02-06-2025, 13:11 - Wörter:
Reinka beobachtete den Moment, in dem Veith sich dem Fuchs zuwandte, mit einer Regung, die sich irgendwo zwischen Stolz und stiller Zustimmung bewegte. Es war nicht einfach nur eine Wahl unter Pferden, es war ein Bekenntnis. Zu sich selbst, zu dem, was man zu zähmen bereit war – oder nicht. Die schwarze Stute hätte ihm Ruhe geboten, Kontrolle. Aber es war der Fuchs, für den er sich entschied. Weil er ihn testen wollte, und sie vermutete, nicht für Ylva. Und Reinka sah es. Spürte es. Ihre Entscheidung, ihm diese Wahl zu überlassen, war richtig gewesen. In ihm wohnte ein Verständnis, das sich nicht auf Worte stützte, sondern auf Haltung, auf Blick, auf Instinkt.
Sie beobachtete, wie er das Tier berührte, ruhig und sicher, als sei das Temperament, das in dem Fuchs brannte, nichts weiter als ein loderndes Herdfeuer, das er verstand zu schüren, nicht zu löschen. Er sprach zu ihr, wie sie es auch getan hätte – keine Worte der Unterwerfung, keine Befehle, sondern ein stilles, fast ehrfürchtiges Anerkennen. Reinka empfand Respekt und Erleichterung. Denn auch wenn sie es nie offen eingestanden hätte – ein anderer hätte vielleicht versucht, das Feuer dieser Stute zu brechen. Veith nicht.
Sie selbst saß längst bequem im Sattel von Geist, der unter ihr bedeutungsschwer die Ohren nach anlegte, als der Fuchs sich näherte – nicht feindlich, nicht aggressiv. Sondern mit dieser leisen Autorität eines alten Kämpfers, der junges Blut nicht fürchtete. Reinka spürte, wie ihr Wallach kurz das Maul verzog, ein raues Grummeln tief in der Brust ausstieß – nicht laut, aber bestimmt. Eine Grenzsetzung, kein Angriff. Und erstaunlicherweise genügte das. Der bis eben noch angespannt tänzelnde Fuchs zuckte mit dem Kopf, schüttelte sich kurz, als wolle er sagen, dass er verstanden hatte, und fügte sich schließlich in den gemächlichen Rhythmus an Geists Seite. Fürs Erste.
Gemeinsam setzten sie sich in Bewegung, hinaus aus den königlichen Stallungen, durch das geöffnete Tor, das sich wie ein steinerner Schlund in die weiße Welt vor ihnen öffnete. Der Weg führte sie durch das Städtchen, das sich eng an die Mauern Wintergards schmiegte – vereiste Brunnen, aus Holz geschnitzte Dächer, aus denen Rauchfahnen stiegen, und Menschen, die innehielten, als sie vorüberritten, sich verneigten und ehrfürchtig flüsterten. Ein Kind winkte schüchtern, und Reinka lächelte, winkte zurück. Ein Hund bellte die Pferde an und wurde fluchend vom hiesigen Waffenschmied vertrieben. Aber sonst war da nur Stille. Die ehrfürchtige, raue Stille des Nordens.
Der Himmel war von einem blassen Blau, das fast schon ins Silbergraue kippte. Die Sonne stand noch tief, hatte es noch nicht vollends über die Bergspitzen geschafft, warf lange, morgendliche Schatten über den frisch gefallenen Schnee, der in unzähligen Kristallen glitzerte. Und obwohl all diese Anzeichen einen wunderschönen Tag versprachen, lag eine klirrende Kälte in der Luft, die jede Ausrüstung auf die Probe stellte. Reinka zog ihren schweren Umhang fester um sich. Er bestand aus feinstem Luchsfell, weich wie Wolken und doch widerstandsfähig wie der Mann, der ihn ihr geschenkt hatte. Erik hatte selbst daran gearbeitet, Nächte lang, mit bloßen Händen gegerbt, weil er gewollt hatte, dass sie sich in seiner Wärme geborgen fühlte, auch wenn er selbst fern war. Ein Geschenk zu ihrem letzten Geburtstag. Und nun lag es um ihre Schultern, wie ein stilles Versprechen.
Ein kurzer Gedanke nur – ein Lächeln, das nicht den Weg zu ihren Lippen fand, aber in ihren Augen aufblitzte, ehe sie wieder zu Veith blickte und das anhaltende Schweigen brach. „Ihr habt mit euren Worten über eure Schwester etwas in mir angerührt“, gestand sie schließlich ruhig, fast beiläufig, ohne ihn anzusehen. „Dieses Bild vom Boot auf stürmischer See ... Ich kenne das Gefühl, am Ufer zu stehen.“ Ein tiefer Atemzug, sichtbar in der kalten Luft. „Doch manchmal – und das sage ich Euch, weil es mir selbst schwerfällt, das zu glauben – manchmal kehren sie zurück. Und haben etwas im Gepäck, dass sie wachsen lassen.“ Sie schwieg einen Moment, ließ die Worte wirken, während unter den Hufen der Pferde der harsche Schnee knirschte. Dann ein sanftes, fast tonloses: „Vertrauen ist nicht loslassen. Es ist das Wissen, dass man den Weg zurück kennt.“
Vor ihnen lag nun das offene Feld – eine weite, unberührte Fläche, die sich sanft in Richtung eines dunklen Waldstreifens erstreckte. Der Schnee war dort tiefer, aber nicht tückisch. Reinka kannte die Gegend gut. Keine Spalte, kein Eisloch. Sicher, soweit man das in dieser Landschaft behaupten konnte. Sie sah hinüber zu Veith. Unter seinem Sattel wand sich die rostrote Stute unruhig, als drängte es sie nach vorne, als könne sie die Freiheit wittern, die vor ihr lag. Die Muskeln des Tiers zuckten, das Maul schäumte leicht – aber noch war alles unter Kontrolle. Noch. „Wenn Ihr wollt …“, sagte sie dann, während sie ihr Pferd anhielt und ihm den Raum gab, „… dann lasst sie laufen.“ Ein kurzer Seitenblick. „Es ist ein schöner Tag, Veith. Und der Sturm unter Euch hat lang genug geschwiegen.“
Sie beobachtete, wie er das Tier berührte, ruhig und sicher, als sei das Temperament, das in dem Fuchs brannte, nichts weiter als ein loderndes Herdfeuer, das er verstand zu schüren, nicht zu löschen. Er sprach zu ihr, wie sie es auch getan hätte – keine Worte der Unterwerfung, keine Befehle, sondern ein stilles, fast ehrfürchtiges Anerkennen. Reinka empfand Respekt und Erleichterung. Denn auch wenn sie es nie offen eingestanden hätte – ein anderer hätte vielleicht versucht, das Feuer dieser Stute zu brechen. Veith nicht.
Sie selbst saß längst bequem im Sattel von Geist, der unter ihr bedeutungsschwer die Ohren nach anlegte, als der Fuchs sich näherte – nicht feindlich, nicht aggressiv. Sondern mit dieser leisen Autorität eines alten Kämpfers, der junges Blut nicht fürchtete. Reinka spürte, wie ihr Wallach kurz das Maul verzog, ein raues Grummeln tief in der Brust ausstieß – nicht laut, aber bestimmt. Eine Grenzsetzung, kein Angriff. Und erstaunlicherweise genügte das. Der bis eben noch angespannt tänzelnde Fuchs zuckte mit dem Kopf, schüttelte sich kurz, als wolle er sagen, dass er verstanden hatte, und fügte sich schließlich in den gemächlichen Rhythmus an Geists Seite. Fürs Erste.
Gemeinsam setzten sie sich in Bewegung, hinaus aus den königlichen Stallungen, durch das geöffnete Tor, das sich wie ein steinerner Schlund in die weiße Welt vor ihnen öffnete. Der Weg führte sie durch das Städtchen, das sich eng an die Mauern Wintergards schmiegte – vereiste Brunnen, aus Holz geschnitzte Dächer, aus denen Rauchfahnen stiegen, und Menschen, die innehielten, als sie vorüberritten, sich verneigten und ehrfürchtig flüsterten. Ein Kind winkte schüchtern, und Reinka lächelte, winkte zurück. Ein Hund bellte die Pferde an und wurde fluchend vom hiesigen Waffenschmied vertrieben. Aber sonst war da nur Stille. Die ehrfürchtige, raue Stille des Nordens.
Der Himmel war von einem blassen Blau, das fast schon ins Silbergraue kippte. Die Sonne stand noch tief, hatte es noch nicht vollends über die Bergspitzen geschafft, warf lange, morgendliche Schatten über den frisch gefallenen Schnee, der in unzähligen Kristallen glitzerte. Und obwohl all diese Anzeichen einen wunderschönen Tag versprachen, lag eine klirrende Kälte in der Luft, die jede Ausrüstung auf die Probe stellte. Reinka zog ihren schweren Umhang fester um sich. Er bestand aus feinstem Luchsfell, weich wie Wolken und doch widerstandsfähig wie der Mann, der ihn ihr geschenkt hatte. Erik hatte selbst daran gearbeitet, Nächte lang, mit bloßen Händen gegerbt, weil er gewollt hatte, dass sie sich in seiner Wärme geborgen fühlte, auch wenn er selbst fern war. Ein Geschenk zu ihrem letzten Geburtstag. Und nun lag es um ihre Schultern, wie ein stilles Versprechen.
Ein kurzer Gedanke nur – ein Lächeln, das nicht den Weg zu ihren Lippen fand, aber in ihren Augen aufblitzte, ehe sie wieder zu Veith blickte und das anhaltende Schweigen brach. „Ihr habt mit euren Worten über eure Schwester etwas in mir angerührt“, gestand sie schließlich ruhig, fast beiläufig, ohne ihn anzusehen. „Dieses Bild vom Boot auf stürmischer See ... Ich kenne das Gefühl, am Ufer zu stehen.“ Ein tiefer Atemzug, sichtbar in der kalten Luft. „Doch manchmal – und das sage ich Euch, weil es mir selbst schwerfällt, das zu glauben – manchmal kehren sie zurück. Und haben etwas im Gepäck, dass sie wachsen lassen.“ Sie schwieg einen Moment, ließ die Worte wirken, während unter den Hufen der Pferde der harsche Schnee knirschte. Dann ein sanftes, fast tonloses: „Vertrauen ist nicht loslassen. Es ist das Wissen, dass man den Weg zurück kennt.“
Vor ihnen lag nun das offene Feld – eine weite, unberührte Fläche, die sich sanft in Richtung eines dunklen Waldstreifens erstreckte. Der Schnee war dort tiefer, aber nicht tückisch. Reinka kannte die Gegend gut. Keine Spalte, kein Eisloch. Sicher, soweit man das in dieser Landschaft behaupten konnte. Sie sah hinüber zu Veith. Unter seinem Sattel wand sich die rostrote Stute unruhig, als drängte es sie nach vorne, als könne sie die Freiheit wittern, die vor ihr lag. Die Muskeln des Tiers zuckten, das Maul schäumte leicht – aber noch war alles unter Kontrolle. Noch. „Wenn Ihr wollt …“, sagte sie dann, während sie ihr Pferd anhielt und ihm den Raum gab, „… dann lasst sie laufen.“ Ein kurzer Seitenblick. „Es ist ein schöner Tag, Veith. Und der Sturm unter Euch hat lang genug geschwiegen.“