03-09-2025, 16:06 - Wörter:
Ihre Tochter, ihre Älteste, das Kind, das sie zu einer Mutter gemacht hatte, breitete nun ihre Flügel aus und würde in ihr eigenes Leben schreiten. Es war das komischste und zugleich beste Gefühl auf der ganzen Welt. Schon seit ihrer Schwangerschaft, damals, vor so vielen Jahren, war ihr klar gewesen, was es bedeuten würde, Kinder in die Welt zu setzen. Nicht in irgendeine Welt, nicht in irgendeine Familie, sondern in das Königsgeschlecht Matariyyas. Sie würden unter schweren Bedingungen aufwachsen, würden immer mit Argusaugen bewacht werden und würde nie so ganz sie selbst sein können, doch dass sie sie irgendwann würde loslassen müssen, damit hatte sie sich damals nicht beschäftigt. Und auch die ganzen letzten Jahre war das ein Thema gewesen, das sie lieber totgeschwiegen hatte. Yasirah war nicht besonders gut darin über Emotionen zu reden, fühlte sich dann oft so schutzlos und ausgeliefert, sodass sie es in den letzten Jahren tendenziell eher vermieden hat, solche Dinge laut auszusprechen. Doch sie wusste, dass sie es bereuen würde, wenn sie es an diesem Abend nicht täte. Wenn sie ihrer Tochter nicht sagen würde, wie sehr sie sie liebte und vermissen würde. Gleichzeitig war ihr klar geworden, dass Naila diese Worte schon viel eher verdient hätte. Sie viel eher hätte hören müssen. Doch die Mauern des Schutzes in ihrem Geiste waren zu hoch gewesen.
"
"
Ich danke dir
", flüsterte sie leise und folgte Nailas Blick in den Himmel. Ihr Kind war so perfekt geworden, obwohl sie so eine unperfekte Mutter gehabt hatte. Abwesend, beschäftigt, emotional distanziert, teilweise ignorant gegenüber anderen Stimmen, die nicht die ihre waren, leidenschaftlich und impulsiv. Und in jederlei Hinsicht war Naila das Gegenteil geworden. "Oh, ich hoffe nicht, dass sie mir so ähnlich ist. Denn dann wirst du auf jeden Fall einiges zu tun haben mit ihr. Ich glaube sie ist die perfekte Mischung aus uns allen. Sie ist lebensfroh und quirlig wie Malek, so intelligent und neugierig wie du, strategisch und bewahrt in jeder Situation einen kühlen Kopf wie dein Vater und den Sturkopf hat sie auf jeden Fall von Fayyad. Was sie genau von mir hat, keine Ahnung. Vielleicht ihr Feuer
", fasste sie lächelnd zusammen und nickte bedächtig. "Ich würde mich freuen immer mal wieder von ihr zu lesen. Aber auch von dir. Erzähle mir, wie es dir dort ergeht und ob alle nett zu dir sind
", murmelte sie leise und beobachtete sie, wie sie die Seerose wieder zurück ins Wasser setzte. Als würde auch sie der Prinzessin alles Gute wünschen, schwamm sie noch einen Moment am Ufer, ehe ein Windstoß sie erfasste und ein wenig mehr in die Seemitte schwimmen ließ. "Ich werde dir auch schreiben, versprochen. Und auf Vater, Malek und Fayyad aufpassen
", versprach sie und strich sich die dunklen Haare aus dem Gesicht. Wie sehr sie dieses Versprechen noch bereuen würde, konnte Yasirah ben Sahid jetzt noch nicht erahnen. "Es ist schon spät
", murmelte sie leise. Auch, wenn es schwer war sich zu lösen, dieses Gespräch zu beenden, wo es doch für sehr lange Zeit ihr letztes sein würde, so war ihnen beiden bewusst, dass der Tag morgen schon sehr früh beginnen würde. "Wir müssen morgen früh raus. Und es wird ein aufregender Tag
", erklärte sie leise, wohlwissend, dass Naila beides mehr als klar war. "Lass uns in die Gemächer gehen und noch eine gute Portion Schlaf abgreifen. Die werden wir beide morgen gut gebrauchen können", sagte sie leise und wartete darauf, dass sich Naila in Bewegung setzte. Wenn sie sich jetzt nicht von ihrer Tochter löste, würde sie es vielleicht die ganze Nacht nicht tun. "Ich liebe dich
", flüsterte sie und zog die Prinzessin ein letztes Mal in eine feste Umarmung.
