12-07-2025, 06:32 - Wörter:

Und dann war da dieser Kitzel in ihrem Rücken, die Gewissheit, dass ihr Jäger keine drei Schritte hinter ihr war, sie im Inbegriff, seinen Atem zu spüren. Es war genau diese Art von Nervenkitzel, die Frage des Vielleichts, die ihr den Ansporn gab, ihren Rock höher zu raffen und schneller zu laufen. Dass sie zur Jagenden und er zum Gejagten werden würde, sobald er aufgeholt hatte, würde sie nicht zulassen. Auch wenn die kühle Luft in ihrer Lunge brannte und sie nach dem stundenlangen Tanzen eigentlich keine Energie mehr dafür hatte. Auch, wenn ihre Oberschenkel protestieren, kaum dass sie die ersten Stufen doppelt nahm, um ihre Geschwindigkeit beizubehalten. Das Lachen, ein unkontrollierbares Beiprodukt, klang nach dreißig Stufen nunmehr atemlos, doch die Gewissheit ihres Schattens trieb sie weiter. Die kühle Luft, vom Gemäuer gefangen und mit Feuchtigkeit durchzogen, war eine angenehme Abkühlung für ihre glühende Haut, konnte sie aber nicht davon abhalten, langsamer zu werden. Bei Heofader, sie war nicht für sowas gemacht, doch ihr Stolz trieb sie weiter, die Voraussicht, dass sie ihm noch eine Sekunde länger entwischen konnte und-
Aurelia quietschte, ein hoher, spitzer, kurz geratener Laut durch ihre Atemlosigkeit herbeigeführt, während sie der unweigerlich Präsenz hinter sich auswich und den Arm nach vorne riss, welcher der flüchtigen Berührung zum Opfer geworden war. Längst waren ihre Bewegungen nicht mehr schnell und präzise, sondern mitunter nur noch von der Verzweiflung angetrieben, es vor ihm bis nach oben zu schaffen. Doch ihre Beine trugen keine Kraft mehr, waren zu schwer und in ihr brannte jeder einzelne Atemzug so intensiv, dass sie Eisen schmeckte. Aber sie war zu dickköpfig, um aufzugeben, und nun, wo sie Caeus definitiv hinter sich wusste, breitete sie ihre Arme zu den schmalen Wänden aus, um ihn am Überholen zu hindern. Nicht so kurz vor dem Ziel. Nicht, wo sie endlich ihre Hand nach der geschlossenen Tür ausstrecken konnte, das atemlose Lachen ihr gerötetes Gesicht erleuchtend, ihre Haare vollkommen ungebändigt halb in ihrem Gesicht, halb über ihrem Rücken zum Liegen kommend. Jetzt, wo sie eine flache Hand auf das Holz legte und eine um den Griff, schob sie ihre Hüfte zurück, um Caeus mit ihrem Körper zu blockieren und ihn daran zu hindern, sich an ihr vorbei zu schieben. Heofaders Zeh würde sie dafür opfern, um ihren Sieg nicht zu verschenken, und einmal noch, geübt durch all die Kämpfe mit ihrem besten Freund und ihrer Schwester, verteidigte sie ihren Besitzanspruch an die Tür, ehe sie am Griff zog und durch den Spalt hindurch schlüpfte.
Vermutlich hatte er sie gewinnen lassen, doch das war Aurelia egal, als sie auf die freie Fläche stolperte und eine Hand auf ihre Brust legte, die wild auf und ab ging. Der Stoff an beiden Schultern war nach unten gerutscht und hielt sich halb an ihrem Dekolletee, halb an ihren Armen, generell eher halb als ganz. Sie strauchelte bis zum Gemäuer, an dem sie sich abstützte und versuchte, zu Atem zu kommen. Erst dann fiel ihr auf, dass sie nicht im Glockenturm gelandet waren, sondern die Fläche sich in die Länge streckte, bis sie in einer weiteren Tür auf der anderen Seite endete. Ah, ups. Über ihnen waren zwei Golem-Drachen in Stein gehauen und überblickten die Stadt geduldig, ruhig, in ewiger Wachsamkeit. Hätte die Tavernentochter in diesem Augenblick einen Blick das Schöne, hätte sie sich wahrscheinlich ewig an den präzise ausgearbeiteten Spitzbögen aufhalten können - doch ihr sich drehender Kopf hatte nur Platz für einen Mann, und für eine Herausforderung, die sie ja wohl ganz klar gewonnen hatte.
“Also-... alter Mann”
, begann sie und auch, wenn ihre Wangen gerötet und ihr Haar ungeordnet war, stach der Schalk aus ihren Augen. “Ist der Ausblick immer noch der Gleiche?”
Ausladend deutete sie auf die Stadt, die sich vor ihnen in all ihrer Schönheit streckte. Aurelia verstand schon, warum der ganze Adel seine Schlösser so hoch baute; wenn man hier oben stand, roch man den groben Geruch der Straße nicht.