01-06-2025, 15:12 - Wörter:
Sie hätten vermutlich schweigend hier Stunden miteinander verbringen können, es wäre beiden egal gewesen. Ihr Gemüt, ähnlich ruhig und tief wie ein zugefrorener See, zeugte davon, dass man nicht sprechen musste, um verstanden zu werden. Veith beobachtete sie stumm, wie sie sich nicht zu ihm wandte, als er das Gelage erwähnte, sondern stattdessen dieses kaum merkliche Lächeln zeigte, das man fast übersah, hätte man nicht gerade genauer hingesehen. Bei Reinka musste man lernen, auf die zarten Nuancen zu achten. Das hatte er schon früher bemerkt. „Dann habe ich wohl nichts versäumt“, erwiderte er, während er die Arme erneut vor der Brust verschränkte. Er blieb stehen, in respektvoller Distanz zu der jungen Frau vor ihm, deren Haltung ebenso würdevoll wie ungezwungen wirkte. Seine Mutter, eine Frau mit klaren Prinzipien, war in den schlichten, ehrbaren Verhältnissen eines bürgerlichen Haushalts in Walleydor aufgewachsen. Sie hatte ihren Kindern früh eingebläut, dass Respekt nicht bloß der Krone gebühre, sondern jedem, der ihn durch Haltung, Taten und Maß bewies, ganz gleich, welchen Stand er innehatte. „Meine Mutter sagte immer, wahre Größe zeigt sich nicht im Moment des Erscheinens, sondern darin, wann man geht.“
Der plötzliche Themenwechsel ließ Veiths Miene merklich dunkler werden, als hätte ein Schatten seine Züge überzogen. Er liebte seine Schwestern, bedingungslos, aus tiefstem Herzen. Doch Ylva nahm unter ihnen einen besonderen Platz ein. Sie war das Nesthäkchen, der späteste Spross der Familie und für Veith fast schon mehr Tochter als Schwester. Schon früh hatte er lernen müssen, Verantwortung für sie zu übernehmen. Nach dem Unfall ihres Vaters war es aber auch er gewesen, der sie weiterhin gelehrt hatte, ein Schwert zu führen, mit den Fäusten zu kämpfen und sich gegen eine Welt zu behaupten, die weder Nachsicht noch Mitleid kannte. Allerdings wusste er tief in sich, dass diese Welt keine Gnade für Krieger kannte. Schon gar nicht jetzt, da der Krieg seine Schatten über das Land warf. Gerade deshalb suchte er nach einem Mann, der ihr Schutz, Sicherheit und ein würdiges Leben bieten konnte, fernab der Front, fernab von Gefahr. Doch Ylva dachte nicht daran, sich seinen Wünschen zu fügen. Ihr Vater hatte ihr einst beigebracht, sich wie ein Kämpfer zu verhalten und sie hatte es verinnerlicht. Ihre Mutter hingegen teilte Veiths Sorge: Auch sie wollte ihre jüngste Tochter nicht auf einem blutgetränkten Feld verlieren, zwischen Rauch, Stahl und Tod. „Ich möchte ihr bloß ein einigermaßen sicheres Leben schenken. Jetzt sehe ich sie jedoch fortdriften, trotzig und wild, wie ein Boot auf stürmischer See und ich kann nichts tun, außer am Ufer stehen und zusehen.“ Kurz wandte er den Blick von ihr und den Pferden ab, als wollte er die Gefühle, die seine Gedanken und Worte verursachten, nicht zeigen.
Die düsteren Gedanken verflogen jedoch in dem Moment, als er den Vorschlag aussprach, gemeinsam einen Ausritt zu wagen. Das Leuchten, das daraufhin in ihren Augen aufflammte, war wie ein Windhauch, der die Schatten des vorangegangenen Gesprächs vertrieb. Es war kein grelles, überschwängliches Strahlen, vielmehr ein warmes, stilles Aufglimmen, doch das reichte ihm. Es war sicherlich selten für einen Außenstehenden, Reinka so zu sehen, nicht kontrolliert, nicht kalkuliert, sondern überrascht von einem Moment ehrlicher Freude. Die Tiere waren bereits gesattelt, vermutlich hatte Reinka angenommen, dass Veith die Katze nicht im Sack kaufen wollte. Es war nur klug, Pferde zunächst probezureiten, sie kennenzulernen, ehe man eine Wahl traf. Doch in diesem Fall musste Veith zunächst entscheiden, welchem der beiden Tiere er sich anvertrauen wollte. Der Fuchs - wild, eigenwillig und mit ungestümer Energie - war zweifellos das interessantere Tier. In den Augen des Fuchses flackerte etwas Ungebändigtes, beinahe Herausforderndes. Veith kannte solche Pferde. Sie waren keine bequemen Begleiter, aber unter dem richtigen Reiter entfalten sie ein Feuer, das süchtig machen konnte. Daneben war da die schwarze Stute: sanfter, ruhiger, verlässlicher. Weniger Kraft vielleicht, dafür mehr Kontrolle. Sie war das Tier, das er eigentlich für Ylva im Sinn gehabt hatte. Ein Pferd, das seine Schwester auf gefährlichen Wegen schützen sollte. Nicht zu schnell, nicht zu störrisch. Nicht wie der Fuchs. Er war noch nicht bereit, seine Entscheidung abzugeben. Nicht an einen anderen Reiter, nicht einmal an seine Schwester. Nicht heute.
Mit einem kaum merklichen Nicken trat er an den Fuchs heran und legte ihm die Hand an den Hals. Das Fell war warm, die Muskeln darunter zuckten leicht, als das Tier seinen Duft erkannte. „Stille mag Sicherheit bedeuten“, murmelte er leise. „Aber manchmal braucht es eben Sturm, um sich selbst wieder zu spüren.“ Seine Stimme war ruhig, beinahe beschwörend und während er sprach, strich er dem Tier langsam über den Hals, ließ seine Hand über die Schulter gleiten, spürte den ungeduldigen Pulsschlag. Die Stute schnaubte leise, schüttelte kurz den Kopf, als wolle sie protestieren, doch Veith wich nicht zurück. Er trat näher, legte eine Hand sanft an den massiven Kiefer des Pferdes. Seine Berührung war sanft, aber bestimmt, kein Zwang, aber auch kein Zögern. „Schon gut, meine Schöne“, murmelte er, fast tonlos. „Ich weiß, was du bist.“ Ein letzter prüfender Blick folgte, dann nahm er die Zügel auf, löste das Pferd aus dem Stand und führte es mit ruhigem Schritt hinaus in den Hof. Die Hufe setzten gedämpft auf dem festgefrorenen Schnee auf, hinterließen dunkle Abdrücke in der weißen Decke. Veith stellte sich seitlich neben das Tier, zog den Gurt nach, prüfte den Sitz des Sattels mit der gewohnten Routine. Dann stieg er mit einem geübten Schwung auf und setzte sich tief in den Sattel, als gehöre er genau dorthin, auf diesen Rücken, über diesem Feuer, das nur darauf wartete, entfesselt zu werden.
Der plötzliche Themenwechsel ließ Veiths Miene merklich dunkler werden, als hätte ein Schatten seine Züge überzogen. Er liebte seine Schwestern, bedingungslos, aus tiefstem Herzen. Doch Ylva nahm unter ihnen einen besonderen Platz ein. Sie war das Nesthäkchen, der späteste Spross der Familie und für Veith fast schon mehr Tochter als Schwester. Schon früh hatte er lernen müssen, Verantwortung für sie zu übernehmen. Nach dem Unfall ihres Vaters war es aber auch er gewesen, der sie weiterhin gelehrt hatte, ein Schwert zu führen, mit den Fäusten zu kämpfen und sich gegen eine Welt zu behaupten, die weder Nachsicht noch Mitleid kannte. Allerdings wusste er tief in sich, dass diese Welt keine Gnade für Krieger kannte. Schon gar nicht jetzt, da der Krieg seine Schatten über das Land warf. Gerade deshalb suchte er nach einem Mann, der ihr Schutz, Sicherheit und ein würdiges Leben bieten konnte, fernab der Front, fernab von Gefahr. Doch Ylva dachte nicht daran, sich seinen Wünschen zu fügen. Ihr Vater hatte ihr einst beigebracht, sich wie ein Kämpfer zu verhalten und sie hatte es verinnerlicht. Ihre Mutter hingegen teilte Veiths Sorge: Auch sie wollte ihre jüngste Tochter nicht auf einem blutgetränkten Feld verlieren, zwischen Rauch, Stahl und Tod. „Ich möchte ihr bloß ein einigermaßen sicheres Leben schenken. Jetzt sehe ich sie jedoch fortdriften, trotzig und wild, wie ein Boot auf stürmischer See und ich kann nichts tun, außer am Ufer stehen und zusehen.“ Kurz wandte er den Blick von ihr und den Pferden ab, als wollte er die Gefühle, die seine Gedanken und Worte verursachten, nicht zeigen.
Die düsteren Gedanken verflogen jedoch in dem Moment, als er den Vorschlag aussprach, gemeinsam einen Ausritt zu wagen. Das Leuchten, das daraufhin in ihren Augen aufflammte, war wie ein Windhauch, der die Schatten des vorangegangenen Gesprächs vertrieb. Es war kein grelles, überschwängliches Strahlen, vielmehr ein warmes, stilles Aufglimmen, doch das reichte ihm. Es war sicherlich selten für einen Außenstehenden, Reinka so zu sehen, nicht kontrolliert, nicht kalkuliert, sondern überrascht von einem Moment ehrlicher Freude. Die Tiere waren bereits gesattelt, vermutlich hatte Reinka angenommen, dass Veith die Katze nicht im Sack kaufen wollte. Es war nur klug, Pferde zunächst probezureiten, sie kennenzulernen, ehe man eine Wahl traf. Doch in diesem Fall musste Veith zunächst entscheiden, welchem der beiden Tiere er sich anvertrauen wollte. Der Fuchs - wild, eigenwillig und mit ungestümer Energie - war zweifellos das interessantere Tier. In den Augen des Fuchses flackerte etwas Ungebändigtes, beinahe Herausforderndes. Veith kannte solche Pferde. Sie waren keine bequemen Begleiter, aber unter dem richtigen Reiter entfalten sie ein Feuer, das süchtig machen konnte. Daneben war da die schwarze Stute: sanfter, ruhiger, verlässlicher. Weniger Kraft vielleicht, dafür mehr Kontrolle. Sie war das Tier, das er eigentlich für Ylva im Sinn gehabt hatte. Ein Pferd, das seine Schwester auf gefährlichen Wegen schützen sollte. Nicht zu schnell, nicht zu störrisch. Nicht wie der Fuchs. Er war noch nicht bereit, seine Entscheidung abzugeben. Nicht an einen anderen Reiter, nicht einmal an seine Schwester. Nicht heute.
Mit einem kaum merklichen Nicken trat er an den Fuchs heran und legte ihm die Hand an den Hals. Das Fell war warm, die Muskeln darunter zuckten leicht, als das Tier seinen Duft erkannte. „Stille mag Sicherheit bedeuten“, murmelte er leise. „Aber manchmal braucht es eben Sturm, um sich selbst wieder zu spüren.“ Seine Stimme war ruhig, beinahe beschwörend und während er sprach, strich er dem Tier langsam über den Hals, ließ seine Hand über die Schulter gleiten, spürte den ungeduldigen Pulsschlag. Die Stute schnaubte leise, schüttelte kurz den Kopf, als wolle sie protestieren, doch Veith wich nicht zurück. Er trat näher, legte eine Hand sanft an den massiven Kiefer des Pferdes. Seine Berührung war sanft, aber bestimmt, kein Zwang, aber auch kein Zögern. „Schon gut, meine Schöne“, murmelte er, fast tonlos. „Ich weiß, was du bist.“ Ein letzter prüfender Blick folgte, dann nahm er die Zügel auf, löste das Pferd aus dem Stand und führte es mit ruhigem Schritt hinaus in den Hof. Die Hufe setzten gedämpft auf dem festgefrorenen Schnee auf, hinterließen dunkle Abdrücke in der weißen Decke. Veith stellte sich seitlich neben das Tier, zog den Gurt nach, prüfte den Sitz des Sattels mit der gewohnten Routine. Dann stieg er mit einem geübten Schwung auf und setzte sich tief in den Sattel, als gehöre er genau dorthin, auf diesen Rücken, über diesem Feuer, das nur darauf wartete, entfesselt zu werden.