Winterland |
Reinka Norrholm |
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Alter |
26 |
Beruf |
Prinzessin von Wolfsmark |
Wohnort |
Wolfsmark |
Stand |
Verheiratet |
User |
Lia |
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14-05-2025, 13:57 - Wörter:
Das leise Schnaufen der Pferde, das rhythmische Scharren von Hufen auf festgetretener Erde, das gedämpfte Raunen des Windes, der durch die Spalten der Stallwände fuhr – all das war Reinka vertrauter als der Klang ihrer eigenen Stimme geworden. Zwischen den grob gezimmerten Balken und dem Duft von Heu und Tier fand sich etwas, das sie nirgends sonst mehr fand: Ruhe. Hier war kein Platz für höfisches Getuschel oder wohlmeinendes Zureden. Keine fragenden Blicke. Kein Erik, der sie mit Augen voller Liebe, aber auch geschwängert mit ungewohnter Sorge ansah. Nur das Hier und Jetzt.
Geist hob den Kopf, als sie sich ihm näherte, spitzte die Ohren, schnaubte leise, als erkenne er etwas in ihrem Schritt, das lange in ihr geschlummert hatte. Sie legte dem großrahmigen Wallach die Hand auf den muskulösen Nacken, spürte unter dem feinen Silberfell die Wärme, die Kraft, die lebendige Erinnerung an all die halsbrecherischen Ritte und Kämpfe, die sie gemeinsam bestritten hatten. Seine Muskeln zuckten leicht unter ihrer Berührung, als stelle er ihr eine eindeutige Frage, die Reinka zum Lächeln brachte, kaum merklich. »Bald wieder«, flüsterte sie, fast entschuldigend. Der edle Sattel war bereits festgezurrt, die geflochtenen, gut gepolsterten Riemen akkurat gebunden – nicht von ihr, sondern von einem Stalljungen, der ihre Anweisungen ausgeführt hatte. Weil man es ihr nahegelegt hatte. Sie solle mehr ruhen, hatten die Heiler gesagt. An das Kind denken. Es sei eine kritische Zeit ihrer Schwangerschaft. Als wüsste sie das nicht längst. Als würde sie nicht jede Veränderung an ihrem Körper bemerken, jeden Schritt, der sie langsamer machte, jede Bewegung, die nicht mehr ganz ihr gehörte. Ganz zu schweigen von dieser unsäglichen Übelkeit, die sie seit Wochen in den kältesten Morgenstunden aus den wärmenden Fellen schießen ließ.
Ihr Blick glitt zu den zwei Remonten am Ende der Stallgasse – zwei bildschöne Stuten, die eine ruhig, rabenschwarz und mit zarten, langen Fesseln, die andere kleiner, rotbraun, mit blitzenden Augen und dem Widerspruch im Leib, der Reinka vertrauter war als das zarte Lächeln ihrer Schwägerinnen. Eine von ihnen hatte sie selbst angeritten, noch vor jenem Morgen, als sich die Welt zu drehen begonnen hatte und sie kaum noch wusste, wo oben oder unten war. Die andere war unter ihrer Anleitung ausgebildet worden – Worte statt Taten, Anweisungen statt Reiten. So wie vieles in ihrem Leben zurzeit.
Das Eisfeuerfest war vorüber, und zum ersten Mal war es gewesen, als hätte es nicht für sie stattgefunden. Kein Bogen in ihrer Hand, keine Klinge an ihrer Seite, kein Axtkampf im festgetretenen Schnee, in dem sie hätte zeigen können, dass sie noch da war – dass sie noch immer die Tochter ihres Vaters war. Und dann Aleena, diese zarte Blume mit ihrem strahlenden Blick, dem glänzenden Haar, der überbordenden Freude, die man einer Schwangeren nicht nehmen durfte. Reinka hatte ihr von Herzen Glück gewünscht, jedoch höflich und ruhig, wie es von ihr erwartet wurde. Sie wusste, dass Leif die Wahrheit nicht offenbart hatte – über das Kind, das nicht ihres war. Und nicht rechtmäßig. Niemand hatte gefragt, würde es niemals wagen. Doch das Schweigen zwischen den beiden ältesten Geschwistern hatte schwerer gewogen als jedes gesprochene Wort.
Ein leises Knarzen hinter ihr ließ sie den Kopf heben. Kein Stallbursche, keine neugierige Dienstmagd. Der Schritt war zu ruhig, zu kontrolliert – schwer und sicher wie der eines Mannes, der viele Jahre auf seinen Füßen gestanden hatte und wusste, dass er sie nicht mehr beweisen musste. Veith Alvarsson. Sein Schweigen kündigte ihn an, noch bevor sie ihn sah. Es war nicht von der Sorte, die sie selbst pflegte – kein schneidendes, kantiges Schweigen wie die Klinge eines Dolches –, sondern ein stilles, festes, gleich einem Schild, das schützte, aber nichts offenbarte. Sie fragte sich manchmal, was er gesehen hatte in den Jahren fernab von jeglicher Zivilisation. Und sie beneidete ihn darum.
Sie sagte nichts. Wandte sich ihm nur einen halben Schritt zu, griff nach einem Striegel, ohne ihn zu benutzen. Eine Geste, die Abstand hielt, aber keine Kälte bedeutete. Er war gekommen, um sich die Pferde anzusehen – ein einfacher Grund, ein klarer Vorwand. Vielleicht für sie beide. Wo er vermutlich Ruhe zu den stattgehabten Feierlichkeiten suchen mochte, war dies Reinkas Zuflucht vor all den Menschen, die es neuerlich so schrecklich gut mit ihr meinten.
Geist stampfte leise, als spürte er, dass sich etwas veränderte. Reinka hob den Blick, sah dem Kriefer entgegen, senkte knapp das Kinn zum Gruß. »Sie hören auf leise Befehle«, sagte sie schließlich. Die Worte kamen langsam, als müsse sie sie erst abwägen. »Nicht auf Reiter, die glauben, Respekt mit Lautstärke erzwingen zu können.« Eine Geste hin zu den Stuten bedeutete ihm, voranzugehen. Ihre Worte trugen keine Warnung. Nicht wirklich. Aber auch kein Angebot. Vielleicht ein Prüfstein. Vielleicht eine Einladung. Sie wusste nicht, was dieser Mann suchte – ein Pferd, ein Gespräch, eine Erinnerung an etwas, das ihnen beiden womöglich fremd geworden war. Doch sie wollte wissen, ob er es verstand, ein Tier zu lesen, ohne es besitzen zu wollen. Und ob er es wagte, ihr zu antworten, ohne sich zuerst beweisen zu müssen.
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Winterland |
Veith Alvarsson |
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Alter |
31 |
Beruf |
Krieger |
Wohnort |
Wintergard |
Stand |
Ledig |
User |
Risa |
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17-05-2025, 16:03 - Wörter:
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 18-05-2025, 07:09 von Veith Alvarsson.)
Das leise Schnaufen der Pferde mischte sich mit dem Knirschen von festgetretenem Schnee unter Veiths Stiefeln, als er über den frostigen Hof schritt. Die kalte Luft biss in seine Wangen, während der leichte Dunst seines Atems in kleinen Wolken vor ihm aufstieg. Zwischen den Stallungen lag eine stillere Welt, abgeschirmt vom Lärm des Hofes und dem Getuschel der Hofgesellschaft, die sich mit ihren schmeichelnden Worten und heimlichen Blicken unweigerlich dort versammelte, wo die Königsfamilie ihre Schatten warf. Veith war nicht gern im Schloss zu Gast. Zu sehr verabscheute er die trügerische Fassade der Höfling und die Schmeichler, die nur darauf warteten, ihre Chance zu wittern, um sich in das Blickfeld der Mächtigen zu drängen. Ihr süßlicher Ton war ihm widerwärtig, der Ausdruck ihrer Augen hinterhältig. All das verblasste in seiner Welt, die von Stahl, Schlamm und dem rauen Takt des Lebens bestimmt war.
Dort im Stall, zwischen den Pferden, fühlte er sich noch am ehesten bei sich selbst. Kein falsches Lächeln, keine versteckten Intrigen. Nur die scharfe Kälte des Winters und das vertraute, lebendige Schnaufen der Tiere. Sein Blick fiel auf die hölzernen Balken der Stallungen, an denen der Frost in feinen Kristallen glitzerte. Seine Gedanken schweiften zurück zu dem vorangegangenen Streit mit Ylva, seiner jüngsten Schwester. Ihre Stimme hallte in seinem Kopf nach, trotzig und unnachgiebig. Sie, die Kriegerin, wollte nicht an Heirat denken, nicht an das Leben, das er ihr vorzeichnen wollte. Wie konnte er ihr die Last dieser Zukunft aufbürden, wenn sie doch dieselbe Freiheit suchte wie er? Doch sein Wunsch stand fest. Sie sollte einen fleißigen Burschen aus Norsteading ehelichen, damit sie versorgt war und nicht in einem Leben endete, das von Blut, Kälte und ständiger Rastlosigkeit gezeichnet war. Seit dem Unfall seines Vaters lastete die Bürde auf ihm, dem einzigen männlichen Nachkommen, sich um das Wohl seiner jüngeren Schwestern zu kümmern. Wie er fand, war dies eine Verantwortung, die schwerer wog als jedes Schwert in seinen Händen. Aus diesem Grund war er nun aber hier. Ein Pferd, ein treuer Begleiter, könnte Ylvas Herz vielleicht erweichen, ihr einen kleinen Trost schenken für die Entscheidung, die er als Oberhaupt der Familie fällen musste. Auch wenn Ylva sich ihr halbes Leben lang ein eigenes Pferd gewünscht hatte, so wusste Veith jedoch bereits jetzt, dass sie dieses Geschenk nicht von dem eigentlichen Problem ablenken würde.
Als Veith den Stall betrat, schlug ihm der vertraute Geruch von Heu, altem Leder und dem warmen Dunst der Tiere entgegen. In der dämmrigen Stille schnaubte eines der Pferde leise, irgendwo knackte eine hölzerne Strebe, doch sein Blick glitt durch das Halbdunkel und blieb an der schlanken Gestalt der Prinzessin hängen. Sie stand mit dem Rücken zu ihm bei ihrem Pferd. Ihr dunkles Haar war zu einem losen Zopf geflochten, der über ihren Rücken fiel und sie strich dem Tier mit ruhiger Hand über den Hals. Veith wusste längst, dass sie ein Kind erwartete, Erik hatte es bereits im August öffentlich gemacht. Es war eine freudige Nachricht, doch zwang sie Reinka, in diesem Jahr nicht selbst am Eisfeuerfest teilzunehmen und wie der Weißhaarige die Prinzessin einschätzte, so war ihm klar, wie sehr ihr dieses Verbot missfiel und wie schwer es ihr zu Herzen ging. Veith erwiderte das sanfte Nicken der Prinzessin, wohl wissend, dass ihr Ehrlichkeit mehr galt als steife Etikette. Sie war eine Frau mit unbändiger Seele, mutig und scharfsinnig, offen und ehrlich, suchte sie stets die Herausforderung und Veith nahm an, dass diese Schwangerschaft sie womöglich mehr aus der gewohnten Bahn warf, als man auf den ersten Blick vermuten mochte. „Respekt lässt sich nicht einfordern, er wächst durch Vertrauen“, erwiderte er auf die Worte der Prinzessin hin und lehnte sich mit verschränkten Armen entspannt gegen den rauen Holzbalken der Stallung. Als Reinka ihm andeutete, er solle vorangehen, um sich den Stuten zu nähern, blieb er unbewegt stehen. Ein leichtes Schmunzeln umspielte seine Lippen, als er mit einer flüchtigen Geste ihr Angebot ausschlug. „Bitte“, sagte er trocken, „meine Mutter würde mir die Ohren langziehen, wüsste sie, dass ich der Prinzessin von Wolfsmark den Rücken kehre.“
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Winterland |
Reinka Norrholm |
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Alter |
26 |
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20-05-2025, 19:34 - Wörter:
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 20-05-2025, 21:08 von Reinka Norrholm.)
Reinka antwortete nicht sofort. Doch ein leiser Laut, kaum mehr als ein gerauntes »Mhm«, ließ sich aus ihrer Kehle vernehmen – nicht spöttisch, nicht belustigt, sondern ... anerkennend. Eine winzige Falte löste sich aus der Stelle zwischen ihren fein geschwungenen Brauen, kaum merklich, aber da. Nicht viele verstanden, worauf sie mit ihren Worten hinauswollte. Noch weniger antworteten richtig. Er hatte es. Ohne zu zögern, ohne zu prahlen.
Sie kommentierte seine Anwandlung bezüglich höfischer Etikette nicht weiter, wandte sich stattdessen erneut dem Wallach in ihrem Rücken zu, eine letzte zärtliche Geste über die kräftige Kruppe, und setzte sich schließlich langsam in Bewegung. Kein Zögern in ihrem Gang, aber eine gewisse Bedachtheit. Die Stuten schnaubten nahezu gleichzeitig, als sie mit ihrem silberhaarigen Gast näherkam – die eine mit flacher, ruhiger Atmung, die andere unruhig, wie ein Drahtseil gespannt. Reinka hob eine Hand zum Fuchs, legte sie gegen die warme Stirn der Stute, deren Ohren gespannt zuckten. Sie redete nicht sofort weiter, ließ nur ihre Fingerspitzen den Fellstrich entlang wandern, bis zur Ganasche.
Dann – beiläufig, fast so, als fiele ihr die Frage eben erst ein: »Ihr habt gefehlt beim Gelage der Sieger.« Keine Anschuldigung. Keine Neugier. Nur ein leiser Ton, der andeutete, dass es ihr aufgefallen war. Und dass sie es schade fand. Ohne dass sie es aussprechen musste. Sie ließ der Stute Zeit, ihr Gewicht auf eines der Hinterbeine zu verlagern, und trat dann einen halben Schritt zurück. Ihr Blick wanderte zu Veith, suchte nicht sein Gesicht, sondern maß ihn mit einer Ruhe, die mehr sagte als Worte. Ein Mann, der wusste, wann man sich zeigte – und wann man fortblieb. Auch das: keine Schwäche. Vielmehr eine Art von Stärke. »Vielleicht war es gut so«, sagte sie nach einer Weile, fast tonlos. Und doch lag ein winziges Funkeln in ihren Augen, das sich nicht zu deuten gab. Denn was Veith Alvarsson somit verpasst hatte, war eine Prinzessin von Wolfsmark, die beinahe über ihrer Wildschweinkeule eingenickt wäre, hätte ihre Mutter sie nicht rechtzeitig in ihre Gemächer geschickt. Verfluchte Müdigkeit.
Dann wandte sie sich ab, ging langsam zur schwarzen Stute hinüber, die ein Ohr in Veiths Richtung drehte, sich jedoch nicht von ihrem Platz rührte. Reinka berührte sie nicht, noch nicht. Stattdessen sprach sie nun das aus, weswegen er wirklich hier war. »Die Schwarze stammt aus den herbstländischen Linien. Ruhiger Geist, unerschütterlich. Ein Tier, das sich auch unter Anspannung nicht selbst verliert. Sie kennt den Sattel, reagiert auf Schenkelhilfen wie auf Stimme. Leicht zu führen. Ideal, wenn jemand lernen will ... oder nicht ständig kämpfen möchte.« Ihre Stimme war ruhig, fest, ohne Stolz, aber voller Wissen. Sie sprach nicht wie eine Prinzessin, sondern wie eine Frau, die ihre Tiere kannte, sie gesehen und geformt hatte. »Die Rotbraune hingegen – blitzschnell im Kopf. Hohe Ausdauer. Trägt den Funken ihrer Mutter, die ich selbst geritten habe, bis sie mir beinahe das Becken zertrümmert hätte. Hat viel sommerländisches Blut. Ihr werdet bei ihr nicht befehlen können, nur überzeugen. Gebt Ihr ihr ein Ziel, läuft sie. Versucht Ihr, sie zu zwingen, springt sie rückwärts. Sie geht für ihren Reiter durchs Feuer, solange er keine Schwäche zeigt.«
Ein kurzer Seitenblick. Nicht wertend. Nur Information. Dann schwieg sie, trat wieder näher zur Braunen, die inzwischen mit dem Vorderhuf scharrte, ungeduldig, unzufrieden. Ein kurzes Zungenschnalzen, kaum hörbar, brachte das Tier zur Ruhe. Nicht aus Furcht – aus Vertrautheit. »Ihr sucht für Eure Schwester, wenn ich mich recht entsinne«, sagte sie schließlich, ohne dass es eine Frage war. »Dann ist es nicht das Pferd, das entscheidet, sondern das Mädchen.« Ein Hauch von etwas durchzog ihre Stimme. Etwas wie... Verständnis? Oder Mitleid? Vielleicht beides. Sie wusste, wie es war, wenn Entscheidungen über einen gefällt wurden. Auch wenn sie richtig gemeint waren. »Bringt sie her. Lasst sie entscheiden. Ich werde da sein. Nicht als Prinzessin.« Sie sah ihn an, diesmal direkt. »Nur als die, die ihr das passende Herz unter dem Sattel sucht.« Sie trat einen Schritt zurück, verschränkte die Arme vor der Brust, nicht abwehrend, sondern abschließend. Geist schnaubte erneut, als wollte er sich einmischen. Reinka schenkte ihm ein winziges, schiefes Lächeln, das sich nicht bis zu ihren Augen durchschlug. »Möchtet Ihr zunächst testen, was Ihr Eurer Schwester schmackhaft machen wollt?« Eine kleine Spitze. Kein Hohn. Nur ein Versuch, zu locken. Ein Anstoß, damit er etwas von sich zeigte, und Reinka letztendlich eine dringend benötigte Ablenkung bot.
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Winterland |
Veith Alvarsson |
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Alter |
31 |
Beruf |
Krieger |
Wohnort |
Wintergard |
Stand |
Ledig |
User |
Risa |
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29-05-2025, 11:25 - Wörter:
Er musterte sie ruhig und aufmerksam, ohne große Regung. Er mochte Reinka, obwohl sie sich kaum kannten, vielleicht, weil sie ihm in mancherlei Hinsicht ähnlich war. Anders als Erik, der mit seiner lauten und ungestümen Art oft das Zentrum der Aufmerksamkeit suchte, strahlte sie jene ruhige Stärke aus, die eher aus Besonnenheit, denn aus Wortgewalt entstand. Bedacht und zurückhaltend wirkte sie, doch ihre Präsenz war stets spürbar. Sie war mutig, geübt im Umgang mit der Waffe und diese Mischung aus Ruhe und Entschlossenheit erinnerte ihn an seine eigene innere Haltung. Ein weiteres Mal wandte sie sich ab, ließ ihre Hand ein letztes Mal sanft über das Fell ihres Wallachs gleiten, bevor sie sich bedächtig und mit ruhigen Schritten den beiden Stuten näherte, die in einem anderen Abteil der Stallung standen. Die Tiere reagierten unterschiedlich auf die Anwesenheit der beiden Menschen, die eine ruhig und gelassen, die andere eher nervös und angespannt, als spüre sie die Erwartung, die in der Luft lag.
Die Stille, die sich zwischen ihnen ausbreitete, war keineswegs unangenehm, sondern beinahe vertraut. Wo andere sie als leer oder störend empfunden hätten, standen hier zwei Nordländer, die genau in diesem Schweigen eine Verbindung fanden und eine Ruhe, die Worte nicht hätten schaffen können. „Ich war leider verhindert“, antwortete er bloß, ohne sich für seine Abwesenheit rechtfertigen zu müssen. Sein Vater litt seit dem Sturz vom Pferd an psychischen Anfällen, die auf Außenstehende oft verstörend wirkten. Manch einer nannte ihn einfältig, verwirrt oder gar gebrochen. Meist saß er still und regungslos in einer dunklen Ecke des Hauses, das er gemeinsam mit seiner Frau und den erwachsenen Kindern bewohnte. Doch gelegentlich brach unvermittelt ein Sturm aus ihm hervor, ausgelöst von den kleinsten Anlässen und dann konnte niemand vor seinem Zorn sicher sein. Auch am Tag des Festes war eine solche Wut in ihm entfacht worden, die das Haus in eine bedrückende Atmosphäre tauchte und jede Freude im Keim erstickte. „Es ist mir zu Ohren gekommen, dass es sehr feuchtfröhlich verlaufen ist“, erwiderte er nüchtern und trat dann mit gebührendem Abstand hinter die Prinzessin.
Reinka ließ seine Worte wirken, während sie sich der schwarzen Stute zuwandte und begann, von dem Tier zu erzählen. Danach war das rotbraune Tier an der Reihe und sie beschrieb detailliert deren temperamentvolle Art und besondere Eigenheiten. Veith stand mit vor der Brust verschränkten Armen da, hörte aufmerksam zu, nahm die Informationen bedächtig auf und nickte gelegentlich zustimmend. Sein Blick ruhte auf den beiden Pferden, die er schweigend musterte, bis die Prinzessin ihre Ausführungen beendet hatte. „Wenn ich ehrlich bin, würde ich für Ylva die schwarze Stute wählen“, begann Veith dann, seine Gedanken laut zu formulieren. „Der Fuchs hingegen passt besser zu ihrem wildem, ungestümen Naturell.“ Was Veith hingegen nicht erwähnte, war, dass ihm die rotbraune Stute selbst gefiel. Das Tier wirkte lebendig, voller Energie und dennoch klug, ein Pferd, das nicht einfach zu bändigen, aber dafür umso ehrlicher war. Seine Augen schienen eine eigene Geschichte zu erzählen, eine Mischung aus Trotz und Vertrauen, die Veith auf eine unerklärliche Weise anzog.
Der Vorschlag, seine Schwester selbst entscheiden zu lassen, traf bei Veith auf gemischte Gefühle. Einerseits kannte er Ylva gut genug, um zu wissen, welche Wahl sie treffen würde. Andererseits war ihm klar, dass seine Absicht, sie zu verheiraten, eine Entscheidung hervorrufen würde, die mehr aus Trotz als aus Vernunft entstehen könnte. Sie würde kaum widerstehen können, ihn herauszufordern, indem sie bewusst einen anderen Weg einschlug, aus Prinzip, um ihre eigene Freiheit zu behaupten. „Das Verhältnis zu meiner Schwester ist zurzeit alles andere als ungetrübt“, begann Veith, während sein Blick weiterhin auf der rotbraunen Stute verweilte. „Ob Ylva in dieser Lage wirklich unvoreingenommen entscheiden kann, bezweifle ich. Dazu soll es eine Überraschung sein.“ Ihren Vorschlag hingegen, die Tiere auf die Probe zu stellen, stieß hingegen nicht auf taube Ohren. „Ich hatte gehofft, dass Ihr diesen Vorschlag macht.“ Seine Mundwinkel hoben sich kaum merklich zu einem angedeuteten Lächeln. Erst dann richtete er den Blick wieder auf die Prinzessin. „Würdet Ihr mich begleiten?“ fragte er ruhig. Er wusste um die Last, die Reinka in ihrer Schwangerschaft mit sich trug, nicht nur körperlich, sondern auch in der Einschränkung, die sie als freiheitsliebende Frau besonders hart traf. Für jemanden wie sie, die es gewohnt war, selbstbewusst durchs Leben zu gehen und im Sattel beinahe zu Hause war, musste diese plötzliche Begrenzung eine Qual sein. Auch wenn Vorsicht geboten war, wusste Veith: Reinka war nicht nur erfahren, sie galt als eine der besten Reiterinnen des Landes. Sie würde ihre Grenzen selbst am besten einschätzen können.
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Winterland |
Reinka Norrholm |
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Alter |
26 |
Beruf |
Prinzessin von Wolfsmark |
Wohnort |
Wolfsmark |
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Verheiratet |
User |
Lia |
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30-05-2025, 22:26 - Wörter:
Sie blickte nicht auf, als er ihre Bemerkung über das Gelage aufgriff, doch ein kaum merkliches Lächeln schlich sich auf Reinkas Lippen, eines dieser flüchtigen, die rasch verblassen, als hätten sie nie existiert. „Feuchtfröhlich genug, dass die meisten der Gäste keinen sonderlich angenehmen Morgen hatten. So viel steht fest.“ Ihre Stimme war ruhig, nüchtern, wie immer – aber da lag ein winziger Hauch von Spott darin. Dann wandte sie sich halb zur Seite, dem Fuchs den Rücken zugewandt, Geist im Blick, und fuhr ruhiger fort: „Ich habe dieses Jahr nicht allzu viel davon mitbekommen. Die Kunst, sich zur rechten Zeit zu verabschieden, ist unter Prinzessinnen eine durchaus unterschätzte.“ Die künftige Herrin von Wolfsmark war sich für eine ordentliche Portion Selbstironie offenbar nicht zu schade. Schlimmer wäre es, ihr Malheur während des Festmahls zugeben zu müssen. Verfluchte Müdigkeit.
Veiths Worte über das Verhältnis zu seiner Schwester ließ sie wiederum nicht unberührt, auch wenn sie äußerlich kaum reagierte. Kein neugieriger Blick, kein forschendes Nachfragen. Nur ein sanftes, zustimmendes Nicken. „Manchmal ist das Band zwischen Geschwistern wie ein vereister Fluss. Man sieht nur die Oberfläche, doch der Strom darunter …“ Sie ließ den Satz unbeendet, fast wie ein ein bewusstes Nicht-Weitergehen. „Es ist schwer, jemandem zu helfen, der sich gegen jede ausgestreckte Hand wehrt“, fuhr sie leise fort. Ihr Blick ruhte dabei nicht auf ihm, sondern auf dem Rand der Boxentür, wo sich ein Spalt im alten Holz zeigte, durch den ein zarter Streifen Licht fiel. „Und schwerer noch, wenn man selbst Teil des Grundes ist.“ Sie wusste genau, wovon sie sprach, deswegen fügte sie ruhig an: „Ich kenne das. Mehr, als ich zugeben möchte.“ Nicht aufdringlich. Kein Mitleid. Nur eine metaphorische Hand, die in der Kälte kurz sichtbar wurde, ehe sie wieder im wärmenden Mantel verschwand.
Dann aber hob sie den Kopf, und als er seine nächsten Worte sprach, geschah etwas Seltenes: Die Zurückhaltung wich aus ihrem Blick, ein warmes Leuchten trat an ihre Stelle, ein Funken, der sich nicht so leicht unterdrücken ließ. „Ich hatte gehofft, dass Ihr diesen Vorschlag macht.“, fasste sie beinahe neckend seine Formulierung auf. Die Worte kamen ohne Zögern, klar, aufrichtig – fast zu schnell, fast zu sehr Reaktion und nicht bedacht. Doch sie ließ sie stehen. Nicht alles musste immerzu gefiltert sein. Sie trat zu Geist, der bereits ungeduldig mit dem Schweif schlug, als spürte er die Aufbruchsstimmung, und griff mit geübter Selbstverständlichkeit nach dem Zaumzeug. „Dann bleibt nur noch die Frage, wem Ihr Euch heute anvertraut.“ Ein kurzer, schräger Blick zu den beiden Stuten, während sie die reichverzierten Lederriemen durch ihre Finger gleiten ließ. „Die Stille oder der Sturm.“
Reinka selbst schwang sich mit einer geschmeidigen Bewegung in den Sattel ihres grauen Wallachs. Es kostete sie mittlerweile Mühe – ihr sich verändernder Leib trug bereits mehr Gewicht, als sie gewohnt war. Doch sie ließ sich nichts anmerken, griff ruhig nach den Zügeln, ließ Geist einen halben Schritt vorwärts tun, bevor sie wartete, dass Veith zu ihr aufschloss. „Ich würde vorschlagen, wir reiten nordwärts. Entlang der Höhenzüge oberhalb des Flusstals. Das Licht bricht dort spät durch das Gehölz, aber wenn es das tut, leuchtet es über das Eis wie Goldstaub. Und die Pferde lieben den harten Grund unter den Hufen.“
Für einen Moment schwieg sie, ließ den Blick durch die mächtigen Stalltore hinaus zur weißen, schneegespickten Weite gleiten, die vor den Mauern Wintergards auf sie warteten. Der Himmel war klar, die Luft so kalt, dass der Atem der Tiere in heißen Dämpfen aufstieg. Und doch lag in dieser Kälte kein Tod – nur Reinheit. Ein Versprechen, dass alles, was still war, nicht verloren sein musste. Und sie konnte es kaum erwarten.
Sie wandte den Blick, sah zu Veith. Noch hatte er sich nicht entschieden, noch stand er zwischen den beiden Stuten – zwischen dem Feuer und der Stille. Reinka sagte nichts. Sie drängte nicht. Aber ihr Blick, ruhig und wartend, sprach eine Sprache, die man nicht zu lernen brauchte, wenn man aus dem Winterland kam. Manches wählt man nicht mit dem Verstand. Sondern mit dem Instinkt.
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Winterland |
Veith Alvarsson |
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Alter |
31 |
Beruf |
Krieger |
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Wintergard |
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Ledig |
User |
Risa |
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01-06-2025, 15:12 - Wörter:
Sie hätten vermutlich schweigend hier Stunden miteinander verbringen können, es wäre beiden egal gewesen. Ihr Gemüt, ähnlich ruhig und tief wie ein zugefrorener See, zeugte davon, dass man nicht sprechen musste, um verstanden zu werden. Veith beobachtete sie stumm, wie sie sich nicht zu ihm wandte, als er das Gelage erwähnte, sondern stattdessen dieses kaum merkliche Lächeln zeigte, das man fast übersah, hätte man nicht gerade genauer hingesehen. Bei Reinka musste man lernen, auf die zarten Nuancen zu achten. Das hatte er schon früher bemerkt. „Dann habe ich wohl nichts versäumt“, erwiderte er, während er die Arme erneut vor der Brust verschränkte. Er blieb stehen, in respektvoller Distanz zu der jungen Frau vor ihm, deren Haltung ebenso würdevoll wie ungezwungen wirkte. Seine Mutter, eine Frau mit klaren Prinzipien, war in den schlichten, ehrbaren Verhältnissen eines bürgerlichen Haushalts in Walleydor aufgewachsen. Sie hatte ihren Kindern früh eingebläut, dass Respekt nicht bloß der Krone gebühre, sondern jedem, der ihn durch Haltung, Taten und Maß bewies, ganz gleich, welchen Stand er innehatte. „Meine Mutter sagte immer, wahre Größe zeigt sich nicht im Moment des Erscheinens, sondern darin, wann man geht.“
Der plötzliche Themenwechsel ließ Veiths Miene merklich dunkler werden, als hätte ein Schatten seine Züge überzogen. Er liebte seine Schwestern, bedingungslos, aus tiefstem Herzen. Doch Ylva nahm unter ihnen einen besonderen Platz ein. Sie war das Nesthäkchen, der späteste Spross der Familie und für Veith fast schon mehr Tochter als Schwester. Schon früh hatte er lernen müssen, Verantwortung für sie zu übernehmen. Nach dem Unfall ihres Vaters war es aber auch er gewesen, der sie weiterhin gelehrt hatte, ein Schwert zu führen, mit den Fäusten zu kämpfen und sich gegen eine Welt zu behaupten, die weder Nachsicht noch Mitleid kannte. Allerdings wusste er tief in sich, dass diese Welt keine Gnade für Krieger kannte. Schon gar nicht jetzt, da der Krieg seine Schatten über das Land warf. Gerade deshalb suchte er nach einem Mann, der ihr Schutz, Sicherheit und ein würdiges Leben bieten konnte, fernab der Front, fernab von Gefahr. Doch Ylva dachte nicht daran, sich seinen Wünschen zu fügen. Ihr Vater hatte ihr einst beigebracht, sich wie ein Kämpfer zu verhalten und sie hatte es verinnerlicht. Ihre Mutter hingegen teilte Veiths Sorge: Auch sie wollte ihre jüngste Tochter nicht auf einem blutgetränkten Feld verlieren, zwischen Rauch, Stahl und Tod. „Ich möchte ihr bloß ein einigermaßen sicheres Leben schenken. Jetzt sehe ich sie jedoch fortdriften, trotzig und wild, wie ein Boot auf stürmischer See und ich kann nichts tun, außer am Ufer stehen und zusehen.“ Kurz wandte er den Blick von ihr und den Pferden ab, als wollte er die Gefühle, die seine Gedanken und Worte verursachten, nicht zeigen.
Die düsteren Gedanken verflogen jedoch in dem Moment, als er den Vorschlag aussprach, gemeinsam einen Ausritt zu wagen. Das Leuchten, das daraufhin in ihren Augen aufflammte, war wie ein Windhauch, der die Schatten des vorangegangenen Gesprächs vertrieb. Es war kein grelles, überschwängliches Strahlen, vielmehr ein warmes, stilles Aufglimmen, doch das reichte ihm. Es war sicherlich selten für einen Außenstehenden, Reinka so zu sehen, nicht kontrolliert, nicht kalkuliert, sondern überrascht von einem Moment ehrlicher Freude. Die Tiere waren bereits gesattelt, vermutlich hatte Reinka angenommen, dass Veith die Katze nicht im Sack kaufen wollte. Es war nur klug, Pferde zunächst probezureiten, sie kennenzulernen, ehe man eine Wahl traf. Doch in diesem Fall musste Veith zunächst entscheiden, welchem der beiden Tiere er sich anvertrauen wollte. Der Fuchs - wild, eigenwillig und mit ungestümer Energie - war zweifellos das interessantere Tier. In den Augen des Fuchses flackerte etwas Ungebändigtes, beinahe Herausforderndes. Veith kannte solche Pferde. Sie waren keine bequemen Begleiter, aber unter dem richtigen Reiter entfalten sie ein Feuer, das süchtig machen konnte. Daneben war da die schwarze Stute: sanfter, ruhiger, verlässlicher. Weniger Kraft vielleicht, dafür mehr Kontrolle. Sie war das Tier, das er eigentlich für Ylva im Sinn gehabt hatte. Ein Pferd, das seine Schwester auf gefährlichen Wegen schützen sollte. Nicht zu schnell, nicht zu störrisch. Nicht wie der Fuchs. Er war noch nicht bereit, seine Entscheidung abzugeben. Nicht an einen anderen Reiter, nicht einmal an seine Schwester. Nicht heute.
Mit einem kaum merklichen Nicken trat er an den Fuchs heran und legte ihm die Hand an den Hals. Das Fell war warm, die Muskeln darunter zuckten leicht, als das Tier seinen Duft erkannte. „Stille mag Sicherheit bedeuten“, murmelte er leise. „Aber manchmal braucht es eben Sturm, um sich selbst wieder zu spüren.“ Seine Stimme war ruhig, beinahe beschwörend und während er sprach, strich er dem Tier langsam über den Hals, ließ seine Hand über die Schulter gleiten, spürte den ungeduldigen Pulsschlag. Die Stute schnaubte leise, schüttelte kurz den Kopf, als wolle sie protestieren, doch Veith wich nicht zurück. Er trat näher, legte eine Hand sanft an den massiven Kiefer des Pferdes. Seine Berührung war sanft, aber bestimmt, kein Zwang, aber auch kein Zögern. „Schon gut, meine Schöne“, murmelte er, fast tonlos. „Ich weiß, was du bist.“ Ein letzter prüfender Blick folgte, dann nahm er die Zügel auf, löste das Pferd aus dem Stand und führte es mit ruhigem Schritt hinaus in den Hof. Die Hufe setzten gedämpft auf dem festgefrorenen Schnee auf, hinterließen dunkle Abdrücke in der weißen Decke. Veith stellte sich seitlich neben das Tier, zog den Gurt nach, prüfte den Sitz des Sattels mit der gewohnten Routine. Dann stieg er mit einem geübten Schwung auf und setzte sich tief in den Sattel, als gehöre er genau dorthin, auf diesen Rücken, über diesem Feuer, das nur darauf wartete, entfesselt zu werden.
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Reinka Norrholm |
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02-06-2025, 13:11 - Wörter:
Reinka beobachtete den Moment, in dem Veith sich dem Fuchs zuwandte, mit einer Regung, die sich irgendwo zwischen Stolz und stiller Zustimmung bewegte. Es war nicht einfach nur eine Wahl unter Pferden, es war ein Bekenntnis. Zu sich selbst, zu dem, was man zu zähmen bereit war – oder nicht. Die schwarze Stute hätte ihm Ruhe geboten, Kontrolle. Aber es war der Fuchs, für den er sich entschied. Weil er ihn testen wollte, und sie vermutete, nicht für Ylva. Und Reinka sah es. Spürte es. Ihre Entscheidung, ihm diese Wahl zu überlassen, war richtig gewesen. In ihm wohnte ein Verständnis, das sich nicht auf Worte stützte, sondern auf Haltung, auf Blick, auf Instinkt.
Sie beobachtete, wie er das Tier berührte, ruhig und sicher, als sei das Temperament, das in dem Fuchs brannte, nichts weiter als ein loderndes Herdfeuer, das er verstand zu schüren, nicht zu löschen. Er sprach zu ihr, wie sie es auch getan hätte – keine Worte der Unterwerfung, keine Befehle, sondern ein stilles, fast ehrfürchtiges Anerkennen. Reinka empfand Respekt und Erleichterung. Denn auch wenn sie es nie offen eingestanden hätte – ein anderer hätte vielleicht versucht, das Feuer dieser Stute zu brechen. Veith nicht.
Sie selbst saß längst bequem im Sattel von Geist, der unter ihr bedeutungsschwer die Ohren nach anlegte, als der Fuchs sich näherte – nicht feindlich, nicht aggressiv. Sondern mit dieser leisen Autorität eines alten Kämpfers, der junges Blut nicht fürchtete. Reinka spürte, wie ihr Wallach kurz das Maul verzog, ein raues Grummeln tief in der Brust ausstieß – nicht laut, aber bestimmt. Eine Grenzsetzung, kein Angriff. Und erstaunlicherweise genügte das. Der bis eben noch angespannt tänzelnde Fuchs zuckte mit dem Kopf, schüttelte sich kurz, als wolle er sagen, dass er verstanden hatte, und fügte sich schließlich in den gemächlichen Rhythmus an Geists Seite. Fürs Erste.
Gemeinsam setzten sie sich in Bewegung, hinaus aus den königlichen Stallungen, durch das geöffnete Tor, das sich wie ein steinerner Schlund in die weiße Welt vor ihnen öffnete. Der Weg führte sie durch das Städtchen, das sich eng an die Mauern Wintergards schmiegte – vereiste Brunnen, aus Holz geschnitzte Dächer, aus denen Rauchfahnen stiegen, und Menschen, die innehielten, als sie vorüberritten, sich verneigten und ehrfürchtig flüsterten. Ein Kind winkte schüchtern, und Reinka lächelte, winkte zurück. Ein Hund bellte die Pferde an und wurde fluchend vom hiesigen Waffenschmied vertrieben. Aber sonst war da nur Stille. Die ehrfürchtige, raue Stille des Nordens.
Der Himmel war von einem blassen Blau, das fast schon ins Silbergraue kippte. Die Sonne stand noch tief, hatte es noch nicht vollends über die Bergspitzen geschafft, warf lange, morgendliche Schatten über den frisch gefallenen Schnee, der in unzähligen Kristallen glitzerte. Und obwohl all diese Anzeichen einen wunderschönen Tag versprachen, lag eine klirrende Kälte in der Luft, die jede Ausrüstung auf die Probe stellte. Reinka zog ihren schweren Umhang fester um sich. Er bestand aus feinstem Luchsfell, weich wie Wolken und doch widerstandsfähig wie der Mann, der ihn ihr geschenkt hatte. Erik hatte selbst daran gearbeitet, Nächte lang, mit bloßen Händen gegerbt, weil er gewollt hatte, dass sie sich in seiner Wärme geborgen fühlte, auch wenn er selbst fern war. Ein Geschenk zu ihrem letzten Geburtstag. Und nun lag es um ihre Schultern, wie ein stilles Versprechen.
Ein kurzer Gedanke nur – ein Lächeln, das nicht den Weg zu ihren Lippen fand, aber in ihren Augen aufblitzte, ehe sie wieder zu Veith blickte und das anhaltende Schweigen brach. „Ihr habt mit euren Worten über eure Schwester etwas in mir angerührt“, gestand sie schließlich ruhig, fast beiläufig, ohne ihn anzusehen. „Dieses Bild vom Boot auf stürmischer See ... Ich kenne das Gefühl, am Ufer zu stehen.“ Ein tiefer Atemzug, sichtbar in der kalten Luft. „Doch manchmal – und das sage ich Euch, weil es mir selbst schwerfällt, das zu glauben – manchmal kehren sie zurück. Und haben etwas im Gepäck, dass sie wachsen lassen.“ Sie schwieg einen Moment, ließ die Worte wirken, während unter den Hufen der Pferde der harsche Schnee knirschte. Dann ein sanftes, fast tonloses: „Vertrauen ist nicht loslassen. Es ist das Wissen, dass man den Weg zurück kennt.“
Vor ihnen lag nun das offene Feld – eine weite, unberührte Fläche, die sich sanft in Richtung eines dunklen Waldstreifens erstreckte. Der Schnee war dort tiefer, aber nicht tückisch. Reinka kannte die Gegend gut. Keine Spalte, kein Eisloch. Sicher, soweit man das in dieser Landschaft behaupten konnte. Sie sah hinüber zu Veith. Unter seinem Sattel wand sich die rostrote Stute unruhig, als drängte es sie nach vorne, als könne sie die Freiheit wittern, die vor ihr lag. Die Muskeln des Tiers zuckten, das Maul schäumte leicht – aber noch war alles unter Kontrolle. Noch. „Wenn Ihr wollt …“, sagte sie dann, während sie ihr Pferd anhielt und ihm den Raum gab, „… dann lasst sie laufen.“ Ein kurzer Seitenblick. „Es ist ein schöner Tag, Veith. Und der Sturm unter Euch hat lang genug geschwiegen.“
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Winterland |
Veith Alvarsson |
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Alter |
31 |
Beruf |
Krieger |
Wohnort |
Wintergard |
Stand |
Ledig |
User |
Risa |
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07-06-2025, 11:20 - Wörter:
Sie ritten aus den Stallungen, durch das schwere Eichentor, das langsam hinter ihnen wieder geschlossen wurde. Wintergard lag still vor ihnen, noch immer ein wenig verschlafen und doch regte sich erstes Leben. Die Häuser standen eng beieinander, ihre Dächer trugen eine dicke Schneeschicht, die im ersten Licht des Morgens schimmerte. Aus den Schornsteinen stieg Rauch in dichten Schwaden auf und vermischte sich mit dem kalten Morgennebel. Die wenigen Menschen auf den Straßen hielten inne. Alte Frauen mit eingewickelten Schultern, Kinder, die ihre Spiele für einen Moment pausierten, Händler, die ihre Stände vorbereiteten – alle schenkten den Reitern ehrerbietige Blicke oder ein leises Nicken. Der Respekt galt zumeist der Prinzessin, teils dem schweigsamen Krieger an ihrer Seite. Veith spürte die Blicke, kühl und aufmerksam, doch sein Gesicht blieb ausdruckslos, sein Schweigen fest. Neben ihm grüßte die Prinzessin stumm zurück, ihre Lippen formten ein sanftes Lächeln, als sie einem der Kinder zuwinkte - ein stiller Funken Wärme an diesem doch so kalten Morgen.
Ein Hund bellte aufgebracht, doch der Schmied hinter seiner Werkstatt verscheuchte ihn mit einem rauen Wort. Für einen Moment zuckten die Pferde nervös, dann beruhigten sie sich wieder. Reinka zog ihren Umhang fester um sich, das Fell raschelte leise. Die Stille, die zwischen ihnen lag, war wohltuend – eine Ruhe, die Veith selten empfand. Es gab kaum Nordländer, mit denen er sich in solch stummen Übereinkunft wohlfühlte. Viele hier sprachen zu viel, ließen ihre Gedanken ungefiltert fließen, was ihn meist ermüdete. Halger war so ein Mann. Doch da Halger oft nie eine Antwort erwartete, fiel es Veith leicht, sich aus diesen Gesprächen zurückzuziehen. Mit Reinka war es anders. Sie war ihm in diesem Schweigen verwandt. Sie brauchte keine leeren Worte, fühlte sich womöglich von ihnen gestört, wenn Veith sie richtig einschätzte. Genau deshalb war ihr gemeinsames Schweigen keine Last, sondern ein Band.
Es war Reinka, die die Stille schließlich durchbrach. Veith wandte den Blick zu ihr, nahm ihr Profil in sich auf, ein Bild das Stolz und Entschlossenheit in sich trug. Ihre Worte entlockten ihm ein leises Seufzen, das tief aus seiner Kehle kam, getragen von der Last, die auf seinen Schultern als Familienoberhaupt ruhte. Die Sorge um Ylva und ihre Zukunft, war schwer und unerbittlich. Nie hatte er um diese Bürde gebeten. Er war nur ihr Bruder. Doch er wusste ebenso, dass ihr Vater, wenn ihm dieses Urteil noch zustehen würde, keine andere Wahl gehabt hätte, als ebenso zu handeln. Es war egal, dass Hakon Ylva einst das Kämpfen gelehrt hatte – wie jedem seiner Kinder auch. Das Leben als Krieger war voller Gefahren und Härte, und Ylva war besser aufgehoben als Ehefrau und Mutter. Nur so hoffte er, würde ihr ein langes und erfülltes Leben vergönnt sein, frei von den Schatten des aufziehenden Krieges und den ständigen Bedrohungen, die den Pfad eines Kämpfers begleiteten.
„Ich verstehe, was Ihr sagt“, begann er leise, die Stimme rau und schwer von den Gedanken, die ihre Worte in ihm weckten. Sein Blick senkte sich, als müsse er die Last, die ihn bedrückte, tief in sich vergraben. „Doch es fällt schwer, tatenlos zuzusehen, wie sich der Sturm zusammenbraut, während einem selbst die Hände gebunden sind.“ Er ballte die Faust um den Zügel. Der Fuchs unter ihm spannte sich, seine Muskeln zogen sich an, bereit zum Sprung, doch Veith hielt ihn mit der gleichen ruhigen Kraft, mit der er seine eigenen Gedanken zu bändigen suchte. „Deshalb wäre mein Herz ruhiger, wüsste ich Ylva in Sicherheit. Was ist daran verkehrt, sich an der Seite eines anständigen, fleißigen Mannes zu wissen? Ein sicherer Hafen, mehr kann ich ihr nicht wünschen.“
Veith ließ den Blick über das offene Feld schweifen, die Weite, die sich vor ihnen ausbreitete, forderte ihn heraus. Sein Griff am Zügel wurde fester, doch nicht hart. Die Stute spürte seine Spannung, ihr Körper schien zu pulsieren vor Energie, das Feuer in ihr brannte lodernd und ungestüm. Er nickte knapp, sein Gesicht unverändert ernst, seine Augen jedoch hellwach. „Ihr habt recht“, erwiderte er und es war unverkennbar, dass es ihm durchaus Freude bereitete, das Pferd laufen zu lassen. „Bis zum Waldrand, dann sehen wir weiter.“ Mit einem kurzen, scharfen Druck seiner Fersen setzte er die Stute in Bewegung. Der kalte Wind schnitt ihm ins Gesicht, ließ den Atem in weißen Wolken vor ihm tanzen. Schneeflocken wirbelten hinter ihnen auf, während die Hufe des Pferdes den hartgefrorenen Boden durchbrachen. Der Rhythmus des Galopps war gleichmäßig, ein wilder Puls, der sich mit dem pochenden Herzschlag Veiths verband. Jede Bewegung des Tieres fühlte sich lebendig, beinahe ungezähmt an. Als sie den Waldrand erreichten, zog Veith die Zügel behutsam an, ließ die Stute allmählich zur Ruhe kommen. Ihr Atem ging schwer, dampfte in der kalten Luft, doch in ihren Augen glomm noch dieses unverkennbare Feuer. Veith warf einen Blick zu Reinka. Ein kaum wahrnehmbares Lächeln zog über seine Lippen. „Sie trägt mehr Wildheit in sich, als ich erwartet hatte“, sagte er rau, doch in seiner Stimme lag Anerkennung. „Vielleicht mehr, als man zähmen sollte.“
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Winterland |
Reinka Norrholm |
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Alter |
26 |
Beruf |
Prinzessin von Wolfsmark |
Wohnort |
Wolfsmark |
Stand |
Verheiratet |
User |
Lia |
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10-06-2025, 18:24 - Wörter:
Die Stute schoss los wie ein vom Wind getriebener Funke — ein roter Blitz auf weißem Grund. Schnee stob unter ihren Hufen empor, glitzernde. Abertausende Eiskristalle im Morgenlicht, während Reinka ihrem Anblick nachsah. Das Feuer des Tieres hatte sich entfesselt, doch nicht blind oder ungestüm. Sie trug Veith nicht, sie tanzte mit ihm – wilder Takt, gezähmte Kraft. Und er beherrschte sie nicht, er begleitete sie, wie ein erfahrener Tänzer. Sie verstand nun, warum er sich für die Stute entschieden hatte. Nicht aus Eitelkeit oder Leichtsinn – sondern, um sich zu prüfen. Zu erinnern, wer er war.
Reinka lächelte kaum merklich und trieb Geist zu einem ruhigeren Galopp an, bedacht und gleichmäßig. Der Wallach war kein Pferd für Wettläufe, kein Tänzer auf Glut. Geist war wie das Land, das ihn geboren hatte: schweigsam, zäh, verlässlich. Ein Fels inmitten von Sturm und Schnee. Und doch – als die rote Mähne vor ihr flatterte, als sie sah, wie das Pferd unter Veith förmlich aufging, wie Reiter und Tier zu einer Bewegung wurden – da spürte sie den vertrauten Stich. Jenen, den man verspürte, wenn man wusste, dass ein Teil von einem nie wieder ganz frei sein würde. Nicht wegen der Verantwortung. Nicht wegen des Lebens, das in ihr wuchs. Sondern, weil sie einmal beschlossen hatte, das eigene Feuer zum Wohle anderer zu zügeln.
Und dennoch … war da kein Bedauern. Nicht in dem Moment, in dem ihre Finger unbewusst über den Pelz ihres Umhangs strichen – jenes feinen Werks aus Luchshaar, das Erik ihr kürzlich selbst gegerbt hatte. Mit bloßen Händen, ohne Hilfe. ’Meine Fürstin sollte etwas Edles tragen’, hatte er gesagt, ’damit man nicht jeder gleich bemerkt, wie wild dein Herz in Wirklichkeit noch ist.’ Und sie liebte es, dass er sie nie zähmen wollte. Sie nur hielt, wenn sie es selbst verlangte. Nicht alle Männer waren so, und nicht alle Frauen konnten sich ein solches Glück wünschen. Sie dachte an Ylva. Wild, trotzig, unzähmbar. Und an Veith, der mit jeder seiner Sorgen bewies, wie sehr er liebte. Aber auch, wie wenig er begriff, dass man Feuer nicht einfängt, indem man es mit Erde begräbt. Sie hoffte, dass die Welt es gut meinte mit Ylva, dass sie jemanden fände, der sie verstand. So wie Erik seine Frau verstanden hatte.
Sie holte den Krieger erst am Waldrand wieder ein. Geist schnaubte ruhig, gleichmäßig – sein Atem dampfte in kleinen Wölkchen. Veiths mächtige Silhouette hob sich gegen das Halbdunkel der Bäume ab, die im fahlen Licht des Morgens wie schlafende Riesen wirkten. Als er sprach, spürte sie die Ehrlichkeit seiner Worte – und sah, wie er das Tier unter sich betrachtete, als habe es ihm mehr über sich selbst erzählt als jeder Mensch der letzten Jahre.
„Sie hat Kraft, Herz und Willen.“ Ihre Stimme war leise, fast andächtig, doch bestimmt. „Sie testet nur die, denen sie sich anvertraut. Das tut sie bei jedem. Aber bei Euch …“ Sie ließ den Satz ausklingen, schob eine sich aus dem Flechtwerk in ihrem Nacken gelöste Haarsträhne nachlässig aus ihrer Stirn. „Sie hat Euch angenommen, Veith.“
Ihr Blick wanderte zu den Höhenzügen, wo sich das Weiß über das Land legte wie ein Mantel aus stiller Reinheit. „Kommt. Der Pfad dort oben ist schmal, aber sicher.“ Mit einem kaum merklichen Zügelimpuls lenkte sie Geist in die Richtung, wo die ersten schroffen Hänge begannen. Die Stille um sie war vollkommen – kein Laut, nur das leise Knirschen von Schnee unter Hufen, das ferne Ticken fallender Eiskristalle, wenn sich ein Ast unter dem Frost streckte. Es war ein Zauber, den nur jene empfanden, die mit dem immerwährenden Winter dieses Landes großgeworden waren. Die in ihm keinen Tod, sondern einen Anfang sahen. Sie sog die klare Luft tief in die Lungen, spürte, wie sie brannte, belebte, wach machte. Schweigend ritten sie nebeneinander her, als hätte sich zwischen ihnen eine unausgesprochene Einigkeit gebildet. Kein Wort, keine Geste nötig.
Bis das Wimmern kam.
Zuerst kaum hörbar – wie ein ferner Windstoß zwischen den in der Höhe lichter werdenden Bäumen. Dann deutlicher. Ein hohes, kindliches Weinen, von Angst und Schmerz durchzogen. Und darunter – rauer, keuchender Atem, voller Panik. Mehrere Stimmen, spottend, drohend. Männer. Die hektisch keuchende Frau, die zu flüstern versuchte, zu beschwichtigen, während sie zwischen Angst und Verzweiflung schwankte.
Reinkas Kopf fuhr hoch, ihr Blick wurde scharf. Geist hielt inne, als spürte auch er die Veränderung. Und seine Reiterin spürte es in sich – ein uralter, längst gezähmter Teil, der sich regte. Der aufstand. Die Kriegerin, nicht nur die künftige Fürstin, nicht nur die Mutter.
Sie tastete instinktiv nach dem Griff des Anderthalbhänders, der verborgen hinter dem rechten Sattelblatt ruhte. Die Klinge, schlicht, bewährt, war nicht dazu gedacht, zu glänzen, sondern zu schützen. Geist stampfte unruhig mit dem Vorderhuf, warf den mächtigen Schädel hin und her. Ihr Blick huschte zur Quelle des Tumults, verengte sich konzentriert, bevor er zu Veith wanderte. Kurz und fragend. Dann flüsterte sie nur: „Westlich. Drei Männer. Zwei zu Fuß. Einer hält das Kind.“ Keine Panik. Keine Hektik. Nur reine Wachsamkeit. Der Blick geschärft, der Atem ruhig, die Sinne offen. Reinka zügelte Geist, senkte den Oberkörper ein wenig, um besser sehen zu können, zwischen den Bäumen hindurch. Dann wartete sie. Bereit. Wie damals, als das Leben eines anderen in ihren Augen alles war, was zählte.
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Winterland |
Veith Alvarsson |
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Alter |
31 |
Beruf |
Krieger |
Wohnort |
Wintergard |
Stand |
Ledig |
User |
Risa |
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22-06-2025, 09:55 - Wörter:
Veith hatte sich schon längst für das Pferd entschieden, da hatte er den Waldrand noch nicht einmal erreicht. Er spürte die Muskeln des Tiers und die Anspannung, als die Stute über das Feld galoppierte. Zu seiner eigenen Verwunderung fühlte er sich zum ersten Mal seit langem wieder sorglos und frei. In den letzten Wochen gingen ihm zu viele Gedanken durch den Kopf – kreisten, hielten ihn wach, rieben an ihm wie ein raues Seil an bloßer Haut. In den letzten Tagen hatte er sich selbst kaum wiedererkannt. Gedanken, die sonst geordnet aufeinanderfolgten, rangen durcheinander. Immer wieder kehrten seine Erinnerungen zu Sanna zurück. Bilder, Gesten, Blicke und Worte, die nicht gesagt wurden, bevor sie einfach so verschwand. Doch in diesem Moment, getragen von der Bewegung, dem Wind im Gesicht und dem Rhythmus des Tieres unter sich, fiel etwas von ihm ab. Am Waldrand zog er die Zügel nur leicht an, ließ die Stute langsam zur Ruhe kommen. Ihr Atem dampfte, ihre Nüstern zuckten, aber sie gehorchte bereitwillig. Der Krieger atmete tief durch. Die Kälte sog sich in seine Lunge, schärfte die Sinne. Er wollte klar denken. Musste es und doch...etwas hatte sich in ihm verschoben. Der Silberhaarige hatte immer mit dem Kopf entschieden, nicht mit dem Herzen. War wachsam, maßvoll, vielleicht manchmal zu sehr. Gefühle waren etwas, das man kannte, nicht etwas, das einen lenkte. Doch Sanna hatte etwas in ihm losgelöst, das nicht einzuordnen war. Diese Nähe, dieses Leuchten, das zwischen ihnen aufblitzte, es war nicht geplant gewesen. Nicht gewollt. Gerade deshalb hatte es ihn erschüttert. Er hätte es noch ignorieren können. Hätte es vielleicht weggeschoben, wie man unerwünschte Gedanken verdrängt. Aber sie war verschwunden. Ohne ein Wort des Abschieds und das machte es schlimmer. Wut empfand er keine, nur dieses sorgenvolle, unruhige Ziehen, das nicht vergehen wollte und das dumpfe Unverständnis darüber, wie leicht man jemanden verlieren konnte, der einem unverhofft wichtig geworden war.
Ein kaum merkliches Lächeln stahl sich auf Veiths Gesicht, als die Prinzessin sagte, die Stute habe ihn angenommen. Er empfand es als eine größere Ehre, von einem Tier akzeptiert zu werden als von irgendeinem Fürsten oder hochgestellten Ratsherrn. Tiere waren ehrlich. Direkt. Sie kannten kein höfisches Spiel, keine Maske, keine Gunst, die man sich durch Worte oder Titel erkaufte. Ein Tier nahm einen, wie man war oder eben nicht. Genau darin lag für Veith ein Wert, der tiefer ging als jede Auszeichnung, die man ihm je verliehen hatte. Er strich der Stute gedankenverloren über den Hals, spürte die Wärme unter dem Fell, die feine Spannung, die noch immer in ihr vibrierte. So viel Wildheit und doch hatte sie ihn getragen, als wäre es selbstverständlich.
Veith folgte ihrem Blick, ließ ihn über die verschneiten Höhen schweifen, wo der Winter das Land in makelloses Weiß gehüllt hatte. Er wandte sich dem schmalen Pfad zu, der sich durch den stillen Wald schlängelte und nickte langsam. „Dann reitet doch bitte voran, Prinzessin“, erwiderte er mit ruhiger Stimme. Mit einem sanften Druck der Knie setzte er die Stute in Bewegung, hielt sich bewusst etwas zurück, um hinter Reinka einzuschwenken. Sein Blick blieb fest auf den engen Pfad gerichtet, den sie ihm gezeigt hatte. Die Stille war vollkommen. Kein Laut drang an sein Ohr außer dem gedämpften Tritt der Pferde im Schnee und dem leisen Knacken von Eis in den Ästen.
Doch dann durchbrach ein kaum hörbares Wimmern die Stille - so fern und zerbrechlich, dass Veith erst einen Moment brauchte, um es wirklich zu verorten. Sein Körper spannte sich an, während sich weitere Stimmen von Männern zu dem leisen Weinen eines Kindes mischte. Sein Blick folgte dem von Reinka zu den lichter werdenden Bäumen und dort entdeckte er die Gruppe. Einer der Männer hielt das Kind fest, während ein anderer nun die Frau umklammerte, die wohl die Mutter des Mädchens war.
Ein leiser Seufzer entwich Veith. Er wollte Reinka in ihrem Zustand keinesfalls unnötig gefährden, doch zugleich wusste er, dass die Prinzessin von Wolfsmark eine erfahrene Kämpferin war, die sich weder von Gefahr einschüchtern ließ noch davor zurückschrecken würde, mutig zu handeln, wenn es darauf ankam. Er befürchtete auch, dass sich die drei Kerle nicht durch Worte überzeugen ließen, doch ein Versuch war es wert. Einen Moment lang musterte er die Umgebung, ließ seinen Blick durch das dichte Unterholz und die Schatten huschen, um sicherzustellen, dass sich keine weiteren Angreifer in der Nähe verbargen. „Haltet Euch zurück, solange es geht“, flüsterte Veith, die Stimme ruhig, doch gespannt. „Wenn sie nicht von selbst einsehen, was richtig ist, übernehme ich die beiden auf der rechten Seite.“, flüsterte Veith der Prinzessin zu und trieb dann die Stute auf die kleine Lichtung. Sein Blick lag kalt und unbeirrbar auf den drei Männern. „Die Frau und das Mädchen scheinen eure Gesellschaft nicht zu schätzen." Die Schärfe in seinen Worten war unüberhörbar, während er ihre Reaktion abwartete, bereit, wenn nötig, zu handeln.
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