05-06-2025, 22:04 - Wörter:
Sannas Blick ruhte auf Veith, während sie das leise Gefühl der Genugtuung auskostete, dass er ausnahmsweise einmal aus seiner ernsten Haut schlüpfte. Sie neigte leicht den Kopf. "Ein bisschen Dankbarkeit würde dir wirklich gut zu Gesicht stehen. Und großzügig wie ich bin, nehme ich sie auch gerne entgegen." Das Lächeln auf ihren Lippen wurde deutlicher, fast unbewusst. Sie bemerkte nicht einmal, wie Helvi versuchte, ihr eigenes Amüsement über das Gespräch zu verbergen. Sannas Aufmerksamkeit gehörte einzig und allein dem Winterländer an ihrer Seite, von dem man meinen könnte, dass er ein wenig auftaute.
Das Lächeln auf Sannas Lippen wuchs über ihr ganzes Gesicht, als sie den tonlosen Vorwurf von Veiths Lippen las. Für einen flüchtigen Moment schien ihr Blick weicher zu werden – als hätte seine gespielte Kränkung etwas in ihr berührt, das sie selbst nicht ganz greifen konnte. Sie beugte sich leicht zu ihm herüber, der vertrauliche Abstand ließ ihre Stimme fast intim klingen: Ich meine es doch nur gut…", seufzte sie, der Anflug von Ironie wie ein Schleier über etwas Echtem.
Dann lehnte sie sich wieder zurück, nahm den Löffel auf und richtete ihre Aufmerksamkeit scheinbar auf den Teller vor sich. Doch ihre Wangen glühten ein wenig zu sehr für bloße Selbstzufriedenheit.
Helvis Bemerkung ließ Sanna aufschauen. Einen Moment lang wirkte ihr Blick, als hätte man sie bei etwas erwischt – nicht peinlich berührt, sondern eher ertappt auf eine Weise, die sie selbst nicht recht einordnen konnte. Sie bedachte ihre Freundin mit einem schiefen Lächeln, das mehr Fragen verbarg als Antworten versprach. Ihre Lippen blieben stumm, als wolle sie dem Gespräch nicht zu viel Gewicht geben. Vielleicht war es nur das Licht, das vom warmen Feuer auf ihr Gesicht fiel. Vielleicht war es die Wärme der Suppe. Aber es war gut möglich, dass das Rot auf ihren Wangen einen Hauch intensiver wurde.
"Jetzt haben wir ihn vertrieben", seufzte Sanna und griff nach einem der leicht schwankenden Becher, während ihr Blick Veith nachfolgte. Ein doppeldeutiger Kommentar über sein allzu kurzes Vorhaben lag ihr noch auf der Zunge, doch sie schluckte ihn hinunter – wohl wissend, dass Helvi für diese Art von Spaß weniger empfänglich war als sie selbst. Also warf sie ihrer Freundin einen beinahe unschuldig gespielten Blick zu, ehe sie sich vorbeugte und nach Veiths Teller griff, um ihn abzuräumen.
Der Sturm, der draußen über die Dächer zog – aber wohl auch die Aufregung des Tages – hatte dafür gesorgt, dass Valda erst spät zur Ruhe gekommen war. Sanna hatte ihr noch eine Geschichte erzählt, sie anschließend in die Felle gewickelt und sich schließlich selbst neben sie gelegt. Der regelmäßige Atem ihrer Tochter hatte etwas Beruhigendes, fast Beschwörendes, und so war auch sie bald eingeschlafen.
Helvi hatte ihr eines von Einars Leinenhemden für die Nacht gegeben. Im Stillen fragte sich Sanna, ob im Schrank ihres Mannes überhaupt noch etwas hing – jetzt, da nicht nur Veith, sondern auch sie darin herumspazierten. Doch anders als bei Veith hing das Hemd an ihr wie ein Zelt. Es war ihr viel zu groß, und sie versank darin.
Es musste weit nach Mitternacht sein, als Sanna aus dem Schlaf glitt. Das kleine Feuer war längst zu einem schwachen Glimmen geschrumpft, doch das Gemäuer hielt die Wärme erstaunlich gut. Gerade wollte sie sich erneut auf die Seite drehen, doch ein Ziehen in ihrer Brust – halb Sorge, halb Gewohnheit – ließ sie stattdessen die Beine über das Bett von Helvis Sohn schwingen. Leise schlüpfte sie in ihre Schuhe. Der Sturm, der draußen mit unverminderter Kraft an den Wänden rüttelte, ließ sie an die gelagerte Ware denken. Es war gut möglich, dass sich einige der Felle gelöst hatten. Ein letzter, prüfender Blick zu Valda: Das Kind schlief tief und fest, zusammengerollt wie ein kleines Tier, umgeben von warmen Fellen.
Leise stieg Sanna die knarrende Treppe hinab. Gerade wollte sie sich an der Feuerstelle vorbeischleichen, als ihr auffiel, dass Veith noch immer nicht zurückgekehrt war. Einen Moment lang hielt sie inne. Ein flüchtiger Hauch von Besorgnis regte sich, doch sie schob ihn zur Seite. Ein Mann wie Veith würde wohl kaum Schwierigkeiten haben, auf sich aufzupassen.
Ohne weiter darüber nachzudenken, griff sie nach ihrem schweren Wollmantel, der über dem Stuhl nahe der Feuerstelle hing, und schlang ihn sich um die Schultern. Die gespeicherte Wärme kroch ihr wohltuend in die Glieder. Dann ging sie zur Hintertür, legte die Hand auf das alte Holz und öffnete sie behutsam – mit einem Blick zurück, darauf bedacht, Helvi nicht zu wecken. Wer wusste schon, wie leicht ihre Freundin schlief.
Der eisige Wind biss ihr in die warmen Wangen, trieb ihr den Atem als kleine Wolken aus dem Mund. Instinktiv zog sie den Mantel enger um ihren Körper, die Finger klammerten sich in den groben Stoff. Ihre Augen glitten über den Hof – und blieben an einer Gestalt hängen, die vor ihrem Schlitten kauerte. Blassblondes Haar, breite Schultern, die ihr selbst in der Dunkelheit vertraut erschienen. Veith.
Ein flüchtiges Ziehen breitete sich in ihrer Brust aus, gefolgt von einem leisen Schlucken. Ihr Blick senkte sich kurz prüfend. Ein Glück, dass sie den Mantel noch übergeworfen hatte. Das war immerhin... sittsam. Oder zumindest sittsamer, als es ohne ihn gewesen wäre. Auch wenn im Winterland vermutlich andere Dinge zählten als Anstand um Mitternacht.
Sie tauchte so plötzlich neben ihm auf, als hätte der Sturm selbst sie hergetragen. Ihre Finger streiften flüchtig über seine Schultern, kaum mehr als ein Hauch – er war kalt und nass. Dann kniete sie sich an seine Seite und begann bei den letzten Knoten zu helfen. "Du holst dir hier draußen noch den Tod in deiner Kleidung…", murmelte sie, die Stimme weich, mit einem Anflug gespielter Strenge. Ein leises Seufzen begleitete ihre Worte, das fast im Heulen des Windes verlorenging.
Für einen Moment hielt sie inne, betrachtete sein Gesicht im fahlen Schein des Mondes. Vielleicht suchte sie nach einem Rest jener stillen Heiterkeit, die sie vor ein paar Stunden noch in ihm gesehen hatte. Doch es wirkte, als sei das Buch, in dem sie eben noch hatte lesen dürfen, wieder geschlossen – die Seiten fest aneinandergelegt, der Einband verschlossen, als habe der Sturm ihn mit sich fortgetragen. "Und hast du gefunden wonach du gesucht hast?", die Frage stolperte über ihre Lippen, bevor sie ihr Einhalt gebieten konnte. Rasch richtete sie ihren Blick wieder auf die Knoten.
Das Lächeln auf Sannas Lippen wuchs über ihr ganzes Gesicht, als sie den tonlosen Vorwurf von Veiths Lippen las. Für einen flüchtigen Moment schien ihr Blick weicher zu werden – als hätte seine gespielte Kränkung etwas in ihr berührt, das sie selbst nicht ganz greifen konnte. Sie beugte sich leicht zu ihm herüber, der vertrauliche Abstand ließ ihre Stimme fast intim klingen: Ich meine es doch nur gut…", seufzte sie, der Anflug von Ironie wie ein Schleier über etwas Echtem.
Dann lehnte sie sich wieder zurück, nahm den Löffel auf und richtete ihre Aufmerksamkeit scheinbar auf den Teller vor sich. Doch ihre Wangen glühten ein wenig zu sehr für bloße Selbstzufriedenheit.
Helvis Bemerkung ließ Sanna aufschauen. Einen Moment lang wirkte ihr Blick, als hätte man sie bei etwas erwischt – nicht peinlich berührt, sondern eher ertappt auf eine Weise, die sie selbst nicht recht einordnen konnte. Sie bedachte ihre Freundin mit einem schiefen Lächeln, das mehr Fragen verbarg als Antworten versprach. Ihre Lippen blieben stumm, als wolle sie dem Gespräch nicht zu viel Gewicht geben. Vielleicht war es nur das Licht, das vom warmen Feuer auf ihr Gesicht fiel. Vielleicht war es die Wärme der Suppe. Aber es war gut möglich, dass das Rot auf ihren Wangen einen Hauch intensiver wurde.
"Jetzt haben wir ihn vertrieben", seufzte Sanna und griff nach einem der leicht schwankenden Becher, während ihr Blick Veith nachfolgte. Ein doppeldeutiger Kommentar über sein allzu kurzes Vorhaben lag ihr noch auf der Zunge, doch sie schluckte ihn hinunter – wohl wissend, dass Helvi für diese Art von Spaß weniger empfänglich war als sie selbst. Also warf sie ihrer Freundin einen beinahe unschuldig gespielten Blick zu, ehe sie sich vorbeugte und nach Veiths Teller griff, um ihn abzuräumen.
[...]
Der Sturm, der draußen über die Dächer zog – aber wohl auch die Aufregung des Tages – hatte dafür gesorgt, dass Valda erst spät zur Ruhe gekommen war. Sanna hatte ihr noch eine Geschichte erzählt, sie anschließend in die Felle gewickelt und sich schließlich selbst neben sie gelegt. Der regelmäßige Atem ihrer Tochter hatte etwas Beruhigendes, fast Beschwörendes, und so war auch sie bald eingeschlafen.
Helvi hatte ihr eines von Einars Leinenhemden für die Nacht gegeben. Im Stillen fragte sich Sanna, ob im Schrank ihres Mannes überhaupt noch etwas hing – jetzt, da nicht nur Veith, sondern auch sie darin herumspazierten. Doch anders als bei Veith hing das Hemd an ihr wie ein Zelt. Es war ihr viel zu groß, und sie versank darin.
Es musste weit nach Mitternacht sein, als Sanna aus dem Schlaf glitt. Das kleine Feuer war längst zu einem schwachen Glimmen geschrumpft, doch das Gemäuer hielt die Wärme erstaunlich gut. Gerade wollte sie sich erneut auf die Seite drehen, doch ein Ziehen in ihrer Brust – halb Sorge, halb Gewohnheit – ließ sie stattdessen die Beine über das Bett von Helvis Sohn schwingen. Leise schlüpfte sie in ihre Schuhe. Der Sturm, der draußen mit unverminderter Kraft an den Wänden rüttelte, ließ sie an die gelagerte Ware denken. Es war gut möglich, dass sich einige der Felle gelöst hatten. Ein letzter, prüfender Blick zu Valda: Das Kind schlief tief und fest, zusammengerollt wie ein kleines Tier, umgeben von warmen Fellen.
Leise stieg Sanna die knarrende Treppe hinab. Gerade wollte sie sich an der Feuerstelle vorbeischleichen, als ihr auffiel, dass Veith noch immer nicht zurückgekehrt war. Einen Moment lang hielt sie inne. Ein flüchtiger Hauch von Besorgnis regte sich, doch sie schob ihn zur Seite. Ein Mann wie Veith würde wohl kaum Schwierigkeiten haben, auf sich aufzupassen.
Ohne weiter darüber nachzudenken, griff sie nach ihrem schweren Wollmantel, der über dem Stuhl nahe der Feuerstelle hing, und schlang ihn sich um die Schultern. Die gespeicherte Wärme kroch ihr wohltuend in die Glieder. Dann ging sie zur Hintertür, legte die Hand auf das alte Holz und öffnete sie behutsam – mit einem Blick zurück, darauf bedacht, Helvi nicht zu wecken. Wer wusste schon, wie leicht ihre Freundin schlief.
Der eisige Wind biss ihr in die warmen Wangen, trieb ihr den Atem als kleine Wolken aus dem Mund. Instinktiv zog sie den Mantel enger um ihren Körper, die Finger klammerten sich in den groben Stoff. Ihre Augen glitten über den Hof – und blieben an einer Gestalt hängen, die vor ihrem Schlitten kauerte. Blassblondes Haar, breite Schultern, die ihr selbst in der Dunkelheit vertraut erschienen. Veith.
Ein flüchtiges Ziehen breitete sich in ihrer Brust aus, gefolgt von einem leisen Schlucken. Ihr Blick senkte sich kurz prüfend. Ein Glück, dass sie den Mantel noch übergeworfen hatte. Das war immerhin... sittsam. Oder zumindest sittsamer, als es ohne ihn gewesen wäre. Auch wenn im Winterland vermutlich andere Dinge zählten als Anstand um Mitternacht.
Sie tauchte so plötzlich neben ihm auf, als hätte der Sturm selbst sie hergetragen. Ihre Finger streiften flüchtig über seine Schultern, kaum mehr als ein Hauch – er war kalt und nass. Dann kniete sie sich an seine Seite und begann bei den letzten Knoten zu helfen. "Du holst dir hier draußen noch den Tod in deiner Kleidung…", murmelte sie, die Stimme weich, mit einem Anflug gespielter Strenge. Ein leises Seufzen begleitete ihre Worte, das fast im Heulen des Windes verlorenging.
Für einen Moment hielt sie inne, betrachtete sein Gesicht im fahlen Schein des Mondes. Vielleicht suchte sie nach einem Rest jener stillen Heiterkeit, die sie vor ein paar Stunden noch in ihm gesehen hatte. Doch es wirkte, als sei das Buch, in dem sie eben noch hatte lesen dürfen, wieder geschlossen – die Seiten fest aneinandergelegt, der Einband verschlossen, als habe der Sturm ihn mit sich fortgetragen. "Und hast du gefunden wonach du gesucht hast?", die Frage stolperte über ihre Lippen, bevor sie ihr Einhalt gebieten konnte. Rasch richtete sie ihren Blick wieder auf die Knoten.