08-06-2025, 09:07 - Wörter:
Dankend nahm Caeus den Becher entgegen und trank einen großen Schluck. Der Wein war fremd, aber gut – und für einen Söldner wie ihn zählte ohnehin mehr der Moment als der Geschmack. In all den Jahren hatte er gelernt, sich an vieles zu gewöhnen: an den schweren, herben Met des Winterlandes ebenso wie an den süßen sommerlichen Wein und all die zweifelhaften Gebräue dazwischen.
Ihr Kommentar über sein Alter entlockte ihm ein schiefes Schmunzeln. In der Tat war seine Zeit in Castandor lange vergangen – mehr als zwanzig Jahre, wenn er sich recht erinnerte. Doch manche Gassen dieser Stadt schienen der Zeit zu trotzen. Und jenes Haus, das er nun ansteuerte, würde vermutlich noch stehen, wenn sie alle längst zu Staub geworden waren. "Vom Alter kannst du noch was lernen", konterte er trocken, ein leises Schnauben in seiner Stimme. Nicht beleidigt – eher amüsiert über die Selbstverständlichkeit, mit der junge Menschen glaubten, alles läge noch vor ihnen.
Die Gasse, durch die sich Caeus schob, schien die Nacht in eine andere Art Dunkelheit zu hüllen – dichter, schwerer. Für einen Moment war Aurelias Schritt hinter ihm verstummt, und ohne ihre Präsenz wirkte der schmale Durchgang beinahe wie ein vergessener Ort. Kein Licht hinter den geschlossenen Fensterläden. Stoffbahnen, noch immer zwischen den Häusern gespannt, verdunkelten den Himmel und ließen den Söldner unter ihnen wie durch einen Tunnel gehen – in eine Welt, die ihn seltsam vertraut empfing. Ein Hauch von Heimat, dachte er. Nicht im eigentlichen Sinn, aber in jenem kalten, nüchternen Gefühl, das sich in der Brust ausbreitete, wenn man wusste, dass man all das hinter sich gelassen hatte. Hier, wo man mit dem Rücken bereits zur Wand stehen musste – hier fühlte sich sein Instinkt lebendig.
Dann trat Aurelia wieder an seine Seite, und ihre Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass sie ihm vertraute. Vielleicht mehr, als sie sollte. Ein schiefer Zug spielte um seine Lippen. Verrückt. Sie kannten sich. Ja. Doch nicht gut genug, um zu wissen, was er getan hatte, was er tun würde – nur um einen Auftrag zu erfüllen, oder schlicht, um zu überleben. Sie kannte nicht den Caeus, der keine Fragen stellte, wenn das Gold stimmte. Der gelernt hatte, sich selbst zu retten – und dabei oft genug über Leichen ging. Und trotzdem war sie hier. Neben ihm. Mit diesem Ton in der Stimme. Er warf ihr einen Seitenblick zu, ehe sein Blick wieder nach vorn glitt – dorthin, wo die Schatten dichter wurden. "Keine Sorge, der alte Mann hat noch ein paar Reflexe und fängt dich auf wenn du fällst.", erwiderte er Kopfschüttelnd und legte eine Hand auf die, die an seinem Arm ruhte.
Er führte sie wortlos weiter, bog noch zwei Mal in enge Seitenwege ab, bis sich die Gasse schließlich öffnete. Dann blieb er stehen – so plötzlich, dass Aurelia unweigerlich ebenfalls innehalten musste. Vor ihnen erhob sich das alte Gebäude, das sich wie ein dunkler Schatten gegen den Nachthimmel abzeichnete. Eine Kathedrale, zumindest der Form nach. Ihre Türme ragten stumm in die Höhe, das Mauerwerk trug die Narben von Jahrzehnten, vielleicht Jahrhunderten.
Caeus hob den Blick. Da war sie wieder, diese stille Ehrfurcht, die ihn in den seltensten Momenten überkam. Nicht vor Göttern – an die hatte er nie recht geglaubt. Sondern vor der Zeit. Vor dem, was geblieben war, obwohl so vieles gegangen war. "Als Jungs sind wir da raufgeklettert", murmelte er, mehr zu sich selbst als zu ihr. Ein kaum hörbares Lächeln ließ seine Stimme für einen Wimpernschlag weicher klingen. "Bis zum Glockenbalken. Wer zuerst oben war, hat den anderen die Woche über das Bier gezahlt." Er nickte vage nach oben, als könne er den Weg mit bloßem Blick noch erkennen. Damals war das Klettern ein Spiel gewesen, eine Mutprobe – heute würde er es sich sparen. Nicht nur, weil seine alten Verletzungen anders sprachen, sondern weil der Reiz des Spiels nicht mehr derselbe war. Dann wandte er sich ihr zu, musterte sie einen Moment im Zwielicht. "Willst du sehen, was man von dort oben sieht?"
Ihr Kommentar über sein Alter entlockte ihm ein schiefes Schmunzeln. In der Tat war seine Zeit in Castandor lange vergangen – mehr als zwanzig Jahre, wenn er sich recht erinnerte. Doch manche Gassen dieser Stadt schienen der Zeit zu trotzen. Und jenes Haus, das er nun ansteuerte, würde vermutlich noch stehen, wenn sie alle längst zu Staub geworden waren. "Vom Alter kannst du noch was lernen", konterte er trocken, ein leises Schnauben in seiner Stimme. Nicht beleidigt – eher amüsiert über die Selbstverständlichkeit, mit der junge Menschen glaubten, alles läge noch vor ihnen.
Die Gasse, durch die sich Caeus schob, schien die Nacht in eine andere Art Dunkelheit zu hüllen – dichter, schwerer. Für einen Moment war Aurelias Schritt hinter ihm verstummt, und ohne ihre Präsenz wirkte der schmale Durchgang beinahe wie ein vergessener Ort. Kein Licht hinter den geschlossenen Fensterläden. Stoffbahnen, noch immer zwischen den Häusern gespannt, verdunkelten den Himmel und ließen den Söldner unter ihnen wie durch einen Tunnel gehen – in eine Welt, die ihn seltsam vertraut empfing. Ein Hauch von Heimat, dachte er. Nicht im eigentlichen Sinn, aber in jenem kalten, nüchternen Gefühl, das sich in der Brust ausbreitete, wenn man wusste, dass man all das hinter sich gelassen hatte. Hier, wo man mit dem Rücken bereits zur Wand stehen musste – hier fühlte sich sein Instinkt lebendig.
Dann trat Aurelia wieder an seine Seite, und ihre Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass sie ihm vertraute. Vielleicht mehr, als sie sollte. Ein schiefer Zug spielte um seine Lippen. Verrückt. Sie kannten sich. Ja. Doch nicht gut genug, um zu wissen, was er getan hatte, was er tun würde – nur um einen Auftrag zu erfüllen, oder schlicht, um zu überleben. Sie kannte nicht den Caeus, der keine Fragen stellte, wenn das Gold stimmte. Der gelernt hatte, sich selbst zu retten – und dabei oft genug über Leichen ging. Und trotzdem war sie hier. Neben ihm. Mit diesem Ton in der Stimme. Er warf ihr einen Seitenblick zu, ehe sein Blick wieder nach vorn glitt – dorthin, wo die Schatten dichter wurden. "Keine Sorge, der alte Mann hat noch ein paar Reflexe und fängt dich auf wenn du fällst.", erwiderte er Kopfschüttelnd und legte eine Hand auf die, die an seinem Arm ruhte.
Er führte sie wortlos weiter, bog noch zwei Mal in enge Seitenwege ab, bis sich die Gasse schließlich öffnete. Dann blieb er stehen – so plötzlich, dass Aurelia unweigerlich ebenfalls innehalten musste. Vor ihnen erhob sich das alte Gebäude, das sich wie ein dunkler Schatten gegen den Nachthimmel abzeichnete. Eine Kathedrale, zumindest der Form nach. Ihre Türme ragten stumm in die Höhe, das Mauerwerk trug die Narben von Jahrzehnten, vielleicht Jahrhunderten.
Caeus hob den Blick. Da war sie wieder, diese stille Ehrfurcht, die ihn in den seltensten Momenten überkam. Nicht vor Göttern – an die hatte er nie recht geglaubt. Sondern vor der Zeit. Vor dem, was geblieben war, obwohl so vieles gegangen war. "Als Jungs sind wir da raufgeklettert", murmelte er, mehr zu sich selbst als zu ihr. Ein kaum hörbares Lächeln ließ seine Stimme für einen Wimpernschlag weicher klingen. "Bis zum Glockenbalken. Wer zuerst oben war, hat den anderen die Woche über das Bier gezahlt." Er nickte vage nach oben, als könne er den Weg mit bloßem Blick noch erkennen. Damals war das Klettern ein Spiel gewesen, eine Mutprobe – heute würde er es sich sparen. Nicht nur, weil seine alten Verletzungen anders sprachen, sondern weil der Reiz des Spiels nicht mehr derselbe war. Dann wandte er sich ihr zu, musterte sie einen Moment im Zwielicht. "Willst du sehen, was man von dort oben sieht?"