04-07-2024, 15:10 - Wörter:
Einsam trat der Heermeister über die neu angelegte Straßen zum großen Heerlager von King's Portal. Er ritt nicht auf einem Pferd, hatte sich Zeit genommen und war zu diesem Ort gewandert. Tief in Gedanken lauschte er einer Melodie aus seiner Kindheit, die er in einsamen Stunden bewahrte und stets eine beruhigende Begleitung war. Musik war etwas, was in den tragischen Stunden seines Lebens nicht zwingend Erlösung war aber genügend Erleichterung verschaffen konnte, etwas das Tragfähigkeit besaß und Belisarius etwas gab, was ihn weitermachen ließ. Wenige Dinge in seinem Leben erfüllten ihn wirklich, hinterließen eine Zufriedenheit, so dass er als Mensch ständig getrieben und unbeständig war. All die Gewalt um ihn herum, brach jeden Frieden mit sich selbst. Er gab nur vor, ruhig zu sein, spielte eine Rolle, dass er wahrlich kaltherzig war und doch war es nicht. Er hatte nur ein zerbrochenes Herz, welches unfähig war, zu heilen. Die Liebe zu Skadi war die einzige Wärme, die jene Menschlichkeit in diesem Herzen bewahrte und auch für andere zugänglich machte. Diese Liebe erlaubte zwar keine Heilung aber Linderung seines einsamen Schmerzes. Denn er wusste, dass er eigentlich nur Mensch war, weil er sich entschieden hatte, Mensch zu bleiben, weil es Menschen, wie Skadi in seinem Leben gab. Sie war die Gewissheit, dass auch ihm ein Moment des Glücks möglich war. Doch die Schatten wurden länger und überdeckten bereits jene kleine Hoffnung, dass er auch ein gutes Leben führen konnte. Dieser Spaziergang, diese winzige Wanderung, zu seinem Heerlager erlaubte Gedanken, tiefsinnige Träume und auch einen Moment des Innehaltens. Belisarius wollte nachdenken, musste vieles überdenken und würde sich doch wieder für den grausamen Weg entscheiden. Denn im Gegensatz zu seiner Hoffnung, war seine Wirklichkeit abgekommen, verdammt und gezeichnet von jenen Taten, die er im Namen anderer Mächte getan hatte.
Vor ihm begannen sich die Palisaden des Lagers abzuzeichnen, die wie scharfe Zähne in den Himmel ragten. Schwarzer Rauch stieg aus vielen Öfen und Feuern auf, verdunkelte Teile des Himmels und auch der krachende Lärm vieler Stimmen, von schlagenden Waffen sowie lautem Getier drang bereits in leiser Vorahnung zu ihm durch. Seine innere Melodie verstummte dezent, auch in der Gewissheit, dass im Lärm des Lagers keinerlei Musik wirklich Eigenständigkeit besaß. Belisarius trat voran, immer wieder Schritt um Schritt. Er trug seinen silbernen Harnisch, jedoch nur als Halbharnisch, indem er keinen Beinpanzer trug. Auch auf einen Helm hatte er verzichtet, doch seine Klingen und das Schwert trug er bei sich, wie gewohnt am schweren Waffengurt aus breitem Leder. Über seinem Harnisch war ein farbiges Band gelegt, welches in den Farben seines Hauses gehalten war. An diesem Band hing zudem ein kleine Falkenfigur aus Silber. Er war klar als Offizier und Obrist des Heeres zu erkennen. Nur wenige konnten sich derartigen hochwertigen Panzer leisten und auch die Veredelung mit Silber hob ihn deutlich ab. Dies war durchaus gewollt, da er im Schlachtengetümmel gesehen werden wollte, um seinem Truppen als Anführer erkenntlich zu sein. Es galt manche Schlacht direkt zu führen und als Heermeister war es auch seine Aufgabe, dass Schicksal seines Heeres zu teilen. Daran verdiente er gut und er ließ sich bereitwillig auf dieses Geschäft ein, so tödlich und brutal es für viele sein mochte. Das Lager kam immer näher und die erste Passanten und Menschen drängten sich in Reihen an ihm vorbei. Darunter auch Handkarren mit Warren, wie Wein oder Obst aber auch große Karren mit geschmiedeten Waffen oder langen Speeren, die als Erstbewaffnung verwendet wurden. Belisarius betrachtete aufmerksam die Menschenketten und Warenwege zu seinem Lager, die sicherlich dankbar für die angelegte und befestigten Straße waren. Der Heermeister und Kriegsherr wusste um die Bedeutung von Infrastruktur und hatte bereits Handwerker aber auch Straßenbauer beauftragt, eine entsprechende Infrastruktur zu schaffen. Neben Straßen und Palisaden hatten sie auch kleinere Hütten, Großzelte oder auch Behelfsschmieden angelegt, um dem Heerlager notwendige Ausstattung zu verschaffen. Auch Küchen waren geschaffen worden, um die wachsende Armee zu versorgen. Die beiden großen Banner vor dem großen Portal des Lagers kamen in Sicht. Eines stand für sein Haus und das andere für Castandor mit den Castellanos. Beide Banner wehten weit empor und waren gut sichtbar. Belisarius kurz hinauf, nahm seinen breiten Federhut ab, um seinen Respekt zu bezeugen. Jeder Offizier war dazu verpflichtet. Niemand sollte sich unwissend zeigen, ob der Banner und ihrer Wirkung. Dies war ein Ort der Macht und der Hoheit, wenn auch die Anmutung durch Scharen an Menschen, dem Getümmel aber auch dem Gestank wenig anderes vermuten ließen. Doch Belisarius erkannte den Wert dieses Ortes; auch seinen tragischen Wert. Hier entschieden sich bald viele Leben und hatten sich bereits viele Leben entschieden. Belisarius schickte sich an behutsam und vernünftig mit diesen Leben umzugehen, damit sie ihren Preis in Soldat auch wert sein konnten.
Zwei Wachen mit einem einfachen aber wertigen Halbharnisch und einem Helm standen mit ihren großen Hellebarden am Eingang des Lagers, diszipliniert und wachsam. Auch sie trugen ein Band über dem Harnisch in den Farben des Heeres von Castandor. Ein Offizier trat auf Belisarius zu. Auch dieser trug einen silbernen Harnisch und einen Federhut. "Mein Herr," grüßte er und reihte sich in den Schritt von Belisarius ein. Belisarius hingegen setzte seinen Hut wieder auf. "Wir haben euch noch gar nicht erwartet. Eine Inspektion?" - fragte der Offizier, während die beiden an drei Soldaten vorbeigingen, die zwar keine Rüstung trugen, aber mit Waffen gegürtet waren. Diese Drei kontrollierten die Wagen vor dem Einlass und prüften die Einlassberechtigung oder Gründe vor einen Übertritt ins Lager. Weiter hinten ihnen standen zwei Offiziere, welche von jeweils zwei Hellebardenträgern begleitet wurden. Sie standen vor der Reihe an Werbungswilligen und möglichen Rekruten. Die zwei Offiziere notierten sich Namen, erfragten Interesse und Begehren der möglichen neuen Söldner und wiesen sie dann auf den Musterplatz ein, der unlängst hinter dem Tor lag und von diversen kleineren Fahnen geziert wurde. Hier stand jede Fahne für ein eigenes Regiment, dessen man sich anschließen konnte. Einige der Musterwilligen brachten bereits einfache Waffen selbst mit oder begehrten den Status eines Doppelsöldners, weil sie bereits als Söldner gedient hatten. Doch in der Regel mussten die Musterwilligen nach Anwerbung gegen das erste Handgeld eigene Waffen und Rüstung vom Zeugmeister des Lagers erwerben. Dieser stand unmittelbar am Musterplatz mit seinem riesigen Zelt und diversen Wagen mit Rüstungsteilen, Speeren, Schwertern und anderem Gerät, was für einen Söldner als Werkzeug notwendig war. Belisarius hatte dafür gesorgt, dass die Standardausrüstung gegen das erste Handgeld günstig zu erwerben war und weitere Waffen und Ausrüstung auch gegen den sogenannten Anschrieb - also einem Einbehalt vom Sold - erworben werden konnte. Die Standardausrüstung war ein geschmiedeter Halbharnisch, schwere Lederhandschuhe und kniehohe beschlagene Stiefel sowie ein knielanger stark gefütterter dunkelblauer Gambeson. Dazu gesellten sich ein Kurzschwert, welches in Masse gefertigt worden war und ein Speer. Den Abschluss bildete in der Regel ein sogenannter Vollhelm als Backenhelm-Variante. Dieser ließ die Nase, die Augen und das Kinn frei, so dass der Soldat gut atmen und sehen konnte. Als kleines Geschenk erhielten die Gemusterten eine Band in den Heeres- und Regimentsfarben, damit sie sich gegenseitig erkennen konnten. Nachdem sie ausgerüstet waren, wurden sie zum Eidbanner geführt und mussten vor einem Prediger und einem Offizier ihren Eid leisten, sich in das Eidbuch eintragen und waren damit offiziell Söldner des großen Heeres von Castandor. Danach wurden sie nach ihren Fähigkeiten zugewiesen, weiter ausgebildet oder direkt verwendet. Drill war Belisarius wichtig, so dass bereits in der Ferne riesige Linien an Soldaten in Speerformationen erkenntlich wurden, die verschiedene Varianten von ihren Formationen einübten und laut marschierten. Belisarius war in soweit zufrieden, ließ sich kurz Zeit mit seiner Antwort und nickte dann. "Eine unangemeldete Inspektion, Obrist." - war die knappe Antwort. Der hohe Offizier schluckte schnell und deutete in das Lager. "Seid Willkommen, Heermeister." - sagte dieser und deutete eine dezente Verbeugung mit seinem Haupt an. Belisarius tat dies ebenfalls. "Ich kenne den Weg. Geht eurer Wache nach," befahl er knapp und ließ den Offizier achtsam stehen, da er sich selbst ein Bild machen wollte.
Doch da fiel ihm etwas auf, als er weiter trat. Eine kleine Kolonne an Reitern ritt mit Lanzen und schwerem Harnisch an ihm vorbei. Sie würden die Ställe aufsuchen. Die Reiter waren bunt geschmückt und hatten große Federbüsche auf ihren Helmen. Sie gehörten zu den Panzerreitern, einer der Elite-Regimenter seines Heeres und waren nicht nur teuer im Unterhalt, sondern auch wertvoll in der Schlacht. Aber diese Kolonne war nicht sein Interesse, sondern das kleine Schreibzelt mit einem großen Holztisch davor, vor denen mehrere Frauen wehklagend standen und einen Schreiber belagerten, der mit Inventarisierung des Personals betraut war. Die Frauen klagten laut, teilweise unter Tränen, ihr Leid. Sie vermissten ihre Männer, Söhne und Väter. Belisarius trat mit einem großen Schritt heran, um den armen Schreiber zu entlasten. Dieser blickte auf. "Mein Herr," grüßte dieser vorbildlich und Belisarius hob die Hand zur Besänftigung der Frauenkolonne. "Wo sind unsere Kinder? Unsere Männer?" - raunten sie mit tragischer Klage. "Im Zweifel hier," sagte er der Heermeister nüchtern, während der Schreiber hektisch seine Tafeln sortierte. Wieder ritt eine Zug an Reitern vorbei. Das Getrampel übertönte kurz die Wehklage. "Gebt sie uns zurück!" - war die lautstarke Forderung der Frauen, die nicht ihre Männer im Schlachtgeschehen verloren wissen wollten. Belisarius seufzte. "Wenn sie sich gemeldet haben, ist es ihr freier Wille. Ich kann niemanden aus dem Dienst entlassen," donnerte er kalte Worte hinab und war auch nicht willens diesen Frauen ihre Männer oder Söhne zurückzugeben. Es würde jedwede Disziplin gefährden, wenn er jetzt nachgab. Dennoch musste er die Lage lösen. "Ihr könnt euch aber dem Tross anschließen und mit ihnen reisen. Wir brauchen auch immer Köchinnen oder Mägde," erklärte er und versuchte damit auch den Personalbedarf an Dienstleistung mit abzudecken. "Wir wollen, dass sie das Heer verlassen," war die nächste Forderung und Belisarius rollte mit den Augen. Es war ihm gleichgültig, was diese Frauen wollten und doch bot diese Lage ein gewisses politisches Potenzial. Eine kleine Kolonne an Armbrustschützen in ihren Kettenrüstungen zog vorbei, so dass das Gespräch kurz unterbrochen wurde, bevor es wieder aufgenommen wurde. "Sie können es nicht verlassen. Wer das Handgeld nimmt, stimmt einer Verwendung im vereinbarten Zeitraum zu. Der Zeitraum kann nur durch Kriegsunfähigkeit oder Tod verkürzt werden. Der Dienst ist verpflichtend und wurde jedem Werbungswilligen vollends erklärt. Ihre Zustimmung war freiwillig," erklärte er. "Der Tross steht euch jederzeit frei," wiederholte er und deutete hinter sich zu einem Trosszelt mit Ofen und Herd, welches als Küche diente. Dort taten in der Tat einige Frauen Dienst und schnitten riesige Mengen an Gemüse und einer geringeren Menge an Fleisch für einen übergroßen Eintopf, dessen Wasser bereits köchelte. "Eure Männer und Söhne erhalten Sold. Einen guten Sold und erhalten noch dazu wertvolle Ausrüstung. Wenn sie zurückkehren, werden sie gemachte Männer sein. Seid dankbar für diese Gelegenheit," formulierte er eine behelfsmäßige Idee, die selbst ihm nicht ganz passte. Niemand wurde im Krieg gemacht, sondern eher zerstört. Denn niemand zog in den Krieg und kehrte als der Mensch zurück, als der er gegangen war.
Die Frauen weinten, klagten erneut und dieses mal sehr wirr und durcheinander. Forderungen und Klagen gingen ineinander über. "Ich bin dessen überdrüssig," murmelte er und hob seine beiden Arme und machte eine Faustgeste. Ein optisches Signal für die Wachtmeister des Lagers eine Wachgruppe an den Heermeister zu schicken. Jedes Heer hatte seine Zeichen und Befehle. Mehrere Wachen strömten herbei, teilweise mit Hellebarden bewaffnet. Die Hellebarde war ein Erkennungszeichen für höherstehende Soldaten und auch eine Waffe mit Disziplinierungsautorität. Sie war ein Erkennungszeichen für Wachhabende und Soldaten mit entsprechende Wachaufgabe. "Diese Frauen werden das Lager verlassen. Wenn sie sich dem Tross als Mägde oder Köchinnen anschließen wollen, sollen sie dies tun. Bis dahin dürfen sie das Lager nicht betreten," beschloss der Kriegsherr und deutete auf den Kreis an Frauen, die nun zum Teil auf ihre Knie fielen. Doch die Wachen nickten willfährig und begannen die Frauen unsanft zu packen oder mit quergestellten Hellebarden aus dem Lager zu treiben. Belisarius seufzte abermals. "Sie haben Recht. Ich stehle ihnen Generationen," sagte er zum Schreiber, der müde aufblicke. Sein Gambeson trug ein spezielles Zeichen, was ihn als Schreiber und Beamten des Heeres auszeichnete. Dies schützte ihn vor körperlicher Gewalt, wenn sie nicht entsprechend angeordnet war. "Mein Herr, das tun wir alle. Doch es ist notwendig," versuchte der Schreiber seinen obersten Herren zu beruhigen, da er merkte, dass diese Lage Belisarius doch sichtlich beunruhigt hatte. "Wir werden sehen," meinte der Heermeister und setzte seinen Weg fort. Belisarius war sich des Umstandes bewusst, dass er sicherlich eine Art Lebensdieb war. - Und nicht jeder, der sich hier im Lager als Söldner meldete, wirklich ganz freiwillig dienen wollte. Aus seiner Sicht gab es jedoch keine alternativen Möglichkeiten. Ein Heer musste gemacht werden, wie ein Soldat auch durch Drill abgerichtet wurde.
Er gelangte an einem Teil des Lagers vorbei, wo die sogenannten Werbungswilligen aus Matarriya verwahrt wurden. Belisarius ließ sie strikt vom regulären Heer trennen, da sie nicht freiwillig eingetreten waren oder nicht die notwendige Gewähr boten, einen disziplinierten Dienst abzuleisten. Belisarius wusste darum, dass dies Zwangsrekrutierte waren und zu Tausenden verschifft worden waren. So leid es ihm war, so musste er sie nur in ihr Funktion als militärisches Auffüllmaterial betrachten. König Ridvan hatte sie nun mal in den Dienst pressen lassen. Sie konnten Masse schaffen aber waren in ihrer Struktur nicht für disziplinierte Manöver zu gebrauchen. Teile von ihnen hatten bereits einen Fluchtversuch unternommen und lagen nun in Ketten in kleineren Zelten, wo sie auf ihr Schicksal warteten. Belisarius würde über deren Schicksal noch befinden müssen und wie er sie verwendbar machen konnte. Der Teil der Sommerländer, welche nicht fliehen wollten, war motivationslos oder zum Teil kränklich. Er gedachte diese in einer einfachen Linientaktik auszubilden und ihnen schlicht Speere und einen Gambeson sowie Helm zu geben, damit sie als Frontlinienfußvolk erste Linien des Feindes brechen konnten. Sofern sie hierbei ihren Dienst verrichten konnten, war dies gut genug. Wenn sie sich danach auflösten oder verfielen, war dies gleichgültig, da das reguläre Heer nun handlungsfähig wäre. Belisarius blickte dezent angewidert auf das Schauspiel mit diesen Leuten, da sie sich wenig geordnet bewegten, mehr herumlungerten und durch die Offiziere und Wachtmeister streng beaufsichtigt werden mussten. Immer wieder drang wütendes Gebrüll hinüber, weil ein Offizier einen unwilligen Sommerländer ermahnen musste. Das war kein Heer in den Augen von Belisarius, sondern viel mehr eine Ansammlung von Notwendigkeiten. Der Heermeister wandte seinen Blick ab und machte sich auf, zu seinem Hauptzelt und Hauptquartier, um weitere Entschlüsse zu fassen.
Vor ihm begannen sich die Palisaden des Lagers abzuzeichnen, die wie scharfe Zähne in den Himmel ragten. Schwarzer Rauch stieg aus vielen Öfen und Feuern auf, verdunkelte Teile des Himmels und auch der krachende Lärm vieler Stimmen, von schlagenden Waffen sowie lautem Getier drang bereits in leiser Vorahnung zu ihm durch. Seine innere Melodie verstummte dezent, auch in der Gewissheit, dass im Lärm des Lagers keinerlei Musik wirklich Eigenständigkeit besaß. Belisarius trat voran, immer wieder Schritt um Schritt. Er trug seinen silbernen Harnisch, jedoch nur als Halbharnisch, indem er keinen Beinpanzer trug. Auch auf einen Helm hatte er verzichtet, doch seine Klingen und das Schwert trug er bei sich, wie gewohnt am schweren Waffengurt aus breitem Leder. Über seinem Harnisch war ein farbiges Band gelegt, welches in den Farben seines Hauses gehalten war. An diesem Band hing zudem ein kleine Falkenfigur aus Silber. Er war klar als Offizier und Obrist des Heeres zu erkennen. Nur wenige konnten sich derartigen hochwertigen Panzer leisten und auch die Veredelung mit Silber hob ihn deutlich ab. Dies war durchaus gewollt, da er im Schlachtengetümmel gesehen werden wollte, um seinem Truppen als Anführer erkenntlich zu sein. Es galt manche Schlacht direkt zu führen und als Heermeister war es auch seine Aufgabe, dass Schicksal seines Heeres zu teilen. Daran verdiente er gut und er ließ sich bereitwillig auf dieses Geschäft ein, so tödlich und brutal es für viele sein mochte. Das Lager kam immer näher und die erste Passanten und Menschen drängten sich in Reihen an ihm vorbei. Darunter auch Handkarren mit Warren, wie Wein oder Obst aber auch große Karren mit geschmiedeten Waffen oder langen Speeren, die als Erstbewaffnung verwendet wurden. Belisarius betrachtete aufmerksam die Menschenketten und Warenwege zu seinem Lager, die sicherlich dankbar für die angelegte und befestigten Straße waren. Der Heermeister und Kriegsherr wusste um die Bedeutung von Infrastruktur und hatte bereits Handwerker aber auch Straßenbauer beauftragt, eine entsprechende Infrastruktur zu schaffen. Neben Straßen und Palisaden hatten sie auch kleinere Hütten, Großzelte oder auch Behelfsschmieden angelegt, um dem Heerlager notwendige Ausstattung zu verschaffen. Auch Küchen waren geschaffen worden, um die wachsende Armee zu versorgen. Die beiden großen Banner vor dem großen Portal des Lagers kamen in Sicht. Eines stand für sein Haus und das andere für Castandor mit den Castellanos. Beide Banner wehten weit empor und waren gut sichtbar. Belisarius kurz hinauf, nahm seinen breiten Federhut ab, um seinen Respekt zu bezeugen. Jeder Offizier war dazu verpflichtet. Niemand sollte sich unwissend zeigen, ob der Banner und ihrer Wirkung. Dies war ein Ort der Macht und der Hoheit, wenn auch die Anmutung durch Scharen an Menschen, dem Getümmel aber auch dem Gestank wenig anderes vermuten ließen. Doch Belisarius erkannte den Wert dieses Ortes; auch seinen tragischen Wert. Hier entschieden sich bald viele Leben und hatten sich bereits viele Leben entschieden. Belisarius schickte sich an behutsam und vernünftig mit diesen Leben umzugehen, damit sie ihren Preis in Soldat auch wert sein konnten.
Zwei Wachen mit einem einfachen aber wertigen Halbharnisch und einem Helm standen mit ihren großen Hellebarden am Eingang des Lagers, diszipliniert und wachsam. Auch sie trugen ein Band über dem Harnisch in den Farben des Heeres von Castandor. Ein Offizier trat auf Belisarius zu. Auch dieser trug einen silbernen Harnisch und einen Federhut. "Mein Herr," grüßte er und reihte sich in den Schritt von Belisarius ein. Belisarius hingegen setzte seinen Hut wieder auf. "Wir haben euch noch gar nicht erwartet. Eine Inspektion?" - fragte der Offizier, während die beiden an drei Soldaten vorbeigingen, die zwar keine Rüstung trugen, aber mit Waffen gegürtet waren. Diese Drei kontrollierten die Wagen vor dem Einlass und prüften die Einlassberechtigung oder Gründe vor einen Übertritt ins Lager. Weiter hinten ihnen standen zwei Offiziere, welche von jeweils zwei Hellebardenträgern begleitet wurden. Sie standen vor der Reihe an Werbungswilligen und möglichen Rekruten. Die zwei Offiziere notierten sich Namen, erfragten Interesse und Begehren der möglichen neuen Söldner und wiesen sie dann auf den Musterplatz ein, der unlängst hinter dem Tor lag und von diversen kleineren Fahnen geziert wurde. Hier stand jede Fahne für ein eigenes Regiment, dessen man sich anschließen konnte. Einige der Musterwilligen brachten bereits einfache Waffen selbst mit oder begehrten den Status eines Doppelsöldners, weil sie bereits als Söldner gedient hatten. Doch in der Regel mussten die Musterwilligen nach Anwerbung gegen das erste Handgeld eigene Waffen und Rüstung vom Zeugmeister des Lagers erwerben. Dieser stand unmittelbar am Musterplatz mit seinem riesigen Zelt und diversen Wagen mit Rüstungsteilen, Speeren, Schwertern und anderem Gerät, was für einen Söldner als Werkzeug notwendig war. Belisarius hatte dafür gesorgt, dass die Standardausrüstung gegen das erste Handgeld günstig zu erwerben war und weitere Waffen und Ausrüstung auch gegen den sogenannten Anschrieb - also einem Einbehalt vom Sold - erworben werden konnte. Die Standardausrüstung war ein geschmiedeter Halbharnisch, schwere Lederhandschuhe und kniehohe beschlagene Stiefel sowie ein knielanger stark gefütterter dunkelblauer Gambeson. Dazu gesellten sich ein Kurzschwert, welches in Masse gefertigt worden war und ein Speer. Den Abschluss bildete in der Regel ein sogenannter Vollhelm als Backenhelm-Variante. Dieser ließ die Nase, die Augen und das Kinn frei, so dass der Soldat gut atmen und sehen konnte. Als kleines Geschenk erhielten die Gemusterten eine Band in den Heeres- und Regimentsfarben, damit sie sich gegenseitig erkennen konnten. Nachdem sie ausgerüstet waren, wurden sie zum Eidbanner geführt und mussten vor einem Prediger und einem Offizier ihren Eid leisten, sich in das Eidbuch eintragen und waren damit offiziell Söldner des großen Heeres von Castandor. Danach wurden sie nach ihren Fähigkeiten zugewiesen, weiter ausgebildet oder direkt verwendet. Drill war Belisarius wichtig, so dass bereits in der Ferne riesige Linien an Soldaten in Speerformationen erkenntlich wurden, die verschiedene Varianten von ihren Formationen einübten und laut marschierten. Belisarius war in soweit zufrieden, ließ sich kurz Zeit mit seiner Antwort und nickte dann. "Eine unangemeldete Inspektion, Obrist." - war die knappe Antwort. Der hohe Offizier schluckte schnell und deutete in das Lager. "Seid Willkommen, Heermeister." - sagte dieser und deutete eine dezente Verbeugung mit seinem Haupt an. Belisarius tat dies ebenfalls. "Ich kenne den Weg. Geht eurer Wache nach," befahl er knapp und ließ den Offizier achtsam stehen, da er sich selbst ein Bild machen wollte.
Doch da fiel ihm etwas auf, als er weiter trat. Eine kleine Kolonne an Reitern ritt mit Lanzen und schwerem Harnisch an ihm vorbei. Sie würden die Ställe aufsuchen. Die Reiter waren bunt geschmückt und hatten große Federbüsche auf ihren Helmen. Sie gehörten zu den Panzerreitern, einer der Elite-Regimenter seines Heeres und waren nicht nur teuer im Unterhalt, sondern auch wertvoll in der Schlacht. Aber diese Kolonne war nicht sein Interesse, sondern das kleine Schreibzelt mit einem großen Holztisch davor, vor denen mehrere Frauen wehklagend standen und einen Schreiber belagerten, der mit Inventarisierung des Personals betraut war. Die Frauen klagten laut, teilweise unter Tränen, ihr Leid. Sie vermissten ihre Männer, Söhne und Väter. Belisarius trat mit einem großen Schritt heran, um den armen Schreiber zu entlasten. Dieser blickte auf. "Mein Herr," grüßte dieser vorbildlich und Belisarius hob die Hand zur Besänftigung der Frauenkolonne. "Wo sind unsere Kinder? Unsere Männer?" - raunten sie mit tragischer Klage. "Im Zweifel hier," sagte er der Heermeister nüchtern, während der Schreiber hektisch seine Tafeln sortierte. Wieder ritt eine Zug an Reitern vorbei. Das Getrampel übertönte kurz die Wehklage. "Gebt sie uns zurück!" - war die lautstarke Forderung der Frauen, die nicht ihre Männer im Schlachtgeschehen verloren wissen wollten. Belisarius seufzte. "Wenn sie sich gemeldet haben, ist es ihr freier Wille. Ich kann niemanden aus dem Dienst entlassen," donnerte er kalte Worte hinab und war auch nicht willens diesen Frauen ihre Männer oder Söhne zurückzugeben. Es würde jedwede Disziplin gefährden, wenn er jetzt nachgab. Dennoch musste er die Lage lösen. "Ihr könnt euch aber dem Tross anschließen und mit ihnen reisen. Wir brauchen auch immer Köchinnen oder Mägde," erklärte er und versuchte damit auch den Personalbedarf an Dienstleistung mit abzudecken. "Wir wollen, dass sie das Heer verlassen," war die nächste Forderung und Belisarius rollte mit den Augen. Es war ihm gleichgültig, was diese Frauen wollten und doch bot diese Lage ein gewisses politisches Potenzial. Eine kleine Kolonne an Armbrustschützen in ihren Kettenrüstungen zog vorbei, so dass das Gespräch kurz unterbrochen wurde, bevor es wieder aufgenommen wurde. "Sie können es nicht verlassen. Wer das Handgeld nimmt, stimmt einer Verwendung im vereinbarten Zeitraum zu. Der Zeitraum kann nur durch Kriegsunfähigkeit oder Tod verkürzt werden. Der Dienst ist verpflichtend und wurde jedem Werbungswilligen vollends erklärt. Ihre Zustimmung war freiwillig," erklärte er. "Der Tross steht euch jederzeit frei," wiederholte er und deutete hinter sich zu einem Trosszelt mit Ofen und Herd, welches als Küche diente. Dort taten in der Tat einige Frauen Dienst und schnitten riesige Mengen an Gemüse und einer geringeren Menge an Fleisch für einen übergroßen Eintopf, dessen Wasser bereits köchelte. "Eure Männer und Söhne erhalten Sold. Einen guten Sold und erhalten noch dazu wertvolle Ausrüstung. Wenn sie zurückkehren, werden sie gemachte Männer sein. Seid dankbar für diese Gelegenheit," formulierte er eine behelfsmäßige Idee, die selbst ihm nicht ganz passte. Niemand wurde im Krieg gemacht, sondern eher zerstört. Denn niemand zog in den Krieg und kehrte als der Mensch zurück, als der er gegangen war.
Die Frauen weinten, klagten erneut und dieses mal sehr wirr und durcheinander. Forderungen und Klagen gingen ineinander über. "Ich bin dessen überdrüssig," murmelte er und hob seine beiden Arme und machte eine Faustgeste. Ein optisches Signal für die Wachtmeister des Lagers eine Wachgruppe an den Heermeister zu schicken. Jedes Heer hatte seine Zeichen und Befehle. Mehrere Wachen strömten herbei, teilweise mit Hellebarden bewaffnet. Die Hellebarde war ein Erkennungszeichen für höherstehende Soldaten und auch eine Waffe mit Disziplinierungsautorität. Sie war ein Erkennungszeichen für Wachhabende und Soldaten mit entsprechende Wachaufgabe. "Diese Frauen werden das Lager verlassen. Wenn sie sich dem Tross als Mägde oder Köchinnen anschließen wollen, sollen sie dies tun. Bis dahin dürfen sie das Lager nicht betreten," beschloss der Kriegsherr und deutete auf den Kreis an Frauen, die nun zum Teil auf ihre Knie fielen. Doch die Wachen nickten willfährig und begannen die Frauen unsanft zu packen oder mit quergestellten Hellebarden aus dem Lager zu treiben. Belisarius seufzte abermals. "Sie haben Recht. Ich stehle ihnen Generationen," sagte er zum Schreiber, der müde aufblicke. Sein Gambeson trug ein spezielles Zeichen, was ihn als Schreiber und Beamten des Heeres auszeichnete. Dies schützte ihn vor körperlicher Gewalt, wenn sie nicht entsprechend angeordnet war. "Mein Herr, das tun wir alle. Doch es ist notwendig," versuchte der Schreiber seinen obersten Herren zu beruhigen, da er merkte, dass diese Lage Belisarius doch sichtlich beunruhigt hatte. "Wir werden sehen," meinte der Heermeister und setzte seinen Weg fort. Belisarius war sich des Umstandes bewusst, dass er sicherlich eine Art Lebensdieb war. - Und nicht jeder, der sich hier im Lager als Söldner meldete, wirklich ganz freiwillig dienen wollte. Aus seiner Sicht gab es jedoch keine alternativen Möglichkeiten. Ein Heer musste gemacht werden, wie ein Soldat auch durch Drill abgerichtet wurde.
Er gelangte an einem Teil des Lagers vorbei, wo die sogenannten Werbungswilligen aus Matarriya verwahrt wurden. Belisarius ließ sie strikt vom regulären Heer trennen, da sie nicht freiwillig eingetreten waren oder nicht die notwendige Gewähr boten, einen disziplinierten Dienst abzuleisten. Belisarius wusste darum, dass dies Zwangsrekrutierte waren und zu Tausenden verschifft worden waren. So leid es ihm war, so musste er sie nur in ihr Funktion als militärisches Auffüllmaterial betrachten. König Ridvan hatte sie nun mal in den Dienst pressen lassen. Sie konnten Masse schaffen aber waren in ihrer Struktur nicht für disziplinierte Manöver zu gebrauchen. Teile von ihnen hatten bereits einen Fluchtversuch unternommen und lagen nun in Ketten in kleineren Zelten, wo sie auf ihr Schicksal warteten. Belisarius würde über deren Schicksal noch befinden müssen und wie er sie verwendbar machen konnte. Der Teil der Sommerländer, welche nicht fliehen wollten, war motivationslos oder zum Teil kränklich. Er gedachte diese in einer einfachen Linientaktik auszubilden und ihnen schlicht Speere und einen Gambeson sowie Helm zu geben, damit sie als Frontlinienfußvolk erste Linien des Feindes brechen konnten. Sofern sie hierbei ihren Dienst verrichten konnten, war dies gut genug. Wenn sie sich danach auflösten oder verfielen, war dies gleichgültig, da das reguläre Heer nun handlungsfähig wäre. Belisarius blickte dezent angewidert auf das Schauspiel mit diesen Leuten, da sie sich wenig geordnet bewegten, mehr herumlungerten und durch die Offiziere und Wachtmeister streng beaufsichtigt werden mussten. Immer wieder drang wütendes Gebrüll hinüber, weil ein Offizier einen unwilligen Sommerländer ermahnen musste. Das war kein Heer in den Augen von Belisarius, sondern viel mehr eine Ansammlung von Notwendigkeiten. Der Heermeister wandte seinen Blick ab und machte sich auf, zu seinem Hauptzelt und Hauptquartier, um weitere Entschlüsse zu fassen.
