27-08-2024, 16:03 - Wörter:

Außerdem stand gar nicht zur Debatte, dass Reinka zu den Kriegerfrauen gehörte, die auch noch hochschwanger mit einer Axt kämpften.
Leif schaute nicht einmal von dem Huhn auf, dessen Fleisch er akribisch, aber auch gelangweilt von dem Knochen rupfte, nur leichtfertig mit den Schultern zuckend, als wären seine Schlafprobleme nicht weiter der Rede wert. Waren sie auch nicht. Er hatte welche, Ende der Geschichte. “Kommen und gehen”, antwortete er daher nur knapp, aber immerhin ehrlich und hatte das Thema damit für sich persönlich auch abgeschlossen. Sein Bruder wollte ja auch nicht seine Probleme mit ihm besprechen, sondern die seiner Ehefrau, und wenn es nach Leif ging, dann blieben sie auch besser dabei. Da seine Arbeit hier sowieso getan war, wollte er Jorin zumindest noch den Gefallen tun, das Geheimnis auch ein Geheimnis bleiben zu lassen, wie er es so schön deutlich machte, weshalb er sich das letzte Stück Huhn in den Mund schob, seine Hände abwischte und sich daran machte, den Türspalt zu schließen.
Dass in seinem Rücken tatsächlich ein kleines Lauschmonster auftauchte, kaum dass er sich wieder auf den Weg zum Tisch machte, hatte er nicht erwartet. “Swantje”, stimmte er zur gleichen Zeit mit seinem Bruder ein und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihre Weisheiten ließen ihn schmunzeln, auch wenn er eigentlich streng hätte dreinblicken sollen. In solchen Momenten war er Ariald fast wie aus dem Gesicht geschnitten, wenn sie beide grandios scheiterten, die jüngste Stelhammer über ihr Fehlverhalten zu belehren. Bei der Nachricht, dass sie fast vom Dach gefallen wäre, wanderten seine Augenbrauen doch ganz schnell Richtung Haaransatz. “Vom Dach?? Wie kommst du da überhaupt hoch?!” In Leifs Vorstellung erklomm seine kleine Schwester die Zinnen von den Burgtürmen und wenn sie da fiel, dann… Wenn sie die Höhe so gerne mochte, dann sollte sie lieber mit der Schulter ihres ältesten Bruders Vorlieb nehmen, denn der entschied sich spontan, ihr den Weg zum Tisch zu ersparen und ihr Fliegengewicht kurzerhand unter seinen Arm zu packen. Auch wenn er dabei ein wenig ächzte, den Prellungen von Gestern sei Dank. “Und erzähl besser nicht, dass du nochmal versucht hast, aufs Dach zu klettern”, ergänzte er Jorin, als er sie vor ihrem Platz wieder runterließ und sich gegenüber von ihr auf seinen eigenen Sessel setzte. Zurückgelehnt, die Ellbogen auf die Lehne abgelegt und die Hände vor seiner Mitte gefaltet, so, wie Reinka vorhin dagesessen hatte. Wenn man Leif so betrachtete, so rastlos, aktiv, und doch irgendwie in sich zufrieden, dann mochte man kaum glauben, dass er in der Zukunft mal derjenige sein würde, der schwere Entscheidungen im Namen eines Landes fällen würde.