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Indescribable feeling - Yasirah ben Sahid - 08-03-2025 Der Kloß in ihrem Hals war von Tag zu Tag größer geworden. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu und ließen sie kaum einen Moment an irgendetwas anderes denken, als an morgen. Morgen war der große Tage gekommen, an dem ihre Tochter ihre Flügel ausbreiten und ihre Heimat verlassen würde. Es gab keine Worte dafür, um auszudrücken, wie sie sich fühlte. Es waren so viele Emotionen, die um die Vorherrschaft ringen, dass sie selbst manchmal gar nicht wusste, ob sie sich im Moment todtraurig oder himmelhochjauchzend fühlte. Dass Naila nun endlich für ihre Hochzeit weiter reisen würde war eigentlich das Schönste, was hätte passieren können. Doch dass Yasirah damit gleichzeitig ihre Tochter verlor ließ ihr Herz unendlich schwer werden. Natürlich wussten sie beide, dass dieser Tag kommen würde. Schon als kleines Mädchen wurde die Prinzessin der Königsfamilie auf diese Aufgabe vorbereitet und insgeheim hoffte die Königin auch, dass sie dort die Freiheiten bekäme, die ihr hier verwehrt blieben, und trotzdem machte ihr dieser Schritt große Angst. Naila war ihre Erstgeborene. Das Kind, das sie zu einer Mutter gemacht hatte. Ihr erster Schrei war ihr in all' den Jahren sehr lebendig in Erinnerung geblieben. Schon damals hatte die kleine Prinzessin viel zu sagen, obwohl sie kein besonders lautes Organ hatte. Aber was zu erzählen, das hatte sie auf jeden Fall. In Gedanken verloren schritt die Königin durch die Gärten ihres Palastes. Sie wusste, dass sie ihre Tochter hier irgendwo finden würde. Die frische Luft hatte ihr schon als kleines Kind gut getan, wenn sie nicht schlafen konnte. Oft war sie mit ihr auf dem Arm mitten in der Nacht durch die Gärten gewandert. Für kein Gold der Welt hätte sie das an irgendein Kindermädchen abgeben wollen. Tagsüber, ja. Da hatte sie auch schon damals ihren Geschäften nachgehen müssen, doch die Bindung, die sie in den Nächten mit ihrer Tochter aufgebaut hat, konnte ihr heute keiner mehr nehmen. Ihr Weg führte sie zum künstlich angelegten Teich, der mit spiegelglatter Oberfläche den langsam aufgehenden Mond widerspiegelte. Und die Gestalt der Prinzessin. Beinahe erleichtert atmete Yasirah auf und beschleunigte ihre Schritte. Natürlich hatten sie sich tagsüber immer wieder gesehen, haben gemeinsam die letzten wichtigen Sachen besprochen, doch das waren alles ihre normalen Tagesgeschäfte gewesen. Es war kaum Zeit für Sentimentalitäten dazwischen gewesen. Doch so wie es damals, vor 19 Jahren, würde sich die Dunkelhaarige es sich nicht nehmen lassen den letzten Abend gemeinsam mit ihrer Tochter zu verbringen. Gar nicht mehr klein, gar nicht mehr schwach. Naila war zu einer fantastischen Frau herangewachsen, auch wenn ihnen beiden unausgesprochen klar war, dass Matariyya ihr nicht das bieten konnte, was sie brauchte. Dieser Umzug ins Großkönigsland war das größte Abenteuer, dass sie jemals antreten würde. Doch es würde sie zu einer so großartigen Frau machen, wie es das Sommerland niemals geschafft hätte. Stumm ließ sie sich neben ihre Tochter auf die marmorne Bank sinken, ganz nah. Ihre Lippen bebten, als sie Luft holte. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Keine Worte dieser Welt waren ausreichend, um ihre Liebe zu dieser Frau zu beschreiben. Keine Worten würden den Gefühlen gerecht werden, die sie das erste Mal in ihrem Leben spürte. Ohne etwas zu sagen nahm sie die Hand ihrer Tochter in ihre. RE: Indescribable feeling - Naila Castellanos - 17-04-2025 ![]() Mittlerweile wusste Naila gar nicht mehr, wie sie sich fühlen sollte. Die sicheren, geschlossenen Mauern des Palastes waren längst ihr Zuhause geworden, ein Teil von ihr, in dem sie sich behütet fühlte. Ihre Familie gab ihr Halt und sie wusste, dass sie ihren Geschwistern und Eltern denselben Halt zurückgab - wie konnte sie nur in die Welt hinaustreten und verraten, was ihnen allen heilig war? Für ein besseres Matariyya. Für deine Familie. Von Kind an hatte sie gewusst, dass sie als älteste Prinzessin des Königshauses nicht für immer in den Schatten der Palastgärten würde wandeln können, war ihre Hand doch, seit sie sich erinnern konnte, ein Teil der Politik von Königreichen und Städten gewesen. Über ihren Kopf wehten stets Stimmen hinweg, die den größtmöglichen Gewinn aus ihrer Ehe verhandelten, ohne je auf den Gedanken zu kommen, dass die Prinzessin wachsame Ohren hatte. Wenn nicht, dann waren ihre Augen sogar noch besser; so aufmerksam, dass sie in dem Gesicht ihrer Mutter hatte ablesen können, was in dem eingerollten Brief stand, den sie vor knapp sechs Monaten unter die Geschenke von Augusto gelegt hatte. Naila wusste stets mehr, als man ihren schweigsamen Lippen ablesen konnte. Es waren die Nuancen, die ihr auffielen, als ihre Mutter sie mit müder, zwiegespaltenen Freude erneut im Land begrüßt hatte, der kleine Trotz in Fayyads Mundwinkeln, während er mit ihr sprach, als wäre sie bereits eine Fremde zu Besuch. Der Körper eine junge Frau, der Geist doch gealtert durch die Krankheit ihres Vaters, der seine Probleme zu den Problemen ihres Landes machte, lag sie oft wach und starrte an die Decke in der stummen Frage, ob es ihrer Mutter genauso erging. War der Preis für Verantwortung die eigene Gesundheit und man durfte nur entscheiden, ob man sie sich seelisch oder körperlich aufbürdete? Auf Nailas Lippen brannten tausend Fragen und keine fand eine Antwort in ihrem Spiegelbild oder der Seerose auf ihrem Schoß. Am letzten Abend in ihrem Zuhause, ihrem alten Zuhause, hatte sie das Gefühl, Kilometer an Vorbereitungen getroffen zu haben, und doch fühlte sie sich überhaupt nicht vorbereitet auf das, was vor ihr lag. Würde Malek sich heute noch blicken lassen? Wie ging es Ranya mit ihrem Abschied? War alles gepackt? Was brauchte sie für den Rest ihres Lebens? Würde Vater verstehen, dass sie nicht mehr hier lebte? Wie hatte Mutter diesen Schritt damals geschafft? Das Mädchen in ihr wollte schreien, aber die junge Frau brauchte kaum mehr ein Zittern zustande, das auch von der frischen Brise herrühren konnte. Die Blüten der Seerose, die sie mit ihren Händen umschlossen hielt, flatterten leicht. Wenn man Blumen ihren Wurzeln entriss, dann würden sie unausweichlich, irgendwann, verwelkten. Auch wenn sie nicht um Gesellschaft gebeten hatte, wusste sie doch, dass es das Beste war, was Heofader ihr hätte schicken können - insbesondere, als sie am Schritt erkannte, wer sich ihr näherte. Naila hatte nicht gewusst, dass sie sich so sehr nach der Präsenz ihrer Mutter gesehnt hatte, aber jetzt, wo sie sich ihr bewusst war, war das Bedürfnis stärker denn je, ihr in die Arme zu fallen. Noch einmal Kind sein; doch die Gestalt der Prinzessin rührte sich nicht. Erst, als die Königin sich neben sie setzte und sie überschattete, als eine Hand zart die ihre berührte, schnappte sie nach Luft und hatte fast das Gefühl, daran zu zerbrechen. Nicht Herr der eigenen Gefühle zu sein, war eine Sache, aber zu wissen, zu spüren, dass die Gefühle ihrer Mutter selbst durch die Fassade brachen, schien sie völlig zu überwältigen. Sie wusste nicht, was sie sagen wollte. Noch nie brannten so viele Fragen auf ihrer Zunge und fanden doch kein Organ, um ausgesprochen zu werden, weil Naila Angst hatte. So war sie doch noch das kleine Mädchen, das nicht von Zuhause wegziehen wollte. Zu schnell war sie groß geworden, und ihre Schultern schienen nicht zu wissen, wie sie dem Druck trotzen sollten. Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, bis Naila die Kraft fand, sich ihrer Mutter zu öffnen. Aus Angst, das eigene Ventil zu brechen, erlaubte sie sich nur eine einzige Frage; schwach, mit zitternder Stimme, die den Tumult in ihr zum Ausdruck brachte. “...wie war es für dich, als du damals dein Zuhause verlassen hast?” RE: Indescribable feeling - Yasirah ben Sahid - 13-05-2025 Eine gefühlte Ewigkeit verging, nachdem sie sich neben ihre Tochter gesetzt hatte. Leise hörte sie das Atmen der Prinzessin, konnte spüren, dass die Hände, die sanft die Seerose hielten, angespannt waren. Alles an ihr, an diesem Abend und an dieser Situation war angespannt. Seit Tagen und Wochen schon brachten die Vorbereitungen für Nailas Abreise die Königin um ihren Schlaf. Zurückversetzt in eine Zeit, in der sie nicht wusste, wie ihr geschah, war sie nun an der Stelle ihrer eigenen Mutter damals. Mit dem großen Unterschied, dass sie das Glück gehabt hatte ihr Land nicht verlassen zu müssen. Und wieder einmal mehr stieg ihr die Galle hoch und sie schmeckte einen bitteren Geschmack auf der Zunge. Ihre kleine Prinzessin würde morgen das Land verlassen. Das Sommerland, das ihr eine so gute Heimat gewesen war, auch, wenn es manchmal mehr einem goldenen Käfig geglichen hatte. Es war Alles immer nur zu ihrem Besten gewesen. Der Schutz von Naila stand immer über allem. Auch über ihren eigenen Wünschen, Gefühlen und Sehnsüchten. Auch wenn es ihr als Mutter das Herz zerbrochen hat, hat sie diese Sache über all die letzten Jahre konsequent durchgezogen. Privatsphäre, Ausflüge, Ausritte oder Stadtbesuche hatte es kaum gegeben. Es war besser so gewesen. Jedenfalls redete Yasirah ben Sahid sich das schon seit vielen Jahren ein. Die Welt da draußen war zu gefährlich. Die Bürgerlichen waren Barbaren und Kriminelle. Es gab dort draußen kaum mehr als Dreck, Hunger und Gewalt - es war kein Ort für eine Prinzessin. Hier im Palast war sie schon immer besser aufgehoben gewesen - genauso wie alle anderen Kinder der Königsfamilie. Ridvan wusste es. Spürte und fürchtete es. So sehr, dass es ihm nur noch möglich gewesen war mit dem beruhigenden Opium den Tagesgeschäften nachzugehen - bis es irgendwann Überhand genommen hatte. Bis das Opium die Ängste abgelöst und in den Hintergrund hat rücken lassen. Bis er irgendwann in einem Delirium lag und kaum noch wusste, was Realität und was Traum war. Es waren anstrengende Monate gewesen zuletzt. Nur wenig Zeit sich mit den eigenen Gefühlen bezüglich Nailas Abreise vertraut zu machen. Doch heute Abend war es, als würde Alles einfach über sie hereinbrechen. Es war keine Zeit mehr sich langsam an die Veränderungen heran zu tasten. Ab morgen wäre ihre Tochter fort. Briefe würden sie noch schreiben können, mussten jedoch damit rechnen, dass es eine halbe Ewigkeit dauern würde, bis sie ankamen. Falls sie denn überhaupt ankamen. Es war, als würde man einen Teil ihres Herzen herausreißen und auf dem Boden darauf herumtrampeln. Sie war nicht bereit ihre Älteste ziehen zu lassen. Doch eine Wahl hatte sie nicht. Sie war sogar diejenige gewesen, die diese Hochzeit angestrebt hatte. Die in Vertretung ihres Mannes eingewilligt hatte Naila an Orpheus Castellanos zu verheiraten. Und sie betete seitdem jeden Abend, dass es die richtige Entscheidung war. Dass er gut zu ihr sein und sie auf Händen tragen würde. Dass er wusste, wie er eine Prinzessin zu behandeln hatte. Dass Ridvan und seine Ehefrau maßgeblich zu allen Problemen der letzten Wochen, Monate und Jahre beigetragen hatten, sah sie nicht. Es waren immer die Anderen Schuld. Ja, sie hatten sicher nicht alles richtig gemacht, doch sie haben immer ihr Bestes gegeben. Sie wollten es gut machen. Das musste doch ausreichen! Dass es immer Kollateralschäden gab war normal, das beteuerte auch der Beraterstab tagtäglich. So war es nun mal, wenn man herrschte. Das Ungleichgewicht kam automatisch mit der Krone. Während sie schweigend nebeneinander saßen und Yasirah die Hand ihrer Tochter hielt, völlig in Gedanken versunken, durchdrang plötzlich die Stimme von Naila die Stille. Ihr Herz stolperte, ehe es im regelmäßigen Rhythmus weiter schlug. Ihre Tochter, ihr hellster Stern am Horizont, hörte sich plötzlich so zerbrechlich und ängstlich an wie ein kleines Mädchen. Sie ignorierte den ersten Impuls sie fest an sich zu drücken und ihr zuzuflüstern, dass Alles gut werden würde. Auch, wenn sie unendlich viele Gefühle in ihrem Herzen trug, die sie alle am liebsten hinausgebrüllt hatte, war sie immer noch Königin und Mutter. Sie hatte Aufgaben zu erfüllen. Und eine davon war die Hochzeit ihrer Tochter. Es gab noch nie etwas in ihrem Leben was ihr so schwer gefallen war, wie dieser Moment, doch sie würde stark sein. Für sie beide. Sie würde sie unterstützen und in die richtige Richtung führen. Sie würde es überleben. Sie beide. Einige Sekunden dachte sie über ihre Antwort nach, streichelte sanft mit dem Daumen über den Handrücken ihrer Tochter und warf der sich im Wind windenden Seerose einen Blick zu. "Es ist wie mit den Blumen...", startete sie und strich sanft über das weiche Blatt der Rose. "... es ist gar nicht so einfach sie zu hegen und zu pflegen. Reißt man sie aus ihrem Boden raus, gehen sie entweder ein oder man pflanzt sie woanders erneut und hilft ihnen zu wachsen und zu gedeihen. Und manchmal erblüht der Strauch voller Rosen danach so wundervoll, dass man weiß, man hat Alles richtig gemacht", erklärte sie und atmete tief ein und aus. Nie in ihrem ganzen Leben war ihr etwas so schwer gefallen. Nie war es ihr so schwer gefallen keine Tränen zu weinen. Stark zu sein. Sie war ihr ganzes Leben lang stark, doch dieser Abend verlangte ihr einiges ab. "Es ist angsteinflößend und ungewohnt, doch es kann so viel besser werden, als du es dir jetzt vorstellst. Für mich war es damals das größte Glück, denn ohne meine Eltern, die diese Ehe für mich arrangierten, hätte ich Euch alle nicht bekommen. Und glaube mir - dafür war jeder Schritt es wert gegangen zu sein", sie versuchte sich an einem Lächeln. RE: Indescribable feeling - Naila Castellanos - 02-06-2025 ![]() Doch die Geschichte ihrer Mutter hatte nichts von der Größe, die Naila sich an diesem Abend vielleicht wünschte. In ihrem Schweigen lag nicht die Spannung auf das, was folgte, sondern eine geteilte Angst, welche die Prinzessin tief berührte. Ein Gefühl, das ihre Seele streifte und ihr an diesem Abend die Gänsehaut auf ihre Arme trieb. Denn Schweigen wog manchmal schwerer, als Worte es jemals tun konnten. Ein leichtes Lächeln zupfte an Nailas Mundwinkeln, dünn gewoben wie Seide, dass es nicht ihre Augen erreichte. Die Worte ihrer Mutter wärmten sie und sie erinnerte sich an die Zeiten, als sie ihr noch vorgelesen hatte. Als eben die Stimme, die ihr nun Mut zusprach, die ersten Worte geformt hatte, die sie in ihrer Form und Schwere kopiert hatte, bis sie irgendwann genauso klang wie Yasirah selbst - in perfekter Balance aus Sanftmut und Stärke. Schau, was aus deiner Tochter geworden ist. Gerne würde sie etwas von der Stärke zeigen, die Yasirah atmete, in der sie lebte, von der Naila so viel gelernt hatte. Aber ihre Hand war klein in der ihrer Mutter, und die Worte öffneten ihr eine Tür, von der sie nicht sicher war, ob sie hindurch treten wollte. Der Blick war noch auf die Seerose geheftet, im Schatten des Mondes dunkel und zu schwer, um ihn zu heben. “Ich wäre gerne wie du” , drückte sich schließlich ihre Stimme durch die dichte Stille, weich und warm, doch an den Enden gebrochen. Jahrelang hatte Naila geübt, Unwahrheiten wie Wahrheiten klingen zu lassen, auf der gleichen Welle, in der gleichen höfischen Sitte, mit derselben Aufrichtigkeit. Diese kleine Wahrheit, die sie vor dem Teich ihrer Mutter schenkte, trug hingegen all ihre Verletzlichkeit nach außen. Naila hatte schon immer zu ihr aufgesehen, und sie würde es ewig weiter tun. “Ich hätte gerne mehr Mut, um meine Reise anzutreten, wie du es getan hast.”
Wie war ihre Mutter zu der Königin geworden, die ein ganzes Land zusammen hielt. Wie war sie zu der starken Frau geworden, die hinter einem Mann stand, dessen Scherben man sorgfältig aufklauben musste. Wie erstickte sie nicht unter der Krone, die dem König seine Gesundheit gekostet hatte. Naila trug nur die Last einer Erstgeborenen auf ihren Schultern, die zu eng mit ihren Geschwistern aufgewachsen war und sich nicht vorstellen konnte, nicht mehr jeden Tag ihre Gesichter zu sehen. Sie war sich der Verantwortung einer Frau bewusst, die ihre Heimat und die sicheren Mauern verlassen musste, um woanders Wurzeln zu schlagen. Aber der Kopf ließ sich nicht immer mit den Gefühlen vereinbaren, und die Nacht wog schwer auf ihrem Gemüt, obwohl sie ihr Kleid so zart um Nailas Seele legte. “Aber ich hab Angst, dass ich suche und nicht das finde, was du gefunden hast, Mutter.” In der Dunkelheit flüchtete ihre Stimme wie ein Faden, der seinen Garn verlor. “Eine Wüstenblume kann keine Wurzeln in einem Klima schlagen, das nicht für sie gemacht ist.” Unter dem Mondlicht schimmerten Nailas Augen mit den Tränen, die sie so tapfer zurückgehalten hatte.RE: Indescribable feeling - Yasirah ben Sahid - 04-07-2025 Es war, als würden alle Pflanzen und alle Blumen um sie herum eine Art Schutzwall nach außen bilden. Dieser Moment gehörte nur ihnen beiden. Und er würde so lange andauern, wie sie ihn brauchten. Sie konnte sich in diesem Augenblick so viel Zeit nehmen, wie sie brauchten, um danach wieder mit hoch erhobenem Haupt und gestreckten Rücken hinaus zu gehen und ihre Aufgaben zu erledigen. Denn ihr Leben bestand nur aus einer Aufgabe nach der anderen. Und manchmal war eine Aufgabe auch mit der Aufgabe von sich selbst verbunden. Manchmal musste man nicht nur über seinen eigenen Schatten springen, sondern einen Teil seiner selbst zurück lassen. Gehen lassen. Man darf trauern und weinen, aber danach muss man wieder nach vorne blicken und weiter machen. Ihr Moment zum innehalten war jetzt. Hier in Matariyya, unter der beständigen Hitze der Sonne, die schon längst untergegangen war. In einem Kokon aus Blüten und Gefühlen, gefangen in der eigenen Seele. Sobald sie diese Gärten verließen, sobald sie ihre eigenen Gemächer wieder betraten und sich für die Nacht betteten, wäre dieser Moment verstrichen. Morgen früh würde das Leben weiter gehen. Würden ihre Aufgaben auf sie warten. Ab dem morgigen Tage wird sich Alles ändern. Und trotzdem wird der Sonnenuntergang am Abend der gleiche sein, wie heute, wie gestern und wie vor einem Jahr. Diese Gedanken haben ihr als junge Frau manchmal Trost gespendet. Andererseits haben sie auch so manches Mal dafür gesorgt, dass sie sich einsam, verlassen und unendlich klein fühlte. Sanft streichelte sie die Hände ihre Tochter, während sie aufmerksam ihren Worten lauschte. Ihre samtweiche Stimme, die sie so oft aufgrund ihrer Weichheit und Güte beneidet hatte. Und nun erklärte ihr ausgerechnet diese Stimme, dass sie so gerne wäre, wie Yasirah. Am liebsten hätte sie abgewunken und laut geschnaubt, war doch in ihren eigenen Augen das die einzig richtige Reaktion, wusste jedoch auch, dass Naila in diesem Moment etwas anderes brauchte. Sie brauchte nicht die Mutter, die Schwierigkeiten hatte über die eigenen Gefühle zu sprechen, weil genau diese Gefühle eigentlich noch nie eine Rolle gespielt haben. Sie brauchte jemanden, der sie führte. Der ihr den Weg leuchtete in einer Dunkelheit, die sie selbst würde bekämpfen müssen. Und Yasirah wusste, dass ihre Tochter das schaffen würde. Sie war stark, mutig, loyal und der wunderbarste Mensch, den sie jemals getroffen hat. Ihre Intelligenz übertraf beinahe jeden einzelnen Berater am königlichen Hof, ihre Anmut überstrahlte Yasirah schon seit Jahren und ihr großes Herz brachte alle in ihrer Nähe zum Strahlen. Niemals sollte ihre wunderbare Tochter so sein, wie sie! Und genau das musste sie jetzt hören. " Du bist jemand viel Besseres, als Ich. Du bist nämlich Du. Eine wunderbare Prinzessin in einem Land, das es dir nicht immer einfach gemacht hat. Ich hätte dir gerne die Möglichkeiten geschenkt, die du verdient gehabt hättest, aber leider waren mir auch immer die Hände gebunden ", sprach sie leise das aus, was ihre seit vielen Jahren auf der Seele lag. Nach heute und nach diesem Gespräch würde sie nie wieder darüber reden, denn es änderte nichts. Naila ben Sahid war die Erstgeborene eines Königs und damit war ihr Leben vorherbestimmt. Ihre Aufgabe war die Selbstaufgabe in höchstem Maße. "Mein Kind, du bist Alles, was du sein sollst. Und noch so viel mehr. Du bist gütig, intelligent, wachsam und wunderschön. Es gibt Nichts an dir, was du verändern solltest ", sprach sie weiter und sah ihr tief in die Augen. Auch in ihren Iriden schimmerten nun die Tränen. Es war ein Abschied. Nicht nur von diesem Land, sondern von ihrer Tochter und allem, wofür sie stand. Ihre wunderbaren Eigenschaften würden nun einem anderen Land, einer anderen Familie zugute kommen. "Und weißt du was? Ich bin mir sicher, dass die Castellanos deine Eigenschaften so schnell zu schätzen lernen werden, wie du brauchst, um deren Gebäck lieben zu lernen ", erklärte sie lächelnd und versuchte sich an aufmunternden Worten. " Du bist so viel mehr, als eine Wüstenblume. Ich bin mir ganz sicher, dass du das finden wirst, was für dich bestimmt ist. Und denk daran: du hast deine Gesellschafterinnen, die dir immer zur Seite stehen. Du hast Ranya, die dich daran erinnern wird alle so anzunehmen, wie es dir serviert wird. Und du hast mich, die in Gedanken immer bei dir sein wird. Du wirst deinen Weg finden und gehen, du wirst irgendwann eine Königin werden, wie sie diese Welt noch nie gesehen hat. Dein wacher Geist wird den Unterschied machen. Du brauchtest nie so zu werden, wie ich es war, denn genauso wie du bist, bist du perfekt ", endete sie nun und führte ihre Hand an ihre Lippen, um einen sanften Kuss darauf zu hauchen.
RE: Indescribable feeling - Naila Castellanos - 15-07-2025 ![]() Es waren die kleinen Halme, an die sie sich klammerte, wie die Blüten der Seerose versuchten, sich an ihrem Fruchtknoten festzuhalten. Doch eine Blüte löste sich bereits und segelte — getragen von einer leichten Brise — von Nailas Schoß zurück in den Teich. Kleine Worte waren es auch, die sie sich selbst gegenüber nie wagte, zu sagen, Worte, die ihr Spiegelbild noch nie gehört hatte, und doch waren es genau die Worte, die eine Mutter ihrer Tochter irgendwann sagen musste. Naila war nie gütig genug zu sich selbst gewesen, um sich einzureden, dass sie genug war. Sie war einfach da. Sie existierte für ihr Umfeld wie der Mond, immer präsent am Himmel und doch nie genug, um von sich aus zu strahlen. Worte, wie dass sie genug war, waren rar gesät — vor allem zwischen Mutter und Tochter, wenn eine von ihnen der Thematik ständig aus dem Weg ging und lieber betonte, wie groß Fayyad schon wieder geworden war. Ihre Mutter hatte recht, wenn sie sich beschwerte, wie sie Naila nie viele Möglichkeiten geboten hatte, aber die Prinzessin hatte es nie als Bürde gesehen. Es war schlicht und weg alles gewesen, was sie kannte; die schützenden, hohen Mauern, hinter denen sich eine ganze Welt auftat, die vielleicht gar nicht für sie gemacht war. All die Schriften, die sie heimlich las, versetzten sie in Staunen und ließen sie Fragen stellen, aber keine Entdeckung davon erlebte sie persönlich. Wenn sie sich nur dem Wissen und der Forschung hingeben könnte und währenddessen ein Auge auf ihre Geschwister haben könnte, wäre sie vermutlich zufrieden. Ihre Mutter hatte Ambitionen; Naila hingegen fügte sich nur den Umständen und versuchte, ihren Liebsten so wenig Schwierigkeiten wie möglich zu machen. Es war das Feuer, was sie von ihr brauchte, die Beständigkeit, die sie nicht hatte, und gerne hätte sie ihr das ins Gesicht gesagt — mit aller Liebe, die sie für sie aufbrachte —, aber Yasirahs Worte raubten ihr die Stimme dort, wo sie Wärme schufen. Vielleicht waren sie sich doch ähnlich. Wie leicht es der Königin fiel, ehrlich gemeinte und herzliche Worte für ihre Tochter zu finden, während Naila das Gefühl hatte, dass sie selbst dabei zu kurz kam. Aber während sie mit diesem Schwall an Zuspruch fast überfordert war, konnte sie Gleiches nicht einfach zurückgeben. Vermutlich sollte sie das auch gar nicht. Das Beste, was sie ihrer Mutter tun konnte, war ihr Kinn zu recken und mit Zuversicht in ihre Zukunft zu blicken. Naila merkte zu spät, dass ihr die Tränen über die Wange rollten, da löste sich schon eine und fiel auf ein Seerosenblatt. Als ihre Mutter ihre Hand an ihre Lippen hob und einen sanften Kuss darauf passierte, konnte sie ein Schniefen nicht verhindern. „Aaaah…“ Ihre Stimme war gebogen und zitterte und der Belastung der Tränen, doch sie lächelte tapfer. Noch einmal schniefte sie und legte ihren Kopf in den Nacken, während sie versuchte, ihre Tränen wegzublinzeln und die feuchten Spuren mit ihrem freien Handballen trocken zu wischen. „Ich war noch nie gut darin, solche Worte anzunehmen“ , gestand sie ehrlich und nur halb so laut, wie sie gerne gewesen wäre. Aber was machte sie ihrer Mutter schon vor; vermutlich waren sie sich in der Hinsicht ganz ähnlich. Naila holte zitternd nach Luft und wartete, bis sie glaubte, ihre Stimme hatte sich wieder einigermaßen stabilisiert. „Danke, ich… Ich glaube, das habe ich gebraucht.“ Jemand, der sie so unkonditionell liebt, wie eine Mutter nur ihre Tochter lieben kann. Ihre Hand drückte die ihrer Mutter, als sie ihr direkt ins Gesicht sah, mit diesem tränenverschleierten Blick, der das Licht des Mondes spiegelte. „Ich werde dich vermissen“ , lächelte sie, halb traurig, aber mit innerer Kraft. Wäre es nicht für ihre Mutter, hätte sie diese Kraft heute vielleicht nicht mehr aufbringen können.RE: Indescribable feeling - Yasirah ben Sahid - 21-07-2025 Es war ein Abend, wie er nur ein einziges Mal in ihrem ganzen Leben kam. Die Verbundenheit, die sie beide spürten, würde schwinden, würde schwächer werden und im Hintergrund ruhen, bis es eine Möglichkeit gab, sie aufleben zu lassen. Denn morgen schon würde ihre Tochter den Weg in ihr erstes großes Abenteuer antreten und auch, wenn sie sie gerne begleitet hätte, so warteten ihre ganz eigenen Abenteuer doch hier in Matariyya. Aber Yasirah war sich sicher, dass Naila die ganze Welt offen stand. Eine Verlobung mit Orpheus Castellanos war das beste, was ihr passieren konnte. Er sollte ein intelligenter, gutherziger und ruhiger Prinz sein, kein Thronfolger, aber dafür beim Volk beliebter, als sein großer Bruder Leandros. Niemals hätte sie zugelassen, dass Naila diesen Mann heiratete, aber mit Orpheus war sie mehr als zufrieden. Er würde ihrer Tochter hoffentlich das Leben schenken, das ihr hier in ihrer Heimat immer verwehrt blieb. Vielleicht würde sie sich dort durch Bücherregale voller Bücher wühlen dürfen, vielleicht würde sie mit Gelehrten sprechen und ihre Theorien anbringen, an denen sie sicher in so vielen Nächten unter der Bettdecke getüftelt hatte. Naila war zu gut, um hier zu bleiben. Sie war ein Vogel, den man sein Leben eingesperrt hatte und nun bekam sie endlich die Möglichkeit ihre Flügel auszubreiten und zu fliegen. Und auch, wenn das bedeutete, dass Yasirah ihre Tochter vielleicht niemals wieder sehen würde, so freute sie sich doch für Naila. Sanft drückte sie erneut ihre Hand, die sie noch immer hielt. " Du bist in vielen Dingen gut, aber Komplimente konntest du schon als kleines Kind nicht annehmen ", erzählte sie sanft grinsend und streichelte über ihren Handrücken, ehe sie losließ. Es fühlte sich wie das Öffnen der Hand an, in dem besagter Vogel saß, um nun endlich losfliegen zu können. Obwohl so viele Gefühle in ihrem Herzen tobten und um die Vorherrschaft kämpften, überwog das Gefühl der Freude. "Dein Leben wird mit der Ankunft in Castandor erst so richtig beginnen, glaube mir. Du wirst dort neue Freunde finden und mit deinen alten Freunden lachen, Ranya aufwachsen sehen und sie bitte in ihrer Jugend davon abhalten, irgendwelche Dummheiten zu machen - das musst du mir wirklich versprechen, dieses Kind hat manchmal nur Unsinn im Kopf! - und du wirst dort ganz bestimmt die Liebe finden, nach der du hier für immer verzweifelt gesucht hättest. Orpheus ist ein anständiger junger Mann, was man so hört. Dort hast du viel mehr Möglichkeiten, du selbst zu sein ", endete sie mit brüchiger Stimme und strich mit ihrem Daumen die verlorene Träne weg, die ihrer Tochter über die Wange rollte. "Ich werde dich auch vermissen ", flüsterte sie leise und beobachtete erst für ein paar Sekunden ihre Tochter, ehe sie ihren Blick gen Himmel wandte. "Die Sterne sehen in Castandor genauso aus, wie hier in Dharan al-Bhar. Wir müssen also nur des nachts nach oben sehen und fühlen uns dann verbundener, als zuvor ", murmelte sie leise und schloss für einen tiefen Atemzug kurz die Augen.
RE: Indescribable feeling - Naila Castellanos - 03-08-2025 ![]() “Ranya wächst zu einer wunderbaren Prinzessin heran. Sie mag Unsinn im Kopf haben, aber sie ist so viel intelligenter, als man ihr zugestehen möchte. Und sie sieht dir jetzt schon so ähnlich, Mutter.” Ein leichtes Lächeln zupfte an Nailas Mundwinkeln, mit einem Anflug von Stolz. In mancherlei Hinsicht - auch wenn sie das nie vor Yasirah erwähnen würde - fühlte sie sich gegenüber Ranya mit den Pflichten konfrontiert, die eigentlich einer Mutter zustehen sollten. Während Yasirah stundenlang mit den Beratern zusammen saß, hielt Naila sich mit ihren jüngeren Geschwistern in den Gärten auf, immer mit einem offenen Ohr für Beschwerden und Sorgen, stets darum bemüht, sie so wenig wie möglich von dem Druck spüren zu lassen, der auf den älteren Geschwistern ruhte. Es hatte weh getan, als sie hatte zusehen müssen, wie Fayyad ihr langsam entglitten war und sich den Pflichten eines Kronprinzen gewidmet hatte, aber Ranya und Malek… Sie waren jung genug, um den Schutz einer großen Schwester noch zu brauchen, wenn die Mutter abwesend und der Vater nicht ansprechbar war. In den Sternen lag eine seltene, rohe Wahrheit, wenn man nur lange genug hinschaute, und Naila wollte glauben, dass sich zwei Seelen durch sie verbinden ließen. Sie wusste, dass das nicht möglich war, waren Sterne doch physische Materie, zu weit von ihnen entfernt und die Verbindung zwischen Mutter und Tochter war etwas, das sich mit Wissenschaft nicht erklären ließ. Doch Glauben war ein mächtiges Instrument, das sich über Fakten und die Realität hinweg setzte, wenn man ihm nur genug Raum gab, sich zu entfalten. Und vielleicht brauchte sie genau das. Vielleicht brauchte sie mehr Spiritualität, um sich nicht ganz so klein in dem Gefüge aus Macht zu fühlen, nicht ganz so allein und einsam. Als sie die Stille für sich sprechen ließ und ihren Kopf in den Nacken legte, um in die Sterne zu blinzeln, konnte sie nachvollziehen, warum ihr Vater sich in ihnen verlor. In dem Bewusstsein, dass der Himmel mehr Größe bewies, als ein König in seinem eigenen Leben je erreichen konnte, in der Vorstellung, dass Kräfte größer als das Leben über einen hereinbrechen konnten, es machte einem Angst. Aber es gab einer Prinzessin auch Hoffnung, die jetzt etwas brauchte, woran sie sich festhalten konnte. „Und wenn die Sterne nicht reichen, dann werden es die Briefe tun, die ich jede Woche an dich schreiben werde. Du wirst Ranya weiterhin aufwachsen sehen. Durch meine Augen“ , schwor Naila leise, aber mit einer inneren, festen Stimme. Sie musste ihren Blick nicht auf ihre Mutter richten, um zu wissen, dass sie gehört wurde. Mit dem Daumen über eine rosane Blüte streichend holte sie noch einmal Luft und beugte sich schließlich nach vorne. Es war Zeit, die Seerose wieder dem Teich zu übergeben, wo sie hingehörte - nicht in den Schoß von Naila, weil sie sich an etwas hatte klammern müssen. Die Fingerspitzen der Prinzessin berührten die Wasseroberfläche, als die Blume sachte nach unten glitt und schließlich wieder schwamm; zurück zu ihresgleichen, dort, wo sie wieder blühen konnte. Naila richtete sich wieder auf und strich ihren Rock glatt. „… wenn du mir im Gegenzug hin und wieder mitteilen könntest, wie es Fayyad geht, und Malek, und… und Vater, und dir. Wäre ich dir sehr dankbar.“ Tapfer ihr Kinn gereckt, suchte sie keinen Kontakt, keine Berührung mit der Hand, keinen Trost. Doch in ihrer Stimme lag die Verletzlichkeit einer Tochter, die ihre Mutter ein Versprechen abringen wollte, weil sie diese Vergewisserung schlicht brauchte, um in der Fremde zu überleben.RE: Indescribable feeling - Yasirah ben Sahid - 03-09-2025 Ihre Tochter, ihre Älteste, das Kind, das sie zu einer Mutter gemacht hatte, breitete nun ihre Flügel aus und würde in ihr eigenes Leben schreiten. Es war das komischste und zugleich beste Gefühl auf der ganzen Welt. Schon seit ihrer Schwangerschaft, damals, vor so vielen Jahren, war ihr klar gewesen, was es bedeuten würde, Kinder in die Welt zu setzen. Nicht in irgendeine Welt, nicht in irgendeine Familie, sondern in das Königsgeschlecht Matariyyas. Sie würden unter schweren Bedingungen aufwachsen, würden immer mit Argusaugen bewacht werden und würde nie so ganz sie selbst sein können, doch dass sie sie irgendwann würde loslassen müssen, damit hatte sie sich damals nicht beschäftigt. Und auch die ganzen letzten Jahre war das ein Thema gewesen, das sie lieber totgeschwiegen hatte. Yasirah war nicht besonders gut darin über Emotionen zu reden, fühlte sich dann oft so schutzlos und ausgeliefert, sodass sie es in den letzten Jahren tendenziell eher vermieden hat, solche Dinge laut auszusprechen. Doch sie wusste, dass sie es bereuen würde, wenn sie es an diesem Abend nicht täte. Wenn sie ihrer Tochter nicht sagen würde, wie sehr sie sie liebte und vermissen würde. Gleichzeitig war ihr klar geworden, dass Naila diese Worte schon viel eher verdient hätte. Sie viel eher hätte hören müssen. Doch die Mauern des Schutzes in ihrem Geiste waren zu hoch gewesen. " Ich danke dir ", flüsterte sie leise und folgte Nailas Blick in den Himmel. Ihr Kind war so perfekt geworden, obwohl sie so eine unperfekte Mutter gehabt hatte. Abwesend, beschäftigt, emotional distanziert, teilweise ignorant gegenüber anderen Stimmen, die nicht die ihre waren, leidenschaftlich und impulsiv. Und in jederlei Hinsicht war Naila das Gegenteil geworden. "Oh, ich hoffe nicht, dass sie mir so ähnlich ist. Denn dann wirst du auf jeden Fall einiges zu tun haben mit ihr. Ich glaube sie ist die perfekte Mischung aus uns allen. Sie ist lebensfroh und quirlig wie Malek, so intelligent und neugierig wie du, strategisch und bewahrt in jeder Situation einen kühlen Kopf wie dein Vater und den Sturkopf hat sie auf jeden Fall von Fayyad. Was sie genau von mir hat, keine Ahnung. Vielleicht ihr Feuer ", fasste sie lächelnd zusammen und nickte bedächtig. "Ich würde mich freuen immer mal wieder von ihr zu lesen. Aber auch von dir. Erzähle mir, wie es dir dort ergeht und ob alle nett zu dir sind ", murmelte sie leise und beobachtete sie, wie sie die Seerose wieder zurück ins Wasser setzte. Als würde auch sie der Prinzessin alles Gute wünschen, schwamm sie noch einen Moment am Ufer, ehe ein Windstoß sie erfasste und ein wenig mehr in die Seemitte schwimmen ließ. "Ich werde dir auch schreiben, versprochen. Und auf Vater, Malek und Fayyad aufpassen ", versprach sie und strich sich die dunklen Haare aus dem Gesicht. Wie sehr sie dieses Versprechen noch bereuen würde, konnte Yasirah ben Sahid jetzt noch nicht erahnen. "Es ist schon spät ", murmelte sie leise. Auch, wenn es schwer war sich zu lösen, dieses Gespräch zu beenden, wo es doch für sehr lange Zeit ihr letztes sein würde, so war ihnen beiden bewusst, dass der Tag morgen schon sehr früh beginnen würde. "Wir müssen morgen früh raus. Und es wird ein aufregender Tag ", erklärte sie leise, wohlwissend, dass Naila beides mehr als klar war. "Lass uns in die Gemächer gehen und noch eine gute Portion Schlaf abgreifen. Die werden wir beide morgen gut gebrauchen können", sagte sie leise und wartete darauf, dass sich Naila in Bewegung setzte. Wenn sie sich jetzt nicht von ihrer Tochter löste, würde sie es vielleicht die ganze Nacht nicht tun. "Ich liebe dich ", flüsterte sie und zog die Prinzessin ein letztes Mal in eine feste Umarmung.
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