07-07-2025, 16:51 - Wörter:
„Kann ich das?“
Sanna schnaubte leise, doch es war kein Spott in dem Laut – eher etwas, das sich gefährlich nah an Zärtlichkeit schmiegte. Sie spürte, wie sich etwas in ihr regte, ein kaum wahrnehmbares Kribbeln, das vom Magen in die Brust wanderte, leicht und flüchtig wie der erste Hauch von Frühling nach einem endlosen Winter.
Die Mauer, die Veith noch vor kurzem so unbeirrbar um sich gezogen hatte, begann zu bröckeln. Da war nicht mehr nur diese schweigende Verschlossenheit in seinen Zügen, sondern eine Nähe, ein sanftes Leuchten in seinem Blick, das ihr Herz mit erschreckender Leichtigkeit aus dem Takt brachte. Und als sich ein zaghaftes Lächeln auf seine Lippen schlich – unwillkürlich – fühlte es sich an wie ein Echo in ihr selbst.
Etwas in ihr antwortete auf ihn, ohne dass sie es bewusst hätte lenken können. Ein stilles, süßes Ziehen, das sich in ihrem Innersten ausbreitete.
Veiths Umgang mit ihrer kleinen Tochter ließ Sannas Herz ein weiteres Mal höher schlagen – und es erschreckte sie zugleich, wie tief und mühelos diese Regung in ihr wurzelte. Wie schnell solche kleinen Gesten, scheinbar belanglos, doch so voller Wärme, ihr ein Gefühl entlockten, das sie kaum zu benennen wagte. Es war diese leise, drängende Sehnsucht, die sich in ihr breitmachte und sie ohne viel Widerstand in seine Nähe gezogen hätte – in seine Arme, in sein Lächeln, in diese ungewohnte Vertrautheit.
Sie wollte es nüchtern betrachten, sich selbst weismachen, dass es nur ein körperlicher Reflex war, ein bloßes Echo jenes Triebs, der tief in jedem Menschen verankert lag. Der sie zu Nähe und Verbindung trieb, zur Fortpflanzung, zur Gemeinschaft. Und doch – ein Teil von ihr wusste es besser. Wusste, dass da mehr war als nur das: Dass sich zwischen ihnen etwas aufzubauen begann, das sich nicht mit bloßer Biologie erklären ließ. Etwas Weiches, das sie berühren, aber noch nicht fassen konnte. Vor dem sie möglicherweise sogar Angst hatte.
Der Gedanke daran, sich dieser Offenheit tatsächlich hinzugeben, ließ sie für einen Moment innehalten – zögern, wie vor einem Schritt in unbekanntes Gelände. Dann jedoch stemmte sie, scheinbar empört, die Hände in die Hüften, spielte gekonnt die Überrumpelte. Doch bevor sie überhaupt zu einer passenden Erwiderung ansetzen konnte, war es Valda, die begeistert Veiths Seite bezog und ihm zustimmte – mit kindlicher Überzeugung und leuchtenden Augen.
Sanna klappte der Mund auf – völlig fassungslos. "So läuft das hier also… Ihr verbrüdert euch.", raunte sie schließlich und beugte sich dann vor, um ihre Tochter kurz in die Seite zu kitzeln. Valda quietschte vor Lachen, und für einen Moment schien alles leicht – so erschreckend leicht.
„Helvi wollte, aus naheliegenden Gründen, nicht, dass ich dich allein abhole“
Sannas Blick suchte den seinen – und fand ihn. Sah dort für einen flüchtigen Moment etwas, das wie ein schwacher Schatten durch das warme Bernstein seiner Augen glitt. War das… Verlegenheit? Eine Spur Unsicherheit? Es war kaum mehr als ein Hauch, und dennoch blieb er an ihr haften. "Oh... Hatte sie wohl Angst, dass wir noch vor dem Abendessen in der nächsten Scheune verschwinden?" Ihre Stimme war leichter, als ihr eigentlich zumute war, der Hauch von einer Möglichkeit in der Frage, die keine Antwort verlangte. Ein fast nervöses Lachen löste sich von ihren Lippen – zu hoch, zu flüchtig. Hätte sie? Hätte sie. Vielleicht. Wenn… Sie schob den Gedanken beiseite, wie man einen Vorhang beiseitezieht. Und doch blieb das Echo davon in ihr zurück, vibrierte unter der Haut.
Dass Helvi ihren Missmut nun an Veith ausgelassen hatte, hätte Sanna kaum überraschen dürfen. Was sie jedoch wirklich verwirrte, war ihr Schweigen ihr gegenüber. Kein Vorwurf, kein skeptischer Blick, kein gezielter Seitenhieb, wie sie ihn sonst so präzise zu platzieren wusste. Stattdessen nur ein beobachtendes Schweigen, das schwerer wog als jedes ausgesprochene Urteil.
Vielleicht versuchte sie herauszufinden, wie tief Sanna wirklich gefallen war – oder ob überhaupt. Vielleicht suchte sie nach einem Riss in ihr, einem Anzeichen von Reue, Verliebtheit oder Schwäche. Doch Sanna hatte nichts gezeigt. Zu stolz, zu trotzig, zu erschrocken vor der eigenen Offenbarung.
Denn sie hatte sich darauf eingelassen. Auf ihn. Und sie wusste, dass sie es wieder tun würde, wenn Veith sie nur falsch ansah. Ein Moment der Schwäche, eine Berührung zu viel… und schon stand man am Rand von etwas, das kein Zurück mehr kannte. Egal, was die Konsequenzen waren. "Du konntest es ihr also heute so gar nicht Recht machen...", stellte Sanna mit einem schiefen, beinahe mitleidigen Lächeln fest, dass ihre Sorge verriet.
Vielleicht war auch genau das in Helvis Blick gewesen. Kein Zorn – sondern Sorge. Weil Helvi sich schon immer um Sanna gesorgt hatte – wie eine große Schwester, vielleicht sogar wie eine Mutter. Auf ihre eigene, manchmal schroffe Weise. Nicht mit Umarmungen oder warmen Worten, sondern mit stillen Blicken, mit der Art, wie sie Dinge tat, ohne sie anzukündigen. Wie sie Sanna durch die Stadt geschoben hatte, als diese zum ersten Mal nach der Geburt ihres Kindes - sehr zum Widerwillen Eydís - durch Wintergard taumelte um ihre Waren zu verkaufen. Wie sie ihr Kräuter brachte, ohne zu fragen, ob sie welche brauchte. Wie sie sie warnte, ohne je das Wort Warnung in den Mund zu nehmen.
Und vielleicht war dieses Schweigen nun genau das: eine Warnung, still und schwer wie Blei. Nicht, weil Helvi sie verurteilte – sondern weil sie wusste, wie leicht Sanna fallen konnte, wenn sie diesmal niemand hielt. "Und diese Meinung war vermutlich nicht himmelhoch jauchzende Freude." Sanna hob leicht die Brauen und zog die Lippen zu einer schmalen, nachdenklichen Linie. Vielleicht war es doch klüger, Abstand zu wahren. So sehr es ihr auch widerstrebte. Jeder vernünftige Gedanke sprach dafür – und doch wehrte sich etwas in ihr, wild und trotzig, gegen diese Einsicht. Etwas, das ihn und seine Nähe suchte. "Ich mach mir nur Sorgen um dich." Ein schiefes Grinsen begleitete ihre Worte. "Ich kann mich zur Not in das kleine Kaff zurückziehen, aus dem ich komme, und in einem halben oder dreiviertel Jahr nochmal vorbeischauen – in der Hoffnung, Helvi ist dann wieder besänftigt." Ein Hauch Amüsement lag auf ihrem Gesicht. "Du hingegen bist ihr hier ausgeliefert." Der Nachteil einer großen Familie, die einen Hof besaß – und in derselben Stadt lebte. Vermutlich der einzige in Sannas Augen.
Sanna schnaubte leise, doch es war kein Spott in dem Laut – eher etwas, das sich gefährlich nah an Zärtlichkeit schmiegte. Sie spürte, wie sich etwas in ihr regte, ein kaum wahrnehmbares Kribbeln, das vom Magen in die Brust wanderte, leicht und flüchtig wie der erste Hauch von Frühling nach einem endlosen Winter.
Die Mauer, die Veith noch vor kurzem so unbeirrbar um sich gezogen hatte, begann zu bröckeln. Da war nicht mehr nur diese schweigende Verschlossenheit in seinen Zügen, sondern eine Nähe, ein sanftes Leuchten in seinem Blick, das ihr Herz mit erschreckender Leichtigkeit aus dem Takt brachte. Und als sich ein zaghaftes Lächeln auf seine Lippen schlich – unwillkürlich – fühlte es sich an wie ein Echo in ihr selbst.
Etwas in ihr antwortete auf ihn, ohne dass sie es bewusst hätte lenken können. Ein stilles, süßes Ziehen, das sich in ihrem Innersten ausbreitete.
Veiths Umgang mit ihrer kleinen Tochter ließ Sannas Herz ein weiteres Mal höher schlagen – und es erschreckte sie zugleich, wie tief und mühelos diese Regung in ihr wurzelte. Wie schnell solche kleinen Gesten, scheinbar belanglos, doch so voller Wärme, ihr ein Gefühl entlockten, das sie kaum zu benennen wagte. Es war diese leise, drängende Sehnsucht, die sich in ihr breitmachte und sie ohne viel Widerstand in seine Nähe gezogen hätte – in seine Arme, in sein Lächeln, in diese ungewohnte Vertrautheit.
Sie wollte es nüchtern betrachten, sich selbst weismachen, dass es nur ein körperlicher Reflex war, ein bloßes Echo jenes Triebs, der tief in jedem Menschen verankert lag. Der sie zu Nähe und Verbindung trieb, zur Fortpflanzung, zur Gemeinschaft. Und doch – ein Teil von ihr wusste es besser. Wusste, dass da mehr war als nur das: Dass sich zwischen ihnen etwas aufzubauen begann, das sich nicht mit bloßer Biologie erklären ließ. Etwas Weiches, das sie berühren, aber noch nicht fassen konnte. Vor dem sie möglicherweise sogar Angst hatte.
Der Gedanke daran, sich dieser Offenheit tatsächlich hinzugeben, ließ sie für einen Moment innehalten – zögern, wie vor einem Schritt in unbekanntes Gelände. Dann jedoch stemmte sie, scheinbar empört, die Hände in die Hüften, spielte gekonnt die Überrumpelte. Doch bevor sie überhaupt zu einer passenden Erwiderung ansetzen konnte, war es Valda, die begeistert Veiths Seite bezog und ihm zustimmte – mit kindlicher Überzeugung und leuchtenden Augen.
Sanna klappte der Mund auf – völlig fassungslos. "So läuft das hier also… Ihr verbrüdert euch.", raunte sie schließlich und beugte sich dann vor, um ihre Tochter kurz in die Seite zu kitzeln. Valda quietschte vor Lachen, und für einen Moment schien alles leicht – so erschreckend leicht.
„Helvi wollte, aus naheliegenden Gründen, nicht, dass ich dich allein abhole“
Sannas Blick suchte den seinen – und fand ihn. Sah dort für einen flüchtigen Moment etwas, das wie ein schwacher Schatten durch das warme Bernstein seiner Augen glitt. War das… Verlegenheit? Eine Spur Unsicherheit? Es war kaum mehr als ein Hauch, und dennoch blieb er an ihr haften. "Oh... Hatte sie wohl Angst, dass wir noch vor dem Abendessen in der nächsten Scheune verschwinden?" Ihre Stimme war leichter, als ihr eigentlich zumute war, der Hauch von einer Möglichkeit in der Frage, die keine Antwort verlangte. Ein fast nervöses Lachen löste sich von ihren Lippen – zu hoch, zu flüchtig. Hätte sie? Hätte sie. Vielleicht. Wenn… Sie schob den Gedanken beiseite, wie man einen Vorhang beiseitezieht. Und doch blieb das Echo davon in ihr zurück, vibrierte unter der Haut.
Dass Helvi ihren Missmut nun an Veith ausgelassen hatte, hätte Sanna kaum überraschen dürfen. Was sie jedoch wirklich verwirrte, war ihr Schweigen ihr gegenüber. Kein Vorwurf, kein skeptischer Blick, kein gezielter Seitenhieb, wie sie ihn sonst so präzise zu platzieren wusste. Stattdessen nur ein beobachtendes Schweigen, das schwerer wog als jedes ausgesprochene Urteil.
Vielleicht versuchte sie herauszufinden, wie tief Sanna wirklich gefallen war – oder ob überhaupt. Vielleicht suchte sie nach einem Riss in ihr, einem Anzeichen von Reue, Verliebtheit oder Schwäche. Doch Sanna hatte nichts gezeigt. Zu stolz, zu trotzig, zu erschrocken vor der eigenen Offenbarung.
Denn sie hatte sich darauf eingelassen. Auf ihn. Und sie wusste, dass sie es wieder tun würde, wenn Veith sie nur falsch ansah. Ein Moment der Schwäche, eine Berührung zu viel… und schon stand man am Rand von etwas, das kein Zurück mehr kannte. Egal, was die Konsequenzen waren. "Du konntest es ihr also heute so gar nicht Recht machen...", stellte Sanna mit einem schiefen, beinahe mitleidigen Lächeln fest, dass ihre Sorge verriet.
Vielleicht war auch genau das in Helvis Blick gewesen. Kein Zorn – sondern Sorge. Weil Helvi sich schon immer um Sanna gesorgt hatte – wie eine große Schwester, vielleicht sogar wie eine Mutter. Auf ihre eigene, manchmal schroffe Weise. Nicht mit Umarmungen oder warmen Worten, sondern mit stillen Blicken, mit der Art, wie sie Dinge tat, ohne sie anzukündigen. Wie sie Sanna durch die Stadt geschoben hatte, als diese zum ersten Mal nach der Geburt ihres Kindes - sehr zum Widerwillen Eydís - durch Wintergard taumelte um ihre Waren zu verkaufen. Wie sie ihr Kräuter brachte, ohne zu fragen, ob sie welche brauchte. Wie sie sie warnte, ohne je das Wort Warnung in den Mund zu nehmen.
Und vielleicht war dieses Schweigen nun genau das: eine Warnung, still und schwer wie Blei. Nicht, weil Helvi sie verurteilte – sondern weil sie wusste, wie leicht Sanna fallen konnte, wenn sie diesmal niemand hielt. "Und diese Meinung war vermutlich nicht himmelhoch jauchzende Freude." Sanna hob leicht die Brauen und zog die Lippen zu einer schmalen, nachdenklichen Linie. Vielleicht war es doch klüger, Abstand zu wahren. So sehr es ihr auch widerstrebte. Jeder vernünftige Gedanke sprach dafür – und doch wehrte sich etwas in ihr, wild und trotzig, gegen diese Einsicht. Etwas, das ihn und seine Nähe suchte. "Ich mach mir nur Sorgen um dich." Ein schiefes Grinsen begleitete ihre Worte. "Ich kann mich zur Not in das kleine Kaff zurückziehen, aus dem ich komme, und in einem halben oder dreiviertel Jahr nochmal vorbeischauen – in der Hoffnung, Helvi ist dann wieder besänftigt." Ein Hauch Amüsement lag auf ihrem Gesicht. "Du hingegen bist ihr hier ausgeliefert." Der Nachteil einer großen Familie, die einen Hof besaß – und in derselben Stadt lebte. Vermutlich der einzige in Sannas Augen.