Dieses Forum nutzt Cookies
Dieses Forum verwendet Cookies, um deine Login-Informationen zu speichern, wenn du registriert bist, und deinen letzten Besuch, wenn du es nicht bist. Cookies sind kleine Textdokumente, die auf deinem Computer gespeichert sind; Die von diesem Forum gesetzten Cookies düfen nur auf dieser Website verwendet werden und stellen kein Sicherheitsrisiko dar. Cookies auf diesem Forum speichern auch die spezifischen Themen, die du gelesen hast und wann du zum letzten Mal gelesen hast. Bitte bestätige, ob du diese Cookies akzeptierst oder ablehnst.

Ein Cookie wird in deinem Browser unabhängig von der Wahl gespeichert, um zu verhindern, dass dir diese Frage erneut gestellt wird. Du kannst deine Cookie-Einstellungen jederzeit über den Link in der Fußzeile ändern.


windmills of your mind
21.08.1016 - 17:00
Straße in Richtung King's Portal
Belisarius Caderitor Elithea Trakas

Unregistered
Belisarius Caderitor
Alter
Beruf
Wohnort
Stand
User
#1
[...] (Ursprung)

Es verging einige Zeit.

Der Ochsenkarren schob sich behutsam über das Pflaster, was in diesen Breiten üblich war. Fast alle Hauptstraßen in Castandor waren mit schwerem Stein gepflastert und gaben damit guten Halt für eine lange Reise. Dennoch holperte der Wagen, dessen Räder uneben waren, erheblich. Doch noch erheblicher war der Gestank des Dungs und des Unrats, welcher auf zwei kleinen Haufen zusammengeschaufelt war. Es steckte sogar noch eine große und runde Schaufel in einem der unschönen Hügel. Belisarius saß als Lenker vorne, neben ihm Elithea und Prinz Endymion saß rechts von ihr. Sie hatten wenig Platz auf der schmalen Bank, die bereits selbst ein wenig in Unrat ragte. Belisarius hasste diese Aufgabe und so sehr er sich auch konzentrieren wollte, es gelang einfach nicht. Kein Parfüm der Welt konnte hier helfen. Doch einen wesentlichen Vorteil hatte dieser Unrat und Dung: niemand hielt sie wirklich auf und alle schickten sie fort, so dass sie gut und unbehindert Strecke machen konnten. Sein Schwert war in einem einfachen Leinenbeutel verborgen, mitsamt seinem Kriegsgürtel, welcher direkt hinter ihm auf der Ablage lag; leider berührte dieser auch den stinkigen Haufen an Mist. Belisarius grummelte kurz, als der eine Ochse langsamer zu werden schien aber dies war nur Einbildung. Seine einfache militärische Kleidung fügte sich passend in das Bild der beiden anderen auf dem Wagen ein, da ihm Rüstung und Rangzeichen schlicht fehlten. Auch hatte er sich selbst, ein wenig Mist auf die Hose und die Leinentunika geschmiert, so dass die Erscheinungen sehr angeglichen waren.

"Bald haben wir die Taverne erreicht," meinte er nüchtern und spuckte dann zwei mal auf die Wagenseite, da der Gestank inzwischen auch seinen eigenen Geschmack entwickelt hatte. Bei allen verdammten Göttern, so war diese Reise doch grausam auch zu ihm. Seine tiefe Abneigung gegen Gestank zeigte ihre Wirkung, dass er sich ständig, die Nase schnäuzte und immer wieder vor Ekel ein durchdringendes Räuspern von sich gab. Doch die Mission war wichtiger. Belisarius konnte sich zusammenreißen, hoffte das Elithea dies auch konnte und vorallem Endymion nicht ausrasten würde. Immerhin waren sie fast da und man konnte sich dort wieder zivilisieren. Dort würde es ein Bad geben, gutes Essen und man würde die Reise in einem Reisewagen gemeinsam fortsetzen, sofern der andere Teil der Familie eintreffen würde. Der Reisewagen würde von seinen Männern bereitgestellt werden und eine entsprechende Gardebegleitung erhalten, sofern alles soweit gut ging. Belisarius rechnete aber nicht mit Fehlern oder Verfehlungen, da er glaubte, dass der Arm von Walleydor noch nicht so weit reichte und sie alles dafür getan hatten, mögliche Verfolger zu verwirren und abzuschütteln.
Neues Inplayzitat
Inplayzitat hinzufügen
Zitat
Folgendes Zitat wird als denkwürdiger Inplay-Moment eingetragen.
 
Unregistered
Elithea Trakas
Alter
Beruf
Wohnort
Stand
User
#2
Unablässig und mit einer geradezu stoischen Gleichmäßigkeit rumpelte der Wagen jetzt schon seit Stunden über die Straßen, die Castandor wie ein fein verwobenes Spinnennetz durchzogen. Den Ochsen war ihre Last und Ladung wohl ziemlich gleichgültig. Ob Gold oder Mist, Adel oder Gauner. Sie zogen mit einer trägen Teilnahmslosigkeit, setzten einen Huf vor den anderen, so stur und unnachgiebig wie ein Bachlauf, der sich ohne Wenn und Aber durch die Landschaft schlängelte. Kaum einen Laut gaben sie von sich und die Stille, die sich über die Natur ausbreitete, sobald sie durch die Stadtmauern gefahren waren, erfasste auch die drei Gestalten auf dem Kutschbock. Die geschäftigen Gassen mit all dem Leben, den Leuten und Lauten hatten sie nun hinter sich gelassen und damit hoffentlich auch die drohendsten Gefahren, die sich gern in der Anonymität der Masse versteckten.

Die Ruhe, die sie umgab, wurde auch nicht durch ein der drei Menschen auf dem Karren unterbrochen, die so unterschiedlich waren, dass es an ein Wunder grenzte, dass dies niemandem bisher aufgefallen war. Wollten sie doch eine Familie, oder zumindest sich Kennende abgeben, hatten aber voneinander kaum eine Ahnung. Links an den Zügeln saß ein Mann, dessen scharfer Blick wohl kaum zu der ernüchternden Tätigkeit eines Mistsammlers passte, ebenso wenig seine Miene, die nur schwer verbergen konnte, dass ihm der Gestank von Dung und Abortabfall widerlich anmutete. Ganz rechts ein junger Knabe mit viel zu edlen Gesichtszügen, die sich jedoch mit jeder Meile, die sie sich von Bardon Pass entfernten, immer mehr verdunkelte. Krampfhaft hielt er sich am Karren fest und nur Elithea konnte wohl erkennen, dass die Gedanken ihres Burders immer düsterer und rachlüsterner wurden. Die Schmach dieser neuerlichen Flucht, die doch eigentlich durch Freundesland führen sollte, kratzte sein Ego mit gar scharfen Krallen und irgendein unbeteiligter, unschuldiger Diener musste wohl irgendwann als Ventil der angestauten Frustration herhalten, das war kaum zu vermeiden.

Und das junge Mädchen in der Mitte, nun, die war selbst in ihrer eigenen Gedankenwelt gefangen. Die Verwandlung von der Fürstentochter zur Dienerin war schon ein tiefschürfender Schritt für sie gewesen, doch dass dem noch der Abstieg zur Scheißeschinderin folgen sollte, das war selbst ihr ein wenig zu abrupt gegangen. In ihren Ohren hallte noch Larissas Aufbegehren in langen Lamentationen. Und so sehr sie es mittlerweile auch leid war, dass Larissa dauernd nur an Wehklage und Selbstmitleid dachte, so sehr neidete sie ihrer Schwester den Mut, ihren Unmut offen und frei heraus kund zu tun, während Elithea selbst all die Bedenken und Nöte lieber in ihrem Herzen verbarg. Sie wollte sicherlich nicht mit ihrer Mutter oder einem der bedauerlichen Soldaten tauschen, die nun den ganzen Weg darauf achten mussten, dass die Schwester mit ihrer Laune nicht alles verdarb. Das hatte ihr schon bei der Flucht aus Eastergold Meadow schwer auf der Seele gelegen.

Zumindest musste sie diesmal nicht zu Fuß gehen. Die ungewohnt starren Schuhe schmerzten schon allein jetzt, wo sie doch die meiste Zeit nur saß. Die wenigen Male der kurzen Verschnaufpause für Mensch und Tier, konnten sich alle drei ein bisschen die Beine vertreten und Abstand gewinnen von dem güllestinkenden Karren. Nur ihrer Sorge konnte Elithea nicht entkommen. Seit der Einnahme ihres Heimatortes war dies nun das erste Mal, dass die Familie getrennt war. Ein ungutes Gefühl, als würde man an einem Stoff zu sehr in verschiedene Richtungen zerren, erfasste ihr Gemüt. Bisher lag es vorwiegend in ihrer Hand sich um den Zusammenhalt und die Moral der Familie zu kümmern, sie aufrecht zu halten. Sie konnte wohl kaum die Worte des Fürsten Athanas vergessen, der sie doch so dringlich darum gebeten hatte, eine sichere Stütze für ihre Familie zu sein. Und noch vor wenigen Stunden war sie die einzige, der man zutraute mit dem Condottiere des Großkönigs zu sprechen, der nun neben ihr saß. Nun konnte sie nur hoffen. Hoffen und beten, dass sich alle unbeschadet wieder sehen würden.

"Achtet daraus, was ihr zurück lasst, denn es wiegt oft schwerer, als das, was man mitnimmt" Immer wieder kreisten die Worte des Caderitor durch ihre Gedanken.. Wie nah sie sich wieder gewesen waren, als er ihr diese zugeflüstert hatte. Selbst jetzt, trotz des erbärmlich stinkenden Mists im Karren, war da irgendwo noch der Hauch seines eigenen Geruchs, den sie nicht aus der Nase bekam. Kein Wunder, der Kutschbock war recht eng für drei Leute und so war es kaum zu vermeiden, dass sich ihre Oberschenkel berührten, wenn der Karren wieder einmal über die Steine holperte. Bei einem besonders tückischen Schlagloch wäre sie sogar fast vom Sitz gerutscht, hätte sie sich nicht geistesgegenwärtig an den Arm des Kriegsherrn geklammert. Doch selbst nach Stunden war sie sich noch immer nicht ganz sicher, was er ihr damit sagen wollte. Hatte sie denn eine Wahl, was sie zurück lassen musste und was sie mitnehmen durfte? Er selbst hatte den Befehl gegeben ihr Sein zu verändern und ihre Adelsabstammung in den Gemäuern der Burg von Bardon Pass abzulegen. Es war auch sicher nicht ihre Wahl gewesen den Vater oder ihre Freunde zurück zu lassen. Und alles, was sie nun mitnehmen konnte, war ihr geschenkt oder gegeben. Auch darauf hatte sie keinen Einfluss.

Nur er. Er war ihre Wahl. Ihn, den teuflischen Höllenkrieger, ihn wollte sie 'mitnehmen'. Ihn und all die Erfahrung, die er ihr bieten konnte. Alles, was ihr nützlich sein könnte, um ihren neuen Lebensweg meistern zu können. Egal was kommen mag, solange er in ihrer Nähe war, der unmittelbaren oder ferneren, im Geiste oder in Anwesenheit, solange sie auf seine Hilfe hoffen durfte, nährte sich die Gewissheit, dass alles Gut werden würde. Irgendwie.

Die gleissende Mittagshitze eines strahlenden Sommertages tat ihr übriges, dass der Mief aus dem Karren noch drückender und penetranter wurde. Elithea kostete es alle Mühe nicht zu recken oder sich gar zu erbrechen. Wenn sie flacher atmete, war es besser, aber das führte bald zu einem leichten Schwindel, der die Reise auch nicht besser machte. Irgendwann forderte die Anspannung des Tages ihren Tribut. Niedergewzungen durch die unerträgliche Sonne, die ihr die feine Haut der Wangen und Nase rötete, überfiel sie eine lähmende Müdigkeit, genährt von der Angst um die andere Hälfte der Familie und die eigene Sicherheit. Sackte ihr der Kopf erst unangenehm nach vorn, fand er bald Rast an der Schulter des Kampfmeisters. Wie lang sie geschlafen hatte, keine Ahnung, vielleicht ein paar Minuten, sicherlich keine Stunde, denn der unsanfte Radstoß über eine erhobene Steinkante, weckte sie rasch wieder aus dem notwendigen Schlummer. "Reiß dich zusammen, Thea" zischte ihr Bruder mit einem fast schon boshaften Beiton "Du bist immer noch eine Prinzessin und keine Soldatenhure" begleitete ihr Bruder die tadelnde Aussage mit einem verächtlichen Blick zu dem Condottiere. Folgsam nahm Elithea wieder eine Haltung an, die auf dem engen Kutschbock zumindest wenige Finger Abstand zwischen sie und Belisarius brachte.
Die aufkeimende Intention ihren Bruder einfach vom Karren zu schubsen und sich ganz demonstrativ an den Caderitor zu schmiegen, unterdrückte sie lieber.

Sie hatte Durst, aber die spärliche Wasserration musste noch bis zum Abend reichen. Zum Glück nahm alsbald die sengende Hitze ab und eine leichte Brise zog auf, was zumindest eine gewisse Erleichterung brachte. "Endlich, dieser Zustand ist ja kaum zu ertragen." rümpfte Endymion die Nase. Er würde wohl der Erste sein, der, sobald angekommen, die Annehmlichkeiten der Taverne in Anspruch nehmen und auf sein Vorrecht als rechtmäßiger Fürst von Eastergold Meadow und Herr der Familie pochen würde. Es dauerte noch, aber irgendwann erschien am Horizont ein stattliches Gebäude mit rauchendem Kamin und erhellten Fenstern und selbst Elithea begann unruhig auf der Holzbank hin und her zu rutschen. Schon seit geraumer Zeit war sie kaum noch im Stande auf der ungepolsterten harten Fläche zu sitzen. Sie sehnte sich danach, sich ein wenig die Beine zu vertreten und ihre Familie endlich wieder vereint zu wissen. Wenn sie die Augen fest zusammen kniff, meinte sie sogar schon den Karren zu erkennen, auf dem ihr Gepäck verladen wurde. Vorfreude machte sich in ihrem Herzen breit, fachte die kleine Flamme der Hoffnung an, sodass sie gar nicht richtig bemerkte, dass sie in ihrer Aufregung ganz ungeachtet der Etikette, ihre Hand an den Oberschenkel des Kutschers gelegt hatte. "Ich hoffe Mama und Larissa sind auch schon da!" gab sie ihrer Sorge nun auch gehauchte Freiheit.
Neues Inplayzitat
Inplayzitat hinzufügen
Zitat
Folgendes Zitat wird als denkwürdiger Inplay-Moment eingetragen.
 
Unregistered
Belisarius Caderitor
Alter
Beruf
Wohnort
Stand
User
#3
Feld schloss sich an Feld, während sich der kleine Wagen weiter bewegte. Immer wieder ließ Belisarius seinen Blick schweifen, um ein wenig Ablenkung für seine gelangweilten Augen zu finden. Die Geschwindigkeit, welche mehr als langsam war, sondern auch der monotone Weg, welcher stets geradeaus führte, taten ihr Übriges. Es gab zu wenig, um den Verstand zu beschäftigen, so dass dieser sich selbst eine Beschäftigung suchte. Nicht nur Sorgen, waren begleitende Gedanken, sondern auch gewisse Nöte, die Belisarius sehr gemein waren. Er fühlte sich verfolgt von den Umständen, von Walleydors Schergen und möglichen Gefahren, die so manche Zukunft bringen konnte. Die langsame Fortbewegung machte dieses Gefühl nicht kleiner. Er konnte zwar verbergen, was er wirklich dachte, was er fühlte aber konnte nicht sein Wesen ändern, dass sehr unter dieser Monotonie litt. Zeit war ein kostbares Gut für ihn und diese Entschleunigung tat ihm wahrlich nicht gut. Immer wieder grummelte er leicht, während seine Augen zu einem Baum huschten, der sich einsam in die Landschaft gesellt hatte und zwischen den Feldern überaus verloren fühlen musste. Belisarius betrachtete diesen doch sehr lebendigen Baum mit einer verfolgenden Kopfbewegung, als man an diesem vorbei fuhr.

Ein sehr schöner Baum, der mit seinem Blattwerk sogar etwas Schatten warf. Seine Hände lagen ruhig auf seinen Oberschenkeln, da die Zügel des Ochsens keinerlei Anspannung benötigten und dieses ebenso langweilige Tier einfach seinen Weg entlang trottete, nicht mal wirklich erspürend, was es an Gewicht zog. Es schien ihm einerlei, was er zog, solange er sich einfach bewegen konnte. Ohne einen wirklichen Anreiz würde er wohl sogar stehen bleiben, so dass Belisarius gelegentlich mit einem Ruck am Zügel aufzeigte, dass es noch weitergehen musste. Hierbei brummte auch der Ochse, indem er Luft durch seine Atemöffnungen stieß. Danach kehrte wieder eine beinahe Stille ein, da nur das Rumpeln, die Geräusche der Umgebung und jener Wind blieben. Man konnte es als eine ruhige Situation beschreiben und Ruhe lag Belisarius ebenso wenig, wie Stille. Stille war mit etwas zu füllen, sie verlangte sogar danach, und so war Belisarius in der Stille und ihrer Schwester der Ruhe, besonders einsam. Auch hier würde er sich einsam fühlen, doch er war in einer Begleitung, die unerwartet in sein Leben getreten war aber ebenso zufällig ein Glücksfund war. Elithea saß neben ihm, strahlte in ihrer Ruhe, in ihrer wortlosen Teilnahme, ihrer sensiblen Präsenz, jene Macht aus, die seine Einsamkeit vertreiben konnte. Belisarius hatte eine Aufgabe, die durch sein Mitgefühl für die Prinzessin genährt wurde. Weniger durch die Hingabe zu seinen Pflichten. Endymion erwies sich als schlechtere Reisebegleitung, so dass er dennoch pflichtgemäß, immer wieder einen schnelle Blick auf den Erben des Hauses Trakas richtete, damit dieser in bester Gesundheit ankommen würde. Belisarius nahm seine Aufgaben durchaus ernst aber sobald er ein persönliches Interesse an etwas gefunden hatte, hatte dies gelegentlich Vorrang. Doch auch hier wägte er sehr wohl ab, welchen Preis er zahlen konnte. Er war nicht dumm, sein Vertrauen durch diverse Brüche, ebenfalls brüchig und so war sein Mitgefühl für Elithea ausreichend aber noch nicht genug für eine weitreichende Hingabe für ihre Sache. Doch hatte sie bereits mehr Achtung bei ihm gefunden, als viele andere Menschen. Er würde also durchaus aufrichtig sein, soweit er dies eben konnte.

Gelegentlich hatten sie angehalten, eine sehr kurze Pause eingelegt. Doch für Belisarius waren dies keine echten Pausen, da er in dieser Situation besonders wachsam sein musste. Stillstand, wirklicher Stillstand, bedeutete immer akute Gefahren und so versicherte er sich durch eine gewisse Distanzlosigkeit der Anwesenheit der Prinzessin und des Prinzen, indem er ihnen fast auf den Schritt folgte und wenig Raum zwischen ihnen ließ. Während dieser Pausen trank er jedoch aus einem Weinschlauch stark verdünnten Würzwein, um zumindest einen anderen Geschmack zu finden, der nicht dem Gestank gleich war. Zwar konnte der Würzwein wenig abändern, was sie erlebten und erriechen mussten aber er konnte Erinnerungen an etwas Schönes wecken, an einen schönen Geschmack. Gelegentlich bot er den beiden den Schlauch an, so dass beide freigiebig entscheiden konnten, was sie tranken. Neben Wasser, in einem anderen Schlauch, war dies wohl die einzige Quelle gegen den Durst, die sie mit sich führten. Immer wenn sie die Fahrt, jedoch ohne nennenswerte Geschwindigkeitssteigerung, wieder aufnahmen, blickte er sich hektisch um, um mögliche Verfolgen auszumachen. Seine Augen war gut genug dafür aber sie waren soweit allein mit sich. Also nahmen wieder die Gedanken Raum zwischen den Feld an Feld gereihten Ackerflächen ein. Wieder ein Brummen, dieses mal von Belisarius, der sich fast akustisch selbst in einen Ochsen verwandelte, während er die Zügel hielt. Vielleicht unterhielten sich der Ochse und der Kriegsherr ja irgendwie und es gab eine merkwürdige Akzeptanz zwischen beiden, da das Tier seltsam munter agierte und seine ihm übertragene Zugpflicht genügsam ausführte. Andere Ochsen waren nach der Strecke sicherlich störrischer und verlangten mehr Aufmerksamkeit. Doch dieses Tier erledigte einfach seine Pflicht, solange Belisarius im gleichen Ton zusammen mit ihm brummte und schnaufte. Es war eine Ironie, dass beide gleichsam pflichtgebundene Seelen waren, die zwar auf unterschiedlichen Lebenswegen zogen aber doch nicht frei waren, sondern stets ausführen mussten, was ihnen geboten wurde. Belisarius ahnte nicht, dass er mit einem Ochsen eine seelische Verbundenheit gefunden hatte und widmete sich seinen eigenen gedanklichen Windmühlen, die sich unentwegt drehten, fast so, als ob er diese in diese Ackerlandschaft stellen wollte. Zumindest hätten sie gut gepasst, so mechanisch gut sie arbeiten konnten. Es wären die besten Windmühlen auf dem ganzen Kontinent, so eifrig und rücksichtslos drehten sie sich und eine kümmerliche Seele, wie die des Kriegsteufels, kämpfte dagegen. Elithea tat es ihm gleich, dachte an seine Worte, dachte schlicht nach und konnte er noch von ihren eigenen Windmühlen lassen, die sie selbst und eigenständig bekämpfen musste. Die Prinzessin war Belisarius nicht mehr unähnlich aber noch lange nicht ähnlich. Doch ihre Gesichtszüge begannen sich in den besorgten Gedanken anzugleichen, immer weiter, mit jedem Windzug, der am Wagen vorbei streifte. Es schien fast so, als ob der Wind, ein Band um sie flechten wollte, damit sie sich nicht verloren.

Der junge Prinz, entfernt davon, schien nun noch etwas verlorener, da keiner eine nennenswerte Konversation mit ihm pflegte. Belisarius und Elithea hatten ihre eigene Welt gefunden, die nun von Gedanken und Sorgen durchzogen wurde und nicht von der Rachsucht und Kampfeslust, die Endymion in seiner Welt verspürte. Eine Trennung durchzog den Wagen, so dass fast, wie von göttlicher Hand, durch jenes Rumpeln, Ruckeln und die Wagenbewegung, die Prinzessin immer näher an den Kriegsherren rutschte. Dieser hegte keinen Widerstand dagegen, da er dies nur abtat, nicht weiter beachtete und sich weiter seinen inneren Windmühlen widmete, die sich als Ideen und Gedanken ausdrücken konnte. Er musste Pläne schmieden, Fakten und Informationen vergleichen, um ein bestmögliches Schicksal für sich und hoffentlich Elithea zu erzwingen. Endymion war nur noch eine Nebensache, eine bezahlte Pflicht, deren Nutzen vielleicht messbar war aber von großem Interesse. Belisarius konnte nicht wissen, dass Elithea insgeheim eine Wahl getroffen hatte. Eine feste Absicht vor sich selbst bekundet hatte, von Belisarius zu lernen, ihm zu folgen und bei ihm Schutz zu suchen. Niemand suchte sonst Vertrauen bei ihm, sondern man mied den finsteren Condottiere viel mehr, bat zwar um seine Dienste, suchte aber keinerlei echtes Vertrauen, welches einen echten Schutz bieten konnte. Doch der Wind wusste es. Der Wind lauschte nur zu gut und konnte die Seele und die Gedanken von Elithea wahrnehmen, so dass er um Belisarius und die Prinzessin huschte, immer wieder, das Band enger bindend, was beide zusammengeführt hatte. Scheinbar beschleunigte die Mittagshitze noch die Wirkmacht des Windes, so dass Elithea ihm noch näher kam, doch Belisarius war so sehr mit seinen Gedanken befasst, dass nur eine übermenschliche Hand hinabfiel, um ihre Hand zu suchen. Etwas, ohne Bewusstsein, doch in ihm, fest verwurzelt mit seinem einstigen Herzen, welches noch schlug, trieb die Hand vor sich her, um einen Halt bei ihr zu suchen: Bei Elithea. Seine Finger suchten ihre Finger, wollten spüren, ihr versichern, dass sie nicht allein war. Die Prinzessin hatte ihren Schutz weise gewählt und Belisarius - all sein Wesen - war hier, um Elithea sicher zu geleiten. Die Hand versicherte dies in geheimnisvoller Bewegung, fast unsichtbar, verborgen durch die Sitzpositionen und Haltung der beiden.

Belisarius bemerkte, dass sie flacher atmete, ahnte, das dies bald zu einem leichten Schwindel führen konnte, so denn er nun bewusst nach ihrer Hand griff, um ihr wirkliche Sicherheit zu vermitteln. Sie hatte Halt, sie hatte Unterstützung, egal, was geschehen würde. Der Moloch des Krieges wollte ihr die Reise angenehmer machen, wenn er sie schon nicht besser machen konnte. So beobachtete er, nachdem er sich ihrer Lebenszeichen mit geübten Augen versichert hatte, ihre errötete Haut bemerkt hatte, dass Elithea eine lähmende Müdigkeit überfiel. Ihr Kopf fiel für ihn sichtbar nach vorn, so dass er mit einer dezenten Bewegung seiner eigenen Schulter dafür sorgte, dass sie darauf ruhen konnte. Dies ließ er geschehen, schmunzelte dabei fürsorglich und blickte dann wieder auf die Straße. Die Prinzessin sollte ihre Ruhe haben, schlafen dürfen, nach all dem, was geschehen war und vielleicht noch geschehen würde. Die Zeit verging langsam, sehr langsam aber es war keine Stunde aber viele Minuten der monotonen Bewegung des Wagens, als ein unsanfter Radstoß die Prinzessin weckte und Belisarius zu ihr blickte, während ihr Bruder böse tadelte. Belisarius musste reagieren, da er es nicht leiden konnte, dass ihr eigener Bruder sie mittelbar als Hure bezeichnet hatte. "Junger Prinz," tadelte er nun zurück, verteidigte ihre Ehre, fast, wie ein Ritter, obwohl er nichts Ritterliches geltend machen konnte. "Gönnt eurer Schwester etwas Ruhe und ... Ihr nehmt dieses Wort nicht gegen euer eigenes Blut in den Mund. Das ist ehrlos," sagte er und ließ in seinem Blick keinen Zweifel daran, dass Endymion verbal so versagt hatte, wie dieser Wagen stank. Kurz verweilte der durchbohrende Tadel auf dem Prinzen, bis Belisarius wieder zu Elithea blickte und ihr seine Hand sanft auf die Schulter legte, um ihr zu zeigen, dass alles gut war. Doch sie hatte schon wieder Haltung angenommen. Sie hatte wieder ein wenig Abstand zwischen sich und Belisarius gebracht. Belisarius seufzte, nahm die Hand zurück und legte sie wieder auf seinem Oberschenkel ab. Der Wind schien erbost über diesen Bruch, den Endymion provoziert hatte und rauschte lautstark um den Wagen, mehrmals, bis er sich auch entschloss, wieder seine gewohnte flache Stärke zu finden. Belisarius war sichtbar überrascht über die Windstöße, da sie so unerwartet kamen, so denn er sich umblickte aber nichts sehen konnte. Die weitere Aussage des verwöhnten Prinzen ignorierte er, da er seinen Ausruf über die baldige Ankunft viel mehr zur Prinzessin gerichtet hatte, die als Frau sicherlich größeren Bedarf an Bequemlichkeit und Hygiene hatte. Endymion verstand das noch nicht und das machte es vielleicht sogar noch lästiger. Natürlich sehnte er sich selbst nach einem Bad und frischer Kleidung aber er konnte dieses Bedürfnis noch zurückstellen und musste es somit auch nicht zur Belastung aller kundtun.

Die Magie des Augenblicks, getragen vom Zauber des Windes, zwang die höfliche Trennung in die Knie, so dass die Prinzessin Trakas in ihrer Aufregung ganz unbemerkt von beiden, ihre Hand an den Oberschenkel des Kriegsherren gelegt hatte. Dies fiel ihm erst auf, als der Satz von Elithea bereits gesprochen war und sie ihre Hoffnungen ausgedrückt hatte, die bis dato nur viele Gedanken gewesen waren. Wieder schmunzelte Belisarius, der nun die Hand der Prinzessin an seinem Oberschenkel vollständig bemerkte. Vorsichtig, sehr behutsam, fast schon zu liebevoll, hob er diese Hand an und legte sie in die höfliche und höfische Pose auf ihren Schoß zurück, damit sie nicht erneut in die Ungnade des Bruders fiel. Doch ein klein wenig Fürsorge gab er der Geste noch hinzu, indem er ihre Hand mit Mitgefühl liebevoll drückte und ihr dabei fast schon zu vertrauensvoll in die Augen blicken wollte. Elithea war ein guter Mensch und Belisarius wollte sie beschützen, weil er es eben nicht war. Das hatte sie geweckt, gefunden und mit ihrem eigenen Zauber verwoben. Seine dämonisch-klugen Augen, wissend über diesen Moment, suchten kurz ihren Blick, als sich die Gelegenheit gab. Doch dann galt es wieder, der Weg lag vor ihnen. Belisarius räusperte sich, verlor das Schmunzeln wieder und nahm seinen Ernst wieder auf. "In etwa einer Stunde sind wir da," meinte er abschätzend und machte dabei eine rotierende Geste mit seiner Linken. Ob ihre restliche Familie eintreffen würde oder eingetroffen war, konnte er noch nicht sagen und wollte diese Hoffnungen auch nicht mit einschränkenden Gedanken vergiften, die ihm ganz selbstverständlich kamen; also schwieg er und nickte kaum merklich erzwungen.

Belisarius glaubte daran, dass jetzt der Moment für ein Gespräch gekommen war. Nochmalig räusperte er sich gegen den Gestank in seinem Hals wehrend. "Was glaubt ihr, Prinzessin, in King's Portal vorzufinden, sobald wir dort ankommen?" - fragte er sie direkt und schloss Endymion vorerst aus, da dieser verzogene Adelssohn mit der Hurenbemerkung seinen ersten Kredit verspielt hatte.
Neues Inplayzitat
Inplayzitat hinzufügen
Zitat
Folgendes Zitat wird als denkwürdiger Inplay-Moment eingetragen.
 
Unregistered
Elithea Trakas
Alter
Beruf
Wohnort
Stand
User
#4
Eine Stunde. Was bedeutete schon eine Zeitangabe, wenn man keinerlei Möglichkeit hatte sie zu messen, außer den Schatten der Sonne, die immer noch drohend und dröhnend am Himmel stand? Zumindest war die Zeitspanne allmählich absehbar, wobei gerade durch das Wissen, dass die Reise bald ein Ende finden würde, das letzte Stückchen unendlich lang und das Ziel ewig weit weg wirkte. Als würde ihnen die ersehnte Zuflucht trügerisch nah am Horizont erscheinen und doch keinen Meter näher rücken, egal wie viele Meilen der Ochsenkarren zurücklegte. Eine Stunde, dann würde die Familie endlich vereint sein. Eine Stunde, dann könnte sie endlich von diesem furchtbaren Gestank fort, den vermutlich nicht einmal hunderte Bäder entfernen könnte. Eine Stunde, dann würde sie sich endlich ein wenig die Beine vertreten und ihre Glieder strecken, die schon ganz taub waren von der ewig gleichen Haltung. Eine Stunde noch, dann wäre dieser verrückte Tag endlich zu Ende. Eine Stunde noch an seiner Seite, ach, wenn sie doch nie enden würde, diese eine Stunde.

“Ich glaube nicht, dass ich eine Belehrung über Ehre benötige.“ rümpfte der Bruder in all seiner Adelsignoranz die Nase. Er war nunmal der Prinz und Belisar ‚nur’ ein Kiregsherr, ein Nutznießer der Auseinandersetzungen zwischen Walleydor und Castandor. “Am wenigsten von euch“ hörte man ihn noch leise murmelnd, ehe er wieder den Blick stur nach vorne richtete und seine Miene jene ernste Verbissenheit annahm, die sie seit der Flucht aus Eastergold Meadow kaum ablegte. Frauen waren schwache Wesen, in den Augen des jungen Prinzen, notwendig und liebenswürdig, aber nicht dazu geschaffen sich in Politik oder Kriegstreiberei zu erwägen und schon gar nicht fähig als Werkzeug der Rache die Familie wieder zur einstigen Größe zu führen. Diese Aufgabe brauchte die Fähigkeiten eines Mannes, und sei es auch eines jungen. Er war dazu auserkoren und er würde nicht versagen, und wenn er dafür seine Schwester zurechtweisen müsste, dann würde er das tun, wie es auch sein Recht war als nominelles Oberhaupt der Fürstenfamilie Trakas.

Zum Glück verwehte der Wind in seiner weisen Voraussicht die letzten Worte des Prinzen, trug seine wohl aus der eigenen Frustration geborene herrische Rede mit sich fort und wirbelte sie in die Höhe davon. Wie immer lag es an der jungen Trakas als Mittlerin zu fungieren und allein durch ihre sanfte Art die Wogen des Missmuts, der sich auf dem Wagen ausbreitete wie der übelerregende Gestank des Mists hinter ihnen, zu glätten. Sie waren eindeutig schon zu lange auf engstem Raum zusammen geworfen ohne eine Möglichkeit sich zu entfernen, nicht körperlich und auch kaum geistig, denn so wie der Wind den düsteren Kutscher und die zarte Prinzessin zueinander brachte, so verwob sie alle drei doch noch viel enger die wabernde Fäulnis von Fäkalien und Dung, der Elithea wie ätzende Säure in die Nase kroch und sich in jede Pore ihres Körpers bohren wollte. Gepaart mit dem Schweiß des heißen Sommertages, der kratzend und juckend auf ihren Gliedern lag, fühlte sie sich so schmutzig und widerlich, wie es wohl für eine Abortendienerin passend war.

Ein Gefühl, das einem Bescheidenheit und Demut lehrte. Dass es in dieser hässlichen, zynischen Welt nicht nur Sommerblumen und Mandelkonfekt gab, dass die meisten Bewohner dieser hässlichen, zynischen Welt sich nicht mit Liederstunden und Ballspielen den Tag ergötzen konnten, dass diese hässliche, zynische Welt auch den Höchsten alsbald zu Fall bringen konnte. Und dass es kein Fehler sein würde, etwas anderes als Talent auflisten zu können, als Tee zubreiten, Harfe spielen und Gedichte rezitieren. Eine handfeste Fähigkeit, die nützlich und hilfreich wäre, wenn denn das Leben wieder einen Stolperstein in ihren Weg legen würde, das brauchte sie, etwas, mit dem sie sich und die ihr Nahestehenden versorgen könnte, auch wenn einmal kein Adelstitel für allerlei Annehmlichkeiten sorgen würde.

Elithea dröhnte der Kopf. Unangenehm pochte er wie ein Schmied auf die Esse schlug, um das Eisen zu schmieden. Nicht nur die Wangen waren errötet, sondern auch Stirn, Nase und Kinn. Kein Wunder, woher sollte sie es auch gewohnt sein so lange unter der glutheißen Sonne auszuharren? Ihre Tage fanden bisher vorwiegend im Schatten statt, eine noble Blässe war ja schließlich besonders erstrebenswert in ihren Adelskreisen. Und wenn man einmal im Garten spazierte oder einen Nachmittag mit Spielen im Freien verbrachte, dann nur unter den Schatten großer Bäume oder unter Pavillons und Schirmen. Ganz im Gegensatz sicherlich zum Condottiere, der wohl des Öfteren seine Zeit unter des Tagesgestirn zubrachte und auch dem Bruder war die Hitze geläufiger durch die Teilnahme an Jagden und Exerzierübungen. Doch die junge Prinzessin ließ sich nichts anmerken. Eine Stunde noch, dann wäre alles vorüber. Eine mickrige Stunde. Kleine Schweißperlchen bahnten sich den weg in ihrem Nacken und über die heiße Stirn, doch sie zwang sich auf den Weg zu konzentrieren. Eine Stunde noch. Zählte sie die Zeit anhand ihrer dröhnenden Pulsschläge, die in ihren Ohren widerhallten. Leichtigkeit erfasste sie, wollte sie mit dem Wind mitnehmen, davontragen, sie entschwinden lassen in fantastische Sphären, wäre da nicht seine Hand, die die Lage der ihren anständig korrigierte.

Ein Blick zu ihm, schüchtern, gar ein wenig verlegen, begleitet von einem scheu flüchtigen Lächeln, das ein wenig schal und abwesend um die Mundwinkel wirkte. Auch dem Licht ihrer Augen fehlte ein wenig der freudige Glanz, wurde ersetzt durch ein Abbild von Müdigkeit, das tiefer ging als bloße Ermattung durch die Reise. Ihre grazilen Finger antworteten seiner liebevollen Geste mit einem ebenso vertrauensvoll dankbaren Druck, dem jedoch etwas hilfesuchendes anhaftete, das sich nicht wirklich in eine bestimmte Ursache noch gießen ließ. Das junge Geschöpf zwang sich zu langen, tiefen Atemzügen, vielleicht ein Zeichen der Selbstberuhigung und Selbstbeherrschung, das wirre Herzrasen etwas zu zügeln. Vielleicht war es auch ganz gut, dass er ihre Gedanken auf andere Wege fokussierte und ihr so die Möglichkeit nahm, im Strudel von Sorge und Zukunftsängsten zu ertrinken.

Aber eine Antwort zu finden, war nicht so einfach. Oder doch, eigentlich schon, nur war sie so einsilbig wie einfach. Ruhe, das wollte sie finden. Ruhe und Trost. Elithea ließ die Frage ein wenig auf sich wirken, denn sie ahnte, dass auch das hier kein simples, beiläufiges Gespräch war, kein Teekränzchen, keine Klatschrunde, keine oberflächliche Unterhaltung. Alles an dem höllischen Caderitor, der neben ihr saß, war tiefgründig und oft genug bedeutungsschwer, so weit hatte sie ihn schon durchschau. Ein Wort lag bei ihm gern einmal auf der Waagschale und wurde auf Sinn und Inhalt geprüft, auf Nutzen und Nutzbarkeit. Genau in diese Stille mischte sich wieder der Bruder, der sich nicht so einfach vorführen lassen wollte, gar übergehen. “Wir wollen natürlich Verbündete antreffen, die uns dabei unterstützen unseren angestammten Heimatsitz wieder zurück ins Königreich Castandor zu führen!“ gab er klar und deutlich seine Absichten preis, die jedoch kaum geheim waren. Elithea schmunzelte nur traurig und schluckte die aufkeimende Übelkeit hinunter. Allmählich setzte ihr der alles beherrschende Gestank wirklich zu. Leise, fast ein wenig undeutlich versuchte sie ihre Gedanken in Worte zu fassen, auch wenn ihr momentaner Zustand kaum profunde Aussagen zuließ. “Einen Neuanfang, Condottiere, ich glaube der würde uns allen guttun.“ Auch wenn sie bezweifelte, dass die Mächtigen des Landes zulassen würden, dass sie einfach abschließen und sich anderweitig orientieren könnten, nein, der Status prae musste wieder hergestellt werden, koste es was es wolle.
“Wir werden King’s Portal nie Heimat nennen können, aber dort müssen wir ein Heim errichten, bis wir dorthin zurück können, was wir so überhastet verlassen mussten. In der Zwischenzeit, nun, sollen die Tage sinnvoll genutzt werden, je nach der eigenen Façon. Ich will nicht untätig herum sitzen und Trübsal blasen, ich möchte mich nützlich machen, dort, wo es einen Nutzen gibt“ Ihre Stimme wurde immer brüchiger, versuchte sich wieder zu sammeln und wurde doch immer wieder von schwerem Atem und kleinen Pausen unterbrochen. Endymion schnaubte nur verächtlich, herablassend mit den Augen. So typisch weiblich, Sanftmut und Ergebenheit würden die verlassene Heimat nicht zurück erobern, mit solcher Milde würde kein Krieg gewonnen werden, Nachgeben und die andre Wange hinhalten würden gegen die Aggression des Stafford Königs nicht helfen! Kein Wunder also, dass er sich also dazu berufen fühlte, allen voran in die Schlacht um die Wiedergewinnung von Eastergold Meadow zu preschen.

Elithea schloß erneut für einen Moment die Augen, nicht um zu schlafen, sondern einfach nur, um sich selbst zu sammeln, sich zu konzentrieren, auf sich selbst und das Chaos, das sich durch ihren kraftlosen Körper wühlte. Eine Stunde noch, eine schier endlos, ewige Zeit.
Neues Inplayzitat
Inplayzitat hinzufügen
Zitat
Folgendes Zitat wird als denkwürdiger Inplay-Moment eingetragen.
 
Unregistered
Belisarius Caderitor
Alter
Beruf
Wohnort
Stand
User
#5
Belisarius musste seine Hand fest um den Zügel schließen, um seiner Wut Raum zu geben. Dieser Bengel verstand einfach nicht. Er sah nur seine falsche Ehre und seine falsche Macht, die er verloren glaubte. Der junge Prinz hatte nur noch seine Entscheidungen und sich selbst, keinerlei Ansprüche konnten darüber hinwegtäuschen, dass er nichts mehr hatte, außer das, was er an Familie hatte. - Und er entschied sich, seine eigene Schwester zu demütigen und herab zu setzen. Er zeigte, was er für ein Mann werden wollte. Belisarius sah sehr wohl, was sich entwickeln konnte. Als Meister der Schatten, als Kriegsherr, war er weit herumgekommen und hatte viele Menschen gesehen. Belisarius kannte so manches Herz eines Menschen und dessen Geheimnisse. Die Geheimnisse des Prinzen kannte er nun zu gut. Sein Herz war kein Geheimnis mehr. Er wandte sich mit einem kalten Gesichtsausdruck herum. Denn es war egal, was er sagen würde, da der Prinz von seinen gefühlten Ansprüchen durchdrungen war. Er war ein Narr, verloren in dieser Zeit und eine Last für Elithea, die so viel mehr sein konnte, als eine bloße Tochter und schlecht behandelte Schwester. Lieber sollte sie alleine gehen, als diesen selbstgerechten Heranwachsenden zu unterstützen. Elithea war in diesem Augenblick in seinem Sinn, denn Belisarius fühlte etwas, was er lange nicht mehr gefühlt hatte. "Ich glaube, dass ihr generell vieles nicht versteht und für euch Ehre ohnehin nur ein Selbstwert ist, der euch hingereicht wurde, ohne deren Wert zu erkennen," schimpfte der Kriegsherr, der sich selbst sonst wenig aus Ehre machte. Doch dieses Ungemach, diese Beleidigung, ohne Not, war nur grausam hingeworfen und setzte eine Person herab, die mehr verdiente und mehr erhalten sollte. "Mein Prinz, wahrlich unfähig, zu erkennen, was euch stark machen würde," setzte er nach und deutete auf den Horizont. "Verderbt nicht noch jenen Moment, nachdem euch eure eigene Schwester gerettet hat. Sie war es, die euch half und sie war es, die diesen Plan unterstützte. Sie ist weiser, klüger und ehrenvoller als ihr es bisher bewiesen habt ," erboste er sich und gab fast zu, was ohnehin alle politische Kreise in Castandor wussten. Endymion war eine politische Puppe, nicht mehr. Er hatte keinerlei Zweck darüber hinaus und er war zu politisch ungebildet, um das zu sehen. Er lief direkt in ein neues Gefängnis, welches die Hand des Königs bereiten würde. Der Prinz schlief bitter vor sich hin, erkannte nicht, welchen Schatz er wirklich noch besaß. Elithea hatte sich fast geopfert, sich hingeworfen und die Familie vertreten. Elithea hatte sich angedient und sich gezeigt. Sie half, die Familie zusammen zu halten und erntete dafür eine grobschlächtige Beleidigung. Dieser Undank und diese bedenkenlose Selbstgerechtigkeit des Prinzen ließen Belisarius nicht mehr teilnahmslos. Die Prinzessin hatte etwas verändert. Doch auch der magische Wind hatte etwas verändert, so dass der Streit verflog und Belisarius sowie Elithea eine seltsame Ruhe schenkte. Der Wind erlaubte den beiden etwas, was noch verborgen war.

Da war es: ein Blick von ihr, schüchtern, gar ein wenig verlegen, begleitet von einem scheu flüchtigen Lächeln. Belisarius war nicht mehr nur hier, um seinen Auftrag zu erfüllen. Er beschützte die Ehre einer jungen Prinzessin gegen ihren eigenen Bruder. Eine Neuigkeit, etwas, was wahrlich neu war, denn Belisarius nutzte solche Streitigkeiten nur aber beteiligte sich selten als echter Beschützer. Belisarius fand sich in einer merkwürdigen Situation wieder, wollte dem Prinzen erklären, was sich bald darstellen würde aber entschied sich, dies nicht zu tun. Sollte er doch in sein Verderben fallen, sofern es Elithea nicht tat. Der Kriegsherr würde Elithea beistehen, ihr erklären, was es wirklich mit Macht und Gegenmacht auf sich hatte. Sie war klug genug, um zu herrschen. Ihr Bruder war es nicht. So entschied er sich also, einfach zu schweigen, für wenige Atemzüge, bis sie seine gestellte Frage beantworteten. Immer noch hielt er ihre Hand, fast so, als ob er sie nie loslassen wollte. Sie konnte sich bei ihm sicher fühlen, dass wollte er ihr vermitteln. Ihr Bruder entgegnete das Erwartbare, das Belanglose und verfestigte damit nur den Eindruck, den Belisarius ohnehin längst hatte. Doch die kluge Prinzessin Elithea überlegte, ließ sich Zeit, was dem Kriegsherren gefiel. Belisarius blickte sie bei der langsamen Fahrt des Karrens direkt an, versuchte ihre Augen zu finden, um zu ergründen, was sie dachte, wie sie etwas erdachte und was sich in ihrem Kopf bewegte. Sie war interessant, bemerkenswert scharfsinnig und noch dazu voller Gnade, welche dieser Welt sonst fremd war. Der Kriegsherr bewunderte die Prinzessin fast, kaschierte dies jedoch dezent durch ernst zusammengelegte Lippen. Da bemerkte er, dass ihre Wangen stark errötete waren, sich Schweiß auf ihrer Stirn darstellte und ihre Atmung verändert war. Seine Bewunderung hatte sich gewandelt in Sorge, da er nun bemerkte, dass diese junge Frau sicherlich nie lange in der Sonne gewesen war und noch dazu in einer solchen Lage. Belisarius erahnte, was ihr Bruder nicht sah. Elithea hatte gewisse Nöte. Schnell kramte er ein Tuch hervor, welches noch sauber war, tränkte dieses hektisch in einem kleinen Schwall an Wasser und reichte es der Prinzessin zur Kühlung.

"Nehmt es," sagte er behutsam, während sie weiter nachdenklich schien und ihre Gedanken zu suchen schien. Belisarius war die Frage nun egal, da die Sorge für Elithea überwog. Diese verdammte Reise veränderte zu viel und gefährdete ebenso zu viel. Dabei wollte er sie doch nur retten. Alles, was ihn wirklich noch interessierte, war Elithea zu schützen und diese Mission mit ihr abzuschließen. Der Prinz war nur noch Nebensache. Wenn die Prinzessin hier umkam oder zu Schaden kam, wäre er untröstlich und würde tatsächlich Tränen verwerfen, die er sonst nie zeigte. Sie war ihm in kurzer Zeit sehr wichtig geworden, da sie in ihrer Erscheinung, in ihrer Essenz dessen, alles war, was diese Welt sonst verdarb. Belisarius blickte sie ernstlich besorgt mit großen und fürsorglichen Augen an, während seine andere Hand die Zügel lockert hielt und die haltende Hand immer noch die Hand der Prinzessin stützte. Schließlich antwortete sie und antwortete so, dass Belisarius noch mehr verstand, warum er sie beschützen wollte. Sie hatte verstanden, was vor sich ging und sah, dass es kein Zurück oder eine Wiedererlangung geben konnte. Man begab sich nur vorwärts durch Welt, reiste immer weiter und blickte nicht zurück. Belisarius überging die Antwort des Prinzen, nickte diese nur ab und antwortete direkt auf die klugen Worte von Elithea: "Eine gute Antwort. Das ist auch etwas, was ihr erwarten könnt, Prinzessin. Sofern ihr bereit seid, dafür zu arbeiten und auch neue Wege zu gehen. Ihr müsst Trübsal und Pein nicht alleinig Macht geben und erkanntet wohlwissend, dass auch ihr etwas tun könnt, indem ihr euch der neuen Zeit stellt, als Frau und Prinzessin. " Er würde ihr dabei helfen, auch wenn er es nicht aussprach. Hierbei blickte er sie fast seltsam menschlich an, nahm sie fast in seinen Arm, um sie fest zu drücken aber unterbrach diese Bewegung, da sie unpassend schien und sicherlich auch die Lage ihres Zustandes nicht verbessern würde. Die junge Dame hatte Hitze zu ertragen und eine Umarmung war sicherlich nicht vortrefflich zur Abkühlung. Doch von der Geste blieb eine vorsichtige Berührung ihrer Schulter und Oberarmes zurück, als seine Hand sanftmütig darüber fuhr und kurz emotionale Nähe vollbrachte, die Belisarius sonst niemals zeigte, außer seiner Skadi. Elithea schloß erneut für einen Moment die Augen, so dass auch Belisarius die Augen schloss, für einen winzigen Augenblick, um sich gemeinsam mit ihr zu sammeln; fast so, als ob sie gemeinsam eine Traumebene aufsuchen wollten. Für diese Sekunde wirkten ihre Gesichter gleichsam friedlich und umschlungen von jener Gnade, die Elithea bereits war. Belisarius atmete betont aus, öffnete seine Augen wieder und lenkte den Wagen über eine leichte Unwegbarkeit, so dass es kurz heftig rumpelte und die Passagiere ein wenig unsanft geschaukelt wurden.
Neues Inplayzitat
Inplayzitat hinzufügen
Zitat
Folgendes Zitat wird als denkwürdiger Inplay-Moment eingetragen.
 
Unregistered
Elithea Trakas
Alter
Beruf
Wohnort
Stand
User
#6
Und mit jeder Drehung des Windmühlrades verging ein wenig Zeit. Zeit, die so elendiglich dehnbar war, dass es fast den Anschein hatte, dass sie niemals ihr Ziel erreichen würden. Oder täuschte es Elithea nur in ihrem Schwindel, dass die Hoffnung auf die Ankunft an der Taverne immer weiter vor ihr zu entschwinden drohte. Das Haus, das am Horizont schon so verlockend vom Ende der Reise kündete, wurde einfach nicht größer, kam einfach nicht näher. Oder saß sie einer Fata Morgana auf? Die junge Prinzessin zweifelte allmählich an ihrer eigenen Wahrnehmung. Vielleicht spielten ihr ihre Augen auch nur einen Streich, angeheizt durch das immer lauter dröhnende Pochen hinter ihren Schläfen, das ihr wie tiefe Glocken in den Ohren hallte. Ihre Gedanken überschlugen sich, drehten sich im Kreis wie die Räder an dem mühsam dahin trottenden Wagen, der sich einfach nicht von der Stelle zu bewegen schien. Warum nur hatten sie sich kein schnelleres Gefährt ausgesucht? Oder zumindest einen zweiten Ochsen vorgespannt? Der Geruch des Misthaufens hinter ihnen hörte auch nicht auf wie Gift in ihre Nasen und sämtliche andere Poren zu kriechen und ihr immer mehr die Galle hoch steigen zu lassen.

In all den an ihr zehrenden Befindlichkeiten war es nun auch nicht sonderlich zuträglich, dass die beiden Männer links und rechts von ihr sich ein Wortgefecht über ihren Kopf hinweg lieferten. Streit konnte sie gerade gar nicht brauchen, nein, mehr noch, sie vertrug es einfach nicht. Die Animositäten, die vom Wind hin und her geblasen wurden, sie umwehten und an ihr zerrten, förderten nur das Unwohlsein, das sie eisern in seinen Fängen hielt. Ihr einziger Sicherheitsanker war seine Hand, die die ihre hielt, fest und bestärkend. Warm war seine Haut an der ihren, die trotz des erhitzten Gesichts eine alarmierende Kühle umhauchte. Ein rauer Gegensatz zu ihrer zarten Handfläche und doch ein Widerspruch, der sich in der Vereinigung komplimentierte und ergänzte. Sie hielt sich an ihm fest, verschränkte leicht ihre Finger in den Seinen, gleich einem Zeichen, das sie bereit war ihr Leben mit dem seinen zu verweben, unwiederlöslich verbunden. Ein wenig war die junge Trakas doch erstaunt darüber, dass der Condottiere, der bisher eine schier unerschütterliche Gleichgültigkeit an den Tag gelegt hatte, sich durch die beiläufigen Worte des Bruders derart aufregen ließ. Steckte da mehr dahinter? Seine Fassade der Unnahbarkeit schien zu bröckeln. Vielleicht war doch nicht alles nur Kalkül, Verstand und Logik? Nein, in diesem Moment war er aufgebracht, fast schon streitlustig und in Kampfeslaune. Und das nur wegen ein paar unbedachter Aussagen? Seine letzten Sätze ließen Elithea allerdings die Ohren spitzen. Dachte er wirklich so von ihr? Ganz und gar unbewusst drückte sie die Hand des Kriegsherren ein wenig fester, als wolle sie sich bei ihm bedanken? Oder suchte sie Bestätigung, dass sie diese Worte wirklich glauben durfte? Denn ihn anzusehen, um in seinem Blick Gewissheit zu finden, wagte sie nicht.

Dem Druck allerdings folgte alsbald ein sanftes Streichen ihres Daumens über seine Haut, beruhigend und besänftigend. Während sie einen kurzen, bittenden Blick an ihren Bruder richtete. Eine andere Form diese Zwietracht zwischen dem Höllenhund und ihrem Bruder zu entschärfen, fand sie gerade nicht, denn jedes Wort des Einwandes, würde von ihrem Bruder nur als Verrat der Familie gegenüber ausgelegt werden oder auf der anderen Seite, so sie denn Endymion verteidigen würde, den Lebensretter erzürnen. Sie war nicht nur tatsächlich zwischen den beiden gefangen, sondern auch im übertragenen Sinne saß sie zwischen den Stühlen. Die zarte Geste aber sollte den Kriegsherren ein wenig von seinem Zorn abbringen, den er gegen ihren Bruder richtete. Er hatte schon recht, dass ihr Bruder in dieser Hinsicht über das Ziel hinausgeschossen hatte, doch auch dem Condottiere musste bewusst sein, in welch schwieriger Lage sich der Junge befand, der der führenden Hand des Vaters viel zu früh beraubt wurde. Auf ihm lasteten ebenso Ansprüche und Erwartungen, ob nun reell oder eingebildet. Auch er sah sich gefangen in dem Zwiespalt der adeligen Erziehung und der trostlosen Zukunft. Er war noch jung, vielleicht zu festgefahren in der Rolle des Erbprinzen, als dass er sich traute den Blickwinkel zu ändern. Elithea hatte es da leichter als mittleres Kind und zweite Tochter. Da waren die Zukunftspläne noch weit weniger gefestigt gewesen, als bei ihren Geschwistern, daher fiel es ihr auch nicht so schwer neues zu denken, anderes zu wagen. Und auch Endymion trauerte, war ohne neutrale Führung Beeinflussungen von allen Seiten ausgesetzt. Er wusste nicht anders als mit Worten um sich zu schlagen. Er wusste es einfach nicht besser, das wollte ihm zumindest seine Schwester zugutehalten.

Stille trat ein, erfüllt vom leisen Rascheln des Grases, das sich dem heiteren Tanz des Windes beugte. Scheinbar hatten ihre vermittelnden Gesten geholfen, das konnte sie nur hoffen, denn weder von links noch von rechts wurde das Thema weiter aufgegriffen. Endymion saß nur steinern neben ihr, fest die Lippen zusammengepresst, wie seine ganze Haltung verbissen und verhärmt wirkte, so wie er die Finger ineinanderschlang. Er tat ihr ein wenig leid, doch in diesem Augenblick konnte sie ihn nicht trösten, auch weil sie die Verbindung zu dem Lehrmeister an ihrer anderen Seite nicht lösen wollte. Ein Zeichen, vielleicht, dass längst entschieden war, wo ihre Loyalitäten lagen? Schwer wurde ihr der Kopf, leicht die Glieder, flau der Magen. Ein Gefühl, das sie so nicht kannte, das sie ängstigte und verunsicherte. Sie wollte nicht zur Last werden auf den letzten Metern der Reise, wollte nicht das schwächste Glied sein, wie man es von einem Mädchen denn erwarten würde. Doch ihr Mund wurde immer trockener, gleichsam mit jedem Schlucken drängte sie die aufkeimende Übelkeit hinab. Jeder Atemzug wurde zu einer Herausforderung den Schein zu wahren und sich nicht einfach ihrer Unpässlichkeit hinzugeben. So lange hatte sie bisher schon ausgeharrt und eine Fassade der Selbstsicherheit vorgeschoben, ein wenig länger noch, das würde sie doch aushalten. In der Einsamkeit der vier Wände eines Zimmers in der Taverne dann, dann könnte sie sich ergreifen lassen und aufgeben etwas vorzuspiegeln, doch nicht jetzt. Wenn es denn nicht so schwerfallen würde.

Belisarius‘ scharfem Verstand war ihr kläglicher Zustand allerdings nicht entgangen. Wie hätte sie auch denken können einen gewieften Weltmenschen wie ihn täuschen zu wollen? Lächerlich. Er hatte schon mehr gesehen und erlebt, als Elitheas Fantasie wohl jemals erträumen konnte. Rasch hatte er die Situation erfasst und ein Tuch mit kühlem Nass getränkt, das er ihr nun zureichte. „Danke“ raunte sie und musste nun doch seine Hand loslassen. Die Trennung der Finger durchzuckte sie mit einem fröstelnden Schauer wie tausend Nadelstiche, die fast einen schmerzvollen Beigeschmack hatten. Erst begrub sie ihr Gesicht in dem erfrischenden Tuch, ließ den zarten Geruch nach sandiger Erde und warmem Leder, der wie ein Abendhauch an dem Stoff haftete, auf sich wirken. Eine willkommene Abwechslung zum Güllegestank. Sein Duft. Bodenständig und herb. Ein paar Atemzüge noch, dann rollte sie das Tuch zusammen und legte es sich in den Nacken. Es half zumindest ein wenig, was sie mit einem wohligen Seufzen quittierte. Endlich fanden ihre Finger wieder die seinen und nahmen wieder ihren Platz ein, als wäre er seit jeher für sie vorbestimmt gewesen. Entspannter nun lehnte sie sich ein wenig zurück, bis sie die Antwort auf seine Frage formulieren konnte. Zum Glück schien sie ihm zu gefallen, wobei… nun, da schwang etwas mit, eine tiefere Bedeutung, die sich ihr nicht offensichtlich erschließen wollte, zumindest nicht in ihrem augenblicklichen Zustand. Sie sollte arbeiten, um neue Wege zu gehen, nun, das konnte einiges umfassen, und nicht alles davon mochte ihr vielleicht gefallen. So unschuldig bestärkend die Worte auch klangen, so schnell ließen sie sich auch als verführerisches Locken interpretieren, das sie in eine Welt ziehen wollte, deren Schatten sie verschlingen konnten. Neue Zeiten, meinte er denn nur den neuen Umstand ihrer Situation als entthrontes Adelshaus oder bahnten sich noch ganz andere Neuerungen an auf dem großen Spielbrett der Politik? Wäre sie nur versierter darin Zweideutigkeiten zu erkennen, wenn sie ihr gegenüberstanden. So aber blieb ihr nichts anderes übrig als aufmerksam zuzuhören und das Gehörte in ihrem Herzen zu bewahren, darüber nachzudenken und es wieder hervorzuholen, wenn die Gelegenheit eines nächsten Schachzuges es verlangte. Müde schloss sie die Augen und ahnte doch unterschwellig seinen Versuch einer Umarmung, die er mitten in der Ausführung abbrach. Schon wollte sie sich wiederum ein wenig an ihn schmiegen, an seiner Seite Halt und Schutz finden, doch ihr gemeinsamer Tanz endete in einer etwas unglücklichen Bewegung, die beide wohl eher sehnsüchtig nach ihrer Vollendung zurückließ.

Zum Glück sah sie den strafenden Blick aus den Augenwinkeln ihres Bruders nicht, der sich gänzlich missverstanden und übergangen an den Rand der Karrenbank drückte. Erst das heftige Rumpeln riss sie aus ihrer Konzentration, ihren aufgewühlten Körper irgendwie bis zur Ankunft an der Taverne in Zaum zu halten. Das unsanfte Schaukeln allerdings brach all die mühvoll errichtete Kontrolle. Harsch und hastig presste sie ihre Finger um die Hand des Heerführers. „Bleib stehen.“ hauchte sie tonlos und wartete kaum ab, dass er ihrer Bitte Folge leistete. Selbst ihre recht informelle Anrede war ihr nicht aufgefallen. Der Ochs trabte ohnehin mit einer fast schneckengleichen Geschwindigkeit, die nur wenig schneller war als würden sie schon stehen. Fahrig waren ihre Bewegungen, als sie dringlich über Belisarius kletterte, kaum darauf achtend, wo sie hin stieg, und schließlich taumelnd vom Kutschbock stolperte. Es gelang ihr gerade noch hinter den Karren zu verschwinden, ehe die aufgestaute Galle ihren Weg nach draußen fand. Ein paarmal musste sie würgen und recken, doch außer gelbem Magensaft war kaum etwas aus ihr rauszubekommen. Kein Wunder, sie hatten den ganzen Tag auch eher sparsam gegessen. Mit der Hand, die krampfhaft das Tuch festhielt, stützte sie sich am sperrigen Holz der Karrenrückseite ab, bis endlich ihr Magen aufhörte zu rebellieren. Schwach und erschöpft, doch auch erleichtert, dass nun zumindest dieser Drang sie nicht mehr quälte, sackte sie am hinteren Rad hinab und kauerte sich die Knie eng angezogen in den Schatten des Wagens, das kühle Tuch nun neuerlich ans Gesicht gepresst. Ein paar tiefe Atemzüge, alles andere ausblenden, nur sein Geruch und das sanfte Wehen des Windes, das ihr fernes Vogelgezwitscher ans Ohr trug.
Neues Inplayzitat
Inplayzitat hinzufügen
Zitat
Folgendes Zitat wird als denkwürdiger Inplay-Moment eingetragen.
 
Unregistered
Belisarius Caderitor
Alter
Beruf
Wohnort
Stand
User
#7
Was war schon Zeit? Was war sie schon wert? Belisarius betrachtete die vorbeiziehenden Felder, während sein Blick immer wieder zu seinen Gästen wanderte - und hier insbesondere bei Elithea verweilte. Der Wind spielte seine eigene Melodie, huschte vorbei, suchte seinen eigenen Ort und gab der Zeit in diesem Augenblick einen seltsamen Glanz, fast so, als ob sie in einem halbvergessenen Traum existierten. Von Augenblick zu Augenblick zogen sie ihre Wege in einem endlosen Tunnel, der sich nur Welt nannte. Der Gestank des Misthaufens verlor an Bedeutung für den Kriegsherren, auch wenn er seine Wirkmacht behielt. Die sanfte Berührung der Zuversicht, welche er mit der Prinzessin teilte, gab auch ihm einen Glanz, den er sonst vermisste. Belisarius war nur noch ein Fragment dessen, was hätte sein können. Zeit spielte ihre Spiele, zeichnete Gesichter neu und erlaubte sich einen tieferen Witz, dass sie eine Gestalt der Ungnade einem Wesen der Gnade gegenüberstellte. Belisarius suchte seine Gedanken, seine Ideen, wollte sich ihrer vergewissern, doch auch sie flossen immer langsamer und verhungerten in ihrer Absicht. Immer wieder kreisten sie aber endeten genauso bedeutungslos, wie sie begonnen hatten. Zeit schien immer langsamer zu vergehen, immer mehr Details zu verlieren, gleichzeitig seltsame Details betonend. Belisarius verstand die Welt anders als andere, sah sie vielleicht klarer und doch kam mit dieser Klarheit nicht zwingend Zuversicht und Hoffnung. In dieser merkwürdigen Magie umschloss ihn eine traurige Gewissheit, dass Elithea mit ihrer Güte, die sie so schön zeigte, in dieser Welt verloren sein würde. Ihre Berührungen seiner Hände, der Ausdruck ihrer geteilten Nähe, hier auf dem Wagen, ließ nur einen Schluss zu, dass sie verloren war. Nicht, weil sie verloren sein musste, sondern weil die Welt Mitgefühl stets verurteilte. Immer wenn er selbst gehofft hatte, damals als Kind, hatte er die blutigen Schläge seines Vaters gespürt, immer wieder, bis auch ihm klar war, dass Mitgefühl nicht wichtig war, sondern nur eine politische Waffe. Umso mehr tat Elithea ihm leid, dass sich ihre Wege derart darstellen mussten. Die Gnade der vermeintlich guten Geburt waren nun ihr Schicksal, so dass ihre Gefangenschaft im Stand sie unfrei machte. Doch niemand war wirklich frei, dass wusste Belisarius ebenso.

Doch Elithea hatte es verdient, mehr zu sein, als eine Gefangene von politischen Interessen. Ihre Güte, ihr Wesen, stand in einem solchen Kontrast zu ihm selbst, dass er wusste, dass die Welt Elithea mehr brauchte, als vielleicht ihn selbst. Der Kriegsmeister war ein Unmensch aber kein solcher Unmensch, dass er Güte nicht sehen konnte. Doch alles war bereits verloren, so verloren, da er höchstselbst den Krieg entfesseln würde, der alle Güte und alles Mitgefühl zu besonderen Schätzen machen würde. Elithea war besonders für ihn, sich dies einzugestehen, war schwer für einen Mann, der Bindungen vermied, weil sie einen letztlich verwundbar machen würden. Er hatte schon zu viele Wunden erlitten und wollte keine weiteren ertragen. Denn er war nur noch ein Fragment dessen, was einst ein Mensch gewesen war. In ihren Augen wollte er Gewissheit finden, doch in diesem Moment, wich sie seinem Blick aus; wagte es nicht, eine gemeinsame Gewissheit zu firmieren. Die Dunkelheit lungerte, wie ein Schatten um ihn herum, wartend, hungernd, bis der letzte Rest seiner Maske verbrannt war. Doch etwas hielt sie zurück, ließ nicht zu, dass er gänzlich Teufel war. Es war ihre Hand, die noch immer seine Hand hielt. Noch immer hielt sie seine Hand, strich mit ihrem Daumen über diese. Egal, was Belisarius war, so war Elithea hier und suchte ihn, seine Worte, seine Nähe und umhüllte ihn mit ihrem Licht. Sie hielt die Dunkelheit fern, die ihn stets befiel und so unheilig machte. "Ich habe so manches auf meinen Reisen gesehen, Prinzessin. Ich möchte euch sagen, dass ...," wollte er etwas formulieren aber brach dann ab. Was sollte er schon als Unhold, als dunkler Hauptmann und Teufel einer Lichtgestalt verantworten? Er wollte sich ihr offenbaren, sich ihr als das zeigen, was er in Wahrheit war und sein wollte; und doch endeten seine Worte abrupt. Er konnte ihr nichts gestehen, sich ihr übereignen und ihr erklären, was wirklich vor sich ging. Doch er würde er helfen, immer und allseits, da sie jene Lichtgestalt für ihn geworden war, die er selten auf seinen Reisen gefunden hatte.

"Ich bin für euch da," erklärte er also aber blickte sie dabei schwermütig an; fast so, als ob es ihm sehr schwer fiel und gleichzeitig mit einer Trauer umfing. Belisarius war nicht nur dankbar, sondern verehrte ihre Güte, da er sie selbst nicht besaß. Sie sollte sich wohl fühlen, auch wenn sie sich gerade in keinem guten Zustand befand. Die Prinzessin sollte wissen, dass sie einen Verbündeten gefunden hatte, der er nicht nur die Wege und Entscheidungsmöglichkeiten zeigen würde, sondern sie auch beschützen würde. Sie raunte ein Danke und der Kriegsherr lächelte kurz, fast ungewohnt menschlich, da Elithea genau jene Menschlichkeit in ihm wecken konnte. Doch plötzlich sollte er den Wagen anhalten. Ihre Bewegung, ihre hastiges Drücken an seiner Hand, zeigte ihm, dass es eilig war. Er hielt an, so dass die Prinzessin hastig über ihn hinab klettert und den Wagen verließ. Belisarius erahnte bereits, dass es ihre körperlichen Funktionen waren, die jetzt ihren Tribut fordern würde. Diesen Anblick kannte er und er hatte genug Truppen ins Feld geführt, um zu erkennen, wenn sie derartiges regen würde. Nicht entfernt vom Wagen musste sie würgen und recken, doch außer gelbem Magensaft war kaum etwas aus ihr entkommen. Belisarius stieg selbst hinab, versicherte davor jedoch dem Ochsen, dass Ruhe notwendig war und ging dann ruhigen Schrittes zu Elithea. Die Prinzessin stützte sie sich am Holz der Karrenrückseite ab, bis sich ihre Situation beruhigte. Belisarius beobachtete, wie sie erschöpft, am hinteren Rad hinab sackte und sie sich kauernd im Schatten des Wagens, sein kühles Tuch ins Gesicht presste. Gemäßigt trat er zu ihr, senkte sich vorsichtig hinab und setzte sich neben die Prinzessin, um ihr durch Anwesenheit zu zeigen, dass er sie wahrnahm und unterstützte. Er saß nur da und ließ sie gewähren, bis sie sich wieder ansprechbar fühlen würden. Er deutete ihre Geste als Zeichen eines Wunsches nach Ruhe, so dass er nichts sagte. Er verweilte nur neben ihr, bot ihr seine Hand an, und würde ihre greifen, sobald sie bereit war. Das Erbrochene ignorierte er, da es ohnehin nicht unter dem Gestank des Wagens sonderlich hervortrat und Elitheas Zustand wichtiger war.
Neues Inplayzitat
Inplayzitat hinzufügen
Zitat
Folgendes Zitat wird als denkwürdiger Inplay-Moment eingetragen.
 
Unregistered
Elithea Trakas
Alter
Beruf
Wohnort
Stand
User
#8
Allmählich kehrte Ruhe in ihren Körper ein und doch hielt der Beigeschmack von zu viel Sonne ihren Kopf in einem festen Griff, als würden sich Schraubzwingen immer enger um ihre Stirn schließen. Und mit jedem Pochen hinter ihren Schläfen meinte die junge Prinzessin ihr inneres Licht mehr und mehr erlöschen zu spüren. Die Strapazen der letzten Tage lagen ihr schwer auf dem Gemüt, erdrückender, als sie es vielleicht geahnt und niemals zugegeben hätte. All die Erwartungen und Ansprüche, die man ihr auf die Schultern geladen hatte in dem Bestreben die Familie moralisch bei Laune zu halten, was scheinbar nur an ihrem Einsatz gelingen oder scheitern würde, zwangen Elithea nun endgültig in die Knie. Ein Flackern, das kaum mehr erhellte als ein schwaches Zündholz, so kraftlos und ohnmächtig fühlte sie sich im Kampf gegen die Schrecken der Finsternis.

War es da nicht geradezu widersinnig, dass es der Schattenmeister selbst war, der das zaghafte Flämmchen – ob bewusst oder unbewusst – schützte und pflegte? Denn genau dieser Schatten war es, der mit einer beinahe schon erschreckend präzisen Besonnenheit und stillen Selbstsicherheit genau das richtige tat und ohne viel Worte sich einfach nur neben sie setzte. Er war da. Denn wo Licht war, dort musste es auch Schatten geben. Und wo Schatten fiel, war das Licht nicht weit. Ganz fälschlich aber ist die Annahme, dass der Schatten Feind des Lichts ist oder das Licht Gegenspieler des Schattens. Nein, es verhält sich nämlich anders. Der Schein des Lichts nährte den Schatten, war mit ihm eins und tanzte mit ihm. Der Schatten aber umringt das Licht, hält von diesem die Gräuel der verzehrenden Dunkelheit fern, legt sich um das Licht wie eine feste Mauer der Verteidigung gegen die Mächte der ewigen Finsternis.

Und so war es auch mit dem schattenreichen Kriegsfürsten und der lichtgleichen Fürstentochter. Gerade in diesem Moment konnte ihre Flamme der Güte und des Mitgefühls nur überleben, weil sein Schatten sich schirmend um sie legte und mit seiner Stärke ihre Schwäche ausglich, jetzt wo sie ihn am nötigsten hatte. Er wusste es, ohne dass viele Worte zwischen ihnen gewechselt werden mussten. Er wusste es und bestätigte diesen unausgesprochenen Bund zwischen ihnen mit einer einzigen Aussage “Ich bin für euch da“. Belisarius war der erste Mensch, der sie sah. Nicht nur ihr Aussehen und ihre bloße Anwesenheit, nein, er sah ihre Seele, ihren Wert, ihren Geist und ihre Zukunft. Sein Blick streifte nicht nur ihr Äußeres, nein, seine Augen lagen auf ihr und drangen bis in ihre Seele vor. Er nahm sie wahr, er erkannte sie als den Menschen, der sie war und mehr noch, als den Menschen, der sie sein konnte, sein wollte. Er war der Einzige, der ihr Bedeutung beimessen wollte, der ihr Leben für wichtig erachtete. Und diese Zuversicht war es, die ihrer Seelenflamme Leben einhauchte, die ihr flackerndes Licht heller und wärmer scheinen ließ, einfach nur, weil er ihr die Freiheit gab, ohne Zwang und Einschränkung. In seinen Augen war sie nicht nur die Tochter eines gefallenen Fürsten. Für ihn war sie nicht nur das mittlere Kind, unwichtig und übersehen, eingezwängt zwischen der Erstgeborenen und ihrem Potenzial am Heiratsmarkt und dem Jüngsten, der als Nachfolger und Titelerbe alle Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie wollte nicht klagen über ihre Kindheit oder ihre Familie, das wäre ungerecht und auch nicht wahr. Und dennoch spielte sie als zweite Tochter bisher keine Rolle. Erst die Flucht und das Zusammentreffen mit dem Heerschergen änderte diesen Umstand. Endlich konnte sie strahlen, sich entwickeln und ihren Platz im zermürbenden Zahnrad des Weltgeschehens selbst definieren. Belisarius gestand ihr zu, dass sie es selbst in der Hand hatte, welchen Weg sie einschlagen wollte, dass es eine Auswahl gab, nicht nur ein vorgefertigtes, ihr unbekanntes Ziel, auf das sie keinen Einfluss hatte. Er hatte ihr einen kleinen Ausblick auf die Wahrheit eröffnet, unverblümt und schonungslos und damit brutal ehrlich.

Als sich der Condottiere neben Elithea auf den Boden setzte, lehnte sie automatisch den schweren Kopf an seine Schulter und schloss die Augen, während die Hand mit dem Tuch in ihren Schoß sackte. Tiefe Atemzüge, bemüht ruhig und regelmäßig, wollten das leichte Zittern ihrer Glieder überdecken. Die Knie immer noch angezogen, schmiegte sich ihr Körper an seine Seite, formte sich an ihm ab, passte sich an ihn an. Ihre Hand fand den Weg unter seiner Achsel hindurch und verwob sich mit seinen Fingern ohne dass sie nach seiner Erlaubnis fragte. Wie schnell so eine einfache Berührung zu einer liebgewonnenen Gewohnheit wurde, deren Fehlen man schmerzlich vermisste. Es dauerte nicht lange, da nahmen ihre Atemzüge wieder an Normalität zu.

Ein Räuspern störte die Zweisamkeit. Achja, den Bruder, den hatte man fast vergessen. Auch Endymion war von der Kutschbank gesprungen, um nach seiner Schwester zu sehen. Auch wenn er es nicht zugeben würde, so hatten die strengen Worte des Kriegsmeisters doch einen gewissen Eindruck auf ihm hinterlassen. Sicherlich wollte er sich nicht nachsagen lassen, dass er seine Obsorgepflicht gegenüber seiner Familie vernachlässigen würde. “Geht es dir besser, Thea?“ ruhte sein Blick dennoch mit einer gewissen prüfenden Skepsis auf der intimen Szenerie, die sich ihm offenbarte. Doch er bemühte sich um eine gewisse brüderliche Nähe in seiner Stimme. Elithea hob den Kopf zu ihm und nickte, liebevoll lächelnd. “Danke, Endymion. Verzeih mir, aber die Sonne war wohl etwas zu viel für mich. Wir können gleich weiter.“ Der Bruder nahm ihre Worte zur Kenntnis, ohne eine großartige Regung, und beobachtete weiter. Er zweifelte nicht, dass der Tag anstrengend gewesen war, vor allem für ein schwaches Weibsgemüt. Dennoch, eigentlich gab es nur einen Grund, so hatte man es ihm gelehrt, warum Frauen sich erbrachen, wenn keine offensichtliche Krankheit zu erkennen war. Und so innig wie der Soldatenführer und seine Schwester sich präsentierten, musste er da nicht annehmen, dass hier vielleicht eine lasterhafte Schandtat Grund der Übelkeit war? Kannten sich die beiden länger, besser, als sie es zugaben? War seine Schwester schon längst nicht mehr so schamvoll, wie sie sich gab? Endymion presste die Lippen zusammen und verließ die Szenerie, die ihm so gar nicht gefallen wollte.

Elithea legte den Kopf wieder auf Belisarius Schulter zurück, so schwer und pochend war es einfach eine Anstrengung ihn gerade zu halten. “Entschuldigt bitte mein Verhalten. Ihr wolltet mir etwas erzählen und ich habe euch unterbrochen, das war unhöflich von mir.“ Ein paar Augenblicke noch, dann wäre sie sicherlich wieder fähig aufzustehen und die Reise in diesem gräßlichen Mistkarren endlich zu beenden. Sie musste, komme was wolle, sich zusammenreißen. Das Zwitschern der Vögel, das die tröstende Windbrise um sie herum zwirbelte, beruhigte sie, gaben ihr etwas, auf das sie sich konzentrieren konnte, abseits der dröhnenden Kopfschmerzen. “Danke, Belisarius, ich weiß eure Nähe sehr zu schätzen.“ wogen ihre Worte mehr als deren reiner, wörtlicher Sinn. “Habt ihr noch einen Schluck Wasser für mich? Wir sollten dann aufbrechen und endlich an der Taverne Rast finden.“ jetzt, wo die Übelkeit ihr nicht mehr die Kehle zuschnürte, fiel ihr das Sprechen wieder leichter, dennoch wollte sie den bitteren Beigeschmack fortspülen.
Neues Inplayzitat
Inplayzitat hinzufügen
Zitat
Folgendes Zitat wird als denkwürdiger Inplay-Moment eingetragen.
 
Unregistered
Belisarius Caderitor
Alter
Beruf
Wohnort
Stand
User
#9
Der Wind erhob sich, wurde stärker und die Wolken zogen sich dichter zusammen. Die Sonne sank hinab, gab eine seltsame Farbe des Himmels preis und zeigte an, dass sich der Abend bereits näherte. Doch die Nacht war noch fern und mit ihr die Schrecken des Ungewissen. Es gab einen Platz für sie beide. Nicht nur in einer Taverne, die für sie vorbereitet worden war. Es gab einen Platz für beide in dieser Welt. Elithea und Belisarius konnten leben, gemeinsam glauben und einig hoffen, dass ihre Leben Sinn finden konnten. Beide waren sie verlorene Seelen; jeder auf seine Weise. Verlust kannten sie zu gut und doch waren sie noch hier. Noch waren sie hier und jede Sekunde war ein Beweis dafür, dass sie leben konnten. Die Prinzessin mochte kraftlos erscheinen, zusammengesunken und doch umgab sie eine Aura, die vielleicht nur der teuflische Kriegsherr erblicken konnte. Er sah sie mit beiden Augen an, sah sie als das, was sie immer schon gewesen war: ein Mensch. Sie wollte Mensch sein, atmen, leben und träumen. Elithea schickte sich nicht an, mehr sein zu wollen, als das. Kein Amt, keine Würde, die sie von diesem Fakt trennen würde, war ihr Begehr. Keinerlei Illusion erbaute eine Mauer um sie, die sie abtrennte, von jener wahren Welt. Belisarius spürte dies, wusste darum, dass Elithea echt war. Sie war keine dieser Fassaden, dieser Bühnenbilder und Statisten auf dieser einen Bühne.

Ohne einen Widerstand in sich, ohne Zweifel, ohne jedwede falsche Absicht, war er hier für sie, auch wenn ihre Zeit als Menschen beschränkt war; doch reichte sie für einen Traum von Hoffnung. Wenn Elithea Gnade sein konnte, wenn sie derartig offen, auf ihn zugehen konnte, wenn sie hier war, dann war diese Welt weniger leer. Belisarius war nicht mal mehr erstaunt darüber, sondern fand einen stillen Trost darin, dass Elithea so menschlich war. Anders als viele, wollte sie nichts Böses. Sie strebte nach nichts, außer nach Güte und Gegenseitigkeit. Hier bei ihr zu sein, schuf eine Erleichterung von der permanenten Last des Wissens. Belisarius wusste zu viele Dinge, tat zu viele Dinge, so dass er immer belastet war. Die Ketten seiner Qual wogen nicht einmal die Welt auf und doch war hier Elithea, deren Nähe jenes Gewicht leichter machte. Er ließ es zu, dass sie sich an ihn schmiegte. Belisarius ließ es einfach geschehen, dass sich ihr Körper an seine Seite formte und sie fast in traurig-schöner Eintracht verweilten. Ihre Hand fand den Weg zu seiner und suchte dort nach Halt, den er ihr bereitwillig gab. Als Dämon kannte er die Höllen der Welten, kannte jedes Ungemach, so dass sein Schutz echt war, da er keinen Schutz gewähren konnte, den er nicht geben wollte. Sie mochte keine Zeit haben, keinen Stand teilen, und doch hatten sie diese Gelegenheit. Diese eine Gelegenheit, zu erkennen, was sie waren und sein wollten. Hier saß er nun, seinen Arm ebenso um sie legend, um die junge Prinzessin vor der Welt abzuschirmen, wie ein Schild gegen die ihr widerfahrene Ungerechtigkeit. Es kostete nur ein kurzer Zögern und dann Mut, sich diese menschliche Geste zu erlauben. Seine dämonische Aura verlor an Kälte und seine Augen fanden etwas, was viele verloren glaubten. Elithea erweckte im Dämon, der viele Leben unmöglich gemacht hatte, Herzenswärme. Sein Herz schlug nicht in Begehren, sondern in Fürsorge. Kümmerliche Tränen suchten seine Augen, fielen hinab, als ihm bewusst wurde, was er in Wahrheit war. Er konnte nie der Mensch sein, der er sein wollte. Niemals konnte er der sein, den Elithea so sehr suchte. Ihre Haltung, ihr angeschmiegter Körper, der Händedruck, all das sprach eine einzige Sprache, dass sie sich an ihn versprechen wollte. Sie wollte unter mit ihm fallen, unter seinem Schutz wachsen und ganz bei Belisarius sein, doch das konnte er nicht gewähren. Doch das war jetzt egal. Vollkommen gleichgültig, da sie ihn brauchte und Belisarius sie nicht aufgeben wollte. Nicht fallen lassen wollte, in jene Einsamkeit, die sie bis vor wenigen Augenblicken begleitet hatte.

Elithea war so viel mehr als das, so viel mehr wert, und verdiente einen Schutz, nach dem, was geschehen war. Belisarius war nicht egal, was sie fühlte, und doch, selbst mit dem Wissen nicht der Mann, nicht der ehrbare Ritter zu sein, erlaubte er es ihr, bei ihm zu sein. Insgeheim erhoffte er, dass sie seine Tränen berührte, sie finden konnte und ihm zeigen konnte, was sie bedeuten konnten. Auch Belisarius schloss die Augen, abermals. Ihre Nähe tat gut, ihre Anwesenheit erlaubte diese Hoffnung, dass auch er nicht bedeutungslose Tränen vergießen konnte. Doch die Tränen versiegten nicht aus Eifer oder Tatendrang, sondern aus Fürsorge für sich selbst. Belisarius konnte sich diese Blöße nicht erlauben, denn ein Dämon, der weinte, würde in der Hölle vergehen, wie ein Wassertropfen im Feuer.

Doch die Zweisamkeit wurde unlängst gestört. Der Prinz erkundigte sich nach der Gesundheit seiner Schwester. Gut, dass er dies tat. Belisarius drehte sein Haupt von liebgewonnenen Pose fort, um Endymion direkt anzublicken. Wieder kehrte jene Härte zurück in das Gesicht des Kriegsmeisters aber fand nicht jene frostige Kälte wieder, die sie vorhin begleitet hatte. Denn noch immer war Elithea an seiner Seite, hielt seine Hand, schmiegte sich noch an ihn und erlaubte dem Eis seiner Vergangenheit keinerlei Macht. Auch sie blickte ihren Bruder an und versicherte diesem, dass sie gleich weiter reisen konnten. Belisarius blickte zwischen beiden hin und her. Wie Endymion plötzlich die beiden verließ, mit jenen zusammengepressten Lippen, deutete Belisarius vielleicht richtig. Er ahnte, dass er diesen Ausdruck von Elithea, ihre gemeinsame Pose, die geteilte innige Umarmung, missbilligen würde. Doch es war ihm egal. Dieser Prinz war ohnehin ein Narr. Ein Gefangener von Rachsucht und Sehnsucht nach Stand. Elithea war ihm wichtig, so dass er sie wieder anblickte und ihr eine Strähne, die verrutscht war, aus dem Gesicht strich. Er wollte ihr zeigen, dass er sie wirklich sah und auch jetzt für sie sorgen würde.

Elithea legte den Kopf wieder auf Belisarius Schulter zurück und auch Belisarius wandte seinen Kopf zur Seite, damit sich nun ihre Schädel in geteilter Berührung eine heimliche Liebkosung teilen konnten. Elithea sprach entschuldigende Worte, wollte sich eine Höflichkeit erlauben, die ihm selbst egal war. Ihre Gesundheit hatte Vorrang, immer. Und seine Gesichte war nicht so wichtig, wie ihre Gesundheit. Belisarius lächelte salzig, fast so, als ob es ihm noch schwer fiel. "Das können wir später fortsetzen," meinte er und strich sich etwas nervös über sein Kinn, wobei er feststellte, dass seine Hand furchtbar stank.

Er räsuperte sich kurz und nahm die Hand schnell zurück. Dieser ganze Einsatz entwickelte sich in mannigfaltige Richtung, die sogar ihn noch überraschte. Ja, er würde mit ihr sprechen wollen. Es gab viel zu erklären und vielleicht zu klären, bevor man nach King's Portal gelangte. Etwas war nun so anders, dass es mit Sicherheit Worte bedurfte. Doch nicht immer konnten Worte alles sagen, was längst in einer Berührung deutlich wurde. "Ich... Ich...," wollte er ihr antworten, als sie ihm offenbarte, jetzt auch mit Worten, dass sie seine Nähe zu schätzen wusste. Dem Kriegsherren fiel eine Antwort sichtlich schwer und so entschied er sich, dass auszusprechen, was er vorhin gefühlt hatte: "Ich weiß eure Nähe ebenfalls zu schätzen. Ihr erinnert mich an ein Leben, an ein Menschenleben, welches ich einst führen wollte," war die Antwort, die etwas gesucht daherkam und doch mit Mühe das abbildete, was er ihr sagen musste. Auch seine Worte wogen mehr, als die ihren Worte. Belisarius öffnete sich selten so offen und sprach sehr selten klar aus, was er fühlte. Doch seine Hand in ihrer Wärme, fest umschlungen von ihren Fingern, drückte mit einem winzigen Daumenstrich jene Emotion besser aus und unterstrich gleichsam, dass sie beide füreinander eine Art Bedeutung gefunden hatten. Leider war es Belisarius ganz Recht, dass sie nach Wasser fragte, so dass sehr behutsam die umschlungene Umarmung löste, um sich zu erheben. "Ich hole es," war die hektische Antwort, so denn er loseilte und ihr fast sofort in einer fast einzigen Bewegung das Wasser brachte. "Hier," sagte er und reichte den Schlauch hinab. Die verlorene innige Umarmung zu Elithea fühlte sich wie eine Niederlage, ein Verlust und ein geheimer Schmerz an. Wie gerne wäre er zu ihr erneut hinabgesunken, in ihre Arme, um wieder diese Innigkeit zu teilen, die seine eigene Kälte fern hielt. Doch dafür war es vorerst zu spät. Es gab nun kein Zurück, sondern nur ein Voran.

"Wir werden bald eintreffen,"meinte er und deutete in Richtung Horizont; wollte damit versichern, dass dieser Reiseteil zum Glück aller bald vorbei war. Ja, sobald sie aufsteigen konnte, würde er versuchen die Taverne schnellstmöglich zu erreichen. Auch ihm wurde unwohl und er fühlte eine gewisse starke Erschöpfung, die er so noch nicht kannte.

"Doch möchte ich euch fragen," versuchte er einen Satz zu finden, der sich für ihn unpassend anfühlte aber seiner ebenso eigenen Notwendigkeit unterlag. "Glaubt ihr an Schicksal?"- eine einfache aber komplexe Frage. Belisarius glaubte nicht wirklich daran und wenn, verfluchte er es. Er verdammte sich lieber selbst, als sich auszuliefern und doch kam er nicht umhin, zu sehen, dass etwas geschehen war. Etwas Außergewöhnliches war geschehen und er versuchte nun zu verstehen, was hier vor sich ging. Schicksal war es aus seiner Sicht sicherlich nicht aber ein Zweifel blieb, denn das innige Gefühl, jene stille Gnade, war so seltsam, fast okkult, aus seiner Sicht, dass etwas anders sein musste. Elithea war anders, besonders, und wie sie dort saß, trotz Ungemach und Erschöpfung, umgab sie ein unsichtbares Leuchten, was Belisarius durchaus wahrnahm. Elithea hatte für ihn Bedeutung - und das war ungewöhnlich für einen Mann, der nur wenigen Menschen diese Art Bedeutung beimaß. Elegant böte er ihr eine Hand an, sobald sie aufstehen würde, um ihr aufzuhelfen.
Neues Inplayzitat
Inplayzitat hinzufügen
Zitat
Folgendes Zitat wird als denkwürdiger Inplay-Moment eingetragen.
 
Unregistered
Elithea Trakas
Alter
Beruf
Wohnort
Stand
User
#10
In die sanfte Stille der aufkeimenden Nacht, begleitet vom malerischen Abendrot der untergehenden Sonne, mischte sich nichts außer dem ruhigen Atem des seltsamen Paares, der in bedächtigem Einklang einen gemeinsamen Rhythmus fand. Wie Pinselstriche geführt von meisterhafter Künstlerhand zogen die Wolken getaucht in harmonischen Pastellfarben lautlos über den Himmel. Die Blüten der schwankenden Feldblumen schlossen allmählich nach und nach ihr Köpfchen, neigten ihr Haupt müde zu Boden. Selbst die Vögel stimmten ein anderes, trägeres Lied ein, besangen den Abend, bis auch die den Stimmen der Nacht Platz machten und sich die Luft füllte mit dem gleichförmigen Zirpen der Grillen. Die Welt schien sich langsamer zu drehen, sich selbst in wohlverdienten Schlaf wiegen zu wollen und mit ihr alle, die auf ihrer Oberfläche lebten und atmeten.

In dieser sanften Stille schien Elitheas Licht noch wärmer und behaglicher, hüllte nicht nur sie ein, sondern auch eben jenen Schattenmeister, an dessen Seite sie ihren müden Körper schmiegte. Endlich, so schien es ihr, endlich hatte das Treiben ein Ende. Endlich musste sie sich nicht mehr eilen, sich hetzen und jagen lassen, fliehen und davonlaufen, sich umdrehen, immerzu den Geifer der Gefahr im Nacken. Endlich wähnte sie sich in Sicherheit und auf perfide Art und Weise angekommen, auch wenn sie nur auf der Erde neben einem stinkenden Karren saß. Die letzten Wochen waren gezeichnet von einem Drang, einem Drängen, das sie nirgendwo zur Ruhe kommen ließ, ihr keine Zeit erlaubte durchzuatmen oder nachzudenken, sie fernhielt von der Trauer um ihren Vater und die Angst um ihre Zukunft. Und wenn es nicht der Gewaltmarsch selbst war, der an ihren Kräften gezehrt hatte und sie kaum einen Augenblick erholsam schlafen ließ, dann waren es die Ansprüche, die ihr aufgelegt wurden, die ihr das Herz zusammenpresste. Ihre Tage waren gefüllt von der Sorge um ihre Familie und dem ewigen Kampf um den Erhalt von Moral oder Motivation. Dieser Kraftakt, der ihre Nerven bis zum Zerreißen anspannte, ihr immer wieder auf Neue Ungeahntes abverlangte, hätte sie wohl alsbald umgebracht. Wie seltsam, dass die Ankunft eines Meuchelmörders unter der Flagge des Großkönigs ihr die Gnade der Erleichterung bringen sollte.

Doch genau an dessen Seite nun lehnte sie ihren Leib, lehnte sie ihren Schmerz, lehnte sie ihre Schwäche. Sein Schatten schützte ihr Licht. Seine Kälte befeuerte ihre Wärme. Seine Gnadenlosigkeit gab ihr Hoffnung. Gegensätze zogen sich ja bekanntlich an, in dieser Hinsicht waren sie beide das beste Beispiel. Denn im Einklang ihrer Unterschiedlichkeit wuchs zwischen ihnen ein Band der unausgesprochenen Einsicht für die Nöte des anderen, die keine Worte brauchten, sondern in den Tiefen der Seele erfühlt wurden. Was der Kriegstreiber wohl durch die bittere Lebenserfahrung, die er der jungen Prinzessin an Jahren voraushatte, weit besser in klare Formen bringen konnte, durchfloss die Fürstentochter als schemenhafte Ahnung, deren Inhalt nicht vollkommen klar, doch dessen Sinn hellleuchtend empfunden wurde. Sie musste nicht alles kennen, sie wusste, dass sie in Belisarius jemanden gefunden hatte, der ihr erlaubte es herauszufinden, für sich selbst, der sie forderte und förderte, der ihr aufzeigte und vorzeigte, der ihr den Spiegel vorhielt und an ihrer Seite war, wenn die Schritte auf diesem neuen Weg zu schwer werden würden. In diesem Augenblick, neben ihm, fand sie einen Frieden, den sie in ihrer jugendlichen Naivität längst verloren geglaubt hatte. Seine Hand in ihrer, die schwielige Haut die ihren Handrücken zart und fast beiläufig streichelte, wirkten wie Zunder für die Lohe der Güte, die in ihrem Herzen strahlte und ihn mit ihren Flammen zärtlich liebkoste. Ob Mörder oder Held, ob Heilige oder Teufel, ob Schattenmeister oder Engelsgestalt, das kümmerte das Licht nicht. Denn Licht scheint, ohne zu bewerten. Es gibt kein Zeugnis ab und prüft nicht Ruhm noch Anerkennung. Es beleuchtet eine Untat des Bösen gleich wie einen Akt der Gnade, erhellt den Weg für Dieb und Jungfer gleichermaßen und wärmt den Ehrlosen ebenso wie den Ehrhaften. Es ist einfach nur da, für jedermann, der sich seinem Schein nähern möchte und sich von seiner Wärme umarmen lassen will, egal welche Vergangenheit ihn quält oder welche Zukunft ihn ängstigt. Es bot jedem, ob Schurke oder Ritter, die Möglichkeit sein Leben in einem neuen Schein zu betrachten und einen Schritt in die Geborgenheit der Helligkeit zu tun. Und so maßte sich auch Elithea kein Urteil zu, die Beweggründe des Heertreibers hinterfragen oder gar bewerten zu wollen, dafür kannte sie ihn viel zu wenig. In diesem Moment war ihr nur wichtig, dass er da war, sie nicht alleine ließ, nein mehr noch, dass er ihren Bedürfnissen antwortete und das auch selbst ohne die junge Trakas zu verurteilen. Sie waren einfach nur zwei Seelen, die einander brauchten und genau das Fehlende dem anderen anboten ohne eine Gegenleistung zu verlangen.

Elithea merkte erst gar nicht, dass er einen Arm um sie legte, dann aber ließ sie die Umarmung zu, quittierte sie mit einem leisen, verstohlenen Aufseufzen, das von einer fast schon schmerzvollen Erleichterung von erdrückender Last zeugte. Wenn Belisarius nur ahnen könnte, wie viel Stärke in einer so banalen Geste lag, wieviel Kraft sie einer verlorenen Figur wie dem jungen Mädchen geben konnte. Tiefe, gleichmäßige Atemzüge durchzogen ihre Brust, ließen sie ihre Gedanken ordnen und die Situation erfassen, eins mit sich selbst werden, ihre überschlagenen Erinnerungen und verworrenen Gefühlsstränge wieder ordnen, zurück finden zu der Person, die sie längst verloren glaubte. Genau das hatte sie gebraucht, um ihrem Bruder mit wohlgewählten Worten entgegen treten zu können. Doch als sie sich wieder Belisarius zugewandt hatte, erkannte ihr nun klarer, strahlender Blick die verstohlenen Spuren der Tränen, die seine Augen verlassen hatten. Keine unausgesprochene Frage sollte ihn zwingen sich zu erklären, kein übertriebenes Mitgefühl ihn beschämen, kein fehlgeleitetes Grinsen seine Regung ins Lächerliche ziehen. Sie sah ihn einfach nur an, zollte ihm Achtung und Respekt, während ihre Hand sich sanft an seine Wange legte und ihr Daumen den feuchten Weg der Träne verwischte, ehe sie ihren Kopf wieder an seine Schulter lehnte und der huldvollen Zweisamkeit noch etwas Raum gab. Ein kleines Nicken akzeptierte, dass seine Erzählung nun keine Zeit hatte, doch dass eine solche kommen würde, wieder an diese anzuknüpfen.

Wieder suchte sie die Nähe seiner Hand, die liebgewonnene Verschlingung ihrer Finger, die schon zu einem Teil von ihr selbst geworden war, dessen Fernbleiben fast einer ätzenden Verletzung gleichkam, brennend und juckend, als würde etwas Wichtiges fehlen, das einen erst zu einem Ganzen werden ließ. “Wenn ich etwas aus den letzten Erlebnissen gelernt habe, dann, dass der Weg zu dem, was man wollte, oft verschlungen ist.“ klangen ihre Worte erwachsener, als ihre Jahre es waren. Dabei wusste sie nicht einmal, was sie wollte, hatte nie darüber nachgedacht. Ihre Wünsche mussten sich dem Willen des Vaters und den Bedürfnissen der Gesellschaft unterordnen, so wurde sie erzogen, so hatte sie gelebt, so war es ihr nie unrecht gewesen. Sie hatte nie dagegen aufbegehrt, im Gegenteil, es gab ihr ein vielleicht falsches Gefühl von Sicherheit. Doch dieses war nun dahin. Ihre Zukunft lag zum ersten Mal in ihrer eigenen Hand, so frei es nunmal möglich war, sie konnte selbst entscheiden, wohin ihr Weg sie führen würde, wer sie sein wollte, was sie sein wollte, worin ihr Sinn legen sollte. Diese ungewohnte Freiheit schnürte ihr die Kehle zu und gleichsam aber beflügelte sie ihren Geist in ungeahnte Höhen, die sein Daumen mit jeder noch so kleinen Zärtlichkeit nur noch mehr antrieb. Ein kleines Japsen entfloh ihr, als der liebgewonnene Seelenfreund so plötzlich von ihrer Seite wich, wenn gleich er auch auf einen Wunsch von ihr reagierte. Und während er nach dem Wasserschlauch suchte, rutschte Elithea ungehalten auf dem harten Straßenboden herum, suchte das kantige Steinchen, dass sich störrisch in ihre Pobacke drückte. Der spitze Schmerz lenkte von der fehlenden Wärme seiner Nähe ab, die ihr ein Ziehen in der Brust abnötigte. Zum Glück kehrte er bald zurück mit dem Wasser, dass sie gierig trank, um endlich auch den letzten Rest des bitteren Gallensaftes hinunter zu spülen. “Vielen Dank, Master Caderitor.“ atmete sie erleichtert durch, nun endlich von beinah aller körperlicher Misere erleichtert, nur das Pochen hinter der Schläfe erinnerte noch daran, dass sie sich dringend ausruhen sollte.

Der Blick der jungen Prinzessin folgte seinem Deuten an den Horizont, wo schemenhaft die Taverne immer noch das zu erreichende Ziel markierte. Die noch zuvor so sehnsüchtig herbeigewünschte Endstation der unliebsamen Reise war nun allerdings zu einem qualvollen Schlußpunkt geworden, der die wohltuende Zweisamkeit bedrohte. Und doch gab es kein Zurück, wie sooft im Leben. Man musste nach vorn, musste weiter, musste voran, denn hinter einem lag nichts außer Asche und Verderben. Gedankenverloren sah sie zum Horizont, die Arme um die Knie geschlungen, versunken im leeren Nichts, aus dem sie erst seine Frage weckte. Schicksal? Erstaunt sah sie zu ihm hoch, versuchte verwundert zu ergründen, was er mit dieser Frage bezwecken wollte, denn dass sie nicht einfach so in den Raum gestellt wurde als gefällige Konversation, das war der jungen Prinzessin ganz offensichtlich. Mit einem leichten Stirnrunzeln wollte sie in seiner Miene herauslesen, wie er wohl selbst zu dieser Frage stand, meinte einen Anflug von Ablehnung zu erkennen. Aber auch eine Spur von Sehnsucht nach etwas Höherem. Erneut ließ sie sich Zeit mit einer Antwort. “Schicksal… nicht unbedingt. Einem Schicksal muss man sich beugen, sich ihm ergeben und es akzeptieren. Schicksal ist etwas, das einem aufgedrückt wird, über das man nicht selbst entscheiden kann. Daran glaube ich nicht.“ versuchte sie in Worte zu fassen, was ihr durch den Kopf ging. “Aber ich glaube an Bestimmung. Dass es etwas gibt, das wir nicht steuern können, dass uns vorbestimmt ist und das wir annehmen können in unserem Leben. Jeder Mensch hat eine Aufgabe zu erfüllen, sei es nun im Großen oder im Kleinen. Mancher Bestimmung ist die Welt zu verändern“ stockte sie und sah nun bewusst zu Belisarius hoch. “Und manche verändern nur einen einzigen Menschen.“ Ja, sie war sich sicher, dass die Begegnung mit dem Condottiere vorherbestimmt war, dass es einen Grund hatte, warum gerade er in ihr Leben getreten war, dass es kein Zufall war sondern von einer Macht gewollt, die außerhalb ihrer beider Entscheidung lag. Doch wer hier wirklich wessen Bestimmung war, das würde sich wohl erst zeigen.

Wieder ließ sie die Worte für ein paar wenige Augenblicke sacken, ehe sie sich streckte und seine Hand ergriff, um sich aufhelfen zu lassen. Jeglicher Grund wäre ihr recht um die liebgewonnene Hand wieder in der ihren zu wissen, jene fast schon heilige Verbindung, die so wichtig für sie geworden war, wie Herzschlag und Atem. Ihre Beine kribbelten, als das Blut wieder durch die Glieder schoss, die zu lange verkreuzt und zusammengezogen verharren mussten. “Mache ich euch große Umstände, wenn ich den letzten Weg zu Fuß gehen würde?“ fragte sie höflich, wohl wissend, dass die Sorge um ihre Sicherheit einen Großteil seiner Aufmerksamkeit bedurfte. “Ich würde mir gern ein wenig die Füße vertreten nach so langem Sitzen.“ Selbst ohne hinzusehen wusste Elithea, dass ihr Bruder, der wieder am Kutschbock Platz genommen hatte und ungeduldig der Weiterfahrt harrte, genervt mit den Augen rollte, ob ihrer Sonderwünsche. Der Condottiere aber schien keinen Einwand zu haben, also nickte Elithea dankbar und gesellte sich an die Seite des Ochsens, der sich die Pause gütlich an den Grasbüscheln des Wegesrandes verlustiert hatte. “Komm, mein Guter, ich bin mir sicher, bei der Taverne gibt es gutes Essen als Belohnung für deine Mühen“ säuselte sie dem trägen Vieh zu und kraulte es aufmunternd am Hals. Ein Schnauben kam als Antwort und dann setzte sich das Rindvieh mit dem Wagen schon in Bewegung. Erstaunlich rege war der Schritt des Tieres auf einmal, so munter und lebendig wie den ganzen lieben Tag nicht, als hätte er nur auf das gute Zureden der jungen Prinzessin gewartet.
Neues Inplayzitat
Inplayzitat hinzufügen
Zitat
Folgendes Zitat wird als denkwürdiger Inplay-Moment eingetragen.
 


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste