13-07-2025, 17:40 - Wörter:
Amira kam gar nicht auf den Gedanken, dass sich in den vorderen Seiten womöglich noch viel privatere Gedanken lesen lassen würden, weil ihr wohl der Zugang dazu fehlte. Das Schreiben und Lesen war so sehr eine Fähigkeit der Elite, dass es nicht nur nicht von ihr verlangt war, sondern sie abseits davon keine Notwendigkeit darin sah. Nie käme sie wohl auf die Idee, dass es so etwas wie ein Tagebuch gäbe, weil niemand verriet, eines zu besitzen, und ihr bis jetzt nie zugestanden war, etwas wirklich alleine für sich zu haben. Alles, was man sehen und angreifen konnte, war Besitz des Königshauses gewesen und nur ihre Gedanken hatte sie für sich alleine gehabt, privat verschließen und wahren können und wäre ihr jemals der Sinn gekommen, diese aufschreiben zu wollen, würden sie in ihren Augen den Besitzer wechseln. Geheimnisse blieben nur so lange geheim, wie sich nichts davon in der Welt finden lassen könnte; auch nichts Schriftliches.
Und doch war es nun anders. Der Name, der so tadelnd gerade eben noch ausgesprochen worden war, schien nun verewigt auf diesem Pergament. Ihre Annäherung war doch gar nicht in diesem aufreizenden Sinn gemeint gewesen, als dass er hier um ein Attentat auf seine Ehre fürchten müsste, und deswegen wohl hatte sie sich auch nicht beirren lassen, auf seinem Schoß Platz zu nehmen. Es war zwar alles andere als selbstverständlich, aber irgendwie… gehörte es doch dazu. Bei dem anderen sein, sich nach wie vor aneinander gewöhnen, Nähe akzeptieren, Dinge zu teilen… ja, Amira suchte auf jede erdenkliche Weise den Kontakt und wenn es eben nur darum ging, die Erlaubnis zu erhalten, bei ihm zu sein. Wollte er das, würde sie schweigen und sicherlich auch gehen, wenn er es befahl- aber es würde sie betrüben akzeptieren zu müssen, dass ihr Wunsch nach Zweisamkeit ein einseitiges Bedürfnis darstellte.
Aber nun war er eben da: ihr Name. Und ihre freie Hand schob sich über das Pergament langsam nach oben, bis sie die schnell getrocknete Tinte vorsichtig mit ihrem Zeigefinger berühren konnte, um die geschwungenen und gleichmäßigen Buchstaben nachzuzeichnen. „Du hast mich verewigt“, entkam ihr und im gleichen Moment, schämte sie sich fast dafür es ausgesprochen zu haben. Als wäre es so eine große Sache, dass ihr Name einmal wo geschrieben stand, als würde dieses Pergament überdauern, als würde es in den Erzählungen der großen Männer Platz für jemanden wie sie geben. Ja, sie war seine Frau und seinen Namen würde man noch Generationen später kennen, wenn er das matariyyanische Heer in den Sieg geführt hatte, doch sie würde man in Erzählungen über ihn selbst dann nicht finden, wenn sie ihm gesunde Söhne schenkte.
Da warf sie ihm einen kurzen Blick über ihre Schulter zu, wie als erwarte sie weiteren Tadel darüber, so einen törichten Gedanken zu haben. Doch war es überhaupt ihr Wunsch? Ilyas Aufforderung war für sie alles andere als einfach und ihr Blick sprach davon, wie es in ihrem Inneren zwischen Unsicherheit und Klarheit wankte. Da war es wirklich leichter, den eigenen Gedanken zuzuhören, wenn sie ihm nicht dabei in die braunen Augen sah, sondern sich wieder zu dem Papier herum drehte. Viel lieber war es, in dieser Umarmung seiner Arme zu verschwinden, wie es einst beim Ritt des Abends der Hochzeit geschehen war, und auf den Federkiel zu sehen, der in ihrer beider Finger lag. Auch wenn ihre Hand in seiner verborgen war, wären es seine Bewegungen, welche die Buchstaben zum Leben erwecken würden, und sie ließ sich dabei führen, dass es ihr die Illusion gäbe, sie könne diese schöne Schreibschrift kopieren.
„Ich glaube, diese Reise ist einer meiner Träume. Ich wollte immer ein Abenteuer erleben und wissen, wie so etwas ist. Ich kenne die Geschichten von Händlern oder Gesandten über Landschaften, so ganz anders als unsere Wüste. Nie hätte ich gedacht, dass meine Ehe eines Tages mit einem Abenteuer beginnen wird“, schmunzelte sie sachte und noch mehr, als sie die gesprochenen Worte so deutlich vor sich auf dem Pergament sehen konnte. Es fühlte sich merkwürdig an, das Gedachte und Gesprochene auf diese Weise vor Augen zu haben. Als würden die Worte damit nur noch mehr Wahrheit besitzen. Zaghaft senkte sich ihr Blick, auch wenn er es nicht sehen konnte, und sie zog ihre freie Hand vom Tisch zurück auf ihren Schoß. „Ich wünsche mir, geliebt zu werden. Ich hoffe darauf, dass du mich irgendwann lieben wirst und dass du es mir erlaubst, dich zu lieben. Ich wünsche mir, dass du nicht in die Schlacht ziehen musst, und wir beide wohlbehalten nachhause zurückkehren werden. All die anderen Wünsche… neue Speisen zu kosten, neue Stoffe zu sehen, neue Worte zu hören, neue Tänze zu lernen… diese Dinge haben nur dann wert für mich, wenn ich sie mit dir teilen kann.“
Da war es an ihr einen Moment tiefer auszuatmen und doch sah sie nicht zurück, sondern ließ ihren Blick auf den dazu kommenden Buchstaben liegen, als würde sie viel eher zu sich selbst sprechen, als zu der einzigen Person, die Einfluss auf all die Wünsche nehmen könnte. Doch selbst ein Ilyas konnte weder seine noch ihre Gefühle befehligen, konnte seine Rolle in dem Krieg nicht ändern und wollte es womöglich nicht einmal. Es waren weibische Wünsche und womöglich beleidigte sie ihn gar damit, sich auf diese Weise um seine Sicherheit zu sorgen. „Ich wünsche mir, ich könnte die Frau sein, die dein Rang verdient. Manches Mal träumte ich davon, wie es wäre, eine Hochwohlgeborene zu sein. Doch ich wäre keine gute Frau hohen Standes“, fügte sie an und deutete ein Kopfschütteln an, als wolle sie den Gedanken gleich wieder vertreiben. „Ich würde mit meinen Dienern an einem Tisch sitzen und speisen, die Überreste auf der Straße verteilen, meine Tore offen halten, um Obdach zu bieten, Land zur Verfügung stellen, dass es frei bewirtschaftet werden könnte…“
Ein leises Lachen, sicherlich anerzogen und doch verlegen, während sie gleichzeitig ihren Rücken ein wenig mehr an seine Brust lehnte, als könne sie sich darin verstecken, ob der Torheit, die sie hier von sich gab. „Heofader tat gut daran, mich nicht zu einer adeligen Frau zu machen. So muss kein Hofstaat meinen törichten Ideen Einhalt gebieten, sondern nur du, mein armer Ehemann.“ Da legte sie ihren Kopf nach hinten an seine Schulter und blinzelte seitlich zu ihm auf, aber beinahe schon wieder erheitert, um die Wahrheit in ihren Wünschen zu verbergen. „Ich gab dir mein Versprechen, nichts zu tun, was deine Ehre beleidigen wird, und dieses werde ich halten. Ich trage deinen Namen, Ilyas“, und so selten wie der Name ausgesprochen worden war, klang er immer noch wundervoll in ihren Ohren, „dieses Blatt bezeugt es, und nie soll wegen mir ein schlechtes Wort mit deinem Namen verbunden sein.“
Und doch war es nun anders. Der Name, der so tadelnd gerade eben noch ausgesprochen worden war, schien nun verewigt auf diesem Pergament. Ihre Annäherung war doch gar nicht in diesem aufreizenden Sinn gemeint gewesen, als dass er hier um ein Attentat auf seine Ehre fürchten müsste, und deswegen wohl hatte sie sich auch nicht beirren lassen, auf seinem Schoß Platz zu nehmen. Es war zwar alles andere als selbstverständlich, aber irgendwie… gehörte es doch dazu. Bei dem anderen sein, sich nach wie vor aneinander gewöhnen, Nähe akzeptieren, Dinge zu teilen… ja, Amira suchte auf jede erdenkliche Weise den Kontakt und wenn es eben nur darum ging, die Erlaubnis zu erhalten, bei ihm zu sein. Wollte er das, würde sie schweigen und sicherlich auch gehen, wenn er es befahl- aber es würde sie betrüben akzeptieren zu müssen, dass ihr Wunsch nach Zweisamkeit ein einseitiges Bedürfnis darstellte.
Aber nun war er eben da: ihr Name. Und ihre freie Hand schob sich über das Pergament langsam nach oben, bis sie die schnell getrocknete Tinte vorsichtig mit ihrem Zeigefinger berühren konnte, um die geschwungenen und gleichmäßigen Buchstaben nachzuzeichnen. „Du hast mich verewigt“, entkam ihr und im gleichen Moment, schämte sie sich fast dafür es ausgesprochen zu haben. Als wäre es so eine große Sache, dass ihr Name einmal wo geschrieben stand, als würde dieses Pergament überdauern, als würde es in den Erzählungen der großen Männer Platz für jemanden wie sie geben. Ja, sie war seine Frau und seinen Namen würde man noch Generationen später kennen, wenn er das matariyyanische Heer in den Sieg geführt hatte, doch sie würde man in Erzählungen über ihn selbst dann nicht finden, wenn sie ihm gesunde Söhne schenkte.
Da warf sie ihm einen kurzen Blick über ihre Schulter zu, wie als erwarte sie weiteren Tadel darüber, so einen törichten Gedanken zu haben. Doch war es überhaupt ihr Wunsch? Ilyas Aufforderung war für sie alles andere als einfach und ihr Blick sprach davon, wie es in ihrem Inneren zwischen Unsicherheit und Klarheit wankte. Da war es wirklich leichter, den eigenen Gedanken zuzuhören, wenn sie ihm nicht dabei in die braunen Augen sah, sondern sich wieder zu dem Papier herum drehte. Viel lieber war es, in dieser Umarmung seiner Arme zu verschwinden, wie es einst beim Ritt des Abends der Hochzeit geschehen war, und auf den Federkiel zu sehen, der in ihrer beider Finger lag. Auch wenn ihre Hand in seiner verborgen war, wären es seine Bewegungen, welche die Buchstaben zum Leben erwecken würden, und sie ließ sich dabei führen, dass es ihr die Illusion gäbe, sie könne diese schöne Schreibschrift kopieren.
„Ich glaube, diese Reise ist einer meiner Träume. Ich wollte immer ein Abenteuer erleben und wissen, wie so etwas ist. Ich kenne die Geschichten von Händlern oder Gesandten über Landschaften, so ganz anders als unsere Wüste. Nie hätte ich gedacht, dass meine Ehe eines Tages mit einem Abenteuer beginnen wird“, schmunzelte sie sachte und noch mehr, als sie die gesprochenen Worte so deutlich vor sich auf dem Pergament sehen konnte. Es fühlte sich merkwürdig an, das Gedachte und Gesprochene auf diese Weise vor Augen zu haben. Als würden die Worte damit nur noch mehr Wahrheit besitzen. Zaghaft senkte sich ihr Blick, auch wenn er es nicht sehen konnte, und sie zog ihre freie Hand vom Tisch zurück auf ihren Schoß. „Ich wünsche mir, geliebt zu werden. Ich hoffe darauf, dass du mich irgendwann lieben wirst und dass du es mir erlaubst, dich zu lieben. Ich wünsche mir, dass du nicht in die Schlacht ziehen musst, und wir beide wohlbehalten nachhause zurückkehren werden. All die anderen Wünsche… neue Speisen zu kosten, neue Stoffe zu sehen, neue Worte zu hören, neue Tänze zu lernen… diese Dinge haben nur dann wert für mich, wenn ich sie mit dir teilen kann.“
Da war es an ihr einen Moment tiefer auszuatmen und doch sah sie nicht zurück, sondern ließ ihren Blick auf den dazu kommenden Buchstaben liegen, als würde sie viel eher zu sich selbst sprechen, als zu der einzigen Person, die Einfluss auf all die Wünsche nehmen könnte. Doch selbst ein Ilyas konnte weder seine noch ihre Gefühle befehligen, konnte seine Rolle in dem Krieg nicht ändern und wollte es womöglich nicht einmal. Es waren weibische Wünsche und womöglich beleidigte sie ihn gar damit, sich auf diese Weise um seine Sicherheit zu sorgen. „Ich wünsche mir, ich könnte die Frau sein, die dein Rang verdient. Manches Mal träumte ich davon, wie es wäre, eine Hochwohlgeborene zu sein. Doch ich wäre keine gute Frau hohen Standes“, fügte sie an und deutete ein Kopfschütteln an, als wolle sie den Gedanken gleich wieder vertreiben. „Ich würde mit meinen Dienern an einem Tisch sitzen und speisen, die Überreste auf der Straße verteilen, meine Tore offen halten, um Obdach zu bieten, Land zur Verfügung stellen, dass es frei bewirtschaftet werden könnte…“
Ein leises Lachen, sicherlich anerzogen und doch verlegen, während sie gleichzeitig ihren Rücken ein wenig mehr an seine Brust lehnte, als könne sie sich darin verstecken, ob der Torheit, die sie hier von sich gab. „Heofader tat gut daran, mich nicht zu einer adeligen Frau zu machen. So muss kein Hofstaat meinen törichten Ideen Einhalt gebieten, sondern nur du, mein armer Ehemann.“ Da legte sie ihren Kopf nach hinten an seine Schulter und blinzelte seitlich zu ihm auf, aber beinahe schon wieder erheitert, um die Wahrheit in ihren Wünschen zu verbergen. „Ich gab dir mein Versprechen, nichts zu tun, was deine Ehre beleidigen wird, und dieses werde ich halten. Ich trage deinen Namen, Ilyas“, und so selten wie der Name ausgesprochen worden war, klang er immer noch wundervoll in ihren Ohren, „dieses Blatt bezeugt es, und nie soll wegen mir ein schlechtes Wort mit deinem Namen verbunden sein.“