14-06-2025, 03:47 - Wörter:

Dieses Mal schaute er sie nicht an. Sein Blick ruhte auf dem Glas zwischen seinen Fingern, die tiefrote Flüssigkeit mit Schwarz getränkt, als hätte man Tinte dazu gegeben. Ob sie wusste, wovon sie redete? Vanja kannte die Erzählungen und Geschichten, die sich um den König rankten und längst Realität geworden waren. Opiumsucht, Träume und Dämonen waren zu einem Teil seines Lebens, ach, zu seinem Leben geworden, und jahrelanges Beobachten des Sein-Zustandes führten zu der Erkenntnis, dass er nicht mehr sein Königreich führte, sondern nur seine Vorstellung dessen. Wie fragil das einzelne Menschenleben war, wenn man ihm eine Prise Chaos beisteuerte. Wie schnell die Wahrnehmung Realität und Träume verzerren konnte, wenn man sich einen Moment zu lange dem Wunsch hingab, aufzugeben - und versuchte, diesen Wunsch zu ertränken. Keeran nahm Opium, um seinen Schmerz zu betäuben, aber er war sich der Wirkung bewusst, die es auf seinen Geist hatte. Zu viele Träume, zu viele Versprechen, und zu viel Realität, die auf jemanden wie Ridvan ben Sahid in erschütternder Härte einbrach.
“Yasirah soll ihn auch hin und wieder in seinen Gemächern aufgesucht haben. Vielleicht, weil sie die Hoffnung noch nicht aufgegeben hat, ihren Ehemann aus seinen Träumen zu holen.”
Es hatte ein paar Momente gedauert, bis der Händler seiner Frau antwortete, ihren Seitenhieb mit einem Schulterzucken abgestreift. Natürlich spielte sie mit sexuellen Fantasien; wenn überhaupt, dann sah Vanja ihre größte Stärke in ihrem aktiven Sexualtrieb, der Hand in Hand mit der Unwiderstehlichkeit ging, der sie Herr war. Wenn sie ihn eifersüchtig machen wollte, funktionierte das leider nicht. Keeran war kein eifersüchtiger Mensch; vor allem nicht, wenn seine Großzügigkeit, seine Frau zu teilen, einen Vorteil für ihn heraus schlug. “Das letzte Mal, als sie es versucht hat, haben seine Schreie den gesamten Palastarm geweckt. Schreie aus einer anderen Welt, laut und schrill.”
Während Vanja sich an dem Wein bediente, wanderte sein Blick zu ihrem Glas, die tiefrote Flüssigkeit in ihrer Hand vibrierend, während sein eigener Wein vollkommen still lag. “’Dämon, Dämon, weiche von mir. Meine Zeit ist noch nicht gekommen!’”
, imitierte er den Ton des Königs, mit genug eigener Fantasie gespeist, um ihn lebendig zu machen. Es lag eine gewisse Leichtigkeit in seiner Stimme, die verriet, dass er sich daran amüsierte - der schiere Wahnsinn des Königs war unter seinen Freunden und Kollegen, denen, die Ohren im Palast hatten und um die Gesundheit von Ridvan wussten, zum Gespött geworden. Doch gleichzeitig Dreh- und Angelpunkt von dem Leid der Menschen, so wie von den Plänen, die schon länger nicht mehr in den Schatten schlummerten.Keerans Blick tastete sich nach oben in Vanjas Gesicht, dunkler gezeichnet als seines, weil sie mit dem Rücken zu den Kerzen stand. Seinen Gehstock gegen die Wand abstellend, lehnte er sich selbst daneben, die Gewichtsverteilung auf sein gesundes Bein mittlerweile zu einer Gewohnheit geworden, die er kaum noch realisierte.
“Was überzeugt dich davon, es besser als Yasirah zu machen? Wenn du einen schlechten Tag erwischt, befiehlt er deinen Tod.”
Die Herausforderung war noch nicht vorbei - wenn überhaupt, dann hatte sie gerade erst begonnen.