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you do not yield
25.09.1016 - 17:12
einige Meilen hinter der Grenze zu Norsteading
Tyra Winters Leander Prudenius Sanna Lorenson

Heimatlose
Tyra Winters
Heimatlose
Alter 26
Beruf Söldnerin
Wohnort wo das Silber sie hinführt
Stand Ledig
User Lia
#1
Die Luft in Walleydor war von einer betörenden Schwere erfüllt. Der Duft von blühenden Feldern und feuchter Erde schien in jeder Windböe mitzuschwingen, doch für Tyra Winters war es ein lästiger Luxus. Jeder Atemzug schmerzte, brennende Stiche, die sie an die klaffende Wunde erinnerten, die seit Tagen an ihrer linken Flanke faulte. Der Stoff ihres Hemdes unter ihrer Rüstung war längst dunkel verfärbt, verklebt mit Blut und Eiter, ein geheimes Mahnmal ihrer Nachlässigkeit. Jeder Schritt ihres Pferdes jagte Schockwellen des Schmerzes durch ihren Körper, doch sie biss die Zähne zusammen, so, wie sie es immer getan hatte. Wunden heilten, das hatte sie früh gelernt. Aber diese hier war anders. Ihr Kopf war schwer, und eine trübe Hitze hatte sich in ihrem Geist festgesetzt. Gedanken, die sonst scharf und zielgerichtet waren, wirkten nun wie in einem Strudel aus Nebel gefangen. Doch Tyra war kein Mensch, der Schwäche zuließ. Ihre Lippen waren zu einer geraden Linie gepresst, ihre Augen auf den Weg gerichtet, auch wenn sie kaum noch den Willen fand, ihre Umgebung wahrzunehmen. Der Geruch der Wildblumen war ihr längst zu viel geworden, erregte Übelkeit in ihr, gemischt mit der metallischen Note ihres eigenen Blutes.

Hinter ihr ritt Eneas, das Kind hinter seinem Sattelhorn, schweigsam wie immer, doch Tyra spürte seinen Blick zwischen ihren Schulterblättern. Er war aufmerksam, das wusste sie. Aber sie konnte sich keine Nachfragen leisten. Ihre Haltung war aufrecht, ihre Bewegungen kontrolliert. Sie ließ sich nicht anmerken, dass jede noch so winzige Bewegung der blonden Frau hinter ihr, die nur locker die Arme um Tyras Taille geschlungen hatte, beinahe dafür sorgte, dass sie vor Schmerzen die Besinnung verlor. Jede Schwäche wäre eine Einladung, eine Ablenkung von der Aufgabe, die vor ihnen lag. Der Kronprinz hatte ihnen diesen Auftrag erteilt, und Tyra war nicht bereit, ihren ohnehin zweifelhaften Ruf durch ein persönliches Versagen zu verschlechtern. Doch ihr Körper war ein Verräter. Die Wunde, die sie sich während des Überfalls zugezogen hatte, pulsierte wie ein lebendiges Wesen. Die Hitze, die sie ausstrahlte, hatte sich inzwischen über ihren gesamten Körper ausgebreitet, und ihre Atmung war flach und unregelmäßig. Sie wusste, dass sie Fieber hatte. Ihre Haut brannte, selbst unter der Rüstung, und jeder Atemzug schien weniger Luft zu bringen, als sie brauchte. Ihre Rippen, gebrochen und vermutlich verschoben, protestierten bei jeder Bewegung. Doch sie ritt weiter, als wäre nichts.

Der Weg vor ihnen zog sich wie eine endlose Schlange, das satte Grün der Landschaft war ein trügerisches Bild von Frieden. Tyra spürte eine seltsame Mischung aus Erleichterung und Frustration, als sie Mutter und Tochter leise, aber gelöst miteinander schäkern hörte. Die Frau war beeindruckend stark, das musste selbst Tyra zugeben, doch ihr eigenes Unwohlsein ließ jede Regung in Sannas Richtung zu einem unschönen Reiz werden. Jedes Lachen des Kindes war wie ein Nadelstich in ihre ohnehin gereizte Sinne. Tyra war nicht für Kinder gemacht, das wusste sie. Und doch war es ihre Aufgabe, sie zu beschützen. Die Welt begann zu verschwimmen. Ihre Sicht, zuvor noch klar und fokussiert, begann an den Rändern zu flackern. Schatten tanzten dort, wo keine sein sollten, und die Räume zwischen den Bäumen schienen sich auszudehnen und wieder zusammenzuziehen. Ein stummer Schauer lief über ihren Rücken, doch es war nicht die Kälte des Windes, sondern die Fieberschauer, die in ihr tobten. Ihre Finger zitterten leicht, und sie spürte, wie ihre Kontrolle nachzulassen drohte.

Die Pferde bewegten sich in einem monotonen Rhythmus, doch Tyra konnte sich nicht mehr darauf konzentrieren. Ihre Gedanken waren wie eine Flutwelle, die sie zu überrollen drohte. Erinnerungen, ungebeten und unerwünscht, stiegen in ihr auf. Der Schmerz in ihrer Seite wurde zur Stimme ihrer Vergangenheit, ein widerhallender Tadel, der sie an jede Fehlentscheidung erinnerte, die sie je getroffen hatte. Ihr Atem wurde schwerer, ihre Lippen, trocken und rissig, öffneten sich für ein rasselndes Keuchen. Und dann geschah es. Ein Augenblick, der sich wie eine Ewigkeit anfühlte: Ihr Körper, ausgelaugt und geschwächt, gab nach. Die Zügel glitten aus ihren Fingern und sie spürte, wie die Welt sich unter ihr neigte. Der Boden kam ihr entgegen, ein harter, unerbittlicher Aufprall, der den Schmerz in ihrer Flanke explodieren ließ. Sie war vom Pferd gefallen, ihr Körper wie eine zerbrochene Puppe auf der Erde liegend. Die Hitze ihres Fiebers wurde von der Kühle des Bodens gemildert, doch ihre Gedanken waren ein Wirrwarr aus Dunkelheit und Lärm. Sie spürte, wie die Welt um sie herum vibrierte, Schritte, Stimmen, ein alarmiertes Wiehern, doch sie konnte nichts verstehen. Alles wurde von der Dunkelheit verschluckt, die sie unaufhaltsam umschloss. Ihr letzter Gedanke war kein Gebet, kein Fluch, sondern die einfache, bittere Erkenntnis, dass sie ihre Schwäche nicht länger verleugnen konnte.

Und dann war da nichts mehr.
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Leander Prudenius
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#2
Bald müssten sie ein Lager aufschlagen, ein Feuer machen, die Pferde versorgen. Sie würden sich den Proviant aufteilen und den Hasen zubereiten, den sie am frühen Morgen aus der Falle geholt hatten. Es würde gerade so für alle reichen, doch mit dem ausreichenden Proviant bis zur nächsten Ortschaft würde keiner hungern müssen. - Schritt für Schritt ging Leander durch, was zu tun war, während Galeno automatisch dem Pferd vor sich folgte. Valda quietschte immer wieder zwischendurch vergnügt auf, griff in die Mähne des Hengstes und fand einen immensen Spaß daran, damit rumzuwedeln. Der Hengst ertrug es mit einer unendlichen Geduld und Gelassenheit und schnaubte nur ab und an mit einem Kopfschütteln die Luft aus. Leander hielt das Kind mit einer Hand am Bauch vor sich im Sattel, zog es sanft zurück, wenn es sich zu sehr vorbeugte. In der einen Woche war ihm die Kleine bereits sehr ans Herz gewachsen. So musste es sich wohl anfühlen, Vater zu sein.

Sein Blick streifte für einige Augenblicke die Umgebung, ehe er diesen bei Tyras und Sannas Rücken verharren ließ. Tyra war die letzten Tage ruhiger gewesen, für seinen Geschmack etwas zu ruhig. Auf Nachfragen hatte sie wie immer bissig und mit einer abfälligen Bemerkung reagiert, was ihn zum Schluss kommen ließ, dass was auch immer es war auch wieder vergehen würde. Trotzdem sorgte er sich, dass sie etwas verschwieg. Selten hatte er sie so nachdenklich gesehen, noch seltener so beherrscht und konzentriert in den letzten Tagen. Was auch immer es war, er würde weiter Acht geben müssen. Heute Abend würde er nochmal nachfragen, vorsichtig. Vielleicht würde sie es ihm endlich erzählen, auch wenn er wusste, dass das nur pures Wunschdenken war.

Erneut quietschte Valda auf und lachte auf eine Grimasse ihrer Mutter, die sich kurz herumgedreht hatte. Sie war eine liebevolle Mutter und zugleich eine starke Frau, die alles tun würde, um dieses Kind zu beschützen. Doch ganz Winterländerin war auch sie zu stolz, um Hilfe wirklich anzunehmen. Erst als Eneas Leifs Namen erwähnt hatte, hatte sich die Situation geändert. Seitdem waren sie zusammen unterwegs, um Mutter und Kind in Sicherheit zu bringen. Kein spannender Auftrag wenn man von dem ersten Aufeinandertreffen absah, doch lukrativ allemal. Leander schmunzelte seicht auf und kitzelte Valda kurz am Bauch, die quietschend auflachte. Wenn nur alle Aufträge so ruhig wären...

Er wollte den Gedanken gerade aussprechen und Tyra damit ein wenig triezen, als sein Blick das Wegsacken ihres Körpers auffing. Die Stimmung änderte sich schlagartig und alles ihn ihm schaltete auf Alarm um. „Tyra!“, mit einem raschen Zug der Zügeln blieb Galeno stehen, sodass Eneas absteigen konnte, Valda mit auf dem Arm. Sanna war vor ihm am Boden und bei Tyra. Er überwand die wenigen Schritte zu ihr mit raschem Lauf, kniete sich hin, Valda dabei zwischen sich und ihrer Mutter absetzend. „Tyra... Tyra!“ Blass, leichenblass war ihr Gesicht, gesprenkelt mit Schweißperlen. Panik stieg in Leander auf, eine Panik wie er sie schon lange nicht mehr gespürt hatte. Rasch beugte er sich über die am Boden Liegende, um zunächst zu lauschen, ob sie noch atmete. Leise rasselte der Atem unstet über die Lippen, flach und unregelmäßig. „Sie atmet, Heofader sei dank...“ Er richtete den Oberkörper wieder auf, den Handrücken auf die Stirn Tyras legend. Sie glühte geradezu vor Fieber. Wieso hatte sie nichts gesagt? Verdammtes stures stolzes Weib! „Sie hat Fieber... Wir müssen sie runterküh...“ Eneas verharrte im Satz, als ihm das verdunkelte Leder auffiel.

Nein...

„Hilf mir den Harnisch abzuriemen... schnell!“ Er hatte keine Ahnung, was er tun sollte, wenn seine Befürchtung stimmte. Doch rational war Leander in diesem Moment nicht. Er musste Tyra helfen, egal wie.
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Sanna Lorenson
Winterland
Alter 22
Beruf Jägerin
Wohnort Rabenrast
Stand Ledig
User Natsch
#3

Es waren nun schon einige Tage vergangen, seitdem sie mit Eneas und Tyra unterwegs waren, und langsam hatte sich eine besondere, stille Harmonie zwischen den beiden Gruppen eingestellt. Anfangs hatte Sanna, noch unsicher, das Kind beim Reiten eher in die Hände der Frau gelegt. Doch wie so oft im Leben, änderten sich Dinge mit der Zeit. Bald schon hatte Valda sich ohne viel Überlegen entschieden, dass Eneas ihr auserkorener Reiter war.

Es war faszinierend zu beobachten, wie sich diese Verbindung zwischen Eneas und Valda entwickelte. Die Art und Weise, wie das kleine Mädchen zu ihm aufblickte, ihre Augen strahlten voller Vertrauen und Zuneigung – es war, als würde sie ihn schon ewig kennen. Ein stilles Band, das sich ohne Worte knüpfte, fast magisch. Es war ein Urvertrauen, das Sanna in ihrer Kindheit keinem Erwachsenen jemals hätte entgegenbringen können. Sie selbst hatte gelernt, sich immer nur auf ihre eigene Stärke zu verlassen. Aber Valda? Valda war anders.

Valda war unbescholten, unverdorben von den Schatten, die das Leben in einem hinterlassen konnte. Ihre Seele war rein, noch nicht von Enttäuschungen und schmerzhaften Erfahrungen gezeichnet. Sie öffnete ihr Herz mit einer Leichtigkeit, die fast schmerzte, weil sie so fremd wirkte. Für sie war jeder Tag eine neue Möglichkeit, Vertrauen zu schenken, sich einzulassen, zu glauben, dass auch der nächste Moment voller Güte und Wärme sein konnte.

Gerade als Sanna sich wieder Tyra zuwandte, bemerkte sie plötzlich eine Veränderung in der Haltung der anderen. Ein leises Nachlassen, als ob der Atem selbst innegehalten wurde. Tyras Körper sackte ein Stück nach unten, ihre Haltung war nicht mehr die gewohnte, aufrechte – etwas stimmte nicht. Ihre Hände verloren die Zügel, die Kontrolle über das Pferd schwand. In diesem einen, kurzen Moment, der sich wie eine Ewigkeit anfühlte, ahnte Sanna, was als Nächstes geschehen würde. Bevor sie überhaupt reagieren konnte, brach Tyra zusammen und stürzte mit einem erschreckend lautlosen Aufprall vom Pferd.

Sanna erstarrte, ihr Herz setzte für einen Schlag aus. Instinktiv zügelte sie das Pferd, doch das Tier war ungeduldig, drängte weiter, als ob es nichts von der Dramatik um sie herum wusste. In einem hastigen Ruck schwang Sanna sich aus dem Sattel, der Boden kam ihr erschreckend nah. Sie landete mit einem dumpfen Aufprall, doch ihr Blick war einzig auf Tyra gerichtet, die starke, taffe Söldnerin die sich waghalsig einer ganzen Gruppe von Räubern entgegen gestellt hatte.

Eneas war im Nu an ihrer Seite, seine Präsenz eine beruhigende Stütze. Valda, noch immer voller Sorge, rüttelte sanft an der Söldnerin. "Ist Tyra müde?", fragte sie, ihre Stimme klang besorgt, als versuche sie, den inneren Druck zu verstehen, der zwischen den Erwachsenen wuchs.

Sanna nickte, ein schwaches, beinahe entschuldigendes Lächeln zierte ihre Lippen. Ohne ein weiteres Wort begann sie – wie Eneas es gewünscht hatte – den Harnisch abzunehmen. Ihre schlanken Finger glitten präzise über die Schnallen, fast mechanisch, während ihre Gedanken schon ihren Proviant durchgingen. Gemeinsam, als wären sie ein gut eingespieltes Team, zogen sie den schweren Rüstungsschutz von Tyras Körper. Darunter kam ein einfaches Leinenhemd zum Vorschein, dunkelrot gefärbt, und mit einem süßlichen Duft, der in der Luft hing – ein Zeichen, dass Tyra von dem Kampf doch mehr davon getragen hatte. Sanft zog Sanna an dem Hemd und besah sich die Wunde. Neben jener entdeckte sie auch andere, alte Wunden und Narben - ihr Herz zog sich zusammen.

Sanna hob den Blick und sah sich für einen Moment um, als wolle sie ihre Gedanken ordnen. Dann wandte sie sich an Valda, deren Augen nun erwartungsvoll auf sie gerichtet waren. "Valda", sagte sie ruhig, "magst du für Tyra ein paar der Blumen dort pflücken? Die weißen, mit dem gelben Punkt in der Mitte?"

Ihre Worte waren nicht nur eine Bitte, sondern ein sanfter Befehl – eine Möglichkeit für die Kleine, sich zu bewegen, zu helfen, etwas zu tun, das sie verstand und das ihren Körper und Geist beruhigen konnte und... sie wäre ihnen nicht im Weg. Dazu kam, dass Kamille ein bewährter Entzündungshemmer war. Das Kind eilte davon. "Wir müssen ihr kalte Wickel machen und die Wunde reinigen.", sagte sie ruhig und sah Eneas an. Sie erkannte die Sorge in seinem Gesicht. "Wir brauchen viel Wasser... und ein Feuer.", für die Wickel, für den Tee, zum reinigen der Wunde.
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Leander Prudenius
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#4
Er hatte nicht gut genug aufgepasst… schon wieder.
Rigoros hatte er die Anzeichen übersehen, obwohl sie sichtbar auf der Hand gelegen hatten. Vielleicht hätte er vehementer nachfragen sollen, vielleicht hätte er mehr Druck machen müssen, damit sie die Verletzung gestanden hätte. Doch alles, was er getan hatte, war wegzusehen. So wie damals, als er den Treck begleitet hatte. Hätte er genauer hingesehen, wäre alles anders gekommen und sein Name noch rein.

Zeit darüber nachzudenken blieb Leander allerdings nicht.
Zusammen mit Valda löste er die Riemen des Brustharnisch von Tyra, damit sie dem dunklen Mal auf dem Leder nachgehen konnten. Er dachte nicht darüber nach, dass er ihr noch nie so nah gewesen war; dachte in diesem Augenblick eigentlich gar nichts. Einzig die Sorge flammte auf, dieses sture Weib zu verlieren. Warum hatte sie nur nichts gesagt? Wie stur und stolz konnte ein Mensch nur sein?!
Minuten kamen ihm wie eine Ewigkeit vor, als sie schließlich den Harnisch von Tyra lösen konnten und auf dem Leinenhemd der dunkle Fleck eine einzige große, rot gefärbte Fläche war. Valda schob den Stoff hinauf, Stück für Stück die Geschichte einer Söldnerin entblößend, bis sie an der Stelle ankamen, die der Grund der Verfärbung war: Eine scheinbar tiefe Stichwunde an den Rippen, die feucht und eitrig glänzte. Leander spürte seinen Herzschlag, der auf einmal so rasch pochte als müsste er sich einem Kampf stellen. Der Geschmack auf der Zunge wurde schal und trocken zugleich, während er sich dazu zwang, konzentriert zu bleiben. Alles in ihm schrie auf, wollte ausrasten, schreien, Tyra schütteln und zugleich das Schwein finden, der ihr das angetan hatte. Und sollte es einer der toten Räuber gewesen sein, so wollte er diesen ausbuddeln und erneut abstechen. Wut mischte sich mit Angst… der Angst, diese Frau zu verlieren… für immer.

Er hörte die Worte nicht, die Sanna an Valda richtete. Der Blick war starr auf die Wunde gerichtet, die jederzeit über Tyras Leben entscheiden konnte. Eine stumme Richterin, die willkürlich über Leben und Tod Urteil hielt. Ungerecht und ohne einen Funken von Mitgefühl.

"Wir müssen ihr kalte Wickel machen und die Wunde reinigen."

Die direkten Worte an ihn brachten ihn wieder in den Moment, das Hier und Jetzt. Zäh löste er den Blick von der Wunde und richtete ihn an Sanna. Wann hatte er sich das letzte Mal so hilflos gefühlt? Das Versorgen von schwierigen Wunden war eine Sache, die er den Wanderheilerinnen überließ oder anderen mit jenem Wissen. Er selbst wusste, wie man eine Klinge hielt, aber kaum, wie man die Konsequenzen einer Waffe versorgte. Es tat folglich gut, jemanden bei sich zu haben, der die Ruhe behielt und wusste, wie vorzugehen war. Angespannt rieb er sich den Nacken, innerlich mahnend, konzentriert zu bleiben.
„Wasser und Holz… in Ordnung. Der Fluss ist nicht weit.“ Sein Blick glitt hinab, fixierte noch einmal Tyras Gesicht. Erneut legte er die Hand auf ihre Stirn, fühlte die Hitze und strich im Wegziehen sanft das Haar zur Seite, das zuvor sich nass an die Haut geheftet hatte. „Halte durch Tyra.“, mahnte er die am Boden Liegende und drückte sich dann auf. „Ich reite rasch mit Galeno ans Flussbett, fülle alle Trinkschläuche und den kleinen Kessel. Sammelst du das Holz?“ Sein Blick ging versichernd gen Sanna und mit ihrem Nicken löste er sich vollends aus seinem Stand, zu seinem Pferd rennend, in den Sattel sich ziehend und fast noch in dieser Bewegung mit einem scharfen Pfiff den Befehl zum angaloppieren gebend. Er wollte nicht nachdenken, er handelte….
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Sanna Lorenson
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Alter 22
Beruf Jägerin
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Stand Ledig
User Natsch
#5
Sanna spürte die Sorge, die von Eneas ausging, wie eine unsichtbare Welle, die den Wald erfüllte. Für einen Moment hielt sie inne und fragte sich, welche Beziehung die beiden zueinander hatten. In den vergangenen Tagen hatte sie diesem Gedanken kaum Beachtung geschenkt—warum auch? Es schien sie nicht zu betreffen. Doch jetzt, in diesem Augenblick, wurde ihr mit unerwarteter Klarheit bewusst, wie tief die Gefühle des Söldners für die junge Frau sein mussten. Das Gewicht seiner Sorge sprach Bände. Die Zärtlichkeit mit der er Tyra begegnete, war eindeutig. Sanna nickte nur stumm, als Eneas ihre Worte wiederholte und sich eilig entfernte. Einen Moment lang folgte ihr Blick ihm nach, bevor sie sich wieder Tyra zuwandte. Sanft strich sie der Söldnerin über das helle Haar, ein zärtliches Lächeln auf den Lippen. "Du bedeutest ihm wirklich viel...", flüsterte sie leise, fast mehr zu sich selbst als zu Tyra.

Dann erhob sie sich, ihre Gedanken noch immer bei der Szene, und begann schnell nach passenden Holzstücken zu suchen, während die Eindrücke des Augenblicks ihr Herz leicht beschwerten.

Es dauerte nicht lange, bis Sanna ein kleines Lagerfeuer entzündet hatte, das sie geduldig zu einer kräftigen, wärmenden Flamme heranwachsen ließ. Die Funken tanzten durch die Luft, während das Holz knisternd verbrannte. Unterdessen hatte Valda einige zarte Kamillenblüten gepflückt und sie sorgsam neben dem Feuer abgelegt, weit genug entfernt, damit die empfindlichen Pflanzen nicht in Gefahr gerieten. Besorgt setzte sich das Kind dicht neben die Söldnerin und strich ihr immer wieder sanft über den Arm. Sanna spürte die tröstende Berührung und war für einen Moment von der stillen Fürsorge des Mädchens berührt.
Sanna trat kurz entschlossen zu dem anderen Pferd und begann in den Satteltaschen zu wühlen. Ihre Hände suchten hastig nach Leintüchern und anderen nützlichen Utensilien, die sie dringend brauchten. Jeder Griff war von einer leisen Dringlichkeit geprägt. Schließlich fand sie, wonach sie suchte.
Sanna griff nach Tyras Schwert. Sie hielt die Waffe einen Moment in der Hand, das Gewicht des Stahls fühlte sich ungewohnt schwer an. Mit dieser erhitzten Klinge würden sie die Wunde kauterisieren können, sollten sie sie ordentlich reinigen können. Der Gedanke ließ Sanna innerlich erzittern. Ihr Blick wurde hart, Entschlossenheit verdrängte die Angst, während sie die notwendigen Dinge zurück zum Lager brachte. Dann hockte sie sich neben Tyra, rüttelte an ihrem Arm während sie hoffte, dass Eneas bald zurückkehren würde. "Tyra?"
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Heimatlose
Tyra Winters
Heimatlose
Alter 26
Beruf Söldnerin
Wohnort wo das Silber sie hinführt
Stand Ledig
User Lia
#6
Die Welt war gedämpft, verwaschen, als würde sie durch dichten Nebel atmen. Geräusche waren da, irgendwo – Stimmen vielleicht. Etwas Hohes, Helles, ein schriller Ton. Lachen? Kindliches Lachen? Tyra wollte die Stirn runzeln, aber selbst diese simple Bewegung schien ihr Körper vergessen zu haben. War sie gefallen? Alles war schwer… so furchtbar schwer.

Etwas durchbrach den grauen Schlamm in ihrem Kopf – ein Name. Ihrer? Einmal, zweimal, dann noch einmal. Sanna? Der Klang trug Wärme, aber auch eine Unruhe, die sich tief in Tyras müdes Bewusstsein grub. Ihre Lider flatterten, öffneten sich kaum mehr als einen Spalt, Licht brannte wie Klingen in ihren Augen. Ihr Magen rebellierte, die Welt kippte. Wo war oben?

Ein Zittern durchfuhr sie. Kälte. Nein, nicht außen – innen. Tief in ihr, wie glühende Eisnadeln unter der Haut. Sie wollte etwas sagen, einen Fluch vielleicht, oder einen Befehl, sich zusammenzureißen. Aber ihre Lippen bewegten sich kaum. Ihre Zunge war trocken, als hätte sie Tage lang nur Asche geschluckt.

Hände an ihrem Körper. Die Berührung jagte Blitze aus Schmerz durch ihren Körper. Ein Wimmern entwich ihr, gegen ihren Willen, gegen all ihre eiserne Disziplin. Sie hasste es. Hasste diese Schwäche. Doch noch mehr hasste sie das Zittern ihrer Glieder, die Unfähigkeit, sich aufzurichten, zu kämpfen, zu stehen. Ihr Arm hob sich, oder versuchte es, schlug halbherzig gegen die Hände, die an ihr zogen. „Nein“, murmelte sie, kaum hörbar. Die Stimme war fremd, brüchig, als gehörte sie einer alten Frau.

Und dann war da Hitze. Alles brannte. Ihre Stirn, ihr Rücken, sogar ihre Gedanken. Jemand weinte, verzweifelt. In ihr weinte das Kind ohne Namen, das von der alten Vettel vor dem Kältetod bewahrt worden war. Die erwachsene Tyra wollte aufstehen. Es war ein Befehl – erst an ihre Beine, dann an den Rücken. Aber nichts gehorchte. Nur das Fieber, das sie fesselte, das ihren Geist in Halluzinationen wickelte wie Spinnweben.

Ein Gesicht. Viel zu nah. Dunkle Augen vielleicht? Oder Licht? Sie konnte es nicht sagen. Worte durchbrachen den Nebel, schneidend klar: „Halte durch.“
Sie schnaubte. Es war kaum mehr als ein angedeutetes Zucken der Nasenflügel, aber in ihrem Kopf ein ganzer Krieg. „Bin nicht… so… schwach…“ Ein heiseres Krächzen, kaum ein Laut. Doch der Wille war da – dieser trotzig brennende Funke, der nie ganz in ihr erlosch. Selbst als ihr Herz flackerte wie ein müdes Feuer. Selbst jetzt. Schritte entfernten sich. Stimmen wurden leiser. Nur die Kälte blieb, und das brennende Loch in ihrer Seite. Sie fühlte, wie etwas von ihr abgenommen wurde – Leder? Metall? Ihr Körper war plötzlich leichter, aber das war kein Trost. Der Schmerz wuchs, ein pochender, übel riechender Dämon in ihrem Fleisch. Sie roch ihn – Blut, Eiter, die Süße der Entzündung. Tyra wandte das Gesicht zur Seite, als würde sie sich sich selbst anwidern. Wieder eine Hand. Eine andere. Weicher. Zarter. Leichter Druck an ihrer Schulter, ein Flüstern. Worte, die sie nicht ganz verstand. Valda? War das… war das Kind hier? Tyra wollte aufstehen, schreien, irgendwen ins Jenseits prügeln, der den Winzling in Gefahr gebracht hatte. Aber nur ein Zucken ging durch ihren Arm, kaum ein Atemzug mehr.

Etwas wurde über ihre Stirn gestrichen. Kaltes Wasser, ein Tuch. Sie fror plötzlich bis ins Mark, trotz des Fiebers. Ihr Körper konnte sich nicht mehr entscheiden, ob er verbrennen oder erfrieren wollte. Ihre Zähne klapperten, kaum hörbar. Sie wehrte sich nicht, aber sie wollte. Die Vorstellung, so am Boden zu liegen – wehrlos, ausgeliefert – war schlimmer als jeder Feind mit gezückter Waffe. Und doch… Etwas in ihr gab nach. In dem Moment, wo das Feuer knisterte, wo Kamillenduft und Rauch sich in der Luft mischten, ließ ihr Geist los. Nur ein Stück. Nur ein winziger Moment. Wie ein Messer, das in weiches Leder sinkt, sanken ihre Gedanken in die Dunkelheit.

Sie sah Schnee. Hohen Schnee, durch den sie einst gestapft war, voller ungerichteter Wut auf die Welt. Tyra murmelte etwas, unverständlich, ein Name vielleicht, oder nur eine Silbe aus der Dämmerung. Ivar. War er auch hier? Oder hatte er sie alle wieder einmal im Stich gelassen? Ihre Hand suchte Halt, irgendwo im Laub, streifte eine Hand, krallte sich schließlich in den feuchten Waldboden. Dreck unter den Fingernägeln – vertraut, real. Ein Anker. Die Hitze nahm zu, aber sie hörte es: die Rückkehr eines Pferdes, Schritte im Laub, das Klirren eines Kessels.

Tyra öffnete die Augen für einen Moment, blickte in flackerndes Feuerlicht. Ihre Lippen bewegten sich, formten stumm ein Wort: „Schwachkopf…“ – vielleicht meinte sie sich selbst, vielleicht einen von ihnen, vielleicht denjenigen, um den sie sich insgeheim so sehr sorgte. Dann rannen ihr Tränen über die Schläfen – nicht aus Schmerz, nicht aus Angst, sondern aus Frust. Aus ohnmächtigem Zorn über diesen verräterischen Körper, der sie im Stich ließ, wo sie Stärke hätte zeigen müssen.

Doch selbst in diesem Zustand, in dieser Finsternis, hatte Tyra eines nicht verloren: den Willen. Wenn der Tod kam, würde er sich anstrengen müssen. Sie war noch nicht bereit, die Klinge beiseitezulegen. Noch lange nicht. Also nahm sie ihre verbliebene Kraft zusammen und begann, sich stöhnend aufzurichten.
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Sanna Lorenson
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Alter 22
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User Natsch
#7
Er kam nicht zurück.
Immer wieder hob Sanna den Blick, lauschte angestrengt – doch weder das entfernte Schnauben von Eneas Pferd noch das vertraute Geräusch seiner Schritte drang durch das dichte Schweigen des Waldes. Die Stille war von jener unheimlichen Art, die in den Ohren rauscht, wenn der Atem stockt. Ringsumher stand das Grün wie eine Mauer, durchzogen vom süßlich-kranken Hauch der Wunde – ein Geruch, der ihr den Magen umzudrehen drohte.

Mit einem entschlossenen Ruck stand sie auf und trat zum anderen Pferd. Das Tier schien unberührt von der Anspannung in der Luft, graste mit träger Gleichgültigkeit, als ob das Schicksal seiner Reiterin fern und bedeutungslos sei. Sanna durchsuchte die Taschen am Sattel, bis ihre Finger auf die beiden Trinkschläuche stießen. Nicht mehr voll, aber ausreichend – zumindest fürs Erste.
Sie kümmerte sich nicht weiter um das Pferd, das ein paar Schritte zur Seite trat, sondern wandte sich dem Kessel zu. Rasch entfachte sie ein Feuer, legte trockenes Holz nach, bis die Flammen züngelten. Dann stellte sie den Kessel darauf, damit das Wasser seinen Weg zur Siedehitze finden konnte. Bevor sie sich wieder Tyra zuwandte, reichte sie Valda einen feuchten Lappen. Das Kind nahm ihn wortlos, begann mit vorsichtiger Hand über Tyras Stirn zu streichen – fast als wolle es Trost spenden, den es selbst kaum fassen konnte.

Zeit verstrich – langsam, schwer.
Valda saß still, nur der sorgsame Rhythmus ihrer Bewegungen sprach von der Unruhe in ihrem Innern. Sie platzierte ein paar Kamillenblüten an Tyras Schläfen, als könne der vertraute Duft den Schmerz lindern.

Sanna atmete tief ein, dann begann sie, die Wunde zu säubern. Mit der Geduld der Verzweiflung und der Vorsicht jener, die wissen, wie leicht Hoffnung zwischen den Fingern zerbricht. Der Eiter floss, und mit jedem Tropfen schien es, als müsse sie gegen die Dunkelheit ankämpfen, die in den Blicken der beiden Mädchen lauerte.

[...]

Ein ungutes Gefühl nagte an Sannas Magen, während sie Valda und Tyra zurückließ. Ohne ein weiteres Wort hatte sie sich das verbliebene Pferd geschnappt und war aufgebrochen – ihre Schritte entschlossen, ihr Herz schwer. Der Pfad zum Bach war kurz, kaum ein paar Minuten, doch jeder Schritt fühlte sich länger an als der letzte.

Eneas war fort.
Sein Verschwinden war nicht nur sichtbar – es war fühlbar. Die Hufspuren seines Pferdes endeten im Wasser, als hätte der Bach selbst beschlossen, alle Hinweise zu verschlucken. Fast schien es, als wäre er nie hier gewesen. Nur das drückende Schweigen des Waldes blieb zurück, lauernd und uralt.
Mit schnellen, geübten Händen füllte Sanna die Trinkschläuche. Auf dem Rückweg sammelte sie einige Beeren und Kräuter – nicht genug für ein Mahl, doch genug, um sich das Gefühl zu bewahren, wenigstens etwas getan zu haben.

"Du kannst froh sein, dass wir dich noch brauchen", murmelte sie dem Pferd zu, das auf ihren Zug hin nur kurz mit dem Ohr zuckte – gleichgültig wie zuvor.
Als sie das Lager wieder erreichte, fand sie alles beinahe unverändert. Valda saß noch immer an Tyras Seite, nestelte an den zerdrückten Kamillenblüten und starrte auf ihre kleine Welt aus Schmerz und Hoffnungslosigkeit. Ihre Schultern wirkten schmaler als zuvor.
Sanna band das Pferd an einen der nahen Bäume, seufzte leise und kehrte an die Feuerstelle zurück.
Valda hob den Blick, und für einen Augenblick brach ein schüchternes Lächeln durch ihre Sorge – schmal, zaghaft, aber echt. Die Erleichterung darüber, dass ihre Mutter zurück war, ließ sich nicht ganz verbergen.

Sanna legte ihr eine Hand auf die Schulter. Sie sagte nichts. Doch manchmal war Schweigen die einzige Sprache, die das Herz verstand.

Dann regte sich etwas – ein kaum wahrnehmbares Zittern ging durch Tyras Körper, wie ein Windstoß, der über schlafendes Gras streicht. Sanna hob den Blick, gerade als sie die letzten Kräuter und Wurzeln mit einem Schwall Wasser in den Kessel gegeben hatte.

"Ganz langsam…", murmelte sie mit sanfter Stimme, die zugleich tröstete und warnte. Ihre Augen ruhten kurz auf Tyra, dann glitten sie über die Schulter zurück, hinaus in die Richtung, aus der Eneas hätte kommen sollen.
Doch da war nichts. Kein Schatten zwischen den Bäumen, kein Hufschlag, kein Zeichen. Nur das gleichmäßige Knistern des Feuers und das leise Sieden im Kessel antworteten ihr.
Der Söldner war verschwunden – spurlos, als hätte ihn der Wald selbst verschluckt.

Ein kalter Zweifel legte sich wie feiner Nebel auf ihre Gedanken.
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Tyra Winters
Heimatlose
Alter 26
Beruf Söldnerin
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User Lia
#8
Es war, als hätte sie einen Berg bezwungen – dabei hatte sie sich nur aufgerichtet, stöhnend, zitternd wie ein altes Tier, das zu lange in der Kälte gelegen hatte. Ihre Arme trugen kaum ihr eigenes Gewicht. Jeder Muskel spannte sich, als sei er gegen sie selbst gerichtet. Ein Schwindel baute sich auf, als wolle ihr Körper die Realität gleich wieder ausspucken, die er eben mühsam geschluckt hatte. Aber sie saß. Aufrecht. Keuchend. Schwitzend. Ihre Lippen waren spröde, die Haut dort rissig, Blut gemischt mit Speichel. Und doch war da ein Ausdruck in ihren Augen – wachsam. Misstrauisch. Flackernd wie das Feuer, an dem sie viel zu lange nicht gesessen hatte.

Sanna. Sie war da. Nah. Näher, als Tyra es für gewöhnlich ertragen konnte. Doch nicht nah genug, um den kalten Schauer zu vertreiben, der ein ums andere Mal über ihren Rücken jagte. Tyra blinzelte, versuchte, die verschwimmenden Konturen zu sortieren. Die Jägerin wirkte erschöpft – ihre Bewegungen waren leise, sparsam, fast andächtig. Die Kräuter, die sie offenbar über das siedende Wasser im Kessel gestreut hatte, rochen nach Hoffnung und Krankheit zugleich.

„Eneas?“ Tyra flüsterte, aber die Silbe schnitt wie eine Klinge durch die Luft. Ihre Stimme war nicht mehr als ein rauer Kratzer, ein Schatten ihrer selbst. Doch in dem Namen lag etwas: Dringlichkeit. Sorge. Vielleicht auch ein winziges bisschen Anklage. Ihre Augen huschten zur Seite, suchten etwas, was nicht da war. Keine Silhouette, kein vertrautes Fluchen, kein klirrendes Metall. „Wo zur Hölle ...?“ Sie versuchte, den Satz zu beenden, doch ihre Kehle war zu trocken, ihre Gedanken zu wirr. Sanna indes sah nicht auf. Vielleicht hatte sie den Namen nicht gehört, vielleicht ignorierte sie ihn auch. Tyra wusste es nicht. Ihre Augen sanken wieder auf den Boden – feuchtes Laub, Kamillenblüten, Hufspuren. Der Schmerz in ihrer Seite pochte nun dumpf, rhythmisch, wie eine zweite Herzschlagader. Und auch wenn ihre so lang sorgsam verborgene Verletzung nun mit Vehemenz ihr Gift in ihren geschwächten Leib pumpte, fühlte sie sich lebendig. Grottenschlecht zwar. Aber lebendig.

„Was macht das Kind hier?“ Ihre Stimme zitterte, noch etwas mehr als zuvor. Sie drehte den Kopf ein wenig, tastete mit dem Blick, bis sie das kleine Mädchen entdeckte. Kamille in den Händen, ein klarer, viel zu fester Blick auf ihre eigene, jämmerliche Gestalt gerichtet. Das Herz in Tyras Brust zog sich zusammen, unerwartet. Stark. Zu stark. Sie schluckte, mühsam. „Sollte das nicht sehen, verflucht ...“ Wieder nur Fetzen, Worte, die ihr wie Steine über die Zunge rollten. Aber sie meinte es ernst. Diese Kleine – sie hatte nicht verdient, das alles zu erleben. Oder doch? Sie war so stark, auf ihre eigene, kindlich-naive Art. Das war das Gefährliche.

Valdas Hand zitterte kaum, als sie Tyra erneut die Stirn tupfte. Das Tuch war lauwarm. Kühlend. Ein sanfter Gegensatz zur Hitze unter Tyras Haut. Sie wagte es nicht, das Mädchen fortzuschicken. Nicht, weil sie es nicht konnte – sondern weil ein Teil von ihr sich an diese winzige Geste klammerte. Der Druck der kleinen Hand war wie ein Anker, feiner als der Boden unter ihren Fingern zuvor, aber ebenso wirksam. „Du ... starkes Ding ...“, murmelte sie. Ein Hauch von Lächeln zuckte über ihr Gesicht, brüchig und bitter, aber echt. 

Dann kam die Wut zurück. Leise. Fast freundlich. Ein Feuer, das sie kannte. Kein lodernder Zorn, sondern das gleichmäßige Glimmen eines Lagerfeuers. Tyra hob leicht das Kinn. „Wenn er wieder losgezogen ist … ohne mich -“ Sie stockte, hustete trocken. „Ich reiße ihm die verdammte Zunge raus.“ Sie wusste, es war nur Fieberwut. Und trotzdem. Etwas daran fühlte sich richtig an. Kraftvoll. Wie ein Pflock im Moor. Ihre Lider senkten sich für einen Moment, schwer. Ihre Schultern sanken. Der Schmerz blieb. Das Fieber auch. Aber sie hielt sich. Noch.
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Winterland
Sanna Lorenson
Winterland
Alter 22
Beruf Jägerin
Wohnort Rabenrast
Stand Ledig
User Natsch
#9
„Eneas?“

Sannas Blick hob sich langsam, ihr Ausdruck weich, doch von einem leisen Bedauern überschattet.
Eneas war fort – und sie hatte nicht den Hauch einer Ahnung, wohin er verschwunden war. Die Spuren seines Pferdes hatten sich am Bach verloren, als hätte er es mit Absicht durchs Wasser geführt, um jede Fährte zu verwischen. Ob ihm etwas zugestoßen war oder er einfach nur gegangen war, ließ sich nicht sagen. Sanna hörte die Nuancen in Tyras Stimme – Sorge, ja, aber auch ein leiser Vorwurf, der zwischen den Worten hing. Ihre Kehle schnürte sich zu. Was hätte sie sagen sollen?
Sie senkte den Blick zurück auf das köchelnde Wasser im Kessel, als könne sie dort eine Antwort finden. Doch es blieb nur das leise Blubbern, das die Stille nicht mildern konnte.

„Was macht das Kind hier?“

Was Valda hier erlebte? Sie begann, den anderen Teil der Welt zu begreifen – jenen, den Sanna ihr so lange vorenthalten hatte: Schmerz, Zweifel, Verlust. Dinge, die kein Kind verstehen sollte. Und doch war es unausweichlich.
Sanna hatte versucht, ihre Tochter davor zu schützen – mit aller Kraft. Sie hatte sie umgeben mit Wärme, Geschichten und einem Gefühl von Sicherheit. Doch all das reichte nicht mehr. Und warum? Weil sie das Bett mit einem Mann geteilt hatte, der ihrer Tochter nie das würde geben können, was sie am dringendsten brauchte: Schutz. Schutz vor einer Welt, die zu groß, zu hart und zu gleichgültig war. Eine Welt, die sie irgendwann brechen würde – so wie sie es Tag für Tag mit Sanna versuchte.
Und Sanna wusste: Sie konnte ihre Tochter nicht davor bewahren. Nicht vor allem.
Aber sie konnte versuchen, sie darauf vorzubereiten. Ihre Hand halten. Ihr zeigen, wie man weitergeht, wenn es weh tut. Ihr vorleben, dass es da draußen – trotz allem – noch Gutes gab. Etwas, für das es sich lohnte, nicht aufzugeben. "Sie lernt", sagte Sanna leise – fast mehr zu sich selbst als zu Tyra.
Ein sanftes, aufmunterndes Lächeln huschte über ihr Gesicht, das sie ihrer Tochter schenkte. Valda erwiderte es zögerlich, während ihre kleinen Finger unbeholfen an den Kamillenblüten zupften.

Als Tyra erneut von Eneas sprach, durchbrach Sanna ihr Schweigen – zögerlich, mit einem Anflug von Unbehagen. "Er wollte Wasser holen. Doch er kam nicht zurück. Die Spuren seines Pferdes… verlieren sich im Bach." Nachdenklich rührte sie in der dampfenden Flüssigkeit, ehe sie sich erhob und begann, schmale Ästchen zusammenzusuchen. Bis Tyra wieder auf den Beinen war, würden sie wohl hier verweilen müssen. Mit ruhiger Entschlossenheit formten ihre Finger eine Hasenfalle. "Ich weiß nicht, wohin er sich aufgemacht hat", sagte sie leise, mehr zu sich selbst als zu Tyra.
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Heimatlose
Tyra Winters
Heimatlose
Alter 26
Beruf Söldnerin
Wohnort wo das Silber sie hinführt
Stand Ledig
User Lia
#10
Tyra lauschte. Nicht bewusst, vielmehr war es ihr Körper, der auf Sannas Stimme reagierte, wie ein dahin siechendes Tier auf den Klang von Regen: mit dumpfer Erinnerung, nicht mit Hoffnung. Sie lernt, hatte die Jägerin gesagt. Als wäre das etwas Gutes. Vielleicht war es das sogar, Tyra war sich nicht sicher. Ihre Lider senkten sich für einen Moment, während sie den Satz wirken ließ. Lernen bedeutete Schmerz. Immer. Und Valda lernte gerade auf dieselbe Weise, wie auch sie selbst es einst getan hatte: mit offenen Augen in einer Welt, die keine Rücksicht auf kindliche Seelen nahm. Kein Spiel, keine friedlichen Sommerabende, keine Unwissenheit – nur Erkenntnis. Und doch … war da etwas anderes. Etwas, das Tyra einst nicht gehabt hatte. Ihre Augen glitten zur Seite, fanden Sannas müdes Profil, das sich im fahlen Licht der nahenden Dämmerung matt und fremd abzeichnete. Und jetzt schwante es Tyra. Valda hatte ihre Mutter. Und mit einem Mal war da so etwas wie … Neid?

„Das Menschlein hat Glück“, murmelte sie heiser, fast unhörbar. „Weiß es nur noch nicht.“ Es war kein Vorwurf, kein Lob – bloß eine Feststellung, so trocken wie das Knacken im Unterholz. Der Blick ihrer fiebermatten Augen blieb an dem kleinen Mädchen hängen, das unbeirrt weiter in den Blüten stocherte. Kein Zittern. Keine Angst. Nur Tun. Ein verdammt kleines, starkes Wunder.

Der Geruch aus dem Kessel erreichte Tyra nun in voller Stärke – und sie verzog angewidert das Gesicht. „Beim verfluchten Heofader, was ist das für ein Sud?“ Ihre Stimme war brüchig, krächzend, doch mit einem Anflug ihres alten Selbst. Sie neigte sich etwas vor, mühsam, das rechte Bein leicht ausgestreckt, den linken Arm als Stütze. Der Kessel simmerte, die Dämpfe rochen kräuterig, irgendwie widerlich süß. Tyra sog die Luft durch die Zähne. „Riecht, als hättest du einen verfluchten Iltis da drin vergoren.“ Sie wusste, dass es helfen sollte. Vielleicht, wahrscheinlich, aber ihr Körper rebellierte schon beim Gedanken daran, etwas davon zu trinken. Stattdessen wand sie sich leicht, ihre Bewegungen schwerfällig und fahrig, und sah Sanna mit glasigem Blick an. „Leg mir eine Klinge in die Glut“, sagte sie rau. „Ich brenn den Kratzer aus. Jetzt.“ Der Satz stand wie eine Mauer zwischen ihnen. Kein Bitten, kein Zögern. Nur Entschlossenheit, die so alt war wie sie selbst. Tyra wusste, was Wunden bedeuteten. Und sie wusste, was es brauchte, um eine wie diese zu heilen – oder wenigstens das Gefühl zu haben, es noch in der Hand zu haben. Vielleicht war es Wahnsinn. Vielleicht war es Überlebenswille. Bei ihr war das oft dasselbe. Die Tatsache, dass es längst zu spät war, das die Wunde mit Hitze zu schließen, dass das Gift längst ihr Blut verseucht hatte, ignorierte sie.

„Kein Schwert mit breiter Klinge“, fügte sie nach einem Moment heiser hinzu, plapperte wie eine Irre und merkte es nicht einmal. „Etwas Dünnes. Schmal. Einen meiner Dolche. Ich muss nur tief genug rein.“ Ihre Zunge fuhr über die trockene Unterlippe, schmeckte Blut. Ihre Hand suchte die Hüfte, als läge dort noch einer ihrer Dolche, ein Messer, irgendetwas, das ihr gehörte. Doch da war nichts. „Ich mach das selbst. Du musst nur –“ Sie hob mühsam den Zeigefinger, während ihre Sicht verschwamm. Ihre Stimme versagte kurz, aber sie raffte sich wieder. „Nur reinlegen. Nicht anfassen.“ Das Fieber war da – wie eine Glut, die sie von innen auffraß. Aber es barg keinen Grund zu warten. Tyra wusste, dass es dafür zu spät war. Natürlich wusste sie das. Aber es ging um Kontrolle. Um das, was blieb. Um das kleine bisschen Handlungsmacht, das sie sich nicht nehmen ließ, auch wenn die Welt um sie herum zerbröselte.

Sie atmete langsam durch die Nase ein, hielt kurz inne, als sich ein Stechen in der Seite in ihren Brustkorb bohrte. Kein Laut entkam ihr – nur ein Schimmer von Schmerz in den Augenwinkeln. Ihre Stirn war feucht, der Schweiß sammelte sich in den Falten ihres Nackens. „Besser ich brenn’s aus, bevor es mich zerfrisst“, flüsterte sie, mehr zu sich selbst als zu Sanna. „Wenn’s zu spät ist, dann will ich es wenigstens selbst zu spät gemacht haben.“

Tyra-Logik.

Sie hob langsam die Hand, deutete vage auf das Feuer. „Und sag dem Ding da im Kessel, es soll mir nicht zu nahe kommen. Ich trinke nichts, was süßer riecht als ich selbst nach einer Woche in einem Weinfass.“ Ein mattes Grinsen zuckte über ihre spröden Lippen. Kurz. Flüchtig. Dann sank ihre Hand wieder herab, schwer wie Blei. Ihre Schultern sanken. Aber ihr Blick blieb aufrecht. Klar. So klar, wie er es in diesem Zustand nur sein konnte. Und während das Feuer knisterte und das Kind noch immer schweigend Blüten zerpflückte, wartete Tyra – auf das Glühen des Metalls. Auf den Schmerz. Auf das, was danach kommen mochte. Oder nicht.
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