06-06-2025, 07:38 - Wörter:

“Hier”
, reichte sie Caeus den halbvollen Becher, nachdem sie zu ihm aufgeschlossen hatte und auf gleicher Höhe lief. “Dann bin ich gespannt, was dein altes Gehirn noch alles behalten hat.”
Sie meinte es doch nicht so. Aurelia hatte immer einen frechen Spruch auf den Lippen, an der Grenze zur Provokation, aber wenn sie schon so weit ab ihres normalen Alkoholpegels war, konnte man es ihr ja kaum übel nehmen, oder? Mit leichten, federnden Schritten hielt sie mit dem Tempo des Älteren mit, wobei sie weitaus mehr in Bewegung schien als seine robuste, vom Kampf geformte Gestalt. Gleichzeitig hatte sie sehr viel weniger Aufmerksamkeit übrig für ihre Umgebung, mit dem natürlichen Vertrauen einer Stadtbewohnerin, die hier geboren und ihr ganzes Leben hier verbracht hatte. Die Weggabelung erkannte sie zum Beispiel, an den Gebäuden, die sich in warmem Licht um die Straße schmiegten, und der Beschaffenheit des Bodens, warte… Hatte sie eine Sandale verloren??Was war das auch für eine Frage, die Caeus ihr da stellte - sicher keine, mit der sie sich heute aktiv auseinandergesetzt hatte, und auch nicht das Bedürfnis hatte, das zu ändern. Mit großen Augen erwiderte sie seinen Blick, die Lippen nur einen Spalt geöffnet, als würde sie mehr an seinem Gesicht hängen als an seinen Worten. Vertraust du mir?
“Ach Caeus.”
Tatsächlich ließ sie sich von ihm abhängen; etwa fünf Schritte, ehe ihr Rock raschelte und sie wieder zu ihm aufschloss. “Caeus Velarius.”
In seinem Namen lag eine Selbstverständlichkeit, ein Ist das nicht glasklar, ob ich dir vertraue?, und tatsächlich stand es ihr regelrecht ins Gesicht geschrieben. Da Aurelia nicht ganz so sicher auf den Füßen war wie er, schob sich eine Hand um seinen Arm, während die andere ihn sachte berührte wie eine Bestätigung, dass er hier war - eine Bestätigung, dass er real war. “Ich schließe jetzt die Augen. Wenn ich falle, ist das deine Schuld.”
Und weil er sie sowieso nicht aufhalten konnte, tat sie genau das. Mit einem weichen Lächeln im Gesicht und der neuerlichen Erkenntnis, dass sie tatsächlich eine Sandale verloren hatte, begrüßte sie die schwere Dunkelheit und ließ sich blind von ihm führen.