04-06-2024, 22:15 - Wörter:
Dirty Imbecile
All these things I've tried, boy
Sonores Pochen auf massivem Holz kündete von wachsender Ungeduld. Finger trommelten im Rhythmus des Herzschlags eine hektische Melodie, die einzig von dem gelegentlichen Kratzen einer Feder unterbrochen wurde. Alastair wartete – obgleich besagtes Warten sich innerhalb der letzten Stunde eher in ein Ausharren verwandelt hatte. Die geladenen Würdenträgerhatten längst mit den hauchdünnen Worten einer höflichen Entschuldigung den Rückzug angetreten. Selbst der anwesende Priester wagte einen Blick abfälligen Amüsements, bevor er dem Fielding einen guten Abend wünschte. Vier Stunden. 240 Minuten familiärer Blamage – und das trotz familiärer Abwesenheit. Eine letzte Chance, sich zu beweisen. Vergeudet.
Erneute Unterbrechung des stetigen Pochens, als Alastairs Finger sich um den Kelch mit Wein zu seiner Rechten schlossen. Förderte auf lange Sicht zwar nur die Migräneanfälligkeit, sorgte im Moment aber zumindest für temporäre Zufriedenheit. Gut, Zufriedenheit war womöglich etwas hochgestochen. Es hinderte Alastairs brodelnden Gemütskessel an einer verfrühten Explosion – und bewahrte seinen Besitzer wahrscheinlich vor spontanem Ableben aufgrund eines Herzinfarktes.
Was gäbe er nicht für die Weisheit der Toten. Am Ende der eigenen Existenz befielen einen so manche Einsichten – was also würde Emma nun sagen? Welchen Rat spräche sie aus? „Habe Nachsicht mit dem Jungen“ doch war es letzten Endes nicht die Nachsicht, die ein solches Verhalten überhaupt erst zuließ? Nachsicht und Nachlässigkeit. Jasper fügte sich. Oftmals mit mehr unterschwelligem Protest, als Alstairs migränegeprüfter Schädel wirklich vertrug, aber er fügte sich. Selbst Rupert hielt offene Kritik eher hinterm Berg, obgleich Alastair gerade die Meinung seines Bruders noch am ehesten tolerierte. Er hatte begriffen, dass sich am Ende des Tages alles nur einem Willen beugte – und es war ganz sicher nicht der eines Unwürdigen. Rupert mochte Alastairs Methoden durchaus bemängeln, aber. er. fügte. sich.
Joshua war nicht in dem Sinne eine Enttäuschung. Für eine Enttäuschung brauchte es unerfüllte Erwartungen und ebenjene gab es im Familienkatalog des fieldischen Gehirns schon lange nicht mehr. Und dennoch. Dennoch besaß der Zweitgeborene das unglaubliche – und hoffentlich nach einigen Generationen ausgestorbene – Talent, den ohnehin erwartungslosen Alastair maßlos zu enttäuschen. Beinahe bewundernswert. Er hätte fast damit auftreten können! Vielleicht hätten die Gaukler mehr Gefallen an dem Burschen gefunden. Ob es schon zu spät war, Joshua in ein Tuch gewickelt vor einem windschiefen Zelt auszusetzen? Wenn sie ihn zuvor mit genug Wein abfüllten, hätte die glückliche neue Familie zumindest einige Stunden Ruhe.
Es klopfte. Als eine Reaktion des Fürsten ausblieb, schob ein junger Diener vorsichtig den Kopf durch die Tür. „Eure Lordschaft?“ Alastair bedachte den Knaben mit einem durchdringenden Blick. „Eure Lordschaft, Master Joshua- verzeiht, Ihr wolltet umgehend über jegliche Neuigkeit informiert werden, und nun-“ Der Junge stockte und schien einige Sekunden zu brauchen, bis sein Mund die fortbestehende Anwesenheit seiner Zunge registrierte. Über Alastairs Haupt schien sich währenddessen eine Gewitterwolke zusammenzuziehen. Wenn es jetzt anfing zu stürmen, würde der Fielding dem Diener das nächstbeste Hagelkorn an den Kopf schleudern. „Master Joshua ist zurück“, vollendete der Diener endlich seinen Satz, sichtlich erleichtert darüber, eine solch schwere Aufgabe endlich hinter sich zu haben. „Er ist allerdings… nun, er wollte sich in seine Gemächer zurückziehen und wir-“ „Schickt ihn zu mir.“ Alastairs Stimme war wie das entfernte Grollen vorbeiziehenden Donners. „Umgehend. Und wenn ihr ihn mit heruntergelassener Hose herbei schleifen müsst.“ Der Junge deutete eine hastige Verbeugung an und machte dann, dass er davon kam. Alastair lehnte sich in seinem Stuhl zurück , griff erneut nach seinem Kelch – und wartete.
