20-05-2025, 17:58 - Wörter:
Tyra lauschte. Nicht bewusst, vielmehr war es ihr Körper, der auf Sannas Stimme reagierte, wie ein dahin siechendes Tier auf den Klang von Regen: mit dumpfer Erinnerung, nicht mit Hoffnung. Sie lernt, hatte die Jägerin gesagt. Als wäre das etwas Gutes. Vielleicht war es das sogar, Tyra war sich nicht sicher. Ihre Lider senkten sich für einen Moment, während sie den Satz wirken ließ. Lernen bedeutete Schmerz. Immer. Und Valda lernte gerade auf dieselbe Weise, wie auch sie selbst es einst getan hatte: mit offenen Augen in einer Welt, die keine Rücksicht auf kindliche Seelen nahm. Kein Spiel, keine friedlichen Sommerabende, keine Unwissenheit – nur Erkenntnis. Und doch … war da etwas anderes. Etwas, das Tyra einst nicht gehabt hatte. Ihre Augen glitten zur Seite, fanden Sannas müdes Profil, das sich im fahlen Licht der nahenden Dämmerung matt und fremd abzeichnete. Und jetzt schwante es Tyra. Valda hatte ihre Mutter. Und mit einem Mal war da so etwas wie … Neid?
„Das Menschlein hat Glück“, murmelte sie heiser, fast unhörbar. „Weiß es nur noch nicht.“ Es war kein Vorwurf, kein Lob – bloß eine Feststellung, so trocken wie das Knacken im Unterholz. Der Blick ihrer fiebermatten Augen blieb an dem kleinen Mädchen hängen, das unbeirrt weiter in den Blüten stocherte. Kein Zittern. Keine Angst. Nur Tun. Ein verdammt kleines, starkes Wunder.
Der Geruch aus dem Kessel erreichte Tyra nun in voller Stärke – und sie verzog angewidert das Gesicht. „Beim verfluchten Heofader, was ist das für ein Sud?“ Ihre Stimme war brüchig, krächzend, doch mit einem Anflug ihres alten Selbst. Sie neigte sich etwas vor, mühsam, das rechte Bein leicht ausgestreckt, den linken Arm als Stütze. Der Kessel simmerte, die Dämpfe rochen kräuterig, irgendwie widerlich süß. Tyra sog die Luft durch die Zähne. „Riecht, als hättest du einen verfluchten Iltis da drin vergoren.“ Sie wusste, dass es helfen sollte. Vielleicht, wahrscheinlich, aber ihr Körper rebellierte schon beim Gedanken daran, etwas davon zu trinken. Stattdessen wand sie sich leicht, ihre Bewegungen schwerfällig und fahrig, und sah Sanna mit glasigem Blick an. „Leg mir eine Klinge in die Glut“, sagte sie rau. „Ich brenn den Kratzer aus. Jetzt.“ Der Satz stand wie eine Mauer zwischen ihnen. Kein Bitten, kein Zögern. Nur Entschlossenheit, die so alt war wie sie selbst. Tyra wusste, was Wunden bedeuteten. Und sie wusste, was es brauchte, um eine wie diese zu heilen – oder wenigstens das Gefühl zu haben, es noch in der Hand zu haben. Vielleicht war es Wahnsinn. Vielleicht war es Überlebenswille. Bei ihr war das oft dasselbe. Die Tatsache, dass es längst zu spät war, das die Wunde mit Hitze zu schließen, dass das Gift längst ihr Blut verseucht hatte, ignorierte sie.
„Kein Schwert mit breiter Klinge“, fügte sie nach einem Moment heiser hinzu, plapperte wie eine Irre und merkte es nicht einmal. „Etwas Dünnes. Schmal. Einen meiner Dolche. Ich muss nur tief genug rein.“ Ihre Zunge fuhr über die trockene Unterlippe, schmeckte Blut. Ihre Hand suchte die Hüfte, als läge dort noch einer ihrer Dolche, ein Messer, irgendetwas, das ihr gehörte. Doch da war nichts. „Ich mach das selbst. Du musst nur –“ Sie hob mühsam den Zeigefinger, während ihre Sicht verschwamm. Ihre Stimme versagte kurz, aber sie raffte sich wieder. „Nur reinlegen. Nicht anfassen.“ Das Fieber war da – wie eine Glut, die sie von innen auffraß. Aber es barg keinen Grund zu warten. Tyra wusste, dass es dafür zu spät war. Natürlich wusste sie das. Aber es ging um Kontrolle. Um das, was blieb. Um das kleine bisschen Handlungsmacht, das sie sich nicht nehmen ließ, auch wenn die Welt um sie herum zerbröselte.
Sie atmete langsam durch die Nase ein, hielt kurz inne, als sich ein Stechen in der Seite in ihren Brustkorb bohrte. Kein Laut entkam ihr – nur ein Schimmer von Schmerz in den Augenwinkeln. Ihre Stirn war feucht, der Schweiß sammelte sich in den Falten ihres Nackens. „Besser ich brenn’s aus, bevor es mich zerfrisst“, flüsterte sie, mehr zu sich selbst als zu Sanna. „Wenn’s zu spät ist, dann will ich es wenigstens selbst zu spät gemacht haben.“
Tyra-Logik.
Sie hob langsam die Hand, deutete vage auf das Feuer. „Und sag dem Ding da im Kessel, es soll mir nicht zu nahe kommen. Ich trinke nichts, was süßer riecht als ich selbst nach einer Woche in einem Weinfass.“ Ein mattes Grinsen zuckte über ihre spröden Lippen. Kurz. Flüchtig. Dann sank ihre Hand wieder herab, schwer wie Blei. Ihre Schultern sanken. Aber ihr Blick blieb aufrecht. Klar. So klar, wie er es in diesem Zustand nur sein konnte. Und während das Feuer knisterte und das Kind noch immer schweigend Blüten zerpflückte, wartete Tyra – auf das Glühen des Metalls. Auf den Schmerz. Auf das, was danach kommen mochte. Oder nicht.
„Das Menschlein hat Glück“, murmelte sie heiser, fast unhörbar. „Weiß es nur noch nicht.“ Es war kein Vorwurf, kein Lob – bloß eine Feststellung, so trocken wie das Knacken im Unterholz. Der Blick ihrer fiebermatten Augen blieb an dem kleinen Mädchen hängen, das unbeirrt weiter in den Blüten stocherte. Kein Zittern. Keine Angst. Nur Tun. Ein verdammt kleines, starkes Wunder.
Der Geruch aus dem Kessel erreichte Tyra nun in voller Stärke – und sie verzog angewidert das Gesicht. „Beim verfluchten Heofader, was ist das für ein Sud?“ Ihre Stimme war brüchig, krächzend, doch mit einem Anflug ihres alten Selbst. Sie neigte sich etwas vor, mühsam, das rechte Bein leicht ausgestreckt, den linken Arm als Stütze. Der Kessel simmerte, die Dämpfe rochen kräuterig, irgendwie widerlich süß. Tyra sog die Luft durch die Zähne. „Riecht, als hättest du einen verfluchten Iltis da drin vergoren.“ Sie wusste, dass es helfen sollte. Vielleicht, wahrscheinlich, aber ihr Körper rebellierte schon beim Gedanken daran, etwas davon zu trinken. Stattdessen wand sie sich leicht, ihre Bewegungen schwerfällig und fahrig, und sah Sanna mit glasigem Blick an. „Leg mir eine Klinge in die Glut“, sagte sie rau. „Ich brenn den Kratzer aus. Jetzt.“ Der Satz stand wie eine Mauer zwischen ihnen. Kein Bitten, kein Zögern. Nur Entschlossenheit, die so alt war wie sie selbst. Tyra wusste, was Wunden bedeuteten. Und sie wusste, was es brauchte, um eine wie diese zu heilen – oder wenigstens das Gefühl zu haben, es noch in der Hand zu haben. Vielleicht war es Wahnsinn. Vielleicht war es Überlebenswille. Bei ihr war das oft dasselbe. Die Tatsache, dass es längst zu spät war, das die Wunde mit Hitze zu schließen, dass das Gift längst ihr Blut verseucht hatte, ignorierte sie.
„Kein Schwert mit breiter Klinge“, fügte sie nach einem Moment heiser hinzu, plapperte wie eine Irre und merkte es nicht einmal. „Etwas Dünnes. Schmal. Einen meiner Dolche. Ich muss nur tief genug rein.“ Ihre Zunge fuhr über die trockene Unterlippe, schmeckte Blut. Ihre Hand suchte die Hüfte, als läge dort noch einer ihrer Dolche, ein Messer, irgendetwas, das ihr gehörte. Doch da war nichts. „Ich mach das selbst. Du musst nur –“ Sie hob mühsam den Zeigefinger, während ihre Sicht verschwamm. Ihre Stimme versagte kurz, aber sie raffte sich wieder. „Nur reinlegen. Nicht anfassen.“ Das Fieber war da – wie eine Glut, die sie von innen auffraß. Aber es barg keinen Grund zu warten. Tyra wusste, dass es dafür zu spät war. Natürlich wusste sie das. Aber es ging um Kontrolle. Um das, was blieb. Um das kleine bisschen Handlungsmacht, das sie sich nicht nehmen ließ, auch wenn die Welt um sie herum zerbröselte.
Sie atmete langsam durch die Nase ein, hielt kurz inne, als sich ein Stechen in der Seite in ihren Brustkorb bohrte. Kein Laut entkam ihr – nur ein Schimmer von Schmerz in den Augenwinkeln. Ihre Stirn war feucht, der Schweiß sammelte sich in den Falten ihres Nackens. „Besser ich brenn’s aus, bevor es mich zerfrisst“, flüsterte sie, mehr zu sich selbst als zu Sanna. „Wenn’s zu spät ist, dann will ich es wenigstens selbst zu spät gemacht haben.“
Tyra-Logik.
Sie hob langsam die Hand, deutete vage auf das Feuer. „Und sag dem Ding da im Kessel, es soll mir nicht zu nahe kommen. Ich trinke nichts, was süßer riecht als ich selbst nach einer Woche in einem Weinfass.“ Ein mattes Grinsen zuckte über ihre spröden Lippen. Kurz. Flüchtig. Dann sank ihre Hand wieder herab, schwer wie Blei. Ihre Schultern sanken. Aber ihr Blick blieb aufrecht. Klar. So klar, wie er es in diesem Zustand nur sein konnte. Und während das Feuer knisterte und das Kind noch immer schweigend Blüten zerpflückte, wartete Tyra – auf das Glühen des Metalls. Auf den Schmerz. Auf das, was danach kommen mochte. Oder nicht.