17-08-2024, 20:36 - Wörter:
Weitere Männer betraten den Raum und über die lächerlichen Worte des Jüngsten unter ihnen konnte sie nicht lachen. „Niemand hier ist zu Scherzen aufgelegt, Ramaadiy.“, zischte sie ihm wie eine Schlange entgegen – fast so, wie die Maske, die er bis eben noch getragen hatte. Qar bewegte sich wie ebenjene durch die Palastgänge, ein und aus. Keine Wache der Welt hatte ihn davon bisher aufhalten können, aber er liebte das Drama und er liebte es, ebenjenes kund zu tun. Vielleicht war er das wertvollste Mitglied unter ihnen – vielleicht aber auch das Gefährlichste. Ihr Blick hob sich, als Keeran das Wort wieder an sich nahm. Es lag auf der Hand, dass sie diesen weitaus mehr schätzte, als den Jungspund, der sich hinter den Palasttüren verwöhnen ließ, weshalb sie ersterem kurz die Sorge in ihrem Gesicht zeigte. „Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.“, entgegnete sie leise, zeigte damit für zwei oder drei Sekunden ihre Verzweiflung, ehe sich ihre Körperhaltung wieder aufrichtete und sie ebenjene Verzweiflung wieder hinter den Mauern verschloss.
Hafiz war an seinen schweren, festen Schritten zu erkennen, die, ihrer Meinung nach, etwas schneller voranschritten als sie es sonst von ihm gewohnt war. Er war aufgebracht – in Sorge? Mit seiner Kraft flog die Tür auf und seine Energie ließ Safiyya selbst um mehrere Zentimeter wachsen. Hafiz entfachte Feuer in ihr und ließ ihre Sorge und Angst in Wut und Vergeltung verwandeln. Automatisch hob sich ihr Kinn als, er näher kam und tatsächlich verzog sich ihr Mund zu einem zufriedenen Lächeln, als er sprach. Was wären sie, ohne das Feuer, das in Hafiz loderte? Dass er sie mit seinen dreckigen Händen betatschte störte sie nicht. Sie hatten diese seltsame Beziehung, die sie beide nicht hätten beschreiben können, wenn man sie gefragt hätte. Weil er so nah war konnte sie kurz das raue Gesicht betrachten, das nicht so aussah, als hätte es kürzlich mehr Wunden angezogen – immerhin. „Setz dich und hör zu.“, wies sie ihn dann an, damit er nicht glaubte, er hätte sie in der Hand. Dann fand ihr böser Blick schnell den des Meisterdiebes, dem diese Worte genau so galten. Sein Rumgehampel machte sie nervös. Faris, der Sklave und älteste in dieser Runde, betrat den Raum zuletzt und schloss ordnungsgemäß die Tür hinter sich. Vielleicht war er derjenige der Männer, den Safiyya am meisten schätze – oder am meisten Respekt vor ihm hatte. Sie wusste, dass ihre Biografien von Parallelen geprägt waren, ohne dass sie seine im Detail kannten. Sie beide hatten verschiedene Seiten der Sklaverei kennengelernt und der ältere Mann war derart gütig, dass sie manchmal Angst hatte, diese Güte würde abfärben. Sie rutschte ihm den Stuhl neben sich zurecht, auf den er sich etwas erschöpft nieder ließ – sein Leben in der Sklaverei hatte Spuren hinterlassen. Als er sich setzte, schmunzelte er und blickte zu Safi. „Jetzt spann uns nicht so auf die Folter, Liebes.“, entgegnete er und ließ den Blick dann prüfend und besorgt durch die Menge gleiten.
Safiyya nickte, aber es ging ihr nicht um Spannung. Die Worte waren derart gefährlich, dass sie sie keinesfalls wiederholen könnte. Deshalb hatte sie unruhig abwarten müssen, bis alle eingetrudelt waren. Ihr Blick glitt zu Rashid und sie nickte. Dann schob sie zwei der Pergamente etwas mehr in die Tischmitte. Dann drehte sie ihren Kopf kurz zu Hafiz. „Ich erzähl‘ euch, was drin steht.“ Sie wusste, dass nicht jeder in dieser Runde lesen konnte. Oder besonders gut lesen konnte.
„Männer in – edler Rüstung und unter dem Banner Castandors sind an der Küste gesichtet worden. Sie sind auf dem Weg in unsere Stadt. Sie bezeichnen sie als die Silbergarde. Es soll ein Botschafter Castandors unter ihnen sein. Mit Sicherheit sind sie auf dem Weg zum König.“, erklärte sie und versuchte gleichzeitig ihre Gedanken zu ordnen. „Ich…“, murmelte sie und machte einen Schritt vom Tisch zurück, eine Hand an der Schläfe, ehe sie mit den Schultern zuckte. „Ich verstehe nichts von politischen und militärischen Strategien. Aber Castandor führt doch einen Krieg auf dem Festland – wieso schicken die solche Männer zu uns?“ Sie hatte keine Ahnung, ob man diese Gruppe als Heer, Garde oder was auch immer bezeichnete. Und der, der das erklären könnte, war gerade nicht hier. Kurz fuhr sie mit den Zähnen über ihre Unterlippe. „Erst hab‘ ich gedacht, das hat vielleicht mit dem Einzug der Männer für das Heer auf dem Festland zu tun“, erklärte sie weiter. „Aber - Ich kenne einige Mädchen an der Küste. Eines hat meinem Boten erzählt, dass… es um politische Unruhen in der Hauptstadt gehen soll.“ Sie schluckte, weil man diese politische Unruhen gegebenenfalls auch mit “uns“ ersetzen könnte.
