16-09-2024, 14:33 - Wörter:
„Du musst nicht gewinnen. Sei froh, dass du in eine Familie geboren bist, wo du beides sein kannst — Kriegerprinzessin und Schneeprinzessin.“ In nichts standen die Frauen den Männern in ihrem geliebten Land nach, wo sie in einer Hand ihr Baby und in der anderen Hand eine Axt halten durften, und Leif würde nichts davon jemals verändert sehen wollen. Reinka war nicht mehr Reinka, wenn man ihr die Axt nahm, und Aleena war nicht Aleena, wenn man ihr die Blumen nahm. Was hatte Swantje doch für ein Glück, dass sie so viele Menschen hatte, zu denen sie aufsehen konnte, nur um irgendwann ihren eigenen Weg zu wählen.
In der Hoffnung, dass ihr Weg trotzdem einer war, der Leif hin und wieder seine Pflichten vergessen und ihn in die Rolle des großen Bruders schlüpfen ließ. So wie er sich auch jetzt nicht zurückhielt, sein bäriges Lachen durch den Raum hallen zu lassen, wollte er die Geschichten nicht missen, die nur eine 10-Jährige so überzeugend auftischen konnte. „Na, solange du nicht von den Eisklippen springst, das ist wirklich eine schlechte Idee“, tätschelte er ihren Kopf und ließ sich schließlich nach hinten in die Matratze fallen. Es tat gut, nach der langen Reise wieder die warmen Felle unter ihm zu spüren, seine Felle, an die er sich gewöhnt hatte und die nie von den einparfümierten Laken im Frühlingsland ersetzt werden konnten. Kurz schloss er die Augen und erlaubte sich einen Moment der Ruhe, in der die Stimme seine Schwester in den Hintergrund zu einem angenehmen Rauschen abklang. Bis er eine warme Präsenz spürte, die ihn instinktiv reagieren ließ und er seinen langen Arm locker um die kleinen Schultern schlang. Wer Bärenumarmungen erwartete, sollte besser Jorin fragen, aber auch Leif wusste seine Liebe immer schon am besten in Körperlichkeit auszudrücken. Seine kleinen Geschwister ständig ungefragt durch die Gegend zu tragen, war immerhin auch nur eine andere Art von Fürsorge.
Vor allem Leif hatte allerdings noch im Hinterkopf, dass dort unten ein Wilkommensfest auf sie wartete, weshalb er Swantje ebenso schnell wieder gehen ließ, wie er seinen Kopf hob, um sie anzusehen. „Schnee im Zimmer?“, fragte er verwundert. „Ist dein Fenster kaputt?“ Auch Leif setzte sich nun auf, wenn auch ein wenig schwerfälliger als seine Schwester. Er wackelte mit den Zehen, um wieder ein Gefühl für die Freiheit zu bekommen, und raffte sich schließlich auf, um sich endlich der bereitgestellten Waschschüssel zu bedienen. „Swantje, suchst du mir eine Weste und ein Fell aus dem Kleiderschrank raus?“, bat er sie, während er nach dem nassen Tuch griff und begann, die Spuren der Reise grob von seiner Haut zu waschen.