25-06-2024, 04:12 - Wörter:

Noch seltener war es, dass Jorin sich in dieser Stunde zu ihnen gesellte, aber da war er, in Fleisch und Blut und mit einem deutlichen, Drittes Kind-ankündigenden Rums machte er sich zu Leifs Linken breit, dort, wo er seit Jahren schon hingehörte. “Morgen”, wandte der Kronprinz sich seinem jüngeren Bruder erstaunt zu und nahm sich raus, ihn von oben bis unten zu mustern. Mit jedem Zentimeter verzog sich sein Mund zu einem immer breiter werdenden Grinsen, das sich auch gerne Schadenfreude nannte. “Du hast mir meine Ehre gestohlen. Aber kein Problem, wenn die Prinzessin sich zu grob behandelt fühlt, kämpf ich das nächste Mal mit einer Kinderaxt gegen dich.” Musste Jorin ja nicht wissen, dass sein Bruder unter dem Leinenhemd ebenfalls zahlreiche blaue Flecken zu verzeichnen hatte und sich positiv misshandelt fühlte. In Gegenwart von Reinka hatte er sich auch schon verraten, denn die Prellung an seinem Oberschenkel machte sich besonders beim Sitzen bemerkbar. Normalerweise brauchte es mindestens zwei Tage, bis er eine solche Niederlage verarbeitet hatte und nicht mehr wie der schlechte Verlierer, der er war, säuerlich auf seine Schande reagierte. Tatsächlich aber leuchteten Leifs Augen schon, seit er mit großen Schritten den Saal betreten hatte. Man sah ihm überhaupt nicht an, dass er kaum geschlafen hatte.
“Wenn es darum geht, dass sie schnarcht, probier sie auf die Seite zu rollen.” Mit einem amüsierten Stechen in den Augen schob Leif sich ein Stück Huhn, das er vorher vom Knochen abgefieselt hatte, zwischen die Zähne. Wenn er eben schon Reinka einen wertvollen Tipp bezüglich ihres verkaterten Ehemanns gegeben hatte, dann konnte er auch gleich mit Jorin weitermachen. Im Endeffekt war es aber auch nur seine Art, seinen jüngeren Bruder in der indirekten Frage zu bestätigen, denn Ja, natürlich konnte Leif ein Geheimnis bewahren. Wenn er für seine Geschwister ohne Zögern schon zur Einöde und wieder zurück wandern würde, dann war das Stillschweigen über ein familiäres Geheimnis wirklich das Geringste, was er anzubieten hatte.