08-04-2024, 23:36 - Wörter:
Dass Eastergold Meadow eine bewegte Geschichte hinter sich hatte, war jedem Schulkind bekannt. Mal zu Castandor, dann wieder bei Walleydor waren die vergangenen Jahrhunderte gespickt mit Episoden, die teils recht blutig gewesen waren. Doch die letzten Generationen hatten hier eigentlich nur Frieden und Wohlstand erlebt. Nicht einmal von Zosias Großeltern hätte sie jemals etwas gehört, das von Krieg oder Furcht gehandelt hätte. Ganz im Gegenteil. Die Fruchtbarkeit des Ortes und die strategisch gute Lage war gerade der Magnet, der ihren Großvater nach Eastergold Meadow gezogen hatte, um die örtliche Taverne groß aufzubauen und zu einem der bekanntesten Treffpunkte der Stadt zu machen. Außer der Seuche, die zwar in ihrer Familie große Verluste nach sich gezogen hatte, aber im Großen und Ganzen auch recht glimpflich zu Ende gegangen war, hatte die Familie kaum schwere Zeiten erleben müssen. Von einem Überfall durch eine fremde Heerschaft hätte niemand auch nur zu träumen gewagt. Und doch war es geschehen. Seit dem Tag, als die frühlingsländischen Soldaten und Söldner durch die Tore in die Stadt geströmt waren, lag in der Stadt eine seltsam angespannte Stimmung. Viele Menschen waren geflohen, Häuser und Werkstatten standen leer, ganze Straßenseiten waren verlassen. Manche einst gut belebten Viertel waren nun trostlos und wimmelten von lauter seltsamen Gestalten. Auch in der Nachbarschaft der Taverne hatte sich einiges verändert. Freunde waren nicht mehr hier, Feinde schielten noch argwöhnischer durch die Fensterläden.
Und die einst fröhliche Taverne selbst, voll von Besuchern, Stammgästen und Durchreisenden war nicht mehr erfüllt von Münzengeklimper, Bechergeklapper oder Lachen, sondern lag nun still und zerstört einfach so da. Zosia konnte immer noch nicht fassen, was hier geschehen war. Allerdings zeugte ihr blaues Auge davon, dass es kein böser Alptraum war, sondern bittere Realität. Obwohl, mittlerweile hatte es schon an Farbe verloren, war mehr ein buntes Mischmasch aus gelb, rot und lila. Auch die Schwellung war zum Glück bereits angenehm zurück gegangen. Etwas verloren stand die Wirtstochter auf einen Besen gestützt im Schankraum, in dem sich immer noch die Spuren der Schlägerei abzeichneten. Eine Woche war es bereits her, aber für Zosia war es wie gestern, vielleicht auch, weil in der Kammer über ihr der Vater seither das Bett nicht verlassen konnte, gezeichnet von Knochenbrücken, Prellungen und Platzwunden, die die Wanderheilerinnen zwar zu versorgen wussten, aber dennoch beherrschte Zosia eine unangenehme Angst, dass hier noch innere Verletzungen nicht erkannt werden konnten oder sich vielleicht noch anzeigen würden. Sie vertraute den Heilerinnen, keine Frage, aber es wäre ihr wirklich lieber gewesen, es hätte sich eine dauerhaftere professionelle Pflege einrichten lassen, als sie bieten konnte. Aber von welchem Geld? Zosia wusste nicht einmal, wie sie die Taverne hier wieder aufbauen sollte.
In einem ersten Kraftakt hatten ihre Verwandten mitgeholfen zumindest die unhandlichsten Schuttteile, vorwiegend Holz von Stühlen, Tischen, der Schank, Türen, Fässern und Regalen, aber auch Glas der Fenster, zerbrochenes Geschirr und Putzbrocken, irgendwie aus dem Haus zu schaffen. Wohin, war ihr ehrlich egal, allerdings war es schon von Vorteil, dass Niddia vor ihrem Tod mit einem Fuhrmann verheiratet gewesen war. Dennoch gab es noch genug zu tun, bevor Zosia auch nur daran denken könnte, die Türen wieder dauerhaft zu öffnen. Ein paar Einrichtungsgegenstände hatten die Schlägerei überlebt und aus den verbliebenen Resten der Speisekammer und des Kellers konnte sie zumindest ein paar Gäste bewirten, wenn auch bei weitem nicht in dem Standard, wie sie es gewohnt war. Aber zumindest half es, die Taverne nicht vollkommen in die Bedeutungslosigkeit sinken zu lassen. "Du, Zosia, ich bin mit dem Abwasch fertig" kam ihre älteste Schwester Galla aus der Küche sich die Hände an einem Tuch abtrocknend. "Wenn du willst, kann ich morgen wieder vorbei schauen. Mach heute abend lieber nicht auf. Wir haben nicht mehr so viele Bierfässer und ehrlich gesagt wäre es mir lieber, wenn du hier so spät nicht allein bist." kam sie auf ihre Schwester zu und legte eine Hand an ihren Oberarm. "Danke, Galla." seufzte Zosia und lüpfte verborgen lächelnd eine Braue. Als hätte ihre Schwester ihre Gedanken gelesen, denn genau darüber hatte sie auch gegrübelt. "Ezzo wollte mir helfen." grummelte sie, sichtlich nicht sonderlich erfreut über diesen Umstand. "Unser Onkel lässt wirklich nicht locker, hm?" Zosia zuckte nur mit den Schultern. Hauptsache es half der Taverne. Momentan war dies die einzige Priorität.
Ein Klopfen an der Tür unterbrach das schwesterliche Gespräch und erstaunte beide gleichermaßen. Ein Besucher? Jeder, der die Familie kannte, und noch in der Stadt war, wusste den Nebeneingang zu benutzen für private Gelegenheiten. "Ich geh schon, ich muss ohnehin los." Schließlich musste sich Galla auch um ihre eigene Familie kümmern. Also nahm sie die wenigen Schritte zur Tür, öffnete sie bestimmt und stand dann mit einer Hand an der Hüfte da. "Ja?" musterte sie den jungen Mann vor ihr eingehend von oben bis unten und verbarg ihren Blick nicht einmal großartig. Es muss gesagt werden, dass die Frauen der Familie Marsili der Hinrichtung nicht beigewohnt hatten. Abgesehen davon, dass es den Männern nicht recht war, den Frauen solche Barbarei auszusetzen, bevorzugten die Frauen auch ehrlich gesagt, sowas nicht gesehen haben zu müssen. Außerdem gab es genug anderes zu tun, als sich der morbiden Neugier hinzugeben. Natürlich kamen die Männer mit Erzählungen, Beschreibungen und Meinungen wieder zurück, die dann durch die gesamte Familie wanderten. Auch über die neue Fürstenfamilie. Also zumindest der Name, den der Fremde nannte, war ein Begriff. Galla verschob gleich das Gewicht von einem Fuß auf den anderen und verschränkte die Arme vor der Brust. Zumindest wohl erzogen war er mit seiner Verbeugung und der höflichen Frage. Galla drehte sich um zu ihrer Schwester, suchte deren Einverständnis, allerdings war ein 'Nein' wohl ohnehin keine Option. Die Frage war nur, blieb Galla doch noch, oder konnte sie sich verlassen, dass der junge Prinz hier mit ihrer Schwester allein gelassen werden konnte, ohne dass es zu einem weiteren Skandal käme. Zosia nickte nur. Ein Besen wäre wohl keine passende Waffe gegen sein Langschwert, aber Zosia war mittlerweile gut in Laune es darauf ankommen zu lassen. "Bitte sehr, Euer Gnaden. Ihr entschuldigt mich." gab Galla den Weg frei, ehe sie hinter ihm die Taverne verließ und die Türe schloß.
Zosia atmete tief durch und zwang sich einen halbwegs freundlichen Gesichtsausdruck auf, auch wenn man ihre Vorsicht und ihre Skepsis nicht verleugnen konnte. "Euer Gnaden, es ist uns eine Ehre, dass ihr uns höchstselbst mit einem Besuch bedenkt." auch sie konnte höflich sein, wenn sie wollte, auch wenn sie sich nur fragte, was der Prinz hier wollte? Er durfte gern das Schwert ablegen, die Ärmel aufkrempeln und mit anpacken. Auch wenn er nicht selbst für die Zerstörung der Taverne verantwortlich war, so doch indirekt, also bitte, da war es doch nicht zuviel verlangt, dass er sich auch - indirekt - am Wiederaufbau beteiligte.
Und die einst fröhliche Taverne selbst, voll von Besuchern, Stammgästen und Durchreisenden war nicht mehr erfüllt von Münzengeklimper, Bechergeklapper oder Lachen, sondern lag nun still und zerstört einfach so da. Zosia konnte immer noch nicht fassen, was hier geschehen war. Allerdings zeugte ihr blaues Auge davon, dass es kein böser Alptraum war, sondern bittere Realität. Obwohl, mittlerweile hatte es schon an Farbe verloren, war mehr ein buntes Mischmasch aus gelb, rot und lila. Auch die Schwellung war zum Glück bereits angenehm zurück gegangen. Etwas verloren stand die Wirtstochter auf einen Besen gestützt im Schankraum, in dem sich immer noch die Spuren der Schlägerei abzeichneten. Eine Woche war es bereits her, aber für Zosia war es wie gestern, vielleicht auch, weil in der Kammer über ihr der Vater seither das Bett nicht verlassen konnte, gezeichnet von Knochenbrücken, Prellungen und Platzwunden, die die Wanderheilerinnen zwar zu versorgen wussten, aber dennoch beherrschte Zosia eine unangenehme Angst, dass hier noch innere Verletzungen nicht erkannt werden konnten oder sich vielleicht noch anzeigen würden. Sie vertraute den Heilerinnen, keine Frage, aber es wäre ihr wirklich lieber gewesen, es hätte sich eine dauerhaftere professionelle Pflege einrichten lassen, als sie bieten konnte. Aber von welchem Geld? Zosia wusste nicht einmal, wie sie die Taverne hier wieder aufbauen sollte.
In einem ersten Kraftakt hatten ihre Verwandten mitgeholfen zumindest die unhandlichsten Schuttteile, vorwiegend Holz von Stühlen, Tischen, der Schank, Türen, Fässern und Regalen, aber auch Glas der Fenster, zerbrochenes Geschirr und Putzbrocken, irgendwie aus dem Haus zu schaffen. Wohin, war ihr ehrlich egal, allerdings war es schon von Vorteil, dass Niddia vor ihrem Tod mit einem Fuhrmann verheiratet gewesen war. Dennoch gab es noch genug zu tun, bevor Zosia auch nur daran denken könnte, die Türen wieder dauerhaft zu öffnen. Ein paar Einrichtungsgegenstände hatten die Schlägerei überlebt und aus den verbliebenen Resten der Speisekammer und des Kellers konnte sie zumindest ein paar Gäste bewirten, wenn auch bei weitem nicht in dem Standard, wie sie es gewohnt war. Aber zumindest half es, die Taverne nicht vollkommen in die Bedeutungslosigkeit sinken zu lassen. "Du, Zosia, ich bin mit dem Abwasch fertig" kam ihre älteste Schwester Galla aus der Küche sich die Hände an einem Tuch abtrocknend. "Wenn du willst, kann ich morgen wieder vorbei schauen. Mach heute abend lieber nicht auf. Wir haben nicht mehr so viele Bierfässer und ehrlich gesagt wäre es mir lieber, wenn du hier so spät nicht allein bist." kam sie auf ihre Schwester zu und legte eine Hand an ihren Oberarm. "Danke, Galla." seufzte Zosia und lüpfte verborgen lächelnd eine Braue. Als hätte ihre Schwester ihre Gedanken gelesen, denn genau darüber hatte sie auch gegrübelt. "Ezzo wollte mir helfen." grummelte sie, sichtlich nicht sonderlich erfreut über diesen Umstand. "Unser Onkel lässt wirklich nicht locker, hm?" Zosia zuckte nur mit den Schultern. Hauptsache es half der Taverne. Momentan war dies die einzige Priorität.
Ein Klopfen an der Tür unterbrach das schwesterliche Gespräch und erstaunte beide gleichermaßen. Ein Besucher? Jeder, der die Familie kannte, und noch in der Stadt war, wusste den Nebeneingang zu benutzen für private Gelegenheiten. "Ich geh schon, ich muss ohnehin los." Schließlich musste sich Galla auch um ihre eigene Familie kümmern. Also nahm sie die wenigen Schritte zur Tür, öffnete sie bestimmt und stand dann mit einer Hand an der Hüfte da. "Ja?" musterte sie den jungen Mann vor ihr eingehend von oben bis unten und verbarg ihren Blick nicht einmal großartig. Es muss gesagt werden, dass die Frauen der Familie Marsili der Hinrichtung nicht beigewohnt hatten. Abgesehen davon, dass es den Männern nicht recht war, den Frauen solche Barbarei auszusetzen, bevorzugten die Frauen auch ehrlich gesagt, sowas nicht gesehen haben zu müssen. Außerdem gab es genug anderes zu tun, als sich der morbiden Neugier hinzugeben. Natürlich kamen die Männer mit Erzählungen, Beschreibungen und Meinungen wieder zurück, die dann durch die gesamte Familie wanderten. Auch über die neue Fürstenfamilie. Also zumindest der Name, den der Fremde nannte, war ein Begriff. Galla verschob gleich das Gewicht von einem Fuß auf den anderen und verschränkte die Arme vor der Brust. Zumindest wohl erzogen war er mit seiner Verbeugung und der höflichen Frage. Galla drehte sich um zu ihrer Schwester, suchte deren Einverständnis, allerdings war ein 'Nein' wohl ohnehin keine Option. Die Frage war nur, blieb Galla doch noch, oder konnte sie sich verlassen, dass der junge Prinz hier mit ihrer Schwester allein gelassen werden konnte, ohne dass es zu einem weiteren Skandal käme. Zosia nickte nur. Ein Besen wäre wohl keine passende Waffe gegen sein Langschwert, aber Zosia war mittlerweile gut in Laune es darauf ankommen zu lassen. "Bitte sehr, Euer Gnaden. Ihr entschuldigt mich." gab Galla den Weg frei, ehe sie hinter ihm die Taverne verließ und die Türe schloß.
Zosia atmete tief durch und zwang sich einen halbwegs freundlichen Gesichtsausdruck auf, auch wenn man ihre Vorsicht und ihre Skepsis nicht verleugnen konnte. "Euer Gnaden, es ist uns eine Ehre, dass ihr uns höchstselbst mit einem Besuch bedenkt." auch sie konnte höflich sein, wenn sie wollte, auch wenn sie sich nur fragte, was der Prinz hier wollte? Er durfte gern das Schwert ablegen, die Ärmel aufkrempeln und mit anpacken. Auch wenn er nicht selbst für die Zerstörung der Taverne verantwortlich war, so doch indirekt, also bitte, da war es doch nicht zuviel verlangt, dass er sich auch - indirekt - am Wiederaufbau beteiligte.
