24-11-2024, 00:08 - Wörter:

Das Söldnerdasein aber hatte ihn verschlungen, wie ein dunkler Wald den Wanderer, der einen falschen Pfad wählt. Und je tiefer er in diese Welt eintauchte, desto mehr entglitt ihm das, was einst sein Herz zum Schlagen brachte. Vielleicht, dachte er manchmal, war es die Erkenntnis, dass körperliches Verlangen allein hohl war, ein flüchtiger Funke, der in der Leere seines Inneren nur umso stärker verhallte, wenn sein Herz nicht dabei war. Ein Narr, würden ihn die anderen Männer schimpfen, und gewiss, es gab Nächte, in denen er sich selbst ebenso nannte. Nächte, in denen der Wein zu bitter schmeckte und das Lachen um ihn her zu leer klang. Doch in den tiefsten Winkeln seines Geistes klammerte sich etwas an die Hoffnung, dass es mehr geben musste. Etwas, das nicht im Feuer einer leidenschaftlichen Nacht verbrannte, nicht im Getöse von Münzen oder im Flüstern fremder Lippen verblasste.
Gut also, dass seine gesamte Aufmerksamkeit auf dem Trunkenbold vor ihm lag. Die hellen Augen Remus' waren wie zwei kalte, unbewegliche Kiesel, die sich in die des Fremden bohrten – fest, unnachgiebig, drohend. Der Griff von Remus' kräftigen Händen wurde dabei jedes Mal kaum merklich fester, ein stiller Ausdruck seiner wachsenden Ungeduld. Wieder ein Zentimeter mehr, den er den Wicht vom Erdboden entfernte, wie ein Jäger, der mit einer Beute spielt, bevor er den finalen Schlag setzt.
Das Stottern des anderen änderte nichts an der Haltung des Söldners und erst als sich die Fremde wieder einschaltete, lockerte er seinen Griff, die Muskeln in seinem Nacken spannten sich kurz an, ehe er mit einem Nicken den Fremden auf den Boden ließ. "Besser so.", raunte das tiefe Bariton des Prudenius, dem besoffenen Kerl dabei zusehend, wie er leise fluchend und stolpernd seiner Wege zog. Dabei ließ er es sich nicht nehmen, noch einmal durch die Scherben zu treten, die wohl mal zu dem Porzellan der jungen Frau gehört hatten.
Remus wandte sich der jungen Frau wieder zu, betrachtete sie einen kurzen Moment, ehe sich seine Haltung wieder lockerte. Einen tiefen Atemzug später, wurde aus dem Lodern seiner Augen lediglich ein flackern. "Das kann man wohl nicht mehr retten.", lenkte er das Gespräch auf den kleinen Scherbenhaufen, ergriff den Korb der nach wie vor auf dem Boden lag und reichte ihn der Fremden. "Mein Name ist Remus.", stellte er sich höflichkeitshalber vor.