18-11-2024, 22:39 - Wörter:

Ihre Haut schien unter seiner Berührung leicht zu beben, ein kaum wahrnehmbares Zittern, das ihn für einen Herzschlag innehalten ließ. War es ein Reflex, eine unwillkürliche Reaktion? Oder war es Teil des sorgfältig einstudierten Schauspiels dieses Ortes? Er fragte nicht nach. Er wollte es nicht wissen. Ehrlichkeit lag nicht in seiner Erwartung – nicht in einem Etablissement wie diesem. Tiefe Gefühle, echte Zuneigung – solche Dinge hatten in seinem Leben keinen Platz gefunden. Er hatte sich nie damit auseinandergesetzt, nie die Notwendigkeit verspürt, diese fremden Empfindungen zu ergründen. Warum auch? Sie waren für ihn wie ein ferner Sturm am Horizont – beeindruckend, vielleicht sogar bedrohlich, doch niemals nah genug, um ihn wirklich zu erreichen. Und so ließ er sich treiben, in diesem Moment zwischen Licht und Schatten, wo die Wahrheit keine Rolle spielte.
Er ließ ihre Bewegung gewähren, ohne Einwand. Das warme Licht der Kerze spiegelte sich in ihren Augen, die ihn mit einem Funken durchdrangen, den er nicht deuten konnte – war es Stolz, Trotz, oder schlicht die Widerspiegelung eines Willens, der sich nicht leicht beugen ließ? Caeus spürte, wie ein schwaches Lächeln seine Lippen umspielte, ein Ausdruck, der weniger Spott als vielmehr leises Interesse verriet. „Und Ihr habt einen eigenwilligen Geist.“, murmelte er schließlich als Antwort, seine Stimme tief und fast vertraulich. „Das sieht man nicht oft.“ Er wollte keine Erwiderung darauf. Nicht in Worten, zumindest. Ihr Schweigen, ihre Haltung – das alles war ihm schon Antwort genug. Es ging nicht darum, die Wahrheit zu kennen. Es ging um das Spiel, das unausgesprochene Zwiegespräch zwischen Blicken und Gesten.
Ein schwaches Lächeln zupfte an den Mundwinkeln des Valerius, kaum zu erkennen, doch warm wie das Aufflackern einer Glut. „Ihr habt recht.“, sagte er mit gespieltem Ernst. „Die Augen einer Frau können gefährlich sein. Sie könnten einen Mann dazu bringen, Dinge zu tun, die er später bereut. Oder… Dinge, die er schon lange tun wollte.“, er hielt ihren Blick mit einer Ruhe, die verriet, dass er durchaus bereit war, sich auf ihr Spiel einzulassen – oder die Regeln nach seinem Willen zu biegen.
Caeus’ Atem war ruhig, doch tief in ihm zog sich etwas zusammen, als ihre Hände die letzte Schicht Stoff beiseite legten. Er spürte die Hitze des Raumes, die unnachgiebig über seine Haut strich, doch es war nicht die Hitze, die ihn störte. Es war das Wissen, wie verletzlich er jetzt wirkte – entblößt in einer Weise, die keine Rüstung oder ein kalkulierter Blick verbergen konnte.
Sein Blick kehrte zu ihren Händen zurück, die sich mit sicherer Routine bewegten, und dann weiter zu ihrem Gesicht. Er konnte es nicht lesen. Vielleicht war das ein Segen, vielleicht ein Fluch. Die Narben auf seinem Körper waren ein stilles Testament an die Schlachten, die er überlebt hatte, an die Qualen, die er ertragen hatte – und an die Männer, die weniger Glück gehabt hatten. Für manche waren sie ein Zeichen von Stärke. Für andere – für die meisten – ein Grund, die Augen abzuwenden.
Ein Schatten glitt über sein Gesicht, kaum sichtbar, als seine Gedanken ihn an einen Ort zogen, den er längst begraben hatte. Er erinnerte sich an den Ausdruck von Abscheu, den er einmal bei einer anderen Frau gesehen hatte, als sie ihre Hand über die ausgefransten Linien seiner Haut gezogen hatte. Nicht einmal das dämmrige Licht hatte sie damals von ihrem Unbehagen befreien können. Und doch... hier war kein Zögern. Kein erzwungenes Mitgefühl. Es war, als wären die Narben unsichtbar. Das war fast noch beunruhigender.
Er schloss kurz die Augen, ließ einen tiefen Atemzug entweichen und zwang sich, die aufkommenden Gedanken in die Tiefen seines Geistes zurückzudrängen. Was spielte es für eine Rolle, was sie dachte? Ihre Meinung – wie die der anderen – hatte keine Bedeutung. Das hatte sie nie. Aber trotzdem... trotzdem verweilte er in dem Moment.
Seine Stimme brach die Stille, rau und leise: „Es ist seltsam, nicht wahr? Wie viele Geschichten auf einer Haut stehen können – und doch niemand sie zu lesen wagt.“, die Worte waren mehr für ihn selbst als für sie bestimmt, ein beiläufiger Gedanke, der sich durch die Stille schob wie ein Messer durch dichtes Gewebe.
Das Wasser schloss sich wie ein stilles Versprechen um seinen Körper, linderte die Schmerzen, die ihn wie alte Gefährten begleiteten. Die Hitze kroch in seine Glieder, löste die Anspannung, die er selbst in Momenten der Ruhe selten vollständig ablegte. Caeus’ Blick verließ sie nicht. Es war nicht nur das, was er sah, sondern auch das, was er nicht sehen konnte. Ihre Gestalt, umhüllt von dem feinen Stoff, war für ihn wie ein Versprechen, das noch nicht eingelöst war. Der Raum zwischen ihnen schien sich mit einer intensiven Spannung zu füllen, die mehr war als bloße Neugier. „Ich möchte Euch sehen.“
Die Worte fielen leise, doch sie hatten mehr Gewicht als jeder Befehl. Es war kein Begehren, das in ihm brannte, sondern etwas anderes, das er kaum in Worte fassen konnte. Ein Drang, die Hülle zu durchdringen, die sie umgab, die Schichten zu lüften, die sie zu einem Mysterium machten.
