03-08-2024, 13:03 - Wörter:
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 03-08-2024, 13:04 von Leif Stelhammer.)
„Es gibt nur eine Regel, um sich Krieger nennen zu können.“ Dass Swantje sich so um Luitwin echauffierte, war nichts Neues mehr in ihrer Familiendynamik, und gelegentlich ging das Gezanke den älteren Geschwistern auch so auf den Geist, dass vor allem Leif manchmal Reißaus nahm, bevor er die Köpfe der beiden aus Frust zusammenstoßen würde. Dann wiederum erwischten sie heute seine gute, geduldige Seite — er hatte sie wohl auch einfach genug vermisst, um dem mit Toleranz entgegenzuwirken und etwas, das erstaunlich nahe an Toleranz kam. „Du musst eine Waffe halten können und schonmal gegen einen Feind gekämpft haben. Das können andere Menschen sein, aber auch Tiere. Wenn du erfolgreich aus dem Kampf herausgehst, bist du ein Krieger.“ Leif hielt kurz inne und zuckte dann mit den Schultern. „Ein kleiner Krieger vielleicht, aber trotzdem ein Krieger.“ Dann nannte Luitwin sich halt einen Krieger, Leif hatte das schon getan, da hatte er kaum ein Übungsschwert halten können. Am besten ließ man Jungs ihre Träume, irgendwann würde Luitwin schon auf den Boden zurückgeholt werden und merken, was es wirklich bedeutete, in die Fußstapfen seiner Brüder zu treten. „Bist du ein Krieger?“
Anstatt Swantje Raum zu geben, sich noch mehr über Luitwin zu beschweren, wollte Leif sie lieber Geschichten über sich selbst erzählen lassen. Was sie auch tat; man musste nur einmal den Damm losbrechen und schon hatte man einen Fluss von Informationen, dem man irgendwie Herr werden musste. Leif hingegen entschied sich, sie einfach reden zu lassen, hörte zu und reckte seinen Oberkörper etwas nach vorne, um die leichte Dehnung in seinen Waden zu spüren — eine angenehme Abwechslung zu der festgefahrenen Sitzstellung auf dem Pferd. „Was sagt man dir für falsche Sachen?“ , fragte er zwischendrin nach, ohne aufzusehen, sich der Präsenz seiner Schwester auch so bewusst, so wie duldend. Als sie von ihrem Geburtstag erzählte, musste er schmunzeln, konnte er sich Swantje doch genau wie einen schlafend eingerollten Wolf vorstellen, bis vermutlich Jorin sie zurück ins Zimmer getragen hatte, vielleicht auch ihr Vater. Sich rücklings auf die Hände stützend, blickte er über seine Schulter zu der liegenden Gestalt, die so ausgebreitet doch irgendwie größer aussah als eben noch. War sie etwa noch mehr gewachsen? „Das nächste Mal feiern wir zusammen. Das Eisfeuerfest ist doch bald, vielleicht kommt Lester dich besuchen?“ Es war eine einfache, offensichtlich harmlose Frage, aber in Leifs Stimme schwang ein fragender Unterton mit. Wie alt war sie jetzt, zehn? Damals hatte er selbst noch nicht wirklich Interesse an Mädchen gezeigt, aber irgendwann ging das ganz schnell. Hatte wohl auch mit seinem Hang zum Regelbrechen zutun, ganz viel mit Reinka, die — egal, was sie behaupte — definitiv einen besonderen Einfluss auf ihn gehabt hatte, oder mit Erik und dem ein oder anderen Wein, den sie gestohlen hatten. Auch, wenn Swantje dafür noch zu jung und viel zu unschuldig war (Leifs Einschätzung nach), wusste er doch, dass Mädchen meist früher Interesse entwickelten. Er wollte es nur abtasten, ein bisschen, und es dann gut sein lassen… oder sie ein bisschen damit aufziehen, aber dann ließ er es definitiv gut sein. Ganz sicher.