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| Elaine Beaufort |
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14-09-2024, 23:00 - Wörter:
My mind's a place I can′t escape your ghost
Sometimes I wish that I could see you one more day One more rainy day
 Auch wenn sie hinter Straßenecke gestanden und die Menschen entfernt auf dem großen Platz nur schemenhaft hatte wahrnehmen können, hatte ihre Anwesenheit gereicht, um die Atmosphäre unter den Menschen erspüren zu können. Viele Fragezeichen, viel Getuschel und viel Unverständnis zierte die Gesichter dieser und Elaine hatte den Blick durch die Menschenmassen gleiten lassen, die der Hinrichtung beigewohnt hatten. Vielleicht war ihr das Schicksal in den letzten Tagen wohl gesonnen gewesen, vielleicht war sie aber auch einfach aufmerksam genug gewesen, um erfolgreich jenen, die sie hätten zuordnen können, aus dem Weg gegangen zu sein. Es hatte keinerlei derartige Zwischenfälle gegeben, während Elaine sich an junge Soldaten gehalten hatte, die ihr Gesicht mit Sicherheit nicht kannten. Ein Raunen war durch die Menge gegangen, doch ihr Blick hatte ausschließlich einem Hinterkopf an der Seite des frühlingsländischen Königs gegolten. Vielleicht hatte sie ihn an seiner Körperhaltung oder den wilden Locken erkannt, Fakt war, dass er für sie aus jeder Menge herausstechen würde. Auch wenn er an der anderen Seite des Platzes stand und in eine andere Richtung blickte. Das laute Geräusch, das vom Holz beim Schafrichter auszugehen schien, ließ die Menschen zischen, schreien und entsetzt grölen. Godwyn schien den Kopf zu senken und leicht zu schütteln – auch von weit weg und den Blick auf seine Rückseite gerichtet hatte sie deutlich sehen können, dass er kein Freund der Hinrichtung Trakas war. Ob er ihrer Hinrichtung auch derart demütig beigewohnt hätte?
Der restliche Tag war anstrengend gewesen. In der ganzen Stadt war es zu Tumulten gekommen, in Tavernen waren Schlägereien ausgebrochen und auf den Straßen waren frühlingsländische Soldaten angespuckt worden. Den Einwohnern konnte man diese Gefühlsregungen wohl kaum verübeln. Voller Hingabe hatte Elaine das Blut von ein paar Platzwunden weg-getupft und einem sehr jungen Soldaten anschließend etwas Trost gespendet, weil dieser seine Eltern so sehr vermisste. Wie weit war sie eigentlich gesunken? Es war schon dunkel, als sie den jungen Mann endlich davon überzeugen konnte, sich hinzulegen und sich auszuruhen, um morgen weiter Unruhen schlichten zu können.
Auf der Straße nahm sie einen tiefen Atemzug und schloss kurz die Auge, um sich die frische Luft um die Nase wehen zu lassen. Das angetrocknete Blut an ihren Händen wurde am Rock abgewischt – wirkte sowieso viel authentischer – und ihr Blick fiel auf den Taverneneingang gegenüber. Vermutlich fiel ihr dieser ins Auge, weil sich die Tür gerade öffnete und einen kleinen, hellen Strahl an Licht auf die Straße entließ. Automatisch wich sie etwas in die schützende Dunkelheit eines Seiteneingangs zurück und erkannte parallel, dass das Schicksal nun wohl genug von ihrem Versteckspiel zu haben schien.
So wie sie ihn vorhin unter hunderten Menschen erkannt hatte, würde sie ihn auch in vollster Dunkelheit unterscheiden können. Es war nicht in Ordnung, dass sich irgendeine Art Kloß in ihrem Hals zu formen begann, doch sie schaffte es, diesen herunterzuschlucken. Godwyn schlug die erste Seitengasse ein und vielleicht hätte sie sich umdrehen und in die andere Richtung verschwinden sollen. Doch natürlich trieb sie alles dorthin. Leise Schritte folgten Godwyn bis sie eine sichere Distanz zur Taverne hinter sich gebracht hatten und eine der Nebengassen äußerst verlassen aussah. Kein Blick auf die Hauptstraße, keine Hauseingänge und ein Geruch, als würde diese Straße eher als Latrine dienen. Perfekt also für die schäbige Vergangenheit, die sie beide teilten. Elaine ließ ihre Schritte langsam absichtlich etwas lauter werden und blieb irgendwann stehen. Sie wusste, dass er sich fragend umdrehen würde. Für eine Millisekunde überlegte sie, doch in der Dunkelheit zu verschwinden und sich wieder einzureden, dass sie diesen Teil ihrer Vergangenheit hinter sich lassen würde. Doch statt sich umzudrehen, griff sie an das Tuch, das einen Teil ihres Gesichts bedeckte, und zog es nach unten, um es dem armen Ritter nicht noch schwerer zu machen.
Sie konnte nicht blinzeln, nicht atmen und nicht schlucken, aber vielleicht musste sie das gar nicht. Vielleicht musste sie ihn nur mit einer Mischung aus Trauer, Verzweiflung und Wut ansehen. Es war doch vollkommen egal, wie diese Sache ausgehen würde. Sollte er sie erneut verhaften lassen, würde sie ihn dazu zwingen, endlich zu Ende zu bringen, was er angefangen hatte. Sie war dem Tod und dem Verderben oft genug von der Schippe gesprungen und vielleicht war die Begegnung mit Godwyn in einer räudigen Gasse nun das letzte Gericht. In der Dunkelheit sah er mitgenommen aus und wahrscheinlich sollte sie etwas sagen. Nun konnte sie doch schlucken und einmal blinzeln, ehe sie ihr Kinn hob, um mit Stolz zu antworten, obwohl er es war, der ihr all ihre Würde genommen hatte. „Fast romantisch, nicht wahr?“ Sie hatte zynisch klingen wollen, doch sie konnte das Zittern in ihrer eigenen Stimme nicht unterdrücken. Was sie hier von ihm wollte? Niemals hätte sie diese Frage sinnvoll beantworten können. Sie nickte Richtung Westen. „Nicht weit von hier habe ich vor vielen Jahren einen Mann über den Hauswein schimpfen hören. Andere fanden das unangebracht - Ich fand es erfrischend.“ Vor 12 Jahren hatten sie sich in dieser Stadt kennengelernt. Niemals hätte sie gedacht, dass ein Mann derart Einfluss auf sie haben konnte. Doch Godwyn war genau dieser Mann gewesen. Und wenn sie ehrlich war, war er es immer noch.
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| Godwyn Wakefield |
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15-09-2024, 19:37 - Wörter:
Vor zwölf Tagen hatten sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Stadt Eastergold Meadow überrannt und eingenommen. Die Bewohner waren so unvorbereitet und überrascht, dass es kaum Widerstand gegeben hatte. Godwyn war erleichtert darüber gewesen, dass das Blutvergießen auf ein Minimum beschränkt geblieben war. Obwohl er als Ritter der königlichen Garde uneingeschränkt loyal an der Seite seines Königs stand, war er keiner, der sich am Töten erfreute. Er kämpfte für seine Pflicht, nicht für Ruhm oder Blutlust.
Der Fürst von Eastergold Meadow hatte vernünftig reagiert und seine Männer zur Kapitulation aufgefordert, doch es hatte nicht gereicht, um alle zu beruhigen. Einzelne Soldaten hatten sich aufgelehnt, und es war zu kleineren Scharmützeln in den engen Straßen gekommen. Auch Unbeteiligte waren dabei ums Leben gekommen. Die Bevölkerung war tief erschüttert, die Stadt lag wie betäubt. Die ersten Tage nach der Eroberung waren unheimlich ruhig gewesen. Leere Straßen, verschlossene Türen, und jene, die fliehen konnten, waren bereits in Richtung der neu gezogenen Grenze nach Castandor aufgebrochen. Die Stadt schien den Atem anzuhalten, während sie darauf wartete, welches Schicksal Fürst Trakas ereilen würde.
König Charles hatte nach der Einnahme Boten in alle Himmelsrichtungen des Frühlingslandes geschickt, um seine Fürsten zu sich zu rufen. Auch nach Wyndshott Steading war ein Bote unterwegs gewesen. Tage später war zwar nicht sein Vater, aber Godwyns ältester Bruder Edwin eingetroffen, um für das Fürstenhaus der Wakefields zu sprechen. Das Wiedersehen der Brüder war kühl und distanziert verlaufen. Sie hatten sich in den letzten Jahren wenig zu sagen gehabt, zu viel lag zwischen ihnen, unausgesprochene Vorwürfe und schwelende Konflikte, die mit jedem Treffen neu entbrannten. Godwyns spärliche Besuche zu Hause waren stets eine Qual, vor allem, weil die Erinnerungen an Elaine ihn auf Schritt und Tritt zu verfolgen schienen. Jedes vertraute Eck, jeder Raum in der Burg ließ sie in seinen Gedanken wieder lebendig werden – ihr Lachen, das einst durch die Hallen gehallt hatte, der flüchtige Duft ihres Parfüms, der ihn in den Wahnsinn trieb, oder der Anblick ihrer dunklen Locken, die er zu sehen glaubte, wann immer er sich umdrehte.
Godwyn hatte gedacht, er wäre vorbereitet auf das, was kommen würde. Doch als die Fürsten in der großen Halle zusammentraten und das Schicksal von Fürst Trakas besiegelten, spürte er ein tiefes Unbehagen in sich aufsteigen. Die Abstimmung verlief schneller, als er es erwartet hatte, sie stimmten mehrheitlich dafür, dass Trakas hingerichtet werden sollte, trotz seiner bedingungslosen Kapitulation. Godwyn war geschockt. Er hatte gehofft, dass es zumindest eine Möglichkeit zur Gnade geben würde, doch die politischen Machtspiele der Fürsten hatten diese Hoffnung zunichtegemacht.
Als der Tag der Hinrichtung gekommen war, hatte er als Leibwache neben dem König gestanden, den Blick starr auf den Platz gerichtet, ohne wirklich etwas wahrzunehmen. Die Geräusche der Menge, das Murmeln, das Tuscheln – alles schien gedämpft, wie durch einen Schleier. Godwyn hatte den Kopf gesenkt, als Trakas auf das Schafott geführt wurde, und leise den Kopf geschüttelt. Es war ein Akt, den er zutiefst verabscheute. Doch was hätte er tun können? Er war ein Ritter, gebunden an seine Pflicht und seinen König. Sich dagegen aufzulehnen hätte ihn nicht nur seinen Rang, sondern vielleicht auch sein Leben gekostet.
Nach der Hinrichtung des einstigen Fürsten brach die zuvor gedrückte Stimmung in Eastergold Meadow endgültig auf. Die Stille, die die Stadt in den letzten Tagen beherrscht hatte, verwandelte sich in Chaos und Aufruhr. Die Luft war schwer von Wut, Angst und Trauer, die sich nun in Tumulten entluden.
Godwyn und die anderen Ritter hatten alle Hände voll zu tun, den König zu schützen und die Ordnung in der Stadt wiederherzustellen. Immer wieder mussten sie gegen die aufgebrachte Bevölkerung vorgehen, was zu zahlreichen Verletzten führte. Ein Gegenstand traf ihn an der Stirn, doch er schenkte dem kaum Beachtung, wischte das Blut mit dem Ärmel seiner Jacke fort und kämpfte weiter. Erst gegen Abend begann sich die Lage allmählich zu beruhigen, und die Straßen wurden wieder etwas stiller.
Erschöpft zog der Ritter der Königsgarde sich in eine der Tavernen zurück, welche den Auseinandersetzungen einigermaßen Stand gehalten hatte und bestellte einen Krug Wein, bei dem es nicht bleiben sollte. Als der Alkohol zu wirken begann und sich seine Sinne verlangsamten, verließ Godwyn die Taverne. Er brauchte frische Luft, oder besser gesagt, eine Pause vom Lärm und den Menschen. In der düsteren Seitengasse neben der Taverne suchte er eine Ecke auf, um sich zu erleichtern. Der modrige Geruch der Gasse vermischte sich mit dem alkoholischen Dunst, der von ihm ausging. Die Gasse war leer und still, ein kurzer Moment der Ruhe, den er dringend benötigte.
Godwyn lehnte sich an die Wand, während er seine Gedanken versuchte, für einen Moment zu ordnen. Die Anspannung ließ etwas nach, als er plötzlich Schritte hinter sich hörte. Erst leise, dann deutlicher. Sie waren vorsichtig, als wollte jemand unbemerkt bleiben – oder zumindest nicht sofort auf sich aufmerksam machen. Godwyn drehte sich langsam um, seine Hand unbewusst zum Schwertgriff an seiner Seite wandernd. Die Dunkelheit machte es schwer, die Gestalt zu erkennen, doch irgendetwas ließ sein Herz schneller schlagen. Da war etwas Vertrautes in der Art, wie diese Person sich bewegte.
Dann sprach sie, und Godwyn glaubte, sein Herz müsse stehen bleiben. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er die Person an, die sich langsam näherte, unfähig sich zu rühren. Das konnte nicht sein – der Alkohol musste ihm einen Streich spielen. Er kniff die Augen zusammen, um sich zu vergewissern, doch als er sie wieder öffnete, stand sie immer noch vor ihm. Es dauerte einige Sekunden, bis er seine Stimme wiederfand, und als er sprach, klang sie heiser und eingerostet, als hätte er lange nicht gesprochen. „ Das kann nicht sein… du bist tot. Im Feuer gestorben. Bist du ihr Geist, der kommt, um sich zu rächen? Heofader, steh mir bei.“
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16-09-2024, 00:00 - Wörter:
Sie hasste diesen Anblick. Wie oft schon hatte sie in das verdutzte Gesicht eines Mannes geblickt, dessen Gehirn um Welten langsamer arbeitete als ihre Worte. Sie wollte auch diesen Anblick hassen und sie gab sich Mühe. Seine Haare waren zerzaust und sie wollte nicht wissen, wann sie das letzte Mal Wasser – oder gar eine Bürste gesehen hatten. Seine Schulter trug ein ihr bekanntes Emblem, aber in einer neuen Ausführung – entweder ein modische Neuerung oder irgendein höherer Rang, auf welchen der Prinz sich nun etwas einbilden durfte. Zu gern hatte sie ihm einst diese Uniform ausgezogen – nun hätte sie gern jemanden mit einem Waschlappen geholt, damit irgendwer das verkrustete Blut daran entfernte. Seine Hand war automatisch an den Griff seiner Waffe gerutscht und Elaine legte den Kopf schief, um zu betrachten, ob er noch immer Freund des Langschwertes war. Jep. Man(n) blieb wohl bei den Dingen, die Man(n) kannte, was? Sie hatte viel Zeit damit verbracht, ihm beim Kämpfen zuzusehen. Kurz musste sie schmunzeln, weil sie daran dachte, wie sie gemeinsam geübt hatten, als ein wichtiger Showkampf bevorgestanden hatte – „geübt“. Elaine hatte Godwyn, der wenig Begeisterung an den Tag gelegt hatte, schon fast auf den Übungsplatz genötigt und sich dem Ritter lachend – und gleichzeitig äußerst grimmig drein schauend! – mit einem Holzschild (das brutal schwer gewesen war!) in den Weg gestellt. Natürlich hatte er nicht ernsthaft zugeschlagen und letztendlich hatten sie beide sich darüber totgelacht, dass Elaine das blöde Schild nur mit beiden Händen hatte halten können. Natürlich hatte er den Kampf am nächsten Tag gewonnen. So, wie er fast jeden dieser Kämpfe mit dem Schwert gewonnen hatte. Ob er noch mit dem selben wie damals kämpfte… - interessierte sie keineswegs. Und so glitt ihr Blick wieder höher.
Der Mond ließ ein paar Strahlen durch die Wolkendecke blitzten und tauchten Godwyns fassungsloses Gesicht in ein Spiel aus Licht und Schatten. Mit gehobenem Kinn musterte sie es möglichst ausgiebig. Eigentlich hatte sie gedacht, dass sie sich jedes Detail perfekt eingeprägt hatte, doch hier wirkte es fast so, als würde ein fremder Mann vor ihr stehen – den sie gleichzeitig so gut kannte. Es war eine Mischung, die sie nicht richtig begreifen konnte. Seine Stimme war kratzig, anders, als sie diese in Erinnerung hatte. Er hatte doch nicht allein in der Taverne gesessen und war deshalb derart heiser?
Elaine schloss für eine kurze Sekunde die Augen, als er sprach und seufzte dann. „Davon hast du also gehört?“, war ihre rhetorische Antwort, während sie gespielt nachdenklich die Stirn runzelte und mit ihren in dünne Handschuhe gepackten Fingern spielte. „Seltsam, aus irgendeinem Grund war ich davon ausgegangen, dass du gar nicht wusstest, wo ich untergebracht wurde.“ In ihrer Stimme lag schwerer Sarkasmus, den er in seinem Delirium hoffentlich nicht überhörte. War das der Alkohol oder der Schock, der ihn derart schwer von Begriff sein ließ? Sollte sie ihm mehr Zeit lassen? Oder ihm gruselig entgegen spuken, damit er sie möglich lang für einen Geist hielt? Sollte sie einfach dastehen und ihn ansehen, abwarten, bis er sich wieder gefangen hatte? Eigentlich hatte sie noch keine Entscheidung gefällt, doch es war, als würden ihre Füße eigene Entscheidungen treffen – denn diese trugen sie einige Schritte auf Godwyn zu. Jetzt brauchte er nur noch sein Schwert zu zücken und vielleicht war dieser Albtraum dann endlich vorbei. Faktisch gesehen, musste er fürchterlich riechen – sie vernahm Schweiß, Alkohol, diese Rüstung, die schon bessere Tage gesehen hatte, doch da war immer noch dieses bisschen, das nach Godwyn roch, das sie beinahe um den Verstand brachte. Da war diese Seite in ihr, die ihm um den Hals fallen wollte. Die sich fest an diesen Mann, der ihr einst das wertvollste gewesen war, klammern und ihn nicht mehr loslassen wollte. Und dann war da diese Seite, die am liebsten einen Dolch gezückt und die eigene Wut und den eigenen Schmerz mit abscheulichen Dingen betäubt hätte. Ein wenig restliche Contenance sorgte dafür, dass keine dieser Seiten überhand nahm.
„Kein Gott dieser Welt wird dich von deinem Gewissen befreien.“, zischte sie ihm entgegen. „Kein Gott kann dein Spiegelbild ändern.“ Fast schon amüsant, wie Menschen, die Grenzerfahrungen machten, plötzlich lammfromm und gottesehrfürchtig wurden. Aber er konnte ihr nichts vormachen. Sie kannte ihn. All seine Ecken und Kanten und jede Linie, die das Leben in und auf ihm gezeichnet hatte. Nicht aber die, die letzten acht Jahre mit sich gebracht hatten. Unweigerlich fragte sie sich, ob sie diese überhaupt kennenlernen wollte. Sie war ohne jeglichen Plan in diese Situation gegangen – und vor allem ohne Ziel. Eigentlich passte das nicht zu ihr, aber – auch, wenn sie das nie zugeben würde – dieser Mann brachte sie aus ihrem hart erlernten Konzept. "Weißt du, da ist eine Frage, die mich den ganzen Tag nicht losgelassen hat“, sprach sie leise, um all ihre Gedanken damit zu überspielen und seine Verdutztheit noch einen Moment länger auszukosten. Für die Dramatik hielt sie ein wenig inne und legte den Kopf schief, während sie ihn, nun wesentlich näher, betrachtete. „Hättest du mir auch zugesehen?" Ihre Stimme war jetzt nur noch ein Flüstern. "So wie Trakas heute?“ Am liebsten hätte sie ihre Hand an sein Gesicht gelegt, um ihm und sich selbst irgendeinen Teil dieser Wut und des Schmerzes zu nehmen. Tatsächlich hob sich ihre Hand auch ein Stück, doch sie hielt vor ihm inne und ballte die Finger langsam und verkrampft. Ihre Zähne hatte sie aufeinandergebissen, denn das half gegen die Schwere in den Augenlidern. Die Melancholie schluckte sie herunter, wendete den Blick ab und nahm die Hand herunter. Sie blinzelte zweimal und hatte sich wieder gefangen. So hob sie beinahe entschuldigend beide Hände und machte einen Schritt zurück. Sie hatte sich wieder soweit im Griff, um ein zynisches Schmunzeln aufzusetzen. „Aber ich wollte dich nicht aufhalten. – Ihr habt sicher besseres zu tun, als Euch mit Straßengesindel abzugeben, Euer Gnaden.“
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| Godwyn Wakefield |
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16-09-2024, 22:55 - Wörter:
Godwyn stand wie versteinert da, seine blauen Augen fixierten Elaine in der Dunkelheit, während ihre Worte langsam in sein Bewusstsein sickerten. Er lehnte schwer gegen die Mauer hinter sich; ohne sie hätten seine zitternden Knie längst nachgegeben, und er hätte das letzte Fünkchen Würde verloren. Er wäre vor der Frau, die er mehr geliebt hatte als sein eigenes Leben, auf die Knie gesunken. Der Wein, der ihm über die Jahre als Trostspender und Betäubungsmittel gedient hatte, schien in diesem Moment völlig seine Wirkung zu verlieren, als er versuchte, ihre Gegenwart zu begreifen. Ihr Sarkasmus schnitt tief in seine angeschlagenen Sinne, schärfer als jede Klinge, und der Schmerz war intensiver, als er ertragen konnte. Die Frau, die er längst für tot gehalten hatte, stand nun vor ihm. Lebendig. Wütend. Nicht nur in seinen träumerischen Gedanken oder in den geisterhaften Erinnerungen, die ihn seit Jahren quälten.
„Elaine …“ Seine Stimme war rau, als hätte er das Sprechen verlernt. Schwerfällig schluckte er, während seine Hände sich zu Fäusten ballten, ein verzweifelter Versuch, seine Fassung zu bewahren. Der heisere Klang, der seinen Lippen entwich, war nicht die Stimme eines stolzen Ritters, sondern die eines gebrochenen Mannes. „Du... du bist wirklich hier.“ Seine Worte waren kaum mehr als ein Flüstern, verloren im Wind der vergangenen Jahre. Er wollte etwas sagen, irgendetwas, doch es fehlten ihm die richtigen Worte. Stattdessen starrte er sie an, als sähe er sie zum ersten Mal.
All die Jahre hatte er sich danach gesehnt, sie noch einmal zu sehen, noch einmal mit ihr zu sprechen – doch jetzt, wo dieser Moment gekommen war, fühlte er nur die Bitterkeit jeder Silbe, die sie ihm entgegenschleuderte. Ihr Sarkasmus, ihre Verachtung, jedes Wort fühlte sich an, als würde sie ihm mit einem Dolch ins Herz stechen.
"Kein Gott dieser Welt wird dich von deinem Gewissen befreien... Kein Gott kann dein Spiegelbild ändern."
Ihre Worte lasteten schwer auf ihm, drückten ihn nieder, als wäre er unter ihrem Gewicht kurz davor zu brechen. Sie hatte recht. Der Mann, den er im Spiegel sah, war ein Schatten dessen, der er einst gewesen war – ein Mann, der alles verloren hatte, wofür er einst gekämpft hatte. Was er geliebt hatte.
„Ich…“, setzte er erneut an, doch die Worte verblassten, noch bevor sie Gestalt annehmen konnten. Die Frage, die darauf folgte, raubte ihm die Luft: „Hättest du mir auch zugesehen?“
Godwyn schloss die Augen, als ob er so den Schmerz ihrer Worte abwehren könnte. Als er sie wieder öffnete, stand Elaine näher, als er es erwartet hätte. Sie hob die Hand, als wollte sie ihn berühren, und sein Herz schlug schneller, eine ungewollte Reaktion, die er nicht unterdrücken konnte. Doch ihre Hand zitterte, bevor sie sich zu einer Faust ballte und sie sich wieder zurückzog. Die Distanz zwischen ihnen wuchs erneut.
„Elaine… ich…“ Godwyns Stimme versagte fast. „Ich hätte dich niemals…“ Er hielt inne, rang nach Worten, die die Kluft zwischen ihnen überbrücken könnten. Tief atmend versuchte er mit aller Kraft, die er noch aufbringen konnte, seine Fassung zu bewahren, obwohl er sich innerlich zerrissen fühlte. „Was glaubst du, wer dich vor der Hinrichtung bewahrt hat?“ Seine Stimme war jetzt nur noch ein Flüsterton. „Mein Vater sicher nicht. Ich habe alles versucht, um dich zu retten. Ich konnte nicht zulassen, dass du auf dem Schafott endest.“
Er ließ den Kopf hängen, seine Schultern sanken unter der Last seiner Erinnerungen und des unausgesprochenen Schmerzes. Er war erschöpft, so müde, dass es ihm schwerfiel, weiterzukämpfen. Für einen kurzen Moment dachte Godwyn daran, einfach loszulassen, sich fallen zu lassen, in die Gosse zu fallen, aus der sie gekrochen war, um über ihn zu richten, wie ein Racheengel. Ihre letzten Sätze, voller schneidendem Zynismus, ließen ihn zusammenzucken. Ihr förmliches „Euer Gnaden“ brannte erneut wie eine scharfe Klinge in seiner Brust, die die Distanz zwischen ihnen noch größer werden ließ, obwohl sie sich nur wenige Schritte voneinander entfernt befanden.
Elaine zog sich vor ihm zurück, und alles in Godwyn schrie danach, sie festzuhalten – sie nie wieder gehen zu lassen. Jetzt, da er wusste, dass sie lebte, konnte er den Gedanken nicht ertragen, sie ein weiteres Mal zu verlieren. Doch die Vergangenheit lastete schwer auf ihnen; zu viel war geschehen. Der Schmerz, die Lügen, die unausgesprochenen Wahrheiten – all das stand wie ein undurchdringlicher Nebel zwischen ihnen. Es war unmöglich, einfach alles hinter sich zu lassen und zurückzukehren an den Punkt, an dem ihre Welt noch unberührt und vollkommen schien.
Godwyns Blick verdüsterte sich, als die Bitterkeit in ihm aufstieg, die quälende Ungewissheit, die ihn all die Jahre begleitet hatte, was an ihrer Liebe überhaupt echt gewesen war. „Es war sowieso alles eine Lüge, nicht wahr?“ Seine Stimme war leise, doch der Schmerz darunter war unüberhörbar. „Gib es ruhig zu, dass du mich nie geliebt hast. Ich war nur ein Mittel zum Zweck, um dich in unsere Familie einzuschleichen. Mein Bruder hatte recht gehabt, dir zu misstrauen. Ich wollte es nur nicht wahrhaben.“
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| Elaine Beaufort |
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17-09-2024, 22:27 - Wörter:
 Es gab tausende Stimmen in ihr, die verschiedene Dinge schrien und tun wollten. Das hatte sie manchmal, aber derart hatte sie es noch nicht erlebt. Es war, als könnte sie nicht vorhersagen, welche dieser Stimmen gleich überhand nehmen würde. Es gab diesen Teil, der sich endlich gehen lassen und von den Armen des Mannes vor ihr aufgefangen werden wollte. Der all die Verzweiflung der letzten Jahre fallen lassen und in Tränen ausbrechen wollte. Aber wie so oft hatte die kalte, berechnende Art Überhand, die es verstand, Verzweiflung und Trauer in Wut und Rachegelüste umzuwandeln. Doch die Art, wie Godwyn ihren Namen aussprach, ließ sie für einige Momente ihre Augen schließen, weil dieser Ton hart an ihrer Contenance rüttelte. Er klang dabei gleichzeitig so vertraut und so unbekannt. Acht Jahre lang hatte sie nicht mehr gehört, wie ihr Ehemann sie bei ihrem Vornamen nannte – und schon lange hatte sie niemand mehr diesen Namen sagen hören. Kopfschüttelnd und gequälter als sie sich eigentlich zeigen wollte, schüttelte sie langsam den Kopf. „Nein“, hauchte sie leise. Dieses Mal weniger zynisch, sondern ehrlich verzweifelt. Vielleicht war ihr Körper hier anwesend, aber die Frau, die er vor zwölf Jahren geheiratet hatte, war es nicht. „Elaine hast du vor acht Jahren in eine gottlose Hölle geschickt.“ Mittlerweile war ihre Stimme wieder etwas härter und gefasster. Ja, vielleicht war sie der Racheengel, der ihn heimsuchen würde – heimsuchen musste – weil das Leben ohne diesen Antrieb keinen Sinn mehr hatte.
Diesen Moment hatte sie sich oft in ihren Tagträumen ausgemalt. Sie hatte viel Zeit mit Reisen, teilweise auch allein, verbracht und hatte genügend Zeit gehabt, die Gedanken schweifen zu lassen. Sie hatte überlegt, in seinem Zimmer zu warten, ihn mit einem Brief zu locken, plump auf der hellen Straße in ihn zu laufen – dieses Treffen hatte sehr viele Gestalten in ihrem Kopf angenommen und doch war er so ganz anders als in ihrer Fantasie. Sie brauchte keine körperliche Gewalt anwenden, um ihm weh zu tun. Im Gegenteil, vermutlich könnte kein Schwert dieser Welt ihn ähnlich leiden lassen, als ihre Worte – jedenfalls sah er sie genau so gequält an. In ihren Vorstellungen hatte sie dann ein breites Lächeln aufgesetzt und nicht aufgehört, ihm von der schrecklichen Zeit im Gefängnis und danach zu erzählen, doch jetzt, wo sie vor ihm stand und diesen Schmerz nicht nur in seinen Augen, sondern in seiner gesamten Erscheinung sah, schaffte sie es nicht, ihre Mundwinkel auch nur einen Millimeter nach oben zu bewegen. Ihr eigener Schmerz saß so tief, dass es sich anfühlte, als würde sie seinen auch direkt in ihrem Herzen spüren. Gefühle waren verdammte Verdammnis.
Es war besser, wenn sie ihn nicht zu Wort kommen ließ, oder? Sie merkte, wie es ihr Tränen in die Augen trieb, zuzusehen, wie er sowohl um Fassung, als auch um Worte rang. Er bekam kaum einen vollständigen Satz zustande und während sie erwartet hatte, dass sie sich darüber freuen würde, schmerzte sein gequälter Anblick nur noch mehr. Wieso ließ Heofader sie beide so leiden? In einer seiner Sprechpausen wollte sie antworten, wieder einen der Dolche herausholen, von welchen sie noch so viele besaß, doch sie schwieg und blickte ihm abwechselnd in das eine, dann in das andere schöne Auge. Sein linkes war so gleichmäßig blau, während das rechte diesen kleinen braunen Fleck hatte, den man nur sah, wenn man ihm nahe genug war – etwas, das sie schon lange nicht mehr war. Irgendwie hatte sie mit Entschuldigungen gerechnet oder mit Fragen, aber keinesfalls mit dem, was kam. Vermutlich konnte sie ihre Überraschung schlecht verbergen, weshalb sich ein verwundertes Runzeln auf die Stirn schlich und sie fragend ihren Kopf schieflegte, als er von ihrer Hinrichtung sprach. Normalerweise war sie dankbar dafür, dass ihr Kopf schnell arbeitete, doch darum konnte sie ihre Gedanken nicht vollends schließen. Sie hatte sich natürlich gefragt, weshalb sie aus Wynshot Steading weggebracht und letztendlich nicht in den Händen eines Schafrichters gelandet war, aber die Wachmänner hatten ihr diese Fragen nicht beantworten können. Sie hatte wilde Theorien dazu gehabt, aber das hier überraschte sie. Dennoch versuchte sie, sich schnell wieder zu sammeln, wendete kurz den Blick ab und blinzelte, um klare Gedanken zu fassen. Sie konnte ihm diesen Trumpf nicht stehen lassen, ohne die Sache vorher in Ruhe bedacht zu haben. „Du hast doch überhaupt erst dafür gesorgt, dass es so weit gekommen ist.“, zischte sie, um einfach abzulenken und die Gedanken an das, was er eben gesagt hatte, nicht zuzulassen. „Hättest du im Prozess für mich Partei ergriffen, wäre alles anders ausgegangen.“ Notwehr, ein verrückter, besessener Bruder und nichts hätte sich ändern müssen. Dann kam ihr, was das im Umkehrschluss auch heißen konnte und sie schnaubte vor ihm. „Warte – das heißt, du hättest mich lieber den Rest meines Lebens zwischen Verbrechern hinter Gittern hungern sehen? Wie – soll ich dafür dankbar sein? Stimmt - Halbnackt frierend auf Stroh zu schlafen ist ja fast wie Urlaub.“
Sie machte einige wenige Schritte zurück und wendete den Blick schon fast panisch zu Boden – aus Angst, sie könnte mit dieser Spitze, die sie eigentlich nur gegen ihn hatte verwenden wollen, recht haben. Vielleicht hatte er es wirklich fair gefunden? Vielleicht hatte er sie wirklich für den Rest ihres Lebens leiden lassen wollen? Vielleicht bedeutete sie ihm wirklich nichts mehr? So langsam schien Godwyn auch seine Sprache wiedergefunden zu haben und seine Worte machten es nicht besser. Wieso verletzten sie beide sich eigentlich nur noch? Scharf biss sie die Zähne aufeinander und blickte ihm wütend an. „Ist es das, was dir kommt, wenn du an uns zurück denkst?“ Sie schüttelte den Kopf, während einer kleiner Teil in ihr sagte, dass sie das verdient hatte. Zwei Sekunden geschlossene Augen, um sich zu sammeln. „Ja – Ja, vielleicht hast du recht.“, entgegnete sie also und öffnete die Arme schulterzuckend nach links und rechts. Sie wollte ihm noch weiter in irgendeiner Weise recht geben, ihm sagen, dass sie ihn nie geliebt hatte. Dass alles nur ein Vorwand gewesen war, dass er ein leichtes Opfer und das prunkvolle Anwesen eine willkommene Abwechslung gewesen waren, aber all die Worte brachte sie nicht über die Lippen. Sie öffnete die Lippen, um etwas zu antworten, doch diesmal war sie diejenige, die nicht direkt die passenden Worte fand. Erneut schüttelte sie den Kopf. „Dann hat dein Bruder ja genau das erreicht, was er wollte.“ Wieder lag ihr Blick auf seinen Augen – vielleicht der schönste Teil seines Körpers. „Und mir bestätigt das wieder, hättest du um meine Herkunft gewusst, hättest du mich keines Blickes gewürdigt. – Und du hast recht - Vielleicht wäre das besser gewesen. Dann müssten deine Gedanken an mich dich auch nicht mehr quälen. Schade, dass das das einzige ist, was sie zu tun scheinen.“
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| Unregistered |
| Godwyn Wakefield |
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30-09-2024, 20:21 - Wörter:
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis der Prinz von Wyndshott Steading den Schock so weit überwunden hatte, dass er wieder einen zusammenhängenden Satz zustande brachte. Godwyn war noch nie der schnellste Denker gewesen. Seine Stärke lag in der körperlichen Reaktion, nicht in der gedanklichen Schnelligkeit. Als Ritter war er es gewohnt, blitzschnell im Kampf zu agieren, doch im Spiel der Worte und Intrigen war er oft im Hintertreffen. Elaines Geist hingegen war messerscharf, immer mindestens drei Schritte voraus. Er konnte selten mit ihr mithalten, und das hatte ihn schon früher verunsichert. Während er noch nach Worten suchte oder versuchte, die Situation zu begreifen, hatte sie längst eine Antwort parat, hatte schon das nächste Spiel auf dem Brett begonnen, während er noch über den letzten Zug nachdachte.
Ihre Fähigkeit, mit scharfen Worten zu kontern und Situationen rasch zu erfassen, ließ ihn sich oft langsam und unbeholfen fühlen – eine Qual für jemanden, der sein Leben auf körperliche Stärke und Reflexe aufgebaut hatte. Wenn es um Kämpfe mit dem Schwert ging, wusste er, was zu tun war. Aber im Kampf der Köpfe, vor allem gegen Elaine, schien er immer ein paar Schritte zu spät zu kommen.
Erst, als er endlich fähig war, einen klaren Gedanken zu fassen, begann er zu begreifen, dass die Frau, die ihm in dieser schmutzigen Gasse gegenüberstand, tatsächlich seine totgeglaubte Ehefrau war – kein Geist, kein Trugbild seines alkoholgetränkten Verstandes. Die Erkenntnis, dass Elaine lebte, löste eine Welle der Erleichterung in ihm aus, die er nicht erklären konnte. Und doch spürte er sofort die alte Anziehungskraft, so stark wie damals. Ein Teil von ihm war bereit, ihr alles zu vergeben, einfach nur, damit sie wieder bei ihm war. Seine Liebe zu ihr war unverändert tief. Ein einziges Wort der Reue, ein Zeichen, dass ihre Liebe echt gewesen war, und er hätte alles andere vergessen.
Und genau diese Erkenntnis erschütterte Godwyn mehr als die Tatsache, dass sie wie durch ein Wunder den Brand im Gefängnis überlebt hatte und nun vor ihm stand. Denn das durfte nicht sein. Sie hatte ihm mehr als nur das Herz gebrochen. Er hatte ihr alles gegeben – schöne Kleider, Schmuck, ein sorgenfreies Leben. Er hatte sich wegen ihr von seiner Familie distanziert, sie vor allen verteidigt, wenn man ihn vor ihr gewarnt hatte. Und er wäre ohne zu zögern noch weiter gegangen. Hätte sie ihm gesagt, er solle springen, er wäre gesprungen. Denn diese Frau hatte ihm mehr bedeutet als sein eigenes Leben. Bis zu jenem Tag, als ihr Konstrukt aus Lügen wie ein Kartenhaus zusammenbrach.
Vielleicht hätte er ihre Lügen über ihre Vergangenheit verziehen, wenn sie ihm beteuert hätte, dass das alles hinter ihr lag. Aber sie hatte Harold ermordet – und das war unverzeihlich. Natürlich hatte sie auf Notwehr plädiert, und ein Teil von ihm wollte das glauben. Doch ein anderer Teil sah darin nur den Höhepunkt eines ausgeklügelten Plans, in dem sie sich bei den Wakefields eingeschlichen hatte, um sie zu zerstören. Genau das, wovor ihn seine Familie gewarnt hatte.
Godwyn stand vor Elaine, unfähig, seine Gefühle zu ordnen. Ihre Kälte und ihr Zynismus rissen alte Wunden auf, und das, was ihn am meisten schmerzte, war die Ungewissheit. All die Jahre hatte er sich gefragt, was zwischen ihnen echt gewesen war. Und jetzt, da sie hier vor ihm stand, brachte ihn diese Frage beinahe um den Verstand. Doch da war auch ihre Verzweiflung, die immer wieder durch ihre Maske der Unnahbarkeit blitzte – ein Schmerz, der seinem eigenen in nichts nachstand.
Als sie schwieg, überrascht über sein Geständnis, dass er ihre Hinrichtung verhindert hatte, suchte sie für einen Moment in seinen Augen nach Antworten. Godwyn spürte, wie seine Brust sich zusammenzog, als ihre Fassade kurz fiel und Verletzlichkeit durchschimmerte. Für einen Moment war er versucht, sie in seine Arme zu ziehen. Schon hob sich sein Arm, fast von alleine, doch Elaine wich zurück, und im nächsten Moment stieß sie ihm erneut Dolche ins Herz – scharfe Vorwürfe, dass er sie nicht vor Gericht verteidigt hatte.
Der Vorwurf traf Godwyn tief. Diese Frage hatte er sich selbst jahrelang gestellt – warum er geschwiegen hatte, warum er nichts getan hatte, um seine geliebte Frau zu retten. Doch die Beweise über ihre wahre Identität, die Lügen, die sie aufgebaut hatte, hatten ihn zu sehr geschockt, um klar denken zu können.
„Das hast du dir selbst zuzuschreiben, Elaine,“ sagte er schließlich, seine Stimme rau und gequält. „Oder wie auch immer du wirklich heißt. Du hast die Lügen gelebt, die du mir erzählt hast. Ich hätte dich niemals ins Gefängnis geschickt, wenn ich eine Wahl gehabt hätte.“ Seine Stimme brach, die Wut und der Schmerz flossen ineinander. „Aber die Beweise waren erdrückend. Alles sprach gegen dich. Der Fürst wollte dich hängen sehen, Elaine. Du hast seinen Sohn, meinen Bruder, getötet. Ich hatte keine andere Möglichkeit.“
Als sie ihm vorwarf, dass er sie den Rest ihres Lebens im Gefängnis leiden lassen wollte, zuckte Godwyn zurück, als hätte sie ihn geschlagen. „Glaubst du wirklich, ich hätte gewollt, dass du leidest?“ Seine Stimme brach erneut, als er sich mit der Hand über die Stirn rieb, wo das getrocknete Blut klebte. „Ich habe dich mehr geliebt als mein eigenes Leben. Und du glaubst, ich wollte, dass es so endet?“ Es fiel ihm schwer, sie so zu sehen – zurückweichend, fast ängstlich. Bilder der Prozesstage drängten sich ihm auf, als sie ihn mit großen, verzweifelten Augen ansah. Augen, die um Gnade flehten, bis er es nicht mehr ertragen konnte, überhaupt hinzusehen.
Godwyn senkte den Blick und schluckte schwer, als die Erinnerungen ihn überwältigten. Der Gedanke, dass alles nur eine Lüge gewesen war, erschien ihm als der einfachste Ausweg. Wenn er das glauben konnte, könnte er sich vielleicht endlich von ihrem Schatten lösen. Doch als er sie damit konfrontierte, war ihre Antwort nicht eindeutig. Statt einfach zuzugeben, dass alles ein Betrug gewesen war, reagierte sie wütend und ehrlich getroffen. Selbst in seinem verwirrten Zustand erkannte er, dass sie nicht die Reaktion zeigte, die er erwartet hatte. Sie hätte ihn in seiner Überzeugung lassen können, aber stattdessen sah er in ihr Schmerz und Verletzlichkeit – etwas, das er nicht mit der Frau verband, die ihm all das angetan hatte.
Er hob erneut den Blick, sein Herz schwer vor Verwirrung. „Wenn alles eine Lüge war…“, begann er leise, seine Stimme brüchig vor den unausgesprochenen Fragen, „warum reagierst du dann so? Was soll das heißen, dass ich "vielleicht" recht habe?“ Er löste sich zögerlich von der Wand, die ihm Schutz gegeben hatte und trat einen Schritt näher, als ob er die Wahrheit in ihrem Gesicht lesen könnte. „Warum kannst du es mir nicht einfach sagen? Sag mir, dass es von Anfang an nur ein geplanter Betrug war, und wir gehen getrennte Wege - für immer.“
Godwyns Augen wanderten über ihr Gesicht, suchten Antworten, die er so lange vermisst hatte. „Heofader, Elaine, ich wollte dir glauben. Ich wollte an uns glauben.“ Er schüttelte den Kopf, als ob er die Erinnerung an seine eigene Naivität abschütteln könnte. „Vielleicht hast du mich benutzt, vielleicht hast du gelogen – aber ich habe immer gehofft, dass wenigstens ein Teil von uns echt war.“ Er fing ihren Blick ein und für einen Moment sahen sie sich nur an. „ Ich hätte dich immer geliebt, egal, wer du warst. Aber du hast mir nie die Chance gegeben, dich wirklich zu kennen."
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18-11-2024, 15:58 - Wörter:
Ein Teil in Elaine glaubte noch immer, dass er nicht echt war. Dass sie träumte, so wie sie sich diese Situation schon so oft erträumt hatte. Wobei „erträumt“ dafür der falsche Begriff war. Godwyn hatte und würde sich für immer in ihre Gedanken und Träume schleichen. Sie nachts wach halten, sie trinken, schreien und weinen lassen, denn das war es, was er tat. Er brachte sie um den verstand mit seiner bloßen Existenz. Ob das besser sein würde, wenn er irgendwann nicht mehr wäre? Ihr Leben lang hatte sie gelernt, nach außen hin gute Miene zu bösem Spiel zu machen und daran klammerte sie sich fest. Sie würde viel dafür geben, herauszufinden, was in seinem Kopf vorging. Er war sichtlich überrascht, oder eher geschockt und das war gut so. Sollte er auch sein. Aber irgendetwas in ihr sagte ihr, dass ihr diese Situation nicht so viel Genugtuung geben würde, wie sie es sich ausgemalt hatte. Monatelang, Jahrelang in den dunkelsten Zeiten überhaupt.
Seine Worten trieben ihr Tränen in die Augen, auch wenn sie diese am liebsten niemals hätte Oberhand gewinnen lassen. Auch das war so eine Sache, die ihr durchaus bewusst war: Godwyn war ihre Nemesis und ihre größte Schwäche. Und sie hasste das. „Du -“ kurz fehlten ihr die Worte, wobei ihr diese sonst nie fehlten. „Schieb deinen Verrat nicht auf das System. Wenn du gewollt hättest, hättest du mich retten können. Aber du hast klar gemacht, auf welcher Seite du stehst.“, spuckte sie ihm abfällig entgegen und musterte ihn zitternd von oben nach unten. „“Der Fürst““, wiederholte sie ebenso abfällig. „Hör auf, dich ständig hinter allem und jedem zu verstecken. DU hast Entscheidungen getroffen und DU musst dafür Verantwortung übernehmen. DU hast mich auf dem Gewissen.“ Sie schüttelte verständnislos den Kopf, sah in die dunkle Gasse und ballte ihre Faust, um ihrem Ärger ein zusätzliches Ventil zu bieten. Es hatte keinen Sinn mit Godwyn derart zu diskutieren. Und doch konnte sie das, was er von sich gab nicht so stehen lassen. „Godwyn!“, schrie sie ihm dann entgegen und machte wieder einen Schritt auf ihn zu. „Wie kannst du nach all den Jahren immer noch glauben, ich sei eine skrupellose Mörderin?! Hab ich dir nie irgendetwas bedeutet?“ Gut, vielleicht war sie eine skrupellose Mörderin, aber seinen Bruder hatte sie nicht aus Freude getötet. Der Streit mit diesem hatte zu eskalieren gedroht und vor ihrem inneren Auge hatte sie ihr gesamtes gemeinsames Leben mit ihm zerfallen sehen. „Ich hab das für uns tun müssen“, entgegnete sie dann leiser, mit deutlich hörbar zitternder Stimme.
Worte wie ‚geliebt‘ machten es ihr schwer, ihre Mauer aufrecht zu erhalten. Godwyn war gut darin, die Steine dieser Stück für Stück heraushämmern und sich den Eingang, durch den er einst gegangen war, wieder freizuräumen. Sie musste ankämpfen, ihn nicht tiefer eindringen zu lassen. Elaine musste die Augen zusammen kneifen und die Hände heben, um tatsächlich physisch zu versuchen, die Bilder aus ihrem Kopf zu vertreiben, die dunkler waren als die Nacht, in der sie sich gerade befanden. „Ich weiß nicht, was du willst oder gewollt hast“, flüsterte sie leise, kopfschüttelnd. Ihr Inneres machte ihr derart zu schaffen, dass sie nicht wusste, ob sie gleich ihre Unterkunft wiederfinden würde. Sie atmete tief durch und schloss zum Sammeln die Augen. „Aber es hat nicht geendet, du hast es nicht zu Ende bringen können.“ Sie schluckte, machte wieder einen kleinen Schritt zurück und betrachtete ihn. Eingefallener und etwas grauer, wie er war. Seine Augen waren leerer, seine Haare zerzaust, überall an ihm klebte Dreck und Blut. Was war nur aus diesem Mann geworden? Der scharfe Geruch von Alkohol und Schweiß überdeckte, wie gut er sonst immer gerochen hatte. Ihr Gesicht in seiner Halsbeuge zu vergraben war immer die schönste Nähe gewesen – jetzt widerte er sie an. Doch sie runzelte die Stirn. Er sollte sie anwidern. Doch er tat es nicht. Eigentlich war die Versuchung groß, ihn in eine Wanne zu setzen und ihm den Schmutz, seine Fehler und seine Schuld von den Schultern zu waschen.
Sie löste sich von diesen Gedanken, denn der Ton seiner Stimme änderte sich. Er klang verwirrt, aber im selben Atemzug klarer und nachdenklicher. Er kam sogar einen Schritt näher und automatisch hielt sie die Distanz, indem sie etwas zurückwich. Klare Momente in seinem Verstand machten ihr Angst. Nach wie vor war er, auch wenn er das niemals glauben würde, derjenige, der sie am besten kannte. Er hatte sie in der gemeinsamen Zeit viel zu oft tatsächlich so kennengelernt wie sie war – oder gern gewesen wäre, hätte das Schicksal ihr nicht so oft einen Strich durch die Rechnung gemacht. „Was?“, fragte sie kurz stirnrunzelnd und kopfschüttelnd. Was für eine seltsame Eingebung schien er da zu haben? Und wir gehen getrennte Wege - für immer. Sie sog kurz heftig Luft ein und schluckte. Verdammt, sie wollte kein offenes Buch für ihn sein, doch er besaß Schlüssel, von denen sie nicht wusste, dass er sie hatte. Wenn sie ehrlich war, waren die Gedanken an ihn die gewesen, die sie am Leben gehalten hatten. Irgendwann vor ihm zu stehen, ihm diese Dinge an den Kopf zu werfen und – egal, es hatte ihr Kraft gegeben und Punkt. Welchen Sinn hatte ihr Leben, wenn er nicht mehr war?
Vorsichtig hob sie den Kopf und trat automatisch wieder ein Stückchen näher an ihn heran, um ihn besser sehen zu können. Seine Augen waren etwas weniger leer als vorhin und es war, als könnte sie den Schmerz fühlen, den er fühlte. Es tat weh, seinem Blick stand zu halten, aber in irgendeiner Art und Weise tat dieser Schmerz auch gut. Sie verdiente ihn. Vielleicht verdienten sie beide ihn. Langsam schüttelte sie den Kopf während er sprach und wartete, bis er zu Ende gesprochen hatte. „Ich bin…“, begann sie langsam, wusste aber gar nicht, wie sie diesen Satz beenden sollte. Also fing sie nochmal neu an. „Niemand hat mich jemals so gekannt, wie du mich gekannt hast.“ Und das war die Wahrheit. Es hatte eine Zeit gegeben, in der sie sich frei, wohl und geliebt gefühlt hatte – an seiner Seite. „Aber-“ und ihre Gesichtszüge wurden automatisch wieder schärfer, ihre Körperhaltung straffer und ihre Stimme wieder verächtlicher, als hätte sich ein Schalter umgelegt. „Du musstest das zerstören. Du hast uns aufgegeben – mich aufgegeben. Und ich dummes Weib laufe dir auch noch bis hierher hinterher.“ Sie schüttelte erneut den Kopf. Sie wusste, dass sie ihm wieder keine richtige Antwort gegeben hatte. Das konnte sie nicht. Sie konnte ihm nicht sagen, dass er die Liebe ihres Lebens gewesen war. Dass sie bereit gewesen war, alles für diesen Mann zu tun. Dass sie seinen Bruder getötet hatte, um Godwyn bei sich halten zu können. Sie war verlogen und nicht mal ehrlich zu sich selbst – wie sollte sie es dann zu ihm sein?
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| Unregistered |
| Godwyn Wakefield |
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04-01-2025, 21:47 - Wörter:
Der Ritter der Königsgarde hatte sich so oft ausgemalt, wie es wohl wäre, Elaine wiederzusehen. In seinen Träumen gab es immer einen Weg, sie aus dem Gefängnis zu holen. Sie würde ihre Schuld bereuen und er hätte ihr alles vergeben, um neu mit ihr zu beginnen. Diese Vorstellungen waren so lebendig, dass er sogar den Duft ihres Haares in der Luft zu riechen meinte. Doch jedes Mal, wenn er erwachte, blieb nur der Anhänger mit dem Vergissmeinnicht, den sie ihm geschenkt hatte. Die Realität war unerbittlich: Elaine war bei einem Brand im Gefängnis gestorben. Der Gedanke daran riss ihm das Herz heraus und ließ ihn nach Trost in einer Karaffe Wein suchen.
Und nun stand sie wirklich vor ihm – nicht in einem Traum, sondern in einer stinkenden Gasse. Anstelle einer freudigen Wiedervereinigung schleuderte sie ihm ihre Wut entgegen, wirkte dabei jedoch verletzlicher als je zuvor. Godwyns Verzweiflung und Sehnsucht nach ihr kämpften gegen die Enttäuschung und den Schmerz über ihren Verrat. Ihre Worte trafen ihn wie Pfeile, die jede Rüstung durchbrachen, die er über die Jahre aufgebaut hatte, um seine Schuldgefühle zu unterdrücken. Bei jedem ihrer Vorwürfe zuckte er zusammen, ihre scharfen Worte schnitten tief. Er sah die Tränen in ihren Augen und fühlte sich, als würde er innerlich zerbrechen. Jedes Wort bohrte sich wie ein Stachel in sein Herz.
„DU hast Entscheidungen getroffen, und DU musst dafür Verantwortung übernehmen!“, schleuderte sie ihm entgegen und ohne es zu wollen, ballten sich seine Hände zu Fäusten – nicht aus Wut, sondern aus verzweifelter Selbstbeherrschung. Als sie dann seinen Namen rief, ging es ihm durch Mark und Bein. Ihr Schrei hallte in der dunklen Gasse wider, und Godwyn wich zurück, als versuche er, der Wahrheit zu entkommen, die sie ihm entgegenschleuderte. „Hab ich dir nie irgendetwas bedeutet?“ Diese Frage traf ihn härter als jede Waffe. Er wollte antworten, ihr sagen, dass sie ihm alles bedeutet hatte, immer noch bedeutete. Doch seine Worte schienen in diesem Moment wertlos.
Als Elaine dann jedoch weitersprach, fragte, ob er sie immer noch für eine skrupellose Mörderin hielt und behauptete, sie hätte es für sie beide getan, brach die mühsam aufrechterhaltene Selbstbeherrschung in Godwyn zusammen. Wut stieg in ihm auf, heiß und unkontrollierbar. „Für uns?“, wiederholte er scharf. „Du hast meinen Bruder getötet, Elaine! Meinen Bruder! Wie kannst du glauben, dass ich das je verstehen könnte?“ Ein Schritt näher trat er auf sie zu, seine Stimme bebend vor Zorn. „Du hättest mir vertrauen können. Wir hätten einen anderen Weg gefunden. Aber stattdessen hast du alles zerstört.“ Dann verpuffte die Wut so schnell, wie sie gekommen war und er war nur noch erschöpft. Seine Augen, voll von Schuld und Sehnsucht, suchten wieder ihre. „Ich habe versucht, dich zu schützen, Elaine, aber ich habe alles nur schlimmer gemacht. Ich…“ Er hielt inne, schüttelte den Kopf. „Ich weiß, dass ich nichts wiedergutmachen kann. Aber du musst wissen, dass ich nie aufgehört habe, dich zu lieben. Nicht einen Tag.“ Godwyn fuhr sich müde über das Gesicht. Er hatte keine Kraft mehr für diesen Kampf, egal ob mit seinen eigenen Dämonen oder mit einer lebendigen Elaine. Das alles dauerte schon viel zu lange an und hatte Godwyn im Laufe der Jahre zermürbt. Er kümmerte sich nicht mehr um solche Nebensächlichkeiten wie sein Aussehen. Wozu auch? Er war schon lange nicht mehr bei gesellschaftlichen Veranstaltungen gewesen, hatte sich der Öffentlichkeit entzogen. Wenn er es schaffte, seine Uniform halbwegs in Ordnung zu halten, war das alles, was er brauchte.
Diese Frau vor ihm war ein Rätsel. Früher hatte Godwyn es als faszinierend empfunden, dass Elaine eine mystische Aura umgab. Jetzt jedoch war es nur noch anstrengend. Warum konnte sie ihm nicht einfach direkt sagen, dass alles gelogen war, dass sie ihn nie geliebt hatte? Stattdessen schien sie schockiert, als er sagte, dass sie getrennte Wege gehen würden, wenn sie es zugab. Auch in seinem weinseligen Zustand konnte Elaine ihm nichts vormachen, und diese Reaktion irritierte ihn. Er hatte sich eingeredet, es sei besser so, dass sie fort war, weil sie ihn nie wirklich geliebt hatte. Doch diese unschlüssige Reaktion ließ einen Hauch von Hoffnung in ihm aufkeimen. Er blickte ihr ins Gesicht, und sie trat einen Schritt näher. Der Schmerz in ihren Augen spiegelte seinen eigenen wider. Instinktiv hob er die Hand, als wollte er sie berühren. „Niemand hat mich jemals so gekannt, wie du mich gekannt hast.“ Er schluckte schwer. Es hätte nicht viel gebraucht, und er hätte ihr alles vergeben. Ein Schritt weiter, und er hätte sie in seine Arme geschlossen und nie wieder losgelassen.
Doch dann kam der plötzliche Wandel. Elaines Haltung veränderte sich, als ob ein Schalter umgelegt worden wäre. Verachtung schlich sich in ihr Gesicht, und sie schien sich vor ihm zu schützen. Ihre Worte trafen ihn wie scharfe Klingen, und Godwyn spürte, wie die schmerzlichen Erinnerungen wieder hochkamen. Sie konnte nicht ehrlich sein – nicht ihm gegenüber und nicht einmal sich selbst. Mit einem leichten Kopfschütteln ließ er seinen Arm sinken. „Wie kannst du mir vorwerfen, dich – uns – aufgegeben zu haben, wenn du durch den Mord an Harold alles zerstört hast, was wir waren? Auch wenn es letztlich nichts weiter als ein Lügengebilde gewesen ist.“ Seine Hand legte sich schwer auf den Knauf seines Schwertes, seine blauen Augen fixierten die dunkelhaarige Frau. „Was sollte mich davon abhalten, es hier und jetzt zu Ende zu bringen?“
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