05-06-2024, 07:19 - Wörter:

Nie hatte Leif seiner Frau gegenüber auch nur erwähnt, was er wirklich von dem Großkönigssohn hielt, denn ihr waren die lustig, halb ernst gemeinten Kommentare schon zu viel, wenn er Leandros Bauchumfang ins Lächerliche zog und beschrieb, wie ihn bald kein einziges Pferd mehr reiten lassen würde. Aleenas Reaktionen waren schon immer gehaltener, höflicher, fast gezwungener, wenn er ihr dünnes Lächeln denn interpretieren wollte, da wollte er lieber seine Waffenbrüder über seine Witze lachen hören. Erik hatte er sich einmal anvertraut in einer Nacht der vielen Reisen, unter dem klaren Sternenhimmel neben der Glut ihres Lagerfeuers. Von ihm bekam er Verständnis, weil sie beide dieselbe Person in zwei unterschiedlichen Körpern waren; von Aleena konnte und würde er diese Art von Verbundenheit niemals erwarten. Es reichte schon, wenn sie in diesem Moment die richtigen Worte fand und es tatsächlich schaffte, ihn ein wenig zu besänftigen in seinen grimmigen Gedanken. “Mhm.” Ob ihre Worte ein Trost waren, zeigten wohl nur seine entspannten Schultern, auch wenn er mit dem Brummen wie immer andeutete, dass er nichts mehr dazu zu sagen hatte. Wenigstens eine erkannte an, dass sie sich gut auf die Schlacht vorbereitet hatten und Leifs Meinung nach noch sehr viel weiter hätten vordringen können, bis Motivation und Ressourcen sich bemerkbar gemacht hätten.
Vielleicht kam es selten vor, dass Leif mal etwas an seiner Frau auffiel, aber wenn es dann doch mal passierte, reagierte er immer. Nicht immer mit Worten, aber doch mit Taten, die heute nur etwas länger auf sich warten ließen. “Du trinkst immer zu wenig”, merkte er trocken an und ließ möglicherweise ein wenig Anklage in seiner Stimme mitschwingen. Das hatte er ihr schon oft gesagt, oder vielleicht hatte er es auch nur gedacht, weil er den Sinn nicht dahinter sah, sie zu etwas zu nötigen, was sie offensichtlich nicht freiwillig tun wollte. Auch jetzt hatte sie ihren Krug kaum angerührt. Leifs Blick wanderte von ihren Händen zu ihrem Gesicht, ruhig in seiner Haltung, während er beobachtete, wie sich ihre Züge veränderten; zum ersten Mal sah er sie heute richtig an. Schließlich senkten sich seine Schultern in einem lautlosen Seufzen und er streckte ihr seine offene Hand hin in der Aufforderung, sie zu greifen und sich von ihm zur Bettkante leiten zu lassen. Erst als Aleena saß und er sich neben ihr niederließ, ging er auf die Sorge ein, die sich nicht nur in ihren Worten, sondern auch in ihrem Blick bemerkbar machte. “Was für Gedanken?” Denn die Sorgen konnte er sich vorstellen - eine so zarte Seele wie Aleena steckte natürlich kein Vertrauen in sein Können und hatte Angst um ihn. Leif musste es nicht unbedingt aus ihrem Mund hören, weil er bereits wusste, dass sie sich Sorgen machte; das würde ihn trotzdem nicht davon abbringen, in den Krieg zu ziehen. Genau das würde immer ein Graben in ihrer Ehe sein, den keiner von ihnen bereit war, zu überwinden. Also mussten sie sich damit arrangieren.
