27-07-2025, 08:20 - Wörter:

“Vielleicht. Vielleicht blüht allen Menschen mit Macht dasselbe Schicksal.”
Und wenn er starb, dann sollte sein Reichtum ihr gehören. Dann sollte sein Reich fallen oder bestehen, und er würde unter der Erde liegen und es wäre ihm egal. Alles, was ihm gehörte, sollte in die Hände derer fallen, die gedachten, sich Erbe zu nennen; er legte all die Verantwortung getrost in den Schoß der großen Mutter und derer, die ihn überleben würden. Was Keeran an seiner Frau faszinierte, war ihr ungefiltertes Selbstbewusstsein, das in den Augen mancher sicher als Größenwahn wahrgenommen werden konnte. Es stimmte durchaus, dass er ihr den Weg unter anderem geebnet hatte, mit Gold und Macht, welche ihr als einfache, mittlere Händlerstochter aus dem Winterland niemals durch die Finger geronnen wären, doch auch unter anderen Umständen hatte er keine Zweifel, dass sie sich an die Spitze ihrer eigenen Nahrungskette gekämpft hätte. Wenn auch nur in ihrer eigenen Welt, war sie die Größte und besaß das Recht, sich mit einer Königin gleichzustellen - hier, wo keine Regeln galten, die sie nicht aufstellten, kein Gott herrschte, den sie nicht wählten. Sie beide nackt in ihrem eigenen Königreich und so völlig selbstverständlich den besten Wein genießend, den man zu diesen Zeiten noch auftreiben konnte. Doch so hoch sich Vanja selbst lobte, sah ihr Mann sie für das, was sie wirklich war. Auffordernd nickte er mit dem Kinn in ihre Richtung, denn ihr Hochmut perlte an ihm ab wie der Wein, der eben noch über ihre Brust geflossen war.
“Sag mir doch, was dich besser macht als sie. Ich würde es gerne aus deinem Mund hören.”
Ohne seinen Blick von dem Gesicht seiner Frau abzuwenden, nippte er an seinem Glas und beobachtete, wie die Schatten warm über jede kleine Unebenheit tanzten. Ob er die Antwort kannte oder nicht, er wollte, dass Vanja sie selbst verbalisierte. Reden konnten viele, oft ohne Sinn; es war die Kunst, der Überzeugung einen Inhalt zu geben, um ihr letztendlich auch Glauben zu schenken.