29-09-2024, 22:06 - Wörter:
Lang blieb Valerias Blick nicht starr auf den Tresen geheftet. Denn etwas – jemand – zerrte an ihrer Aufmerksamkeit, für die sie ihr grünes Augenpaar anhob, um in den Vermutungen, die aus ihrem Instinkt rührten, bestätigt zu werden: Der Fremde hatte sich lässig an den Tresen gelehnt, als wäre er sein. Als wäre dieser Tresen ein Tresen, zu dem er an jedem Abend kehrte, nachdem er sein Tagwerk vollbracht hatte. An dem er getrunken, gelacht und möglicherweise auch ein Mal geweint hatte. Als wäre er ein Vertrauter der Familia Marsili. Schlagartig stellte Valeria ihren Gang um den Tresen, diesen anbetungswürdigen, weil ungemein verlässlichen, Tresen, ein und kehrte wieder zurück an ihren Platz dahinter. Jedoch lediglich für einen Moment, den die fremde Frau ausnützte, um ihre Zustimmung zu dem Angebot zu bekunden. Ein Glas Milch sollte es für sie sein, was auf Valerias Gesicht ein ergebenes Lächeln der Bestätigung erscheinen ließ. Den Wünschen der Dame würde sie umgehend nachkommen, zuvor jedoch…
Valeria ergriff den Lappen, der noch etwas feucht war, mit einer Hand und trat behände wieder hinter dem Tresen hervor, als der mit einer überbordenden Selbstgefälligkeit ausgestattete Herr Valerias Angebot ausschlug. Stattdessen wollte er von ihr – Sonnenschein – etwas Stärkeres für die ausgelassene Stimmung und eifrig deutete ein Arm in die Richtung des leeren Schankraums. Es war der Augenblick, in welchem Valerias Herz einen Schlag lang aussetzte.
Wollte er sie verhöhnen?
Der Abstand ihrer Brauen verjüngte sich, sie spürte leichten Zorn in sich aufwallen und ihre Hand begann, den Lappen in eifrigen Kreisen über die Oberfläche der Theke zu ziehen. Genauer gesagt: in Achten. Zosia hatte ihr das so beigebracht, denn lediglich mit einer Acht – und Valeria wusste dank ihrer rudimentären Schulbildung, wie eine Acht auszusehen hatte, und wie man sie von einem B mit nur einem flüchtigen Blick unterscheiden konnte – ließen sich Schlieren vermeiden. In Achten, das war wiederum Valerias eigene Erkenntnis, lag auch die Unendlichkeit. Unendliche Kreise, die sie über den Tresen in den Jahren ihres Daseins gezogen hatte, oder mit dem Mopp über den Boden, um die Hinterlassenschaften einer wirklich ausgelassenen Stimmung randlos zu beseitigen.
„Wir haben auch Stärkeres“, sagte die junge Frau, die einen sich vergewissernden Blick auf die Fremde warf, deren Mann sich nicht besonders viel um die Gepflogenheiten innerhalb einer Taverne zu scheren schien oder – und das konnte auch gut der Fall sein – der es gewohnt war, alles an sich zu reißen, was er für sich ausbedingt hatte, dass es das Seine sein müsste. Die Frau schien noch recht jung und ihr Gesicht hatte lebhafte Züge. Die schlanke Linie ihres Halses wirkte nicht dürr, ausgehungert, ebenso wenig wie der Rest ihres Körpers, um den sich ihr Kleid schmeichelnd schmiegte. Es ließ erkennen, dass die Fremde zwar nicht Unmengen an Nahrung zu sich nahm, aber genug, und es ließ ebenfalls erkenne, dass sie es gewohnt sein musste, ihren Körper zu bewegen und vermutlich wusste sie auch genau, wie. Von selbst wanderte Valerias Blick zu der Geige in der beinahe grazilen Hand des Mannes. Seine Frau würde dazu also – tanzen?
Das fahrende Volk. Sie hatten hoffentlich genug Münzen dabei, um das Stärkere auch bezahlen zu können, denn sonst…
Valerias kreisende Bewegungen wurden raumgreifender. Schlussendlich stießen ihre Finger, die den Lappen umschlossen hielten, immer noch kreisend an den Ellenbogen des Mannes, der an der Theke lehnte, und sie ließ erkennen, dass sie mit ihren Wischbewegungen nicht aufhören würde. Dafür konnte sie nun sein Lächeln ehrlich erwidern. Es zwang die Fältchen an ihren Mund- und Augenwinkeln dazu, sich zu vertiefen.
„Ein Glas Milch und ein Glas Branntwein vielleicht? Oder doch lieber zwei Gläser Branntwein?“, erkundigte sich Valeria, die bisher den Blick des Fremden gesucht und gefunden und das Braun seiner Augen beharrlich gemustert hatte, ihn nun aber wieder zurück zu der Frau gleiten ließ.
Valeria ergriff den Lappen, der noch etwas feucht war, mit einer Hand und trat behände wieder hinter dem Tresen hervor, als der mit einer überbordenden Selbstgefälligkeit ausgestattete Herr Valerias Angebot ausschlug. Stattdessen wollte er von ihr – Sonnenschein – etwas Stärkeres für die ausgelassene Stimmung und eifrig deutete ein Arm in die Richtung des leeren Schankraums. Es war der Augenblick, in welchem Valerias Herz einen Schlag lang aussetzte.
Wollte er sie verhöhnen?
Der Abstand ihrer Brauen verjüngte sich, sie spürte leichten Zorn in sich aufwallen und ihre Hand begann, den Lappen in eifrigen Kreisen über die Oberfläche der Theke zu ziehen. Genauer gesagt: in Achten. Zosia hatte ihr das so beigebracht, denn lediglich mit einer Acht – und Valeria wusste dank ihrer rudimentären Schulbildung, wie eine Acht auszusehen hatte, und wie man sie von einem B mit nur einem flüchtigen Blick unterscheiden konnte – ließen sich Schlieren vermeiden. In Achten, das war wiederum Valerias eigene Erkenntnis, lag auch die Unendlichkeit. Unendliche Kreise, die sie über den Tresen in den Jahren ihres Daseins gezogen hatte, oder mit dem Mopp über den Boden, um die Hinterlassenschaften einer wirklich ausgelassenen Stimmung randlos zu beseitigen.
„Wir haben auch Stärkeres“, sagte die junge Frau, die einen sich vergewissernden Blick auf die Fremde warf, deren Mann sich nicht besonders viel um die Gepflogenheiten innerhalb einer Taverne zu scheren schien oder – und das konnte auch gut der Fall sein – der es gewohnt war, alles an sich zu reißen, was er für sich ausbedingt hatte, dass es das Seine sein müsste. Die Frau schien noch recht jung und ihr Gesicht hatte lebhafte Züge. Die schlanke Linie ihres Halses wirkte nicht dürr, ausgehungert, ebenso wenig wie der Rest ihres Körpers, um den sich ihr Kleid schmeichelnd schmiegte. Es ließ erkennen, dass die Fremde zwar nicht Unmengen an Nahrung zu sich nahm, aber genug, und es ließ ebenfalls erkenne, dass sie es gewohnt sein musste, ihren Körper zu bewegen und vermutlich wusste sie auch genau, wie. Von selbst wanderte Valerias Blick zu der Geige in der beinahe grazilen Hand des Mannes. Seine Frau würde dazu also – tanzen?
Das fahrende Volk. Sie hatten hoffentlich genug Münzen dabei, um das Stärkere auch bezahlen zu können, denn sonst…
Valerias kreisende Bewegungen wurden raumgreifender. Schlussendlich stießen ihre Finger, die den Lappen umschlossen hielten, immer noch kreisend an den Ellenbogen des Mannes, der an der Theke lehnte, und sie ließ erkennen, dass sie mit ihren Wischbewegungen nicht aufhören würde. Dafür konnte sie nun sein Lächeln ehrlich erwidern. Es zwang die Fältchen an ihren Mund- und Augenwinkeln dazu, sich zu vertiefen.
„Ein Glas Milch und ein Glas Branntwein vielleicht? Oder doch lieber zwei Gläser Branntwein?“, erkundigte sich Valeria, die bisher den Blick des Fremden gesucht und gefunden und das Braun seiner Augen beharrlich gemustert hatte, ihn nun aber wieder zurück zu der Frau gleiten ließ.
