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An Ember in the Ashes - Devan Naharis - 11-05-2024 An Ember in the Ashes
A light that never goes out
![]() Ein Vogel landete auf der Dachkante und legte seine Flügel an. Ein paar Meter weiter, durch das offene Dach hindurch, riefen sich zwei Kinder zu und rannten mit ihren Sandalen die mittlerweile fast vollständig aufgeräumte Gasse hinunter, die an den Haupteingang von Rabias Haus grenzte. In unmittelbarer Nähe erreichte ihn kein Geräusch, was darauf schließen ließ, dass seine Schülerin begonnen hatte. Kein Geruch, der sie verriet, kein Atmen, nur die Präsenz, die irgendwo in Devans Umkreis lauerte und seine Nackenhaare alarmiert aufstellte. Als er sich heute dazu entschieden hatte, das Training mit einer Augenbinde zu erschweren, hatte er selbstverständlich nicht erwartet, nur Latifa durch dieses Training laufen zu lassen, denn schon längst waren sie über den Punkt hinaus, wo nur er sie trainierte und ihre Fehlhaltungen mit einem Stockschlag korrigierte. Genauso, wie ihre Fähigkeiten wuchsen, stagnierten seine eigenen Fähigkeiten, wenn er sich nicht genau auf die gleiche Weise herausforderte. Meister und Schülerin bedeutete nichts, wenn er die Leinenbinde um seine Augen festigte und Latifas aufmerksames, geschultes Gesicht das Letzte war, was er sich erlaubte zu sehen. Erst hatte Devan die Haushälfte repariert, in die das halbe Dach gestürzt war, während Rabia sich um die Spuren der Flut im unteren Geschoss gekümmert hatte. Dann hatte er selbiges mit den Nachbarhäusern getan. Die Gebäude standen wieder, oft durch Kinder- und Frauenhände repariert, und Devans eigene Hände wiesen Schlieren, Blasen und Hornhaut auf den Fingerkuppen an, aber er beschwerte sich nicht. Ruhig hob er die Hände vor seiner Brust in einer verteidigenden Ausgangsstellung, während er sich auf seine Sinne und seine jahrelang antrainierte, geschliffene Intuition verließ. Aber etwas fühlte sich nicht richtig an, als wäre seine Welt nicht in dem Gleichgewicht, das er kannte. Nur Latifa um sich zu haben, war beruhigend, aber es fehlte etwas. Ein anderer Atem fehlte. Eine Präsenz fehlte im unmittelbaren Umfeld und Devan konnte nicht umhin, sein eigenes Ungleichgewicht zu registrieren. Nur weil er äußerlich die Ruhe bewahrte, hieß das nicht, dass er innerlich nicht mit sich zu kämpfen hatte und es machte ihn vorsichtig, aber auch neugierig, warum er so fühlte. Es war genug Ablenkung, um den Schlag aus seinem toten Winkel kaum kommen zu hören. Dennoch bewegte sich Devan so geschmeidig wie die Katze, die auf der Fensterbank saß und den beiden Kämpfenden mit wackelndem Schwanz zusah. Auf den Luftzug in seinem Nacken reagierend, passte er sich der Richtung des Schlags an und wich ihm minimal in Stromlinie aus, wobei er nicht einmal sein Gewicht verlagern musste. Der Tanz ging so weiter und fühlte sich natürlicher an, jetzt, wo Latifa seine volle Aufmerksamkeit hatte. Im richtigen Moment blockte er ihren Angriff mit gekreuzten Handgelenken und horchte auf das Scharren, wenn sie ihre Füße über den sandigen Stein schob. In der Hitze der untergehenden Sonne bildeten sich Schweißperlen auf den nackten Oberarmen und unter der Schärpe, das sein ärmelloses Hemd an der Taille zusammenhielt, doch sein Gesicht verriet keine Anstrengung, keine Überraschung, nur ungefilterte Aufmerksamkeit und Fokus. Es mochte vielleicht aussehen wie sein Training, und doch ging es dabei nicht um ihn. Überhaupt ging es nie um ihn. Während Ilyas im Zimmer von Rabia saß und heilte, war es an Latifa, einen Weg zu finden, wie sie dieses Training um sich gehen lassen konnte. Devan gab ihr keinen Schubs in eine Richtung, wenn es bedeutete, dass sie selbst kreativ werden musste, um ihren blinden Meister aus dem Gleichgewicht zu bringen. RE: An Ember in the Ashes - Latifa Salibi - 11-05-2024 Diese Momente kamen einer Ehrdarbietung gleich und versetzten Latifa in Stolz und Ehrfurcht. Beides Gefühle, denen sie sich noch im selben Augenblick zu verwehren hatte, denn es sollte sie nicht locken und Einfluss auf ihr Training nehmen, indem sie etwa die Gunst der Stunde in risikoreichem Übermut nutzte, um ihrem Mentor etwas zu beweisen. Er schien zufrieden mit ihr und ihren Leistungen, denn ansonsten hätte Devan wohl kaum diese Form der Herausforderung gewählt. Die verbundenen Augen erschwerten es seine Umgebung wahrzunehmen und die junge Assassine war bereit ihn dennoch nicht zu schonen, sondern seine gesamte Aufmerksamkeit einzufordern. Doch für den Augenblick musste sie diese Gefühle niederringen. Latifa selbst schloss ihre Augen, während sie im Schatten der Säulen stand und so langsam in sich hinein atmete, dass nicht einmal eine Hand vor ihrer Nase etwas hätte spüren können. Kein Stolz. Keine Ehrfurcht. Sie spürte den leichten Wind an ihrer Haut und bewegte sich gegen die Richtung, als könne Devan sie ansonsten wittern wie ein Raubtier, und öffnete ihre Augen, als sich die flachen Sandalen geräuschlos langsam über den Boden bewegten.
Er strahlte eine absolute Ruhe aus und konnte sie dennoch nicht darüber hinweg täuschen, dass er nicht jede kleinste ihrer Bewegungen bemerken würde. Noch bevor sie den ersten Schlag getätigt hatte, ertappte sich Latifa dabei, wie ihr Blick abschweifte. Hatte sie gerade noch versucht seine Fußstellung zu analysieren um zu bemerken, dass er im absoluten Schwerpunkt stand, dass der gerade Rücken Stabilität und Beweglichkeit zuließ, so waren ihre Augen über die muskulösen Schultern und Oberarme gewandert. Ein wenig zu lange hängen geblieben und ihr Blick wandte sich nur aus einem Grund ab: Menschen hatten die Eigenheit ein Starren zu bemerken. So wichtig es auch war, die kleinste Bewegung im Kampf zu bemerken, im Anschleichen war es besser das Ziel im Augenwinkel und die Pupillen in Bewegung zu halten. Latifa hatte nicht vor es ihm so leicht zu machen herauszufinden, aus welcher Richtung sie das erste Mal angreifen würde. Alle Mühe zum Trotz, wehrte er ab. Auffällig nahe war ihr Schlag gekommen und hatte dennoch das Ziel verfehlt. Und umso mehr ihre Angriffe in die Luft gingen, umso härter ihr Unterarm gegen gekreuzte Handgelenke schlug, umso hitziger schien sie selbst zu werden. Der Herzschlag viel zu schnell, der Atem beinahe hörbar. Bilder von weinenden Kindern und erschlagenen Körpern tauchten in ihrem Kopf auf. Die Flut hätte den vermaledeiten Palast mit sich reißen sollen, nicht das Volk. Ihr letzter Schlag war eine Spur härter, unpräziser und lief ins Leere, ließ sie ob der Wucht ins Nichts beinahe straucheln. Latifa korrigierte sich sogleich und verharrte nur eine Hand voll Sekunden im Rückzug und zwang sich zur Konzentration. Ein neuer Versuch. In welche Richtung und in welcher Art würde sie an seiner Stelle ausweichen? Verbissenheit stachelte ihren Ehrgeiz an und hatte hier zugleich nichts zu suchen, aber wenn es ihr half erfolgreich zu sein, wollte sie ein wenig davon zulassen. Nur ganz klein wenig, es würde schon nicht schaden. Der nächste Schlag und er war ausgewichen. Doch Latifa nutzte den Schwung, um sich noch beim Verfehlen weiter zu drehen, und ihn bestenfalls mit dem linken Unterarm gegen die Körperseite getroffen zu haben. Es wäre in einem richtigen Kampf bei weitem nicht genug um einen Gegner zu beeinträchtigen, aber zumindest hätte sie einen Treffer gelandet. Dafür war sie allerdings zwangsläufig näher gekommen, als es die Kampftechnik ansonsten vorsah, weswegen sie sich vor einem möglichen Gegenangriff wegduckte, um sogleich wieder Distanz aufzubauen. Die Bilder waren aus ihrem Kopf verschwunden und stattdessen brach Euphorie aus, womöglich etwas gefunden zu haben, das funktionieren könnte. Ob die Taktik allerdings auch ein zweites Mal gelang - oder noch besser als im ersten Versuch, würde sich sogleich zeigen. Der erste Schlag könnte sich als Antäuschung verraten, während ihn der zweite nach der Drehung dieses Mal auf Kopfhöhe im Idealfall treffen sollte. RE: An Ember in the Ashes - Devan Naharis - 26-05-2024 ![]() Aber auch Devan war nicht befreit von Entscheidungen, die zu Fehlern führten, noch bis das Blatt überhaupt Zeit hatte, auf den Boden zu segeln. In der selbst zugefügten Dunkelheit fanden die Bilder der vergangenen Tage einen guten Nährgrund, denn auch er hatte gesehen. Ohne es zu merken, ging seine Verteidigung in geübte Routine über und gab seinem Kopf Platz, die Leere mit dem Anblick der Trümmer zu füllen, die er tagein, tagaus mit baren Händen beseitigte, bis Schwelen und Blasen seine Haut säumten. Der Schlag gegen seine Seite durchbrach das neblige Bild und beeinträchtigte ihn für wertvolle Herzschläge in seinem Gleichgewicht, ehe sein Fuß über den Boden scharrte und er einen sicheren, breitbeinigen Stand zurückgewann. Im gleichen Atemzug noch drehte er sich in den Schwung des Schlags hinein und griff mit seiner Hand an die Stelle, von der er wusste, dass Latifa ihren Arm dort hätte zurückziehen müssen. Seine Fingerkuppen berührten Haut, griffen aber ins Leere. Den nächsten Schlag wehrte er ab, weil er blind nicht entscheiden konnte, ob sie nur antäuschte oder nicht, und der Windzug verriet, dass sich der Körper vor ihm drehte. So gewann sie mehr Kraft in ihrem Angriff; gut, sie lernte. Es machte sie aber auch durchschaubarer, als ihr vielleicht lieb wär, wussten sie doch beide, dass man einen solchen Schlag am besten in Kopfhöhe ausführte. Das Blatt bettete sich lautlos auf den Boden, als Devan knapp den Schlag gegen seine Schläfe mit dem Handgelenk abblockte, doch etwas sorgte für die Falte zwischen seinen Augenbrauen. Den vergangenen Fehler hatte er mit einem sicheren Stand in die Richtung bereinigt, wohin ihn der Schlag gegen seine Seite getrieben hatte – nicht aber in die Richtung, in die ihn der zweite Schlag nun drängte. Devan spannte jeden Muskel an, aber er merkte, dass er zu spät reagierte. Er strauchelte und sein Gewicht verlagerte sich über sein Zentrum hinaus. Es waren solche Fehler, die weitreichende Konsequenzen haben konnten; und wenn sie nur damit endeten, dass Latifa sich den Moment der Schwäche zu Nutze machen und ihren Meister zu Fall bringen konnte. RE: An Ember in the Ashes - Latifa Salibi - 02-06-2024 Ihre Taktik war erfolgreich. Zur Seite gedrängt waren die Bilder von der Zerstörung und dem Leid, das Devan doch so viel unmittelbarer gesehen hatte und ihn dennoch scheinbar nicht in seiner Leistung zu beeinträchtigen schien. Latifa wusste, dass sie nach wie vor noch viel zu lernen hatte, doch wollte sie exakt diesen Punkt denn auch lernen? Wollte sie, dass sie der Tod von Kindern und Armen unberührt ließ, dass es nicht ihr Blut in Wallung setzte und sie in einen Zustand jenseits von gut und böse versetzte, das Bedürfnis zu verspüren, diese Ungerechtigkeit zu tilgen? Wenn der Palast eines Tages brennen sollte, so musste jemand das Feuer in der Hand halten. Und wenn sie selbst diese Flammen verzehren sollten, so wäre ihr Gewissen rein und ihr Herz frohlockend, dass die Geschichtsbücher gezwungen waren eine Zäsur niederzuschreiben, die ihr Volk erretten sollte. Keineswegs strebte sie nach Ruhm, nichts läge ihr ferner, doch sie wollte die Veränderung und diese am liebsten sofort.
So unmittelbar, wie sie sich gerade im Kampf neu ausgerichtet und damit Erfolg hatte. Eine Aktion und eine Reaktion, nichts leichter als das. Devan war nicht der einzige, der sie immer wieder zur Ruhe mahnte und ihren Fortschritt genauestens beobachtete. So war ein weiblicher Schatten wohl für den Moment eines langgezogenen Windstoßes hinter einem Fenster des oberen Stockwerks am Fenster verweilt und hatte selbst auf die Entfernung gesehen, wie die Gewalt von strömenden Wasser mit züngelndem Feuer umzugehen wusste. Latifa hatte Rabia nicht wahrgenommen, doch sie war nicht so naiv zu glauben, dass die Dame keine Kenntnis über alles besaß, was in diesem Haus vor sich ging. Doch von dem heutigen Triumpf wollte die junge Frau ihr am liebsten persönlich erzählen. In ihrer Selbstsicherheit glaubte sie nicht daran sich zu früh gefreut zu haben, als schließlich der zweite Schlag gegen sein Handgelenk traf und sich ein Zucken ihres Mundwinkels nicht verwehren konnte. Da war der kleine Augenblick, in dem sie ihn so weit hatte überraschen können, dass er die Vorausarbeit zur Austarierung des Gleichgewichts verpasst hatte. Einzelne Strähnen klebten von Schweiß an der Stirn, während ihre Augen fokussiert und lauernd die geringste Unsicherheit auszuloten versuchten. Latifa nutzte die Chance und setzte der strauchelnden Bewegung nach, indem sie ihm das wackelnde Steinbein mit einem energischen Fußschlag in Drehung wegzog, entgegen der Richtung, die dem Gleichgewicht eigentlich nützlich gewesen wäre. Der Ansprung nach vorne sollte sein letztes tun, indem Devan schließlich mit dem Rücken auf dem Boden und sie über seinen Oberkörper kniend landen sollte. Sie legte ihre Faust nahe seines Halses, als würde ein imaginäres Messer an die Kehle gehalten werden, um damit ihren Sieg schließlich zu besiegeln. Das Adrenalin war phantastisch. Nun war es vorbei damit leise zu sein, denn der Atem ging schwer, das Lächeln auf ihren Lippen sprach von dem Stolz und der Euphorie, die ihr Sieg so eben auf einem Silbertablett präsentiert hatte, das Feuer in den Augen mäßigte sich von einem lodernden Waldbrand in ein sanftes Kerzenflimmern. Ihre freie Hand löste die Augenbinde und sanft glitten zwei Finger über seine Schläfe zum Haaransatz hinauf, um den Stoff von seinem Zweck zu befreien. Ihr eigener Kopf sollte die empfindlichen Pupillen dabei vor dem grellen Licht im Unterschied zu der Dunkelheit vorläufig abschirmen, bis sich seine Augen wieder an die sonnengeflutete Umgebung des Abends gewöhnt hatten. „Ob die Zeit gekommen ist, in der ich an deiner statt die Augenbinde zu tragen hätte?“, fragte sich Latifa selbst und schmunzelte erheitert, und streute gerne noch ein wenig Salz in die Wunde, die vermutlich gar nicht vorhanden war, und müsste ohnehin eingestehen, dass sie ihm auf diese Weise keineswegs das Wasser reichen konnte. Denn darin unterschieden sie sich ebenso, Latifa war eine schlechte Verliererin. Immer noch den Schalk in den Augen, stieg die junge Frau in einer geschmeidigen Bewegung von ihm hinab und richtete sich auf. Trotz der Mühen des Kampfes schien ihr eine Leichtigkeit inne zu wohnen, die wohl den jungen Jahren geschuldet war. Doch selbstredend reichte sie ihrem Mentor die Hand dar, um ihm nicht nur behilflich zu sein, sondern auch zur Anerkennung sich dieser einschränkenden Herausforderung überhaupt gestellt zu haben. RE: An Ember in the Ashes - Devan Naharis - 08-06-2024 ![]() Immer noch vibrierte der Fall durch die angespannten, reißfesten Muskeln und ließen das Ringen in Devans Ohren für den polternden Herzschlag in seinen Ohren dröhnen, ehe er sich orientierte und mit Gefasstheit feststellte, dass er auf dem Rücken lag. Seiner Blindheit geschuldet konzentrierte er sich auf die Schwerkraft, die ihn nun deutlich nach unten drückte und auf den schweren Atem über sich. Latifas Schatten fächerte über seine verbundenen Augen und auch, wenn er nichts sah, war er sich der Präsenz ihrer Faust an seinem Hals bewusst - trüge sie einen Dolch, würde dieser jetzt an seiner Kehle liegen. Auch sein Atem ging schwer, als sich sein Brustkorb tief mit der entwichenen Luft füllte und er zuließ, dass Finger in einer sanften Geste die Augenbinde nach oben schoben und ihn angestrengt in das Licht blinzeln ließen. Nicht in das Licht, in die Krone, die Latifas Gesicht umrahmte und mit jedem Blinzeln ihre Gesichtszüge schärfte. Devan starrte sie nur an, wie der Schalk in ihren Augen zurück starrte und ihm das Gefühl gab, verloren zu haben. Wie sich das wohl für jemanden anfühlen musste, der sich gut darauf verstand, sich von solchen Kleinigkeiten aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen? In Devan hinterließ es nicht einmal einen bitteren Beigeschmack. Sein Blick richtete sich in den Himmel, kaum dass seine Schülerin von ihm abließ und ihm die Möglichkeit zum Atmen einräumte. Er ließ sich und dem Adrenalinpegel kurz Zeit, zur Ruhe zu kommen, ehe er die angebotene Hand ergriff und sich auf die Füße helfen ließ. Auch ohne die Leichtigkeit von Latifa, die er selbst mit den Jahren verloren hatte, und trotz den durch die letzten Tage strapazierten Muskeln glich er immer noch der Katze, die sich auf dem Fenstersims im ersten Stock niedergelassen hatte und das Spiel im Innenhof beobachtete. Seine robusten, an einigen Stellen verkrusteten Hände fegten den Staub von seinen Armen, mit einem dünnen Schweißfilm bedeckt, und zogen die Augenbinde von seinem Kopf. “Du bist immer noch impulsiv”, tadelte er schließlich, statt seine Schülerin für ihren Sieg zu beglückwünschen. Seiner Stimme fehlte hingegen jegliches Gefühl, das über die übliche Strenge hinausging. “Deine Bewegungen sind schnell und intuitiv, aber durchschaubar. Du hättest mich schon früher aus dem Gleichgewicht bringen können, lässt dich aber zu sehr von deinen Gefühlen leiten.” Devan öffnete den Knoten und rollte das Tuch um seine Handfläche, als würde er sich selbst verbinden. Dann aber zog er das Ende des Tuchs durch die kreierte Schlaufe und zog es zu einem kleinen Bündel fest, das er in der Hand verschwinden lassen konnte. “Fühlst du dich blockiert, wenn wir zusammen trainieren?” Zweimal öffnete und schloss er seine Hand um das Tuch, dann richtete er endlich seinen Blick auf Latifa; ruhig, forschend. “Als würdest du gegen deinen Schatten kämpfen?” Jahrelang hatte er sie trainiert. In ihrem Alter war er schon durch diverse Arenakämpfe und Söldneraufträge gegangen, eben weil er dieselbe Blockade erreicht hatte wie sie. Es gab nur ein endliches Maß an Wissen, das er ihr beibringen konnte; damit seine Schülerin ihn überragte und über ihren eigenen Horizont blicken konnte, war es irgendwann unabdinglich, dass sie sich in einem fremden Umfeld trainieren ließ. Nicht von ihm und nicht von Rabia, denn sie beide hatten die letzten Jahre bereits ihr Mögliches getan, Latifa ihr gesamtes Wissen näher zu bringen und die Ecken an ihr zu schleifen, für die sie die richtigen Werkzeuge hatten. Manchmal fragte sich Devan, ob er der Richtige war, der ihre charakteristische Impulsivität lenken konnte, wenn alles, was er davon selbst erlebte, nur ein Tropfen in dem Brunnen war, den Latifa fühlte. RE: An Ember in the Ashes - Latifa Salibi - 14-06-2024 Es kam nicht oft vor seinen Meister übertrumpfen zu können, und somit wollte sich Latifa wirklich über diesen Meilenstein freuen. Umso mehr, als es sie so zufällig in seine Nähe katapultiert hatte, und es einer der äußerst seltenen Augenblicke war, in denen sie ihn überhaupt in dieser Form berühren konnte. Auch wenn es nicht länger als notwendig gedauert hatte, auch wenn sie kein Wort darüber verlor, und sich die Gedanken ganz für sich alleine behielt, ob er auch in anderen Situationen bereit wäre, sich die Augen verbinden zu lassen. Seine kämpferische Intuition und sein Talent sich selbst blind auf das umgebene Geschehen einlassen zu können, mussten ihn in anderen Bereichen ebenso unübertroffene Erfahrungen beschert haben. Doch sie konnte sich nicht erinnern, ihn jemals bei oder mit einer Frau gesehen zu haben; was nichts heißen musste, denn niemand auf der Welt würde es besser verstehen zu wissen, etwas vor anderen verborgen zu halten.
Erst nach einem Moment hatte er ihre Hand ergriffen und elegant wie jeder seiner Bewegungen, war er bereits wieder auf den Beinen und überragte sie ein gutes Stück. Doch war es kein Lob, das Devan zum Sprechen veranlasste, sondern Tadel. Natürlich. Wie immer. Etwas änderte sich in ihrem Blick und dennoch hielt sie ihm stand und erlaubte sich keine emotionale Regung auf das, was folgte. Sogar der aufgescheuchte Atem schien sich beinahe von einem Zug in den anderen beruhigt zu haben, als obläge er ihrer absoluten Willenskraft und hätte es die letzten Minuten nur vernachlässigt. Während sie zuhörte, folgte ihr Blick seinen Bewegungen das Tuch, das gerade noch seine Augen bedeckt hatte, um die Hand zu wickeln. Langsam und bedächtig, als wäre diese Tätigkeit das Wichtigste auf der Welt. Am liebsten würde sie es zu Fetzen reißen. Der Gedanke vibrierte in ihrem Körper, bis sie wegsah und viel eher ihre Nase ein Stück weit höher reckte. Keine Geste, die auf sonderlich viel Gegenliebe stoßen würde, aber ihr den Moment gab die Nuance eines Luftzugs zu erhaschen. So ham, ging durch ihre Gedanken. Einmal langsam, ein zweites Mal langsamer. Impulsiv, durchschaubar, blockiert… war sie all das? „Nein“, war ihre Antwort, nicht auf ihre eigenen Gedanken, sondern auf seine Frage. Er war weit weniger ein Schatten, als mehr eine Mauer, gegen welche selbst die härtesten Schläge keinen Riss im Stein hinterlassen konnten. Gefasster blickte sie ihn wieder an. „Deine Worte fällen ein hartes Urteil, obwohl ich dich besiegen konnte.“ Natürlich brauchte es Ansporn und Herausforderung um besser zu werden, doch der Kampf selbst war die Herausforderung gewesen und sie war ihrer Meinung nach daran gewachsen. Der Sieg mochte das sichtbare Ergebnis gewesen sein, ihre persönliche Erfahrung darin die Möglichkeit neue Gedanken miteinander zu verknüpfen; doch sicherlich nicht diejenigen, die Devan für sie im Sinn gehabt hatte. Ihr Arm bewegte sich zur Seite um mit einer deutenden Handbewegung ihn aufzufordern ihr zu folgen, weg von dem Zentrum des Innenhofes in die Schatten der Arkaden. Im Schutz vor der Sonne war auf einem Steinsockel eine Schale mit Wasser vorbereitet worden, denn dass einer von ihnen im Staub landen würde, hatte außer Frage gestanden. Ihre Hände fuhren in das kühle Nass und verteilten die Erfrischung um ihren Hals und an ihren Nacken, so dass die Wassertropfen von dort weg ruhig den Weg der Schwerkraft folgen durften. „Impulsiv.. doch ich habe nie die Kontrolle verloren“, war zumindest ihre Ansicht, während sie ein Stück Leinen ergriff und es in das Wasser tauchte, bis es sich voll gesogen hatte, „diese hast du mich gelehrt“, sie wrang den Stoff aus, „vielleicht sorgte die Erinnerung an die Zerstörung der letzten Tage dafür, energischer zu sein. Impulsiver. Aber sie hat mich nicht schwach gemacht. Ich entscheide mich bewusst für jeden Angriff und jede Handlung“, sagte sie, als sie mit dem Leinentuch seinen muskulösen Oberarm reinigte, an dem so eben noch der Staub und Sand des Bodens geklebt hatte. Ihr Blick folgte ihrer Hand. „Mein Schatten hätte wohl eher mich zum Fall gebracht, bevor ich es hätte tun können.“ RE: An Ember in the Ashes - Devan Naharis - 22-06-2024 ![]() Dann verrat mir, was du von deiner eigenen Entwicklung hältst. Lass mich nicht im Dunkeln tappen. Devan folgte ihrer Handgeste in die Schatten der Arcaden, zwei Bäume, die er selbst gepflanzt hatte: Einen, nachdem er vor sieben Jahren auf einen Schatten seiner Vergangenheit gestoßen war, den zweiten, als er ein dürres Sklavenmädchen auf den Armen in ihr zukünftiges Zuhause getragen hatte. Der Dritte spross noch nicht so kräftig, war aber auf dem besten Weg, sich zu seinen Brüdern zu gesellen. Devan tauchte seine Hände ebenfalls in die Schale, schöpfte das kostbare Wasser aber nicht über seinen Körper, sondern ließ es in den Boden einsickern, um die Wurzeln des jungen Baumes zu nähren. Erst dann fuhr er sich mit den nassen Handflächen über den staubigen Nacken und seine Wangenknochen, während er seiner Schülerin zuhörte. Nie sollte man der Annahme sein, dass er nicht zuhörte, auch wenn er sich wegdrehte und anderen Beschäftigungen nachging; da war immer ein aufmerksames Ohr für die Belange und ein wachsames Auge für das Verhalten der anderen. So wie für die Geste, die er aus dem Augenwinkel bereits abschätzte und sie dennoch zuließ. Kaltes, halb-frisches Wasser benetzte seinen nackten Oberarm, wo sie es doch reinigen und und zwei durstigen Kindern zum Trinken hätten geben können. Devans Blick begehrte auf und fasste seine Schülerin ins Auge. “Dein Schatten kopiert deine Bewegungen, oder willst du damit sagen, du bist langsamer als er?” Selten ließ Devan sich auf die Provokationen seiner Schüler ein, waren es doch oft sie gegenseitig, die sich nicht in Ruhe lassen konnten. Aber er musste zugeben, dass der Wortwechsel mit seiner Schülerin ihn amüsierte. Es brachte Farbe in seinen Alltag und verdrängte die Bilder, die sich besonders lebhaft anfühlten, wenn er die Augen schloss. “Die Bilder bringen auch mich aus dem Gleichgewicht”, gestand er schließlich. “Und nein, Impulsivität ist nicht gleich eine Schwäche. Du kannst sie dir zu nutzen machen. Impulsivität steht auf der anderen Seite von Gelassenheit und Trägheit, beides Eigenschaften, die einen vom Handeln abhalten. Du handelst.” Es war kein Kompliment, kein direktes, allerdings erkannte er damit ihre Sicht auf ihren Fortschritt an und akzeptierte ihre Erklärung. Genauso wie Trägheit konnte aber auch Impulsivität gefährlich werden; nämlich dann, wenn man sich zu sehr von ihr leiten ließ. “In einer unbekannten Situation darf dir das aber nicht zum Verhängnis werden. Wer impulsiv ist, lässt sich auch schnell zu unüberlegten Entscheidungen hinreißen.” Bevor Latifa das Tuch nochmal ins Wasser tauchen konnte, hielt Devan seine Handfläche auf und erwartete von ihr, ihm das Stück Leinen zu geben. “Oder von seinen Gefühlen leiten.” Sobald er das Tuch in der Hand hielt, bedeutete er, dass sie ihren Arm präsentieren sollte, damit er sie der gleichen Wäsche unterziehen konnte. Genauso gründlich, genauso vorsichtig, mit dem gleiche wertvollen Wasser, das sie sich heute teilten. |