08-12-2024, 08:47 - Wörter:
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 08-12-2024, 15:40 von Naila Castellanos.)
And she carves her Hips into mine
like she's an Artist and I'm something holy.

Das behaupteten nicht nur die gebürtigen Castandorier einerlei, sondern auch alle Glücklichen, die einmal zu einer Hochzeit geladen wurden oder von ihrem Gästezimmer aus hatten beobachten dürfen, wie die Feierlichkeiten bei Feuer und freiem Himmel bis in die späten Morgenstunden reichten. Über Hochzeiten wurden Kriegsbeile vergraben, alte Konflikte beiseite gelegt und Fremde behandelten sich wie Familie - eine Seltenheit in der Großstadt, wo manche nicht einmal die Namen der Nachbarn wussten. Dabei machte es keinen Unterschied, ob man direkt an der Hochzeit teilnahm oder sich nur den vielen Feiern in der gesamten Hauptstadt anschloss, die organisiert wurden, wann immer es etwas Großes zu feiern gab - wie etwa der Bund von zwei Königsfamilien. Manch einer behauptete sogar, dass das einfache Volk dem Adel etwas voraus hatte. Sie kannten keine Grenzen, wenn es ums Feiern ging. Man zwängte sie in keine soziale Norm, die sie davon abhalten würde, den Körper im Rhythmus eines Fremden zu wiegen und mit dem Voranschreiten der Nacht mehr und mehr Kleider zu verlieren. Getanzt wurde, bis die Füße durch die Sohlen den Boden küssten und das Haar wallend über nackte Schultern fiel. Musiziert wurde mit Lyra und Tambourin von jedem, der die Instrumente in die Finger bekam, gesungen und gelacht. Das Lachen besonders schallte aus allen Ecken der Hauptstadt, aber nur ein Lachen füllte den Marktplatz mit Leben. Die Marsili-Schwestern standen inmitten des Geschehens und sie teilten sich das Lachen, das den Himmel noch ein wenig heller scheinen ließ.
Mit solchen Feiern ging Aurelia auf. Sie konnte sich über ihre Heimat beschweren, so viel sie wollte, aber wenn sie umgeben von Menschen war, Familie, Freunde, Bekannte und Fremde gleichermaßen, dann strahlte sie von innen heraus, als würde ihre Lebensenergie von all den Seelen gefüttert, die sie in ihrer Mitte Willkommen hießen. Sie stand gerne in der Mitte. Sie wurde gerne bejubelt, wenn sie den Musikanten dazu anhielt, ein fröhliches Lied anzustimmen, auf das sie singen konnte. Ihr Rock bauschte auf, wenn sie sich drehte und längst hatte sie die Brosche verloren, die den Stoff über ihrer rechten Schulter zusammenhielt. Immer wieder nahm sie die Becher mit tiefroter Flüssigkeit von bekannten und unbekannten Gesichtern an, bis sich alles in einer angenehmen Geschwindigkeit drehte - oder vielleicht kam das auch von den Drehungen, während sie lachend in die Arme von einem Seemann zum anderen stolperte.
Auch trug sie auf ihren Lippen mehrere Geschmäcker. Der pudrige Geschmack des Lippenstiftes war längst verflogen, so wie die Hemmungen des frühen Abends mit dem rauchigen Alkohol, der regelmäßig ihre Lippen benetzte. Dann war da der Seemann aus Farynn gewesen mit dem roten Haar. Und der sommerländische Soldat, der sie herumgewirbelt und zu sich gezogen hatte in dem schönsten Tanz schneller Herzschläge. Aurelias Vater drückte ein Auge zu, so wie jeder Vater und jeder Ehemann in der Hauptstadt - ein unausgesprochenes Gesetz, das unter den Augen von Heofader gebogen wurde, solange es nur keine Langzeitfolgen hinterließ. Solange das Feuer brannte, war alles erlaubt.
Lachend und außer Puste strauchelte Aurelia aus der tanzenden Menge heraus, ihre Haare ein einzelner Wildfang im Schein der Flammen, schwer über das nackte Dekolletee fallend, wo sich ihr Stoff noch an den letzten Halt klammerte. Während sie notdürftig den Stoff über ihre Schulter warf, suchten leuchtende Augen nach einem bekannten Gesicht. Ah, bitte. Gleich zwei, die sie kannte.
“Huh, ich glaub meine Füße fallen gleich ab.” Etwas abseits der Feier - abseits genug, um sich zu sammeln und eine Auszeit zu nehmen - fand sie natürlich Skadi, auch wenn sie hätte schwören können, dass sie vor zwei Minuten noch unter den Feiernden gewesen war. Leichtfüßiger, als sie sich fühlte, schwang sie sich neben sie auf die kleine Mauererhebung, ließ sich dann aber sichtbar dramatisch nach hinten ins Gras fallen. “Ich bin echt keine 20 mehr. Wie haben wir das früher nur gemacht?” Es war Beschweren auf hohem Niveau, waren ihre Worte doch immer noch gespickt mit einem freien, sorgenlosen Lächeln, während sie versuchte, die Sterne über sich zu fokussieren. Scheinbar ins Nichts schien sie schließlich zu winken, dabei wusste sie genau, wen sie ebenfalls in den Halbschatten gesehen hatte: Deswegen rief sie gleich: “Caeus! Komm kurz her.” Ihr Kopf rollte zur Seite, wo sich ihr Haar um sie verteilt hatte wie ein Kranz, und mit einem Grinsen beobachtete sie den Söldner, wie er ihrem Rufen folgte. “Und? Ist dein erstes Mal auf einer Hochzeit hier, nicht?” Dass ihr Rock verrutschte, als sie ihre Beine anwinkelte und ihre Füße auf die Mauer stemmte, das kam ihr natürlich nicht in den Sinn.