14-05-2025, 13:57 - Wörter:
Das leise Schnaufen der Pferde, das rhythmische Scharren von Hufen auf festgetretener Erde, das gedämpfte Raunen des Windes, der durch die Spalten der Stallwände fuhr – all das war Reinka vertrauter als der Klang ihrer eigenen Stimme geworden. Zwischen den grob gezimmerten Balken und dem Duft von Heu und Tier fand sich etwas, das sie nirgends sonst mehr fand: Ruhe. Hier war kein Platz für höfisches Getuschel oder wohlmeinendes Zureden. Keine fragenden Blicke. Kein Erik, der sie mit Augen voller Liebe, aber auch geschwängert mit ungewohnter Sorge ansah. Nur das Hier und Jetzt.
Geist hob den Kopf, als sie sich ihm näherte, spitzte die Ohren, schnaubte leise, als erkenne er etwas in ihrem Schritt, das lange in ihr geschlummert hatte. Sie legte dem großrahmigen Wallach die Hand auf den muskulösen Nacken, spürte unter dem feinen Silberfell die Wärme, die Kraft, die lebendige Erinnerung an all die halsbrecherischen Ritte und Kämpfe, die sie gemeinsam bestritten hatten. Seine Muskeln zuckten leicht unter ihrer Berührung, als stelle er ihr eine eindeutige Frage, die Reinka zum Lächeln brachte, kaum merklich. »Bald wieder«, flüsterte sie, fast entschuldigend. Der edle Sattel war bereits festgezurrt, die geflochtenen, gut gepolsterten Riemen akkurat gebunden – nicht von ihr, sondern von einem Stalljungen, der ihre Anweisungen ausgeführt hatte. Weil man es ihr nahegelegt hatte. Sie solle mehr ruhen, hatten die Heiler gesagt. An das Kind denken. Es sei eine kritische Zeit ihrer Schwangerschaft. Als wüsste sie das nicht längst. Als würde sie nicht jede Veränderung an ihrem Körper bemerken, jeden Schritt, der sie langsamer machte, jede Bewegung, die nicht mehr ganz ihr gehörte. Ganz zu schweigen von dieser unsäglichen Übelkeit, die sie seit Wochen in den kältesten Morgenstunden aus den wärmenden Fellen schießen ließ.
Ihr Blick glitt zu den zwei Remonten am Ende der Stallgasse – zwei bildschöne Stuten, die eine ruhig, rabenschwarz und mit zarten, langen Fesseln, die andere kleiner, rotbraun, mit blitzenden Augen und dem Widerspruch im Leib, der Reinka vertrauter war als das zarte Lächeln ihrer Schwägerinnen. Eine von ihnen hatte sie selbst angeritten, noch vor jenem Morgen, als sich die Welt zu drehen begonnen hatte und sie kaum noch wusste, wo oben oder unten war. Die andere war unter ihrer Anleitung ausgebildet worden – Worte statt Taten, Anweisungen statt Reiten. So wie vieles in ihrem Leben zurzeit.
Das Eisfeuerfest war vorüber, und zum ersten Mal war es gewesen, als hätte es nicht für sie stattgefunden. Kein Bogen in ihrer Hand, keine Klinge an ihrer Seite, kein Axtkampf im festgetretenen Schnee, in dem sie hätte zeigen können, dass sie noch da war – dass sie noch immer die Tochter ihres Vaters war. Und dann Aleena, diese zarte Blume mit ihrem strahlenden Blick, dem glänzenden Haar, der überbordenden Freude, die man einer Schwangeren nicht nehmen durfte. Reinka hatte ihr von Herzen Glück gewünscht, jedoch höflich und ruhig, wie es von ihr erwartet wurde. Sie wusste, dass Leif die Wahrheit nicht offenbart hatte – über das Kind, das nicht ihres war. Und nicht rechtmäßig. Niemand hatte gefragt, würde es niemals wagen. Doch das Schweigen zwischen den beiden ältesten Geschwistern hatte schwerer gewogen als jedes gesprochene Wort.
Ein leises Knarzen hinter ihr ließ sie den Kopf heben. Kein Stallbursche, keine neugierige Dienstmagd. Der Schritt war zu ruhig, zu kontrolliert – schwer und sicher wie der eines Mannes, der viele Jahre auf seinen Füßen gestanden hatte und wusste, dass er sie nicht mehr beweisen musste. Veith Alvarsson. Sein Schweigen kündigte ihn an, noch bevor sie ihn sah. Es war nicht von der Sorte, die sie selbst pflegte – kein schneidendes, kantiges Schweigen wie die Klinge eines Dolches –, sondern ein stilles, festes, gleich einem Schild, das schützte, aber nichts offenbarte. Sie fragte sich manchmal, was er gesehen hatte in den Jahren fernab von jeglicher Zivilisation. Und sie beneidete ihn darum.
Sie sagte nichts. Wandte sich ihm nur einen halben Schritt zu, griff nach einem Striegel, ohne ihn zu benutzen. Eine Geste, die Abstand hielt, aber keine Kälte bedeutete. Er war gekommen, um sich die Pferde anzusehen – ein einfacher Grund, ein klarer Vorwand. Vielleicht für sie beide. Wo er vermutlich Ruhe zu den stattgehabten Feierlichkeiten suchen mochte, war dies Reinkas Zuflucht vor all den Menschen, die es neuerlich so schrecklich gut mit ihr meinten.
Geist stampfte leise, als spürte er, dass sich etwas veränderte. Reinka hob den Blick, sah dem Kriefer entgegen, senkte knapp das Kinn zum Gruß. »Sie hören auf leise Befehle«, sagte sie schließlich. Die Worte kamen langsam, als müsse sie sie erst abwägen. »Nicht auf Reiter, die glauben, Respekt mit Lautstärke erzwingen zu können.« Eine Geste hin zu den Stuten bedeutete ihm, voranzugehen. Ihre Worte trugen keine Warnung. Nicht wirklich. Aber auch kein Angebot. Vielleicht ein Prüfstein. Vielleicht eine Einladung. Sie wusste nicht, was dieser Mann suchte – ein Pferd, ein Gespräch, eine Erinnerung an etwas, das ihnen beiden womöglich fremd geworden war. Doch sie wollte wissen, ob er es verstand, ein Tier zu lesen, ohne es besitzen zu wollen. Und ob er es wagte, ihr zu antworten, ohne sich zuerst beweisen zu müssen.
Geist hob den Kopf, als sie sich ihm näherte, spitzte die Ohren, schnaubte leise, als erkenne er etwas in ihrem Schritt, das lange in ihr geschlummert hatte. Sie legte dem großrahmigen Wallach die Hand auf den muskulösen Nacken, spürte unter dem feinen Silberfell die Wärme, die Kraft, die lebendige Erinnerung an all die halsbrecherischen Ritte und Kämpfe, die sie gemeinsam bestritten hatten. Seine Muskeln zuckten leicht unter ihrer Berührung, als stelle er ihr eine eindeutige Frage, die Reinka zum Lächeln brachte, kaum merklich. »Bald wieder«, flüsterte sie, fast entschuldigend. Der edle Sattel war bereits festgezurrt, die geflochtenen, gut gepolsterten Riemen akkurat gebunden – nicht von ihr, sondern von einem Stalljungen, der ihre Anweisungen ausgeführt hatte. Weil man es ihr nahegelegt hatte. Sie solle mehr ruhen, hatten die Heiler gesagt. An das Kind denken. Es sei eine kritische Zeit ihrer Schwangerschaft. Als wüsste sie das nicht längst. Als würde sie nicht jede Veränderung an ihrem Körper bemerken, jeden Schritt, der sie langsamer machte, jede Bewegung, die nicht mehr ganz ihr gehörte. Ganz zu schweigen von dieser unsäglichen Übelkeit, die sie seit Wochen in den kältesten Morgenstunden aus den wärmenden Fellen schießen ließ.
Ihr Blick glitt zu den zwei Remonten am Ende der Stallgasse – zwei bildschöne Stuten, die eine ruhig, rabenschwarz und mit zarten, langen Fesseln, die andere kleiner, rotbraun, mit blitzenden Augen und dem Widerspruch im Leib, der Reinka vertrauter war als das zarte Lächeln ihrer Schwägerinnen. Eine von ihnen hatte sie selbst angeritten, noch vor jenem Morgen, als sich die Welt zu drehen begonnen hatte und sie kaum noch wusste, wo oben oder unten war. Die andere war unter ihrer Anleitung ausgebildet worden – Worte statt Taten, Anweisungen statt Reiten. So wie vieles in ihrem Leben zurzeit.
Das Eisfeuerfest war vorüber, und zum ersten Mal war es gewesen, als hätte es nicht für sie stattgefunden. Kein Bogen in ihrer Hand, keine Klinge an ihrer Seite, kein Axtkampf im festgetretenen Schnee, in dem sie hätte zeigen können, dass sie noch da war – dass sie noch immer die Tochter ihres Vaters war. Und dann Aleena, diese zarte Blume mit ihrem strahlenden Blick, dem glänzenden Haar, der überbordenden Freude, die man einer Schwangeren nicht nehmen durfte. Reinka hatte ihr von Herzen Glück gewünscht, jedoch höflich und ruhig, wie es von ihr erwartet wurde. Sie wusste, dass Leif die Wahrheit nicht offenbart hatte – über das Kind, das nicht ihres war. Und nicht rechtmäßig. Niemand hatte gefragt, würde es niemals wagen. Doch das Schweigen zwischen den beiden ältesten Geschwistern hatte schwerer gewogen als jedes gesprochene Wort.
Ein leises Knarzen hinter ihr ließ sie den Kopf heben. Kein Stallbursche, keine neugierige Dienstmagd. Der Schritt war zu ruhig, zu kontrolliert – schwer und sicher wie der eines Mannes, der viele Jahre auf seinen Füßen gestanden hatte und wusste, dass er sie nicht mehr beweisen musste. Veith Alvarsson. Sein Schweigen kündigte ihn an, noch bevor sie ihn sah. Es war nicht von der Sorte, die sie selbst pflegte – kein schneidendes, kantiges Schweigen wie die Klinge eines Dolches –, sondern ein stilles, festes, gleich einem Schild, das schützte, aber nichts offenbarte. Sie fragte sich manchmal, was er gesehen hatte in den Jahren fernab von jeglicher Zivilisation. Und sie beneidete ihn darum.
Sie sagte nichts. Wandte sich ihm nur einen halben Schritt zu, griff nach einem Striegel, ohne ihn zu benutzen. Eine Geste, die Abstand hielt, aber keine Kälte bedeutete. Er war gekommen, um sich die Pferde anzusehen – ein einfacher Grund, ein klarer Vorwand. Vielleicht für sie beide. Wo er vermutlich Ruhe zu den stattgehabten Feierlichkeiten suchen mochte, war dies Reinkas Zuflucht vor all den Menschen, die es neuerlich so schrecklich gut mit ihr meinten.
Geist stampfte leise, als spürte er, dass sich etwas veränderte. Reinka hob den Blick, sah dem Kriefer entgegen, senkte knapp das Kinn zum Gruß. »Sie hören auf leise Befehle«, sagte sie schließlich. Die Worte kamen langsam, als müsse sie sie erst abwägen. »Nicht auf Reiter, die glauben, Respekt mit Lautstärke erzwingen zu können.« Eine Geste hin zu den Stuten bedeutete ihm, voranzugehen. Ihre Worte trugen keine Warnung. Nicht wirklich. Aber auch kein Angebot. Vielleicht ein Prüfstein. Vielleicht eine Einladung. Sie wusste nicht, was dieser Mann suchte – ein Pferd, ein Gespräch, eine Erinnerung an etwas, das ihnen beiden womöglich fremd geworden war. Doch sie wollte wissen, ob er es verstand, ein Tier zu lesen, ohne es besitzen zu wollen. Und ob er es wagte, ihr zu antworten, ohne sich zuerst beweisen zu müssen.