschied gerade eben gemerkt. Als Leif einen Moment gezögert hat, so als wäre er überrascht von ihren verständnisvollen Worten, da hat sie es gespürt. Die Annäherung zwischen ihnen. Und auch, wenn sich ihr gleichzeitig der Magen umdrehte, kam sie zu dem Schluss, dass es ihr das wert war. Jedenfalls jetzt gerade in diesem Moment war es ihr das wert.
Zögernd nahm sie den Hand von ihrer wertvollen Stütze und trat einen kleinen Schritt auf ihren Ehemann zu, der gerade dabei war seinen vollen Becher in einem Zug zu leeren. "Es fühlt sich nicht an wie ein Sieg, weil ihr alles, was ihr wolltet, einfach geschenkt bekommen habt. Ihr habt es euch nicht so richtig verdient...", ihre Worte waren leise und vorsichtig. Sie war sich nicht sicher, ob es richtig war, das auszusprechen, doch in diesem Moment hatte sie das seltene Gefühl, dass sie seine Gefühlswelt vielleicht ein kleines bisschen besser verstand, als er selbst. Jedenfalls auf sehr verdrehte und irgendwie auch unangenehme Art und Weise. Immerhin redeten sie hier immer noch über Menschenleben und ihre Zukunft, die mit einem Wimpernschlag zerstört wurde. Vielleicht wurden Familien auseinander gerissen... Sie durfte gar nicht weiter darüber nachdenken! Aleena musste sich auf das Hier und Jetzt konzentrieren, um es richtig zu machen. Um dieses seidene Band zwischen ihnen nicht direkt wieder zu zerreißen.

"Ich weiß, dass das vermutlich kein besonders großer Trost ist, aber ich bin mir ganz sicher, dass ihr das Land auch hättet einnehmen können, wenn ihr Gegenwehr gehabt hättet. Du und deine Krieger... Ihr seid gut vorbereitet in diese Schlacht gegangen", sprach sie weiter und studierte währenddessen ganz genau die Mimik, Haltung und Körpersprache ihres Mannes. Es war ihr wichtig es richtig zu machen. Sie stellte ihre eigene Abneigung gegen den Krieg nach hinten, weil sie endlich wollte, dass sich diese Ehe wie eine kleine Einheit anfühlte. Wenigstens ein Mal.

Sie nickte schnell, als er seine Sorge zum Ausdruck brachte. Es überraschte sie, dass er mitbekommen hatte, dass etwas nicht in Ordnung war, da Leif sonst nicht unbedingt damit punktete besonders aufmerksam zu sein. Er beugte sich ein kleines Stückchen in ihre Richtung, so als hatte er tatsächlich überlegt seine Hand nach ihr auszustrecken. "Es geht mir gut, danke. Vielleicht habe ich heute ein bisschen zu wenig getrunken", schob sie ihren etwas wackligen Zustand auf etwas gleichermaßen banales und nachvollziehbares. "Ich habe mir einige Sorgen und Gedanken in den letzten Wochen um dich gemacht", gab sie leise zu und senkte den Blick. Es war ihr irgendwie unangenehm es zuzugeben.



RE: Aren't you tired trying to fill that void? - Leif Stelhammer - 05-06-2024

Geschenkt bekommen war der richtige Ansatz, das Gefühl in Worte zu fassen, was Leif so plagte, und wieder einmal war er überrascht, wie gut Aleena sich darauf verstand, ihm zuzureden. Sie hatte recht, ja. Der Sieg war ihm in den Schoß gelegt worden, ohne dass er etwas dafür getan hatte. Genauso war ihm von Geburt an schon alles in die Wiege gelegt worden, nur weil er der Erbe eines alten Königsgeschlechtes war. Oft kämpfte er darum, dass es anders war. Dass er sich seinen Titel und seinen Platz an der Spitze verdiente, dass er Geschichten am Lagerfeuer erzählen konnte, die er erlebt hatte. Dass er selbst Geschichte schrieb, und doch konnte er nicht umhin, sich Leandros mit seinem geleckten Grinsen vorzustellen. ’Ich habs dir immer gesagt’. Waren sie sich wirklich so ähnlich? Leif, der aktiv versuchte, mit seinen Taten einen Abdruck in der Welt zu hinterlassen, und Leandros, der darauf wartete, dass sein Vater den Löffel abgab und ihm die Macht über fünf Länder entgegengeflogen kam? Es widerte ihn an, sich auf eine Treppenstufe mit dem verhassten Castellanos-Sprössling zu stellen, dabei hatte er längst vergessen, wie er überhaupt angefangen hatte, ihn zu verabscheuen. Nie würde er sein wollen wie er, im Gegenteil. Es würde ihm Genugtuung verschaffen, Leandros Kopf mit seiner Axt von den Schultern rollen zu sehen, da war er sicher.
Nie hatte Leif seiner Frau gegenüber auch nur erwähnt, was er wirklich von dem Großkönigssohn hielt, denn ihr waren die lustig, halb ernst gemeinten Kommentare schon zu viel, wenn er Leandros Bauchumfang ins Lächerliche zog und beschrieb, wie ihn bald kein einziges Pferd mehr reiten lassen würde. Aleenas Reaktionen waren schon immer gehaltener, höflicher, fast gezwungener, wenn er ihr dünnes Lächeln denn interpretieren wollte, da wollte er lieber seine Waffenbrüder über seine Witze lachen hören. Erik hatte er sich einmal anvertraut in einer Nacht der vielen Reisen, unter dem klaren Sternenhimmel neben der Glut ihres Lagerfeuers. Von ihm bekam er Verständnis, weil sie beide dieselbe Person in zwei unterschiedlichen Körpern waren; von Aleena konnte und würde er diese Art von Verbundenheit niemals erwarten. Es reichte schon, wenn sie in diesem Moment die richtigen Worte fand und es tatsächlich schaffte, ihn ein wenig zu besänftigen in seinen grimmigen Gedanken. “Mhm.” Ob ihre Worte ein Trost waren, zeigten wohl nur seine entspannten Schultern, auch wenn er mit dem Brummen wie immer andeutete, dass er nichts mehr dazu zu sagen hatte. Wenigstens eine erkannte an, dass sie sich gut auf die Schlacht vorbereitet hatten und Leifs Meinung nach noch sehr viel weiter hätten vordringen können, bis Motivation und Ressourcen sich bemerkbar gemacht hätten.

Vielleicht kam es selten vor, dass Leif mal etwas an seiner Frau auffiel, aber wenn es dann doch mal passierte, reagierte er immer. Nicht immer mit Worten, aber doch mit Taten, die heute nur etwas länger auf sich warten ließen. “Du trinkst immer zu wenig”, merkte er trocken an und ließ möglicherweise ein wenig Anklage in seiner Stimme mitschwingen. Das hatte er ihr schon oft gesagt, oder vielleicht hatte er es auch nur gedacht, weil er den Sinn nicht dahinter sah, sie zu etwas zu nötigen, was sie offensichtlich nicht freiwillig tun wollte. Auch jetzt hatte sie ihren Krug kaum angerührt. Leifs Blick wanderte von ihren Händen zu ihrem Gesicht, ruhig in seiner Haltung, während er beobachtete, wie sich ihre Züge veränderten; zum ersten Mal sah er sie heute richtig an. Schließlich senkten sich seine Schultern in einem lautlosen Seufzen und er streckte ihr seine offene Hand hin in der Aufforderung, sie zu greifen und sich von ihm zur Bettkante leiten zu lassen. Erst als Aleena saß und er sich neben ihr niederließ, ging er auf die Sorge ein, die sich nicht nur in ihren Worten, sondern auch in ihrem Blick bemerkbar machte. “Was für Gedanken?” Denn die Sorgen konnte er sich vorstellen - eine so zarte Seele wie Aleena steckte natürlich kein Vertrauen in sein Können und hatte Angst um ihn. Leif musste es nicht unbedingt aus ihrem Mund hören, weil er bereits wusste, dass sie sich Sorgen machte; das würde ihn trotzdem nicht davon abbringen, in den Krieg zu ziehen. Genau das würde immer ein Graben in ihrer Ehe sein, den keiner von ihnen bereit war, zu überwinden. Also mussten sie sich damit arrangieren.



RE: Aren't you tired trying to fill that void? - Aleena Stelhammer - 16-06-2024

Die meiste Zeit verbrachten sie schweigend. Das schon seit ihrer Hochzeit so gewesen. Selbst am Tag ihrer Trauung waren diese beiden Menschen so grundverschieden, dass sie kaum ein Gesprächsthema fanden, mit dem sie sich beide für ein paar Minuten abgeben konnten. Und es war so anstrengend immer wieder einen neuen Versuch zu starten. Es war jedes Mal wie auf Eierschalen zu laufen, auch nur eine kleine falsche Bewegung mit dem kleinsten ihrer Zehen und sie würde alles kaputt machen. Und immer wieder schlich sich da der Gedanke in ihren Kopf: war wirklich sie diejenige, die sich so zurückhalten musste? Von Natur aus war die geborene Stafford eine ruhige Person, lachte wenig und blickte lieber verträumt in die Rosengärten hinaus. Sie war niemand, der Anderen auf die Füße trat. Vermutlich wusste sie nicht einmal wie das geht. Und dummerweise passierte es trotzdem immer wieder. Nicht absichtlich und nicht so, dass Andere es überhaupt wahrnehmen würden, doch Aleena selbst spürte den Moment, in dem sich ihr Ehemann immer wieder emotional von ihr zurück zog. Es war wie ein Windhauch, der ihr einmal durchs Herz wehte und dann abflachte. Und vermutlich ging es Leif ähnlich, auch wenn es bei ihm wohl weniger zärtlicher Windhauch, als Hieb mit der emotionalen Axt war.

Doch es waren nun einige Wochen vergangen, in denen Aleena das erste Mal seit vier Jahren wirklich Zeit hatte über das Alles nachzudenken. Seit ihrer Hochzeit waren sie nicht so lange getrennt gewesen. Auch wenn sie sich bei Leifs Abschied immer wieder eingeredet hat, dass es keinen Unterschied machen würde, so wusste sie spätestens jetzt, dass sie sich damit nur selbst belogen hatte. Diese letzten Wochen hatten sehr wohl einen Unterschied gemacht. Einen gravierenden und plötzlich alles in Frage stellenden Unterschied. Es fiel ihr immer noch schwer einzugestehen, doch sie hat festgestellt, dass das Frühlingsland nicht mehr einzig und allein ihre Identität ausmachte. Da war noch etwas anderes dazu gekommen. Ein Hauch Winter, der mittlerweile durch ihre Adern pulsierte. Vielleicht mochte man es von außen noch kaum erkennen, aber sie spürte die willkommene Kälte. So lange hatte sie auf diesen Moment gewartet.

Die Prinzessin ergriff die Hand ihres Mannes und genoss den Moment, als sich seine rauen Finger um die ihren schlossen. Seine Wärme zu spüren bedeutete ihr viel, nachdem sie sich die wildesten Szenarien ausgemalt hatte, was ihm in Eastergold Meadow passieren konnte. Dass alle Männer in der Stadt des Großkönigs einfach ihre Waffen fallen lassen und wegrennen würden, das konnte sie hier in Springs Court ja nicht ahnen. Vielleicht hätte sie dann auch ein wenig anders über die Zeit ohne ihren Ehemann gedacht.
"Danke", murmelte sie leise und setzte sich auf die Bettkante. Als sich der Hüne von Ehemann neben sie setzte, rutschte die zierliche Frau automatisch in seine Richtung. Sie gluckste leise und versuchte ein kleines Stückchen von ihm wegzurutschen, um ihn nicht zu bedrängen.

"Hätte ich gewusst, dass du zu keinem Zeitpunkt in Gefahr warst, hätte ich die paar Wochen ohne dich vielleicht sogar ein bisschen genießen können", flüsterte sie leise und stupste ihn mit ihrem von Stoff bedeckten Knie an. Es war ein Versuch. Ein Versuch lustig zu sein und einen kleinen Scherz in ihr Gespräch miteinzubauen. Aleena war bei weitem die vermutlich unlustigste Person, die sie selbst kannte, aber manche Gelegenheiten wusste sie einfach zu nutzen. Oder meinte zu wissen, wie man sie nutzte. Sie fragte sich, wie ehrlich sie mit ihrem Mann sein konnte, ohne ihn zu verärgern. War sich nicht sicher, um sie das Problem in ihrer Ehe beim Namen nennen durfte.
"Auch wenn wir uns vielleicht nicht so nah stehen wie andere Ehepaare...", fing sie vorsichtig an und suchte in seinem Gesicht nach einer Reaktion. "... habe ich mich irgendwie an dich gewöhnt. Und der Gedanke, dass du im Krieg schwer verletzt werden könntest, hat mir ganz schöne Angst eingejagt", erklärte sie und nestelte dabei an ihrem Ehering herum. Es fiel ihr schwer diese Worte auszusprechen, obwohl sie die Wahrheit waren. Sie hatte nicht gelernt über Emotionen zu reden. So etwas verdarb meistens die Stimmung und man erwartete von einer Prinzessin, dass sie ein sanftes Lächeln auf den Lippen trug und hübsch anzusehen war. Und vielleicht noch ein gebärfreudiges Becken. Aber dass Probleme in Beziehungen, welcher Art auch immer diese waren, angesprochen wurden, so etwas gehörte nicht zum Unterricht einer jungen Prinzessin.



RE: Aren't you tired trying to fill that void? - Leif Stelhammer - 05-07-2024

Was sich eigentlich für eine Kluft zwischen ihnen aufgetan hatte, merkte man nach all den Jahren in jeder ihrer Interaktionen. Keine Berührung fühlte sich wirklich natürlich an, noch sah sie so aus für Außenstehende, die das ungleiche Ehepaar zu jeder Zeit beobachten konnten. Und doch fand Leif eine gewisse Normalität in seiner Zeit mit Aleena. Ihr Dank, obwohl er ihr nur die Hand hinhielt, löste in ihm keine Frustration mehr aus, ihre leise Stimme kein Bedürfnis, die Lautstärke aus ihr raus zu schütteln. Ja, allein der Umstand, dass sie leicht genug war, um unfreiwillig in seine Richtung zu rutschen, obwohl er sich - ganz normal, wie er fand - auf die Bettkante setzte, ließ ihn nicht mehr irritiert die Augenbrauen zusammenziehen. Stattdessen nahm er sein Gewicht sogar nochmal von der Matratze und setzte sich erst dann wieder richtig, nur um die gleiche Reaktion nochmal zu provozieren. Außenstehende mochten vielleicht die unterkühlte Beziehung des Ehepaars sehen, aber es waren die kleinen Dinge, die sie gefunden hatten, um sich gegenseitig miteinander zu arrangieren. Irgendwie ließ es Leif das Gefühl auch nicht los, dass sie erst in den letzten Wochen diesen Schritt gewagt hatten.
Dass Aleena keinen Humor hatte, zumindest nicht seinen Humor, wusste er; vielleicht überraschte sie ihn deswegen so, als sie ihn spielerisch mit dem Knie anstupste, wie er es sonst nur von seiner Schwester kannte. Mit seinen Geschwistern zankte er sich regelmäßig, nahm Jorin lachend in den Schwitzkasten, klopfte Erik viel zu fest, aber breit grinsend auf die Schulter. Aleena fasste er immer mit Samthandschuhen an, weil er das Gefühl hatte, sie würde in seinen Händen zerbrechen, aber auch, weil diese Art der Zuneigung nie von ihr kam. Im Gegenteil, eigentlich nahm sie immer Abstand von ihm oder bewahrte - zumindest mit ihrer Haltung oder ihren Worten - eine höfliche Distanz. Leif war ehrlich gesagt versucht, zurückzustupsen, lehnte sich dann aber doch nur auf seinen Händen nach hinten und unterzog seine Ehefrau einer amüsierten Musterung. “Ach so?”, hakte er nach, bei weitem nicht so flüsternd wie sie. “Sag bloß, du hast Tag und Nacht nur am offenen Fenster gesessen und auf meine Rückkehr gewartet.” Wie die holde Maid eingesperrt in einem Turm und bewacht von einem Drachen, ein gängiges Märchen in Arcandas. Bei dem Gedanken schlich sich ein Grinsen in seine Mundwinkel, ein schmales, fast schief geratenes Grinsen. Er provozierte sie und machte keinen Hehl daraus, es zu verstecken. In der Hoffnung, aber nicht in der Erwartung, sie würde sich einmal auf seine Herausforderung einlassen.
Die folgenden Worte trafen tiefer, als sich Leif gerne eingestehen würde, das sah man ihm auch im Gesicht an. Seine Züge glätteten sich, sein Grinsen nur noch ein Echo von dem, was er ihr zugeworfen hatte. Obwohl sie sich beide der Distanz zwischen sich bewusst waren, sprachen sie doch nie den Mammut im Raum an; generell sprachen sie eigentlich überhaupt gar nichts an, was sie wirklich beschäftigte. Was auch immer für Düfte in dem Badewasser seine Sinne benebelt hatten, Leif schien heute doch erstaunlich offen für die ehrlichen Gefühle seiner Frau. Besser speicherte Aleena sich diese Erinnerung ab, denn oft würde sich das nicht wiederholen.
Ehrlich gesagt wusste er auch gar nicht, was er darauf antworten sollte. Zwar war er es, der sie gefragt hatte, was sie beschäftigte, und er hatte diese Antwort von ihr eigentlich auch erwartet. Aber so verletzlich, wie sich seine Frau gab, konnte er sie nicht einfach mit der erdrückenden Wahrheit konfrontieren - nicht so direkt und schonungslos zumindest, wie er es sonst immer tat. Während er ihr Gesicht studierte, fiel ihm auf, dass es ihm heute gar nicht so zuwider war, sie mit Samthandschuhen anzufassen; wortwörtlich und rhetorisch. “Ich weiß…”, gab er schließlich zu und räusperte sich, weil er merkte, dass er seine Stimmbänder angespannt hatte. “Und ich weiß auch, dass du Angst davor hast, was noch kommen wird. Aber ich kann dir die Angst nicht nehmen.” Zum ersten Mal nahm er Worte in den Mund, mit denen er Aleenas Sorgen zu beschreiben versuchte. Sie waren holprig, fühlten sich aber nicht so falsch an, wie er gedacht hatte. Was war überhaupt dieses über Gefühle reden? Ein wenig mehr feige und er hätte sich dem einfach entzogen, ein wenig rücksichtsloser und er hätte die Frühlingsländerin alleine mit ihren Sorgen klarkommen lassen. Stattdessen aber fand er sich, wie er stirnrunzelnd ein Loch in seinen Oberschenkel starrte, die Worte nur zurückgehalten von dem kleinen Funken Stolz eines Mannes, der die einfachen Gesten von liebeskranken Vollidioten nie verstanden hatte. Vielleicht war es aber genau das, was Aleena brauchte, auch wenn es Leif Überwindung kostete, sowas überhaupt vorzuschlagen. “...soll ich dir Briefe schreiben? Das nächste Mal, mein ich.” Noch im selben Krieg, wenn man ihn fragte, aber in der nächsten Schlacht an der Front. Das nächste Mal, wenn er sich unter Beweis stellen konnte und seinem Ruf folgte, dort, wo ihn sein Schicksal hinzog. Dass er sich immer für Krieg gegen Castandor entscheiden würde, konnte Aleena nicht ändern. Aber er konnte ihr vielleicht die Angst nehmen, wenn sie regelmäßig von ihm hörte.