13-09-2025, 10:48 - Wörter:

Denn wieder hatte er sie in eine Ecke gedrängt.
Auch wenn sie versuchte, ihm Paranoia in die Ohren zu setzen und sich daran zu laben, war er kein Diener, der ihr alles auf einem Silbertablett servieren würde. Ihr Mann hatte sich längst mit der Möglichkeit bekannt gemacht, dass ihre Worte nur Rauch waren und ihre Loyalität nichts wert, wenn jemand - oder etwas - ihr mehr Belohnung versprach als ein sicheres Leben in Üppigkeit und Völlerei. Die wahre Kunst bestand darin, sie immer in Reichweite zu halten und doch nie nah genug, dass sie ihm überdrüssig werden würde; so wie die Zeit zwangsläufig immer am Band zweier Menschen nagte, bis von Vertrauen und Liebe nur noch ein Skelett übrig sein würde. Keeran hatte sich schon lange in Vanjas Dunstkreis etabliert und er war sich seiner Wirkung bewusst; seine Bestätigung war das Opium, von dem sie abhängig war, seine Aufmerksamkeit und Berührung der süße Geruch von Mohnblumen, bevor sie gemalen wurden.
Sicher war sie nicht die einzige Abhängige im Raum.
Der intensive Blick des Händlers glitt runter an ihrer Figur. Die Flammen der Kerzen tanzten in seinen Augen und verstärkten die Falten um sein leichtes Lächeln, tief in die Kerben um seine Mundwinkel gegraben. Er hörte sie gerne reden. Ihre Drohungen, versteckt unter dem süßlichen Klang ihrer Stimme, und die rohe Emotion, die sie transportierte, wenn er sie nur an den richtigen Stellen piesackte, waren Musik in seinen Augen. In vielen Situationen hatte er sie gerne um sich, aber wenn sie wie eine Raubkatze um sich schlug, wenn er sie in einer verbale Ecke drängte, gab ihm das ein seltenes Gefühl von Genugtuung. Dabei hatte er kaum etwas gesagt. Eine Frage und sie beleidigte die Königin, fühlte sich bedrängt in ihrem Selbstbild und schlug aus, wie es eine in die Ecke gedrängte Raubkatze tun würde. Sie tat alles außer seine Frage zu beantworten und in seine Augen trat ein undeutbarer Glanz, der ihn eine Weile lang gar nicht reagieren ließ. Erst ein paar Momente später zuckten seine Augenbrauen nach oben und er wandte sein Kinn von ihr ab, den Blick durch den Eingang des Esszimmers fixiert, ohne etwas Bestimmtes zu fokussieren.
“Eine Königin hat nur so viel Macht, wie ihr Volk bereit ist, ihr zu geben. Sie muss sich nicht beweisen, bis einer sie in Frage stellt. Wer will sie eine Königin nennen, wenn keiner an sie glaubt?”
Eigentlich verfolgte Keeran keine genaue Absicht mit diesem Gespräch. Er war müde vom Tag, hatte - seiner Meinung nach - genug getan, um seine Frau zu beglücken und würde den Abend jetzt mit ein paar Spielereien ausklingen lassen. Dabei ging die Richtung des Gesprächs von Vanja aus - er passte sich nur ihrer Richtung an und reagierte auf das, was sich gerade ergab. Aber auch er merkte, dass er sie ermüdete, sah es ihrer Haltung, hörte es in ihrer Tonlage, verstand den inhaltslosen Inhalt, den sie ihm nur mit halbem Grips entgegen warf. Sein Spiel neigte sich dem Ende zu, so wie der Wein in seinem Glas, der dunkel im Kerzenlicht schimmerte. “Yasirah hat 17 Jahre auf dem Thron ausgehalten. Mit deiner Einstellung wirst du keinen Monat durchhalten”
, verkündete er nüchtern und leerte sein Glas, ehe er zu seinem Gehstock griff. Der Diener trat in seinen Schatten und nahm das Glas auf, als Keeran der Karaffe schon längst seinen Rücken zugekehrt hatte. Im Gehen, mit steifen Knie gegen seinen Stock gelehnt, griff er nach dem dunklen Überwurf und legte ihn sich über die Schultern. “Der Tag war lang. Ich muss noch was ausrechnen, dann komm ich ins Bett.”
Seine Hand streifte Vanjas nackte Schulter, ohne dass er zu viel Versprechen hinein legte. Ob er erwartete, dass sie sich in einer Stunde neben ihn legen würde, wie es eine traditionelle Ehefrau tun würde? Ob er wusste, dass sie sich eine andere Nacht mit ihrem Lieblingsspielzeug, dem Diener, ausmalte?Keeran ließ es sich nicht anmerken, als er an ihr vorbei hinkte und den Raum verließ.