08-07-2024, 00:05 - Wörter:
My cold little heart
We can try to hide it
Ein halbes Jahr war die große Hochzeit von Jorin und seiner Ehefrau Lindgard mittlerweile her. Wo man der jungen Frau anfangs noch Zeit gegeben hat sich einzufinden, macht sie sich mittlerweile als vortreffliche Stelhammer. Es fühlte sich so an, als wäre es nie anders gewesen. So, als hätte es die letzten vier Jahre da noch diese eine weitere Schwester gegeben, denn obwohl sie sich auch mit Reinka die meiste Zeit über gut verstanden hatte, hatte Aleena das Gefühl, dass sie zu Lindgard eine etwas andere Verbindung pflegte. Sie waren sich sehr ähnlich und die junge Frau hoffte insgeheim in ihr eine Verbündete zu finden. Gleiches dachte sie damals bei Reinka, doch sie konnte den stummen Vorwurf spüren, den sie ihr nie offensichtlich gemacht hat, aber der irgendwie immer zwischen ihnen stand. Sie war keine Winterländerin, sie war schwach und zerbrechlich, konnte kein Schwert, geschweige denn eine Axt führen und trank selten auch nur einen kleinen Schluck Bier, weil ihr davon immer schlecht wurde. In @Reinka Norrholms Augen war sie keine geeignete Ehefrau für Leif. Aleena selbst hatte das gedacht, wie konnte sie ihrer Schwägerin also einen Vorwurf machen?
Ein leises Seufzen entkam ihren Lippen bei den Gedanken an vergangene Zeiten. Die letzten vier Jahre waren hart gewesen, doch Aleena war stolz auf sich sie schlussendlich doch irgendwie gemeistert zu haben. Und jetzt hatte sie sogar fast das Ziel erreicht, auf das sie ihr ganzes Leben lang vorbereitet worden war: einen Erben zu zeugen. Sie war schwanger! Auch wenn man an ihrem flachen Bauch noch keine Rundungen wahrnehmen konnte war die morgendliche Übelkeit immer noch ein guter Indikator für eine intakte Schwangerschaft. Nachdem sie diese für heute erst einmal überstanden hatte, ließ sie sich von ihrer Zofe in ein fließendes Kleid einkleiden, ihre Haare zu einer eleganten Flechtfrisur hochstecken und die Wangen ein wenig mit Rouge bepudern.
Die Kronprinzessin wollte heute mit ihrer mehr oder weniger neuen Schwägerin sprechen. Lindgard musste sich auch irgendwo hier im Schloss aufhalten und sie wollte nun endlich herausfinden, was der anderen jungen Frau so sehr auf dem Herzen lag, dass sie beinahe ihr ganzes Strahlen verloren hatte. Denn auch wenn es nicht alle der Familie mitbekamen, Aleena selbst konnte es beinahe greifen, so spürbar war die Tatsache, dass Lindgard etwas plagte. Das Lächeln, das sich jeden Tag auf ihren Lippen fand, war nicht echt. Es erreichte die wunderschönen blauen Augen der Frau kaum. Vielleicht würde sie ja sogar helfen können? Jedenfalls wenn die geborene Norrholm sich ihr anvertrauen würde. Insgeheim hoffte sie, dass sie nicht wieder vor den Kopf gestoßen wurde, weil sie sich nicht sicher war, wie oft sie dieses Gefühl noch aushalten konnte. Die meisten Menschen hier im Schloss waren nicht sehr erpicht auf tiefgreifende Gespräche, deswegen hatte es Aleena nach nur wenigen Monaten nach ihrem Umzug aufgegeben. Dass mit Lindgard sich nun alles etwas verändern konnte, wagte sie kaum zu hoffen.
Sie konnte die Ehefrau von Jorin in den Gärten des Schlosses finden. Enger zog sie ihren Fellbesatz um den schlanken Körper, damit der eisige Wind wenige Angriffsfläche hatte. Knirschend stapfte sie über den Schnee und kam neben Lindgard zum Stehen. "Prinzessin", begrüßte sie sie und deutete einen Knicks an. Nicht, dass das unbedingt nötig gewesen wäre, aber sie empfand es als höflich und respektvoll. "Darf ich Euch ein wenig Gesellschaft leisten?", fragte sie vorsichtig und blickte voller Hoffnung in das zarte Gesicht der Gleichaltrigen.

