13-04-2024, 20:53 - Wörter:
Er machte ihr eine große Freude, indem er noch einmal zeigte, wie der Ring aus dem Dampf entstanden war, aber Amira scheiterte darin es zu wiedergeben zu können. Vielleicht würde sich aber nochmals die Gelegenheit zur Übung geben, vielleicht könnte das etwas sein, das er ihr beibrachte und worin sie gut werden könne. Sie störte sich nicht daran, dass Ilyas über ihre Begeisterung erst überrascht, und dann eher abweisend zu sein schien. Vielleicht fand er ihre Neugierde albern oder glaubte schlimmstenfalls, sie wolle ihm damit hinterhältig dazu bringen sie zu mögen. Als ob das so einfach wäre. Doch eine Geschichte blieb aus und sie tat zwar, wie er sie geheißen hatte, aber scheiterte dann doch an der zweiten Hälfte des Auftrags.
„Mahdi Bayat“, war ihre Antwort, als kenne er ihn persönlich. Tatsächlich wäre es aber wirklich möglich, dass Ilyas dem alten Medicus in früheren Tagen noch über den Weg gelaufen war, bevor er nach Abgabe des jugendlichen Mädchens seinen Weg durch die Weiten Matariyyas fortgesetzt hatte. Aber im Moment durfte man ein wenig das logische Denken bei Amira suchen, so dass sie weder große Spekulationen betrieb, noch sonderlich lange wartete, ob er verbal eine Äußerung von sich gab. „Er war ein großer Heiler der Lande, vielleicht haben sich eure Wege einmal gekreuzt? Er nahm mich in Abu Kabir auf, und ich dachte damals, es wäre die schöne Stadt der Welt. Aber Dharan al-Bahr erscheint mir so viel mächtiger, meinst du nicht?“ Doch dann runzelte sich leicht ihre Stirn, als hätte sie bemerkt etwas Falsches gesagt zu haben. „Ich habe wenig von der Stadt gesehen. Vielleicht irre ich mich.“ Tatsächlich hätte sie ihre Aufenthalte außerhalb der Palastmauern wohl an einer Hand abzählen können, doch erinnerte sie sich kaum an einen von diesen. Vermutlich begleitet von Wachen, vermutlich in einer Sänfte, vermutlich nur die Stadt durchquerend in den nächsten Adelspalast, der wieder umringt von Mauern gewesen war. Amira hatte nie das Elend und die Armut der Hauptstadt gesehen, sie kannte es nur aus Geschichten. Und wenn man ein Leben lang Geschichten über Armut hörte und gleichzeitig Geschichten über Drachen – woher sollte man schon wissen, welche wahr sei und welche nicht?
„Die Schiffe.. ich erinnere mich gut an die Schiffe. Und der Geschmack des Salzwassers auf der Zunge. Der Geruch von frischem Fisch, unzählige Fässer voll Wein oder Schafe“, wieder lachte sie, wenn auch nicht so hell wie zuvor, aber deutlich amüsiert. Sie legte ihren Kopf, der noch immer auf seinem Oberschenkel ruhte, ein wenig in den Nacken um ihn für den Moment besser ansehen zu können. „Hast du hier schon einmal Schafe gesehen? Ich hörte, sie machen aus der dicken Wolle Kleidung auf der anderen Seite der Meere. Dort soll es Wüsten geben, doch anders als hier. Keinen goldenen Sand, sondern weicher, weißer Schnee. Ich habe mich früher manches Mal gefragt, wie eine Welt in weiß wohl aussehen würde. Und Berge bis zu den Wolken… Rote Wälder mit Stämmen, die selbst fünf Männer nicht umfassen können.“ Wieder lachte sie, doch dieses Mal mehr über sich selbst. Hätte er sie zuvor nicht für kindisch empfunden, dann tat er es sicherlich jetzt. „Du hast all das sicher schon viele Male gesehen, nicht wahr? Sind… diese Geschichten denn wahr? Gibt es dort draußen diese Welten?“ Fast wollte sie die Antwort nicht hören. Denn was, wenn all die Kaufleute und Seefahrer übertrieben und sich auch dort nur die immer gleichen Paläste befanden, die immer gleichen Wachen in Uniformen, mit ihren Schwertern und die edlen Damen, denen sie Musik zu spielen gelernt hatte, und die Männer, die gänzlich gleich wie ehrenwert sie sich gaben, doch immer nur das selbe wollten.
Der Gedankenumschwung hatte sie betrübt, vielleicht hatte sie sich gerade auch das erste Mal gefragt, wie viel Ilyas denn von ihrer gesellschaftlichen Tätigkeit wusste, während sie ihren Ehering besah. Vielleicht fragte sie sich, ob er sie deswegen so abstoßen fand. Weil sie gelernt hatte, was Männer wollten, und weil sie diese Wünsche erfüllt hatte. Sie hoffte, es war nicht so. Denn es lag außerhalb ihrer Macht diese Vergangenheit zu verändern. Was lag also näher als ihn danach zu fragen, wenngleich keineswegs so direkt? Doch nun war es an ihm zu erzählen, und sie liebte seine Stimme. Ruhig und besonnen, bedacht setzten sich die Worte aneinander und für einen Moment schloss sie ihre Augen und drehte ihren Kopf um ihre Wange an seinem Bein liegen zu haben, als wäre es ihr dadurch möglich noch besser zuzuhören. Doch es war eine traurige Geschichte und als sie ihre Augen wieder öffnete, stand ihr die mitfühlende Trauer darin geschrieben. „Sie sterben beide..“, sagte sie, als wäre es nicht offensichtlich gewesen. Und sie glaubte eine Schwere in seiner Stimme hören zu können. Unbestritten, saß sie nicht mit einem Geist in der Wüste, aber vielleicht war es seine Geliebte gewesen, die in den Wassern umgekommen war.
Amira hatte nie geliebt, sie konnte den Schmerz nicht nachvollziehen, und sie hatte nie Besitz, weder dinglich noch menschlich, und was nicht ihr gehörte, konnte ihr kein Gefühl des Verlustes bereiten. Manches Mal hatte sie um sich getrauert, doch seitdem waren viele Jahre ergangen. „Vielleicht hatte der Talisman nicht versagt, die Wolken zu beschwören. Er wäre sicher unglücklicher gewesen zu leben, ohne sie gerettet zu haben.“ Eine Schwere erfasste nun sie und es benötigte alle Macht der Konzentration nicht abzudriften. Es fühlte sich an wie ein Strudel, ein Sog hinab, in alle möglichen Gedanken. Die Sternenkarte, die Skorpione, und Schlangen! Sie hatte von Schlangen gehört, dass diese in der Wüste so viel kleiner, aber giftiger wären und- Amira atmete schwer gegen ihren eigenen Kopf und verflucht, da war doch gerade noch etwas gewesen, diese Unze im Hinterkopf versteckt, die nicht ganz greifbar wurde. Als würde das Liegen ihr Denken vergiften und nicht etwa der unsägliche Tabak, den sie geraucht hatte, setzte sie sich wieder insoweit auf, dass sie sich mit den Händen in den mittlerweile kalt gewordenen Sand abstützte. Das erinnerte sie wieder an etwas vollkommen anderes. „Hätte sie- nein, warte“, der Gedanke war zum Greifen nahe, aber die Worte waren nicht richtig gewesen. „Nein, hätte er sie“, so herum erschien ihr richtiger, „lieben können, wenn sie ihren Körper verkauft hätte?“ Unklar, ob sie über ihre Frage geschockt war, oder aber darüber, dass sie es tatsächlich geschafft hatte diesen Gedanken zu fassen und in Worte zu bringen, die Reaktion war ihr anzusehen. Schlangen, keine Kobras, die hatte sie oft genug in Gesellschaften gesehen, sondern viel kleiner. In ihrem Kopf begannen sich die Bilder zu überlappen, dass nun Skorpione anstelle der Wolken Tyros Fall hätten aufhalten sollen, doch natürlich griff er nicht nach den giftigen Tieren. Amira drückte ihren Handballen gegen die Schläfe und versuchte das Bild loszuwerden. Da fiel es ihr wieder ein. „Ilyas, ich- ich glaube, ich habe vergessen dir etwas zu sagen.“ Fast wäre er wieder entschwunden, dieser vermaledeite Gedanke, als hätte er sich die Schwingen eines Greifen stibitzt und in die Lüfte erhoben. „Ich bin wund und weiß nicht, ob ich reiten kann.“
„Mahdi Bayat“, war ihre Antwort, als kenne er ihn persönlich. Tatsächlich wäre es aber wirklich möglich, dass Ilyas dem alten Medicus in früheren Tagen noch über den Weg gelaufen war, bevor er nach Abgabe des jugendlichen Mädchens seinen Weg durch die Weiten Matariyyas fortgesetzt hatte. Aber im Moment durfte man ein wenig das logische Denken bei Amira suchen, so dass sie weder große Spekulationen betrieb, noch sonderlich lange wartete, ob er verbal eine Äußerung von sich gab. „Er war ein großer Heiler der Lande, vielleicht haben sich eure Wege einmal gekreuzt? Er nahm mich in Abu Kabir auf, und ich dachte damals, es wäre die schöne Stadt der Welt. Aber Dharan al-Bahr erscheint mir so viel mächtiger, meinst du nicht?“ Doch dann runzelte sich leicht ihre Stirn, als hätte sie bemerkt etwas Falsches gesagt zu haben. „Ich habe wenig von der Stadt gesehen. Vielleicht irre ich mich.“ Tatsächlich hätte sie ihre Aufenthalte außerhalb der Palastmauern wohl an einer Hand abzählen können, doch erinnerte sie sich kaum an einen von diesen. Vermutlich begleitet von Wachen, vermutlich in einer Sänfte, vermutlich nur die Stadt durchquerend in den nächsten Adelspalast, der wieder umringt von Mauern gewesen war. Amira hatte nie das Elend und die Armut der Hauptstadt gesehen, sie kannte es nur aus Geschichten. Und wenn man ein Leben lang Geschichten über Armut hörte und gleichzeitig Geschichten über Drachen – woher sollte man schon wissen, welche wahr sei und welche nicht?
„Die Schiffe.. ich erinnere mich gut an die Schiffe. Und der Geschmack des Salzwassers auf der Zunge. Der Geruch von frischem Fisch, unzählige Fässer voll Wein oder Schafe“, wieder lachte sie, wenn auch nicht so hell wie zuvor, aber deutlich amüsiert. Sie legte ihren Kopf, der noch immer auf seinem Oberschenkel ruhte, ein wenig in den Nacken um ihn für den Moment besser ansehen zu können. „Hast du hier schon einmal Schafe gesehen? Ich hörte, sie machen aus der dicken Wolle Kleidung auf der anderen Seite der Meere. Dort soll es Wüsten geben, doch anders als hier. Keinen goldenen Sand, sondern weicher, weißer Schnee. Ich habe mich früher manches Mal gefragt, wie eine Welt in weiß wohl aussehen würde. Und Berge bis zu den Wolken… Rote Wälder mit Stämmen, die selbst fünf Männer nicht umfassen können.“ Wieder lachte sie, doch dieses Mal mehr über sich selbst. Hätte er sie zuvor nicht für kindisch empfunden, dann tat er es sicherlich jetzt. „Du hast all das sicher schon viele Male gesehen, nicht wahr? Sind… diese Geschichten denn wahr? Gibt es dort draußen diese Welten?“ Fast wollte sie die Antwort nicht hören. Denn was, wenn all die Kaufleute und Seefahrer übertrieben und sich auch dort nur die immer gleichen Paläste befanden, die immer gleichen Wachen in Uniformen, mit ihren Schwertern und die edlen Damen, denen sie Musik zu spielen gelernt hatte, und die Männer, die gänzlich gleich wie ehrenwert sie sich gaben, doch immer nur das selbe wollten.
Der Gedankenumschwung hatte sie betrübt, vielleicht hatte sie sich gerade auch das erste Mal gefragt, wie viel Ilyas denn von ihrer gesellschaftlichen Tätigkeit wusste, während sie ihren Ehering besah. Vielleicht fragte sie sich, ob er sie deswegen so abstoßen fand. Weil sie gelernt hatte, was Männer wollten, und weil sie diese Wünsche erfüllt hatte. Sie hoffte, es war nicht so. Denn es lag außerhalb ihrer Macht diese Vergangenheit zu verändern. Was lag also näher als ihn danach zu fragen, wenngleich keineswegs so direkt? Doch nun war es an ihm zu erzählen, und sie liebte seine Stimme. Ruhig und besonnen, bedacht setzten sich die Worte aneinander und für einen Moment schloss sie ihre Augen und drehte ihren Kopf um ihre Wange an seinem Bein liegen zu haben, als wäre es ihr dadurch möglich noch besser zuzuhören. Doch es war eine traurige Geschichte und als sie ihre Augen wieder öffnete, stand ihr die mitfühlende Trauer darin geschrieben. „Sie sterben beide..“, sagte sie, als wäre es nicht offensichtlich gewesen. Und sie glaubte eine Schwere in seiner Stimme hören zu können. Unbestritten, saß sie nicht mit einem Geist in der Wüste, aber vielleicht war es seine Geliebte gewesen, die in den Wassern umgekommen war.
Amira hatte nie geliebt, sie konnte den Schmerz nicht nachvollziehen, und sie hatte nie Besitz, weder dinglich noch menschlich, und was nicht ihr gehörte, konnte ihr kein Gefühl des Verlustes bereiten. Manches Mal hatte sie um sich getrauert, doch seitdem waren viele Jahre ergangen. „Vielleicht hatte der Talisman nicht versagt, die Wolken zu beschwören. Er wäre sicher unglücklicher gewesen zu leben, ohne sie gerettet zu haben.“ Eine Schwere erfasste nun sie und es benötigte alle Macht der Konzentration nicht abzudriften. Es fühlte sich an wie ein Strudel, ein Sog hinab, in alle möglichen Gedanken. Die Sternenkarte, die Skorpione, und Schlangen! Sie hatte von Schlangen gehört, dass diese in der Wüste so viel kleiner, aber giftiger wären und- Amira atmete schwer gegen ihren eigenen Kopf und verflucht, da war doch gerade noch etwas gewesen, diese Unze im Hinterkopf versteckt, die nicht ganz greifbar wurde. Als würde das Liegen ihr Denken vergiften und nicht etwa der unsägliche Tabak, den sie geraucht hatte, setzte sie sich wieder insoweit auf, dass sie sich mit den Händen in den mittlerweile kalt gewordenen Sand abstützte. Das erinnerte sie wieder an etwas vollkommen anderes. „Hätte sie- nein, warte“, der Gedanke war zum Greifen nahe, aber die Worte waren nicht richtig gewesen. „Nein, hätte er sie“, so herum erschien ihr richtiger, „lieben können, wenn sie ihren Körper verkauft hätte?“ Unklar, ob sie über ihre Frage geschockt war, oder aber darüber, dass sie es tatsächlich geschafft hatte diesen Gedanken zu fassen und in Worte zu bringen, die Reaktion war ihr anzusehen. Schlangen, keine Kobras, die hatte sie oft genug in Gesellschaften gesehen, sondern viel kleiner. In ihrem Kopf begannen sich die Bilder zu überlappen, dass nun Skorpione anstelle der Wolken Tyros Fall hätten aufhalten sollen, doch natürlich griff er nicht nach den giftigen Tieren. Amira drückte ihren Handballen gegen die Schläfe und versuchte das Bild loszuwerden. Da fiel es ihr wieder ein. „Ilyas, ich- ich glaube, ich habe vergessen dir etwas zu sagen.“ Fast wäre er wieder entschwunden, dieser vermaledeite Gedanke, als hätte er sich die Schwingen eines Greifen stibitzt und in die Lüfte erhoben. „Ich bin wund und weiß nicht, ob ich reiten kann.“
