14-05-2025, 21:48 - Wörter:
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 15-05-2025, 08:47 von Reinka Norrholm.)
Sie hatte ihn schweigend durch die Gänge begleitet, ihren Bruder, der wie ein mörderischer Sturm durch die Hallen Wintergard fegte. Die Kälte des Steins unter ihren Sohlen, das entfernte Gebrüll der Menge in den Straßen der Stadt, das matte Licht der nachmittäglichen Sonne, das durch bleigefasste Fenster fiel – all das nahm sie nur am Rande wahr. Es war Leifs Schatten, den sie suchte, seine Haltung, sein Atem, seine unausgesprochene Wut, die wie ein Glutmeer unter einer dünnen Eisschicht brodelte. Jeder Schritt, den er tat, war schwer vor Zorn, vor Hilflosigkeit, vor Angst – Reinka sah es, wie andere das Flackern eines Feuers in dunkler Nacht sahen. Sie kannte ihn, ihren jüngeren Bruder, besser als alle anderen. Kannte die feinen Risse in seiner Fassade, die sich jetzt wie Schlangenlinien durch seinen Panzer aus Arroganz und Macht zogen.
Hätte er gewusst, wie laut seine Verzweiflung schrie, er hätte sich vermutlich geschämt.
Sie sagte nichts, als er die Tür zu ihrem alten Zimmer aufstieß. Es war noch immer, wie sie es zurückgelassen hatte – Spuren einer wilden, ungebundenen Mädchens mit dem Herzen einer Kriegerin, das nie ganz fortgegangen war. Der Geruch von Leder und Eisen hing in der Luft, ein Pelzumhang über dem Stuhl, ein Bogen an der Wand, eine Holzfigur auf dem Regal, halb geschnitzt, von ungeübter Hand. Erinnerungen. Ein Hauch ihres früheren Ichs.
Leif trat ein, ohne wirklich anzukommen, stand da wie ein Tier, das in die Enge getrieben wurde. Seine Hände, nervös, ruhelos, suchten Halt, und fanden ihn doch nicht. Reinka trat dicht hinter ihm ein, leise, mit der lautlosen Sicherheit einer Jägerin. Als er sich umdrehte, in plötzlichem Impuls, sich an ihr vorbeizudrängen, stellte sie sich in den Türrahmen. Kein Wort. Nur eine Bewegung. Eine Grenze. Sie lehnte sich leicht an das alte Holz – nicht provozierend, nicht herausfordernd. Eher… endgültig. »Du gehst nicht.« Ihre Stimme war ruhig, gefasst und von jener Unerschütterlichkeit, die nicht diskutierte, sondern beschloss. Sie hob nicht die Stimme, musste es auch nicht. Ihre Worte fielen wie Eisen auf Stein – sachlich, endgültig, ohne Hass, ohne Wut. Nur Entschlossenheit. Und ein Hauch jener Wärme, die nur Geschwister sich zugestehen, wenn alles andere ringsum in Schutt fällt. »Nicht kopflos. Nicht jetzt.«
Sie legte keine Hand auf seine Brust. Keine Geste, die ihn demütigen würde. Nur ihr Blick hielt ihn. Ihre Haltung. Der Ausdruck in ihren Augen, der ihm sagte, dass sie es wusste. Dass sie wusste, um was es hier ging. Um was es für ihn ging. Ihre Augen ruhten auf ihm, ruhig, forschend. In seinem Blick tobte der Sturm, den sie erwartet hatte. Doch darunter war etwas anderes – etwas Tieferes, das nicht mit Fäusten zu greifen war. Sorge. Nicht um sich. Um sie.
Valda.
Der Name lag unausgesprochen zwischen ihnen, wie Schnee, der langsam ein karges Feld bedeckt. Reinka ließ sich Zeit, ihn zu mustern, jedes Zucken seines Gesichts, jede angespannte Muskelfaser zu lesen wie eine Karte. Was sie sah, tat weh. Nicht, weil er ihr etwas verheimlicht hatte – das war es nicht. Es war der Schmerz darüber, wie allein er damit gewesen war. Wie sehr er geglaubt hatte, dass sie es nicht verstehen würde. Aber sie verstand. Sie sah nicht den Prinzen, den Krieger, den aufbrausenden Bruder. Sie sah den Vater. Und sie sah einen Mann, der im Begriff war, alles zu verlieren, was ihm lieb war.
Langsam richtete sie sich noch ein wenig mehr auf, reckte das Kinn in perfekter Stelhammer-Manier. Ihre Bewegungen waren weich, bedächtig, aber von innerer Kraft getragen. Keine Umarmung, keine tröstende Geste. Nicht jetzt. Leif hätte sie abgeschüttelt, wenn sie ihn wie ein Kind behandelt hätte. Sie stellte sich ihm einfach gegenüber. Nicht als Richterin. Als Schwester. Die Stille zog sich zwischen ihnen, dicht wie gefrorenes Wasser. Und sie ließ sie gewähren, ließ ihn spüren, dass er nicht allein war. Dass ihre Gegenwart kein Urteil war, sondern ein Schild. Schließlich senkte Reinka den Blick einen Moment, als müsse sie etwas in sich sortieren – vielleicht den Schmerz, dass er sie all die Jahre nicht eingeweiht hatte, vielleicht die Enttäuschung, dass er glaubte, sie würde ihn verurteilen. Doch als sie ihn wieder ansah, war in ihren Augen keine Kränkung. Nur Klarheit. Und Geduld.
Wenn er reden wollte, würde er es tun. Wenn nicht, würde sie ihn trotzdem halten – nicht mit Händen, sondern mit Schweigen, mit Raum. Ein Krieger braucht keine langen Reden, um zu wissen, wann jemand hinter ihm steht. Sie bewegte sich leise zum lichtdurchfluteten Erker, drehte ihm den Rücken zu, nur für einen Moment, als wolle sie ihm eine Atempause geben. Die Sonne warf schon lange Schatten durch den Raum. Die Zeit der Kälte kam schnell in diesem Jahr, früher als sonst. Vielleicht war es ein Zeichen. Vielleicht auch nur der Lauf der Dinge.
Sie legte eine Hand auf den unebenen Sims, die andere auf ihren wachsenden Bauch. Eine Geste, die sie sich sonst selten erlaubte, weil sie sich verletzlich dabei fühlte. Aber jetzt, in diesem Moment, war es eine Erinnerung. An das, was auf dem Spiel stand. Für sie beide, denn Leif war nun nicht mehr allein. Sie wandte sich wieder zu ihm um. Und auch wenn ihre Lippen kaum einen Laut formten, waren ihre Augen voll stiller Worte. Sie sagte nichts, aber alles an ihr sprach. Sie war ein Bollwerk in einer Welt, die wankte. Und sie bot ihm, was sie immer geboten hatte – Stärke, wenn seine schwand. Geduld, wenn seine auslief. Und einen Ort, an dem er keine Maske tragen musste.
Jetzt musste Leif nur entscheiden, ob er das Geschenk annahm.
Hätte er gewusst, wie laut seine Verzweiflung schrie, er hätte sich vermutlich geschämt.
Sie sagte nichts, als er die Tür zu ihrem alten Zimmer aufstieß. Es war noch immer, wie sie es zurückgelassen hatte – Spuren einer wilden, ungebundenen Mädchens mit dem Herzen einer Kriegerin, das nie ganz fortgegangen war. Der Geruch von Leder und Eisen hing in der Luft, ein Pelzumhang über dem Stuhl, ein Bogen an der Wand, eine Holzfigur auf dem Regal, halb geschnitzt, von ungeübter Hand. Erinnerungen. Ein Hauch ihres früheren Ichs.
Leif trat ein, ohne wirklich anzukommen, stand da wie ein Tier, das in die Enge getrieben wurde. Seine Hände, nervös, ruhelos, suchten Halt, und fanden ihn doch nicht. Reinka trat dicht hinter ihm ein, leise, mit der lautlosen Sicherheit einer Jägerin. Als er sich umdrehte, in plötzlichem Impuls, sich an ihr vorbeizudrängen, stellte sie sich in den Türrahmen. Kein Wort. Nur eine Bewegung. Eine Grenze. Sie lehnte sich leicht an das alte Holz – nicht provozierend, nicht herausfordernd. Eher… endgültig. »Du gehst nicht.« Ihre Stimme war ruhig, gefasst und von jener Unerschütterlichkeit, die nicht diskutierte, sondern beschloss. Sie hob nicht die Stimme, musste es auch nicht. Ihre Worte fielen wie Eisen auf Stein – sachlich, endgültig, ohne Hass, ohne Wut. Nur Entschlossenheit. Und ein Hauch jener Wärme, die nur Geschwister sich zugestehen, wenn alles andere ringsum in Schutt fällt. »Nicht kopflos. Nicht jetzt.«
Sie legte keine Hand auf seine Brust. Keine Geste, die ihn demütigen würde. Nur ihr Blick hielt ihn. Ihre Haltung. Der Ausdruck in ihren Augen, der ihm sagte, dass sie es wusste. Dass sie wusste, um was es hier ging. Um was es für ihn ging. Ihre Augen ruhten auf ihm, ruhig, forschend. In seinem Blick tobte der Sturm, den sie erwartet hatte. Doch darunter war etwas anderes – etwas Tieferes, das nicht mit Fäusten zu greifen war. Sorge. Nicht um sich. Um sie.
Valda.
Der Name lag unausgesprochen zwischen ihnen, wie Schnee, der langsam ein karges Feld bedeckt. Reinka ließ sich Zeit, ihn zu mustern, jedes Zucken seines Gesichts, jede angespannte Muskelfaser zu lesen wie eine Karte. Was sie sah, tat weh. Nicht, weil er ihr etwas verheimlicht hatte – das war es nicht. Es war der Schmerz darüber, wie allein er damit gewesen war. Wie sehr er geglaubt hatte, dass sie es nicht verstehen würde. Aber sie verstand. Sie sah nicht den Prinzen, den Krieger, den aufbrausenden Bruder. Sie sah den Vater. Und sie sah einen Mann, der im Begriff war, alles zu verlieren, was ihm lieb war.
Langsam richtete sie sich noch ein wenig mehr auf, reckte das Kinn in perfekter Stelhammer-Manier. Ihre Bewegungen waren weich, bedächtig, aber von innerer Kraft getragen. Keine Umarmung, keine tröstende Geste. Nicht jetzt. Leif hätte sie abgeschüttelt, wenn sie ihn wie ein Kind behandelt hätte. Sie stellte sich ihm einfach gegenüber. Nicht als Richterin. Als Schwester. Die Stille zog sich zwischen ihnen, dicht wie gefrorenes Wasser. Und sie ließ sie gewähren, ließ ihn spüren, dass er nicht allein war. Dass ihre Gegenwart kein Urteil war, sondern ein Schild. Schließlich senkte Reinka den Blick einen Moment, als müsse sie etwas in sich sortieren – vielleicht den Schmerz, dass er sie all die Jahre nicht eingeweiht hatte, vielleicht die Enttäuschung, dass er glaubte, sie würde ihn verurteilen. Doch als sie ihn wieder ansah, war in ihren Augen keine Kränkung. Nur Klarheit. Und Geduld.
Wenn er reden wollte, würde er es tun. Wenn nicht, würde sie ihn trotzdem halten – nicht mit Händen, sondern mit Schweigen, mit Raum. Ein Krieger braucht keine langen Reden, um zu wissen, wann jemand hinter ihm steht. Sie bewegte sich leise zum lichtdurchfluteten Erker, drehte ihm den Rücken zu, nur für einen Moment, als wolle sie ihm eine Atempause geben. Die Sonne warf schon lange Schatten durch den Raum. Die Zeit der Kälte kam schnell in diesem Jahr, früher als sonst. Vielleicht war es ein Zeichen. Vielleicht auch nur der Lauf der Dinge.
Sie legte eine Hand auf den unebenen Sims, die andere auf ihren wachsenden Bauch. Eine Geste, die sie sich sonst selten erlaubte, weil sie sich verletzlich dabei fühlte. Aber jetzt, in diesem Moment, war es eine Erinnerung. An das, was auf dem Spiel stand. Für sie beide, denn Leif war nun nicht mehr allein. Sie wandte sich wieder zu ihm um. Und auch wenn ihre Lippen kaum einen Laut formten, waren ihre Augen voll stiller Worte. Sie sagte nichts, aber alles an ihr sprach. Sie war ein Bollwerk in einer Welt, die wankte. Und sie bot ihm, was sie immer geboten hatte – Stärke, wenn seine schwand. Geduld, wenn seine auslief. Und einen Ort, an dem er keine Maske tragen musste.
Jetzt musste Leif nur entscheiden, ob er das Geschenk annahm.