12-03-2024, 00:03 - Wörter:
Ihr wehmütiger Blick tötete seine kalte Zuversicht. Der Frost seiner Seele zerbarst und ließ eine seltene Wärme zu, die an eine ferne Menschlichkeit erinnerte. Belisarius spürte mit der Wärme jene wachsende Furcht, da er sich schämte. Er schämte sich dafür, dass er dieser Mensch war, der er eben war: Ein Meuchelmörder, Kriegsherr, Söldner und Hauptmann; alle Beschreibungen waren grausam und begleitet von Leid, Pein und Gewalt. Was war aus ihm geworden, was hatte er getan und doch war er sich sicher, dass er in dieses Leben zurückkehren musste. Erlösung war nicht sein Geschäft. Seine Hand zitterte unruhig, so dass er sie ablegen musste. Sie starrte in sein Gesicht, suchte dort was und Belisarius spürte es, wie sie ihn mit etwas verband, was er bestimmt nicht sein konnte. Daphne sprach es aus. Er sollte ihr Vater sein? Er konnte sich nicht an eine Nacht erinnern, die dies möglich gemacht hätte und noch dazu war das Alter unpassend, alles schien nicht zu stimmen aber ihre Wehklage und Frage traf ihn. Sie war möglicherweise eine Halbwaise oder Vollwaise, war gleichsam einsam, wie er selbst und überforderte das Schicksal selbst mit dieser Frage. Sie suchte ihren Vater, wollte möglicherweise ebenso, wie er selbst, ein Zuhause, das diesen Namen auch verdiente. Belisarius Augen fanden eine glasige Erscheinung, verbargen aber alle Tränen, da er scheinbar verlernt hatte, zu weinen. Was sollte er tun? Was konnte er tun? Zögerlich hob er seine Hand, um Daphne vorsichtig zu umarmen, sofern sie diese Umarmung zuließ. Es war der Rest einer menschlichen Geste, die ihm jetzt notwendig erschien. Eine Umarmung, das brauchten Menschen in unruhigen Zeiten oder in traurigen Stunden. Der Kriegsherr ließ für einen Moment das Leben der Gewalt hinter sich zurück, um dieser armen Seele, für ein paar Atemzüge Geborgenheit zu geben; auch wenn diese mittelfristig eine Lüge war. Manchmal waren Lügen besser als die kalte Wahrheit, die so sehr schmerzte, dass sie unerträglich war. Gerne wäre er ihr Vater gewesen, hätte ihr eine Zukunft geschenkt und doch war er es einfach nicht. Belisarius blickte mit seinen durch Mitgefühl getrübten Augen auf Daphne herab. Er wollte etwas sagen, also tat er etwas, was er in Notlagen gerne tat: Er log. Dieses mal in guter Absicht. Er wollte ihr eine erneute Suche ersparen. "Dein Vater war Teil meiner Familie und auf dem Sterbebett beauftragte er mich, mich um dich zu sorgen. Ich mag nicht dein Vater sein aber ich biete dir eine Familie an, die dich aufnimmt und sich um dich kümmern wird," konstruierte er eine Geschichte, die er noch bereuen würde. Diese Worte brachen aus ihm heraus, da er sich selbst ein echtes Zuhause wünschte und vielleicht mit dieser Lüge ein Zuhause auf Zeit schaffen konnte. Hatte er die Absicht Daphne zu adoptieren? Vielleicht oder vielleicht auch nicht. Zu ungenau war diesen schnellen Lügen geplant und da Belisarius emotional geworden war, war die Lüge noch unsauberer gestaltet, so dass die Folgen unabsehbar waren. Sein eigenes Herz raste, als er erwartungsvoll auf ihre Reaktion wartete. Belisarius hoffte mit dieser Lüge wenigstens eine Seele in dieser Welt retten zu können, wenn er schon seine eigene verloren hatte.
