18-06-2025, 13:59 - Wörter:

Nicht, dass er wollte, dass sie ihn anbetelte – bei der Göttin, nein – doch selbst eine Moira Fraser würde früher oder später die Vorzüge körperlicher Nähe kennenlernen, und dabei kam es durchaus vor, dass man manchmal um mehr bat.
„Ich wollte dir nicht wehtun.“
Der Henaghen schnaubte leise. "DAS glaube ich tatsächlich nicht", sagte er trocken, während er den Impuls unterdrückte, sich noch einmal an den Kopf zu fassen. Wahrscheinlich hätte das die Sache nur schlimmer gemacht – und eine weitere Woge des Schmerzes ausgelöst.
Moira wirkte wenig zufrieden mit seiner Antwort – das war bei einer Persönlichkeit wie ihr kaum überraschend. Doch Aodhán würde sich hüten, Muírin in irgendeiner Weise schlechtzureden, genauso wenig, wie er sie übertrieben loben wollte. Sie kannten sich, doch verbrachten zu wenig Zeit miteinander, als dass er eine wirklich fundierte Einschätzung ihres Wesens geben konnte. Zudem wusste er, dass sie sich hier vermutlich anders geben würde als zuhause. So ließ er ihr kühles „Hm“ unkommentiert stehen und spürte keinerlei Drang, noch etwas hinzuzufügen.
Das Gespräch verstummte so plötzlich, dass nur noch das gedämpfte Klirren von Flaschen und das Rascheln von Verbänden den Raum erfüllte. Aodhán ließ seinen Blick an der Decke haften, spürte eine seltsame Mischung aus Gelassenheit und innerer Leere, die sich zugleich befreiend anfühlte. Vielleicht bemerkte er gar nicht, wie seine Frage nach Moiras Tugend sie kurz aus der Fassung gebracht hatte.
Als Moira die Behandlung beendet hatte, verweilte er noch einen Augenblick reglos auf dem Tisch. Dann richtete er sich langsam auf, fuhr sich mit den Fingern durch das dunkle Haar und stützte sich mit den Händen auf den Tisch ab. Seine Beine schwebten über dem Rand, während ein nachdenklicher Ausdruck seine Miene umspielte. "Du stellst heute aber seltsame Fragen..." bemerkte er mit einem schiefen Grinsen und hob eine Augenbraue, was die Wunde sofort mit einem leichten Stechen quittierte. Doch davon abgesehen hatte Aodhán selbst keine Ahnung von der Ehe und hatte bis heute keinen wirklichen Gedanken daran verschwendet. Er brauchte keine Ehe, um die Vorzüge körperlicher Nähe zu genießen, und sowieso fühlte er sich viel zu jung, um sich wirklich fest zu binden.
"Ich glaube, die Vorstellungen von Ehe unterscheiden sich stark – von Land zu Land, und vor allem von Stand zu Stand", begann er mit ruhiger Stimme, die Lippen nachdenklich geschürzt. "Manche sehen in der Ehe eine Partnerschaft, andere eine Notwendigkeit. Herausforderungen muss man gemeinsam meistern, und Freude gemeinsam teilen. Aber das hängt sicher vor allem von den Menschen ab, die diesen Bund eingehen." Er machte eine kurze Pause, dann fuhr er fort: "Ich denke, in der Oberschicht und im Adel heiratet man selten aus Liebe. Meistens geht es um Verbindungen und Macht. Vielleicht findet man wahre Liebe eher bei den Armen? Keine Ahnung. Liebe kann auch über die Jahre entstehen – oder manchmal bleibt da nur Freundschaft." Je mehr er sprach, desto fremder und undurchsichtiger erschien ihm das ganze Konzept Ehe. Er betrachtete Moira, die mit dem Rücken zu ihm stand. "Beantwortet das deine Frage?"
