30-07-2024, 09:55 - Wörter:
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 07-08-2024, 16:53 von Naila Castellanos.)
Silver Child, Wolf Boy
Tell me what it‘s like to Conquer

Zu ihrer aller Erleichterung war die zweite Nacht des Eisfeuerfests sehr viel ruhiger verlaufen, aus gemischten Gründen wie einem alten Publikum, die einfach nicht mehr dem gleichen Alkoholkonsum wie die Jungen frönen konnten, allgemeiner Übelkeit als Folge der vorangegangenen Nacht oder auch etwas zielbringendere Gründe wie die des Kronprinzen, der sich vorgenommen hatte, am dritten Tag wieder fit zu sein. Da gab es immerhin einen Wettkampf zu gewinnen, nachdem er sich das letzte Mal von seiner eigenen Schwester hatte schlagen lassen. Leif war gerne unter Leuten, er feierte gerne mit ihnen und trank auch schonmal einiges mit, in variierendem Ausmaß von einem leichten Nebel im Kopf bis zu Ich hab keine Ahnung mehr, was gestern passiert ist; aber während Erik in diesem Jahr keine Grenzen hatte, gab es für ihn durchaus welche einzuhalten. Wenn er jeden Tag so zubrachte wie den gestrigen, nämlich im Bett, bis die Sonne hinter den Bergen zur Dämmerung ansetzte, dann würde er heute weder den Wettkampf gewinnen, noch würde er etwas anderes zustande bringen, wofür das Eisfeuerfest unter anderem ebenfalls gedacht war. Ein Zusammenkommen unter Freunden, aber auch mit Fremden. Ein Kennenlernen und Bündnisse schließen. Engere Kontakte mit den verschiedenen Schichten aus dem Winterland knüpfen und sich mit den ausländischen Gästen auseinandersetzen, teilweise aus seiner angeheirateten Familie. Was am Abend für Spiel, Spaß und Ehrgeiz gedacht war, machte am Tag Platz für die zu kurz gekommene Diplomatie, derer sich Leif als Kronprinz durchaus verantwortlich fühlte. Heute würde er auch keiner Magd androhen, ihr die Hände abzuhacken, versprochen.
Im Vergleich zur letzten Nacht, die viel zu kurz gekommen oder auch gar nicht vorhanden gewesen war, fühlte sich Leif mit dem Aufgehen der Sonne sehr viel ausgeruhter. Während Aleena noch in den Fellen schlief, brannte bereits der Kerzenständer auf seinem Schreibtisch und eine Feder kratzte über Pergament. Auch diese Art von Verantwortung ließ sich nicht ewig aufschieben, deswegen erledigte Leif sie lieber gleich und gab sie später am besten persönlich an die Empfänger, wenn er sie denn finden konnte. Leif saß mit ungebändigten Locken am Schreibtisch, gehüllt in einfache Leinen, bevor er sich später in Tunika und Felle werfen würde, und genauso konnte er als einfacher Bürger durchgehen. Vielleicht war er etwas groß geraten für einen Laien, hatte zu breite Schultern für einen Bauern und guckte zu ernst für einen Händler, aber viel von einem Hauptmann unterschied ihn nicht. Es waren lediglich die Taten und Erlebnisse, die seine Geschichten prägten und die Verantwortung, die sich auf seinen Schultern abgesetzt hatte, begleitet von einem kaum wahrnehmbarer Nebel aus Etikette, der ihn vom allgemeinen Volk abhob, wenn er denn wollte. Nicht zuletzt war es die Macht, die er in seinen Händen hielt und aus einem Bürgerlichen einen Kronprinzen machte, als er das weiche Wachs auf das eingerollte Pergament tropfen ließ und mit dem königlichen Siegel der Stelhammer eindrückte. Anschließend griff er nach dem Bericht des Waffenmeisters und las ihn zum fünften Mal durch, innerlich noch einmal die Vorbereitungen durchgehend, die er nach dem Fest anpacken würde. Auch als er das Rascheln vom Bett aus vernahm, konzentrierte er sich noch auf das Schreiben; erst, als er einen blonden Schopf aus den Kissen hochragen sah, begehrte sein Blick auf und fasste für einen Moment die Prinzessin ins Auge. „Morgen“, brummte er, was von der Tonlage her eine steile Verbesserung zu seinem gestrigen Murren war — auch wenn er versucht hatte, Aleena nicht in sein Kater-Leiden mit reinzuziehen, hatte er es wohl oder übel trotzdem getan. Dafür gab es keine verbale Entschuldigung von ihm, aber als Entschädigung hatte er der verschreckten Magd aufgetragen, seiner Frau eine Vase mit irgendwelchen Blumen aus den Gärten hinzustellen, möglichst doch ohne dabei Krach zu machen. Zusätzlich hatte er jener Magd auch direkt eine Entschuldigung aufgedrückt in Form von Tut mir leid, das gestern war ne Ausnahme und Hände abhacken tu ich auch nicht, aber warte das nächste Mal doch einfach, bis einer von uns rauskommt und irgendwas braucht. Vielleicht wollte sie sich ja doch nicht mit dem Kopf voran in den nächsten Schneehaufen werfen und genau so den Winter über verweilen.